Stellungnahme zum Antrag
191/2011
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
10/21/2011
Der Oberbürgermeister
GZ:
OB 1001-00
Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
FDP-Gemeinderatsfraktion
Datum
05/10/2011
Betreff
Wir verlassen uns nicht auf einen robusten Magen!
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Bei der Dienststelle Lebensmittelüberwachung des Amts für öffentliche Ordnung haben sich seit der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform im Jahr 2005 nachhaltige Veränderungen ergeben. In den vergangenen Jahren war die Situation bei der Lebensmittelüberwachung und beim Verbraucherschutz geprägt durch die Übernahme neuer Aufgaben durch die Verwaltungsstrukturreform des Landes und durch EU-Recht. Diese Aufgabenzuwächse gingen nicht einher mit ausreichenden Personal- bzw. Finanzaufstockungen, so dass Defizite in der Aufgabenerledigung bei der Lebensmittelüberwachung und dem Verbraucherschutz entstanden sind. Nach Auffassung der Kommunen handelt es sich bei den zugewiesenen Aufgaben überwiegend um solche, für die das Land zuständig ist und deshalb im Rahmen der Konnexität finanzielle Zuweisungen für Personalressourcen zu erbringen hätte. Sowohl die Stadt Stuttgart als auch der Städtetag Baden-Württemberg haben einen Kostenausgleich für Teile dieser übertragenen Aufgaben gefordert, bislang ohne Erfolg. Entsprechende, durch den Gemeinderat der Stadt Stuttgart geschaffene Planstellen, unterliegen bis zur Finanzierung durch das Land einem Besetzungsvorbehalt. Die Aufgabenerledigung kann nur in geringem Umfang erfolgen und geht zu Lasten von vorgegebenen Kontrollquoten (siehe unter 2.1).
Derzeit prüft das Land die Stärkung der Lebensmittelüberwachung und des Verbraucherschutzes und hat angekündigt, die Zahl der Stellen von Lebensmittelkontrolleuren und Amtstierärzten anzuheben. Sollten die derzeit in der Diskussion befindlichen Stellen vom Land bewilligt und gemäß einem mit den Stadt- und Landkreisen abgestimmten Verteilungsschlüssel verteilt werden, würde der dadurch erreichte Zuwachs von ca. 3 Stellen für die Stadt Stuttgart das vorhandene Defizit allerdings nach wie vor nicht ausgleichen. Zu beachten ist weiterhin, dass – selbst wenn Stellen bewilligt werden – derzeit kein ausgebildeter Lebensmittelkontrolleur auf dem Arbeitsmarkt eingestellt werden kann. Aktuelle Ausschreibungen belegen dies. Alternativ werden deshalb Mitarbeiter/innen eingestellt, die durch die Stadt Stuttgart im Rahmen der zweijährigen Ausbildung an der Akademie für Veterinär- und Lebensmittelwesen zum Lebensmittelkontrolleur ausgebildet werden können. Diese blockieren jeweils eine Planstelle für ausgebildete Lebensmittelkontrolleure, obwohl deren Arbeitsleistung erst zwei Jahre nach der Stellenbesetzung zur Verfügung steht.
Zur Abmilderung der Defizite bringt die Verwaltung zwei Stellenplananträge in die Haushaltsplanberatungen ein (1,0 Planstelle für einen Auszubildenden, 0,5 Stellen zur Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten und Gebühren).
Nachstehend der in Frage 1 gewünschte Bericht (mit Anlagen) über die Lebensmittelüberwachung und den Verbraucherschutz beim Amt für öffentliche Ordnung.
Die Frage 2 zu den Ausbildungsplätzen wird darin speziell unter Ziffer 1.1 und in der Anlage 1 behandelt.
Bericht über die Lebensmittelüberwachung und den Verbraucherschutz beim Amt für öffentliche Ordnung – Veränderungen seit der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform im Jahr 2005
1. Aufgabenzuweisungen im Rahmen der Verwaltungsstrukturreform
Mit der Verwaltungsstrukturreform erhielten die unteren Verwaltungsbehörden zum 01.01.2005 neue Pflichtaufgaben nach Weisung (vgl. GRDrs 147/2004 und 1109/2004). Der Bereich der Lebensmittelüberwachung wies dabei Besonderheiten auf, die in anderen von der Verwaltungsstrukturreform betroffenen Bereichen so nicht zum Tragen kamen:
1.1 Ausbildung von Lebensmittelkontrolleuren durch die Stadt Stuttgart
Das zur Aufgabenerfüllung erforderliche Personal wurde nicht zur Landeshauptstadt Stuttgart versetzt, sondern Polizeibeamte/-beamtinnen des
ehemaligen Wirtschaftskontrolldienstes (WKD)
wurden zeitlich befristet abgeordnet mit dem Ziel, nach einer Neuausbildung von Lebensmittelkontrolleuren/-kontrolleurinnen (LMK), spätestens zum 31.12.2009 zur Polizei zurückzukehren. In dieser Zeit war es Aufgabe der Landeshauptstadt, eigene LMK einzustellen bzw. auszubilden, die dann stufenweise die abgeordneten Beamten ersetzten
(siehe Anlage 1).
Ø
Zur Aufgabenerledigung ist - neben einer bereits finanzierten Ausbildungsstelle (enthalten im Vorschlag der Verwaltung zum Stellenplan 2012/2013) - die
Bereitstellung einer zweiten Ausbildungsplanstelle
sinnvoll, um jährlich alternierend eine Ausbildung zum LMK zu ermöglichen.
1.2 Austausch von WKD-Beamten durch beschäftigte LMK
Das zur bisherigen Aufgabenerfüllung bei der Polizei eingesetzte Personal bzw. die finanziellen Mittel dazu wurden bei der Aufgabenübertragung nicht komplett an die Stadt Stuttgart überstellt, sondern der Personalkörper wurde von 24 WKD-Beamten (beim Land) auf 18 WKD-Beamte (für die Stadt) reduziert. Inzwischen sind alle abgeordneten ehemaligen WKD-
Beamten
durch seitens der Stadt Stuttgart selbst ausgebildete „
beschäftigte
“ LMK ersetzt worden.
Ø
Der Kapazitätsverlust, der durch den Austausch von 18 WKD-
Beamten (41 Std.-Woche)
zu 18 selbst ausgebildeten LMK im
Beschäftigtenverhältnis (39 Std.-Woche)
entstanden ist, bewegt sich in der Größenordnung
einer Planstelle.
2. Aufgabenzuweisungen über das Verwaltungsstrukturreformgesetz hinaus
Zeitgleich mit der Verwaltungsstrukturreform trat eine vollständige Umwälzung des Lebensmittelrechts in Kraft.
2.1 EU-Hygiene-Paket
Das alte Lebensmittel- und Bedarfsmittelgesetz (LMBG) wurde durch das
Hygienepaket der EU
(EU-Verordnung 852/2004, 853/2004, 854/2004, 882/2004 sowie 178/2002) sowie das
Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch
(LFGB) ersetzt. Durch das EU-Hygienepaket und die damit zusammenhängenden nationalen Vorschriften wie das LFGB sowie die Allgemeine Verwaltungsvorschrift Rahmenüberwachung (AVVRüB) wurden den Lebensmittelbehörden neue Aufgaben zugewiesen. Für diesen Aufgabenzuwachs wurden 3,25 Stellen im Stellenplan der Stadt geschaffen, vor allen Dingen für die Aufgabenbereiche
Qualitätssicherung in der Behörde, Rückverfolgbarkeit bei den Lebensmittelbetrieben sowie Risikobeurteilung der Lebensmittelbetriebe.
Die
Stellenbesetzung ist jedoch mit einem Vorbehalt der Finanzierung durch das Land versehen, sodass diese Stellen bis heute nicht besetzt sind
(siehe Anlage 2)
.
2.2 Risikoorientierte Betriebskontrolle und Probennahme
Das EU-Recht und daraus nachfolgend die nationalen Durchführungsvorschriften sehen darüber hinaus eine
risikoorientierte Betriebskontrolle und Probennahme
vor. Die grundsätzlich richtige Auffassung, dass die Kontrollfrequenz der Lebensmittelbetriebe vom Risikopotential der Betriebe abhängig sein muss, wurde im Jahre 2010 neu definiert. Dadurch stieg die Anzahl der durchzuführenden Kontrollen im Bereich der Landeshauptstadt Stuttgart stark an und bewegt sich im Moment auf einem Niveau von
ca.
15.000 Betriebskontrollen
pro Jahr. In dieser Zahl sind die Kontrollen von vielen Veranstaltungen, die im Laufe des Jahres teilweise mit großen Teilnehmerzahlen stattfinden, und die große Fluktuation im Gaststättengewerbe
nicht eingerechnet.
Bei einer langjährigen Durchschnittsleistung von 2,5 Kontrollen pro Kontrolleur und Tag sind aus den Erfahrungen der letzten Jahre mit dem vorhandenen Personal etwa
10.000 Betriebskontrollen pro Jahr möglich
(siehe Anlage 3)
.
Ø
Zum Abbau des Defizits bei den erforderlichen Betriebskontrollen wäre die
Schaffung zusätzlicher Stellen für Lebensmittelkontrolleure
notwendig. Die heutige Jahresleistung von ca. 10.000 Kontrollen entspricht 67 % der notwendigen Kontrollen. Durch die geplante Einführung des Hygienebarometers wird die Diskrepanz zwischen vorgegebenen und durchgeführten Betriebskontrollen voraussichtlich noch weiter ansteigen.
2.3 Rechnungsprüfungsamt – Ordnungswidrigkeiten / Gebühren
Im Jahr 2008 wurde die Dienststelle Lebensmittelüberwachung, Verbraucherschutz und Veterinärwesen durch das
Rechnungsprüfungsamt einer örtlichen Prüfung
unterzogen. Hierbei wurden nicht erledigte Bußgeldverfahren im Bereich von 2007 durch EU-Recht neu eingeführten Gebührentatbeständen für Betriebskontrollen über das normale Maß hinaus beanstandet. Durch überplanmäßigen Personaleinsatz konnte inzwischen eine sachgerechte Aufgabenerledigung sichergestellt werden
(siehe Anlage 5)
.
Ø
Zur sachgerechten Aufgabenerledigung schlägt die Verwaltung die Schaffung einer
halben Planstelle zur Bearbeitung von Gebühren und Ordnungswidrigkeiten vor
(enthalten im Vorschlag der Verwaltung zum Stellenplan 2012/2013, da kostendeckend).
2.4 Energiekennzeichnungsverordnung
Darüber hinaus entwickelt sich das Verbraucherschutzrecht weiter und weist den Behörden weitere neue Aufgaben zu. Beispielsweise sei hier erwähnt die Überprüfung der Einhaltung von Vorgaben der
Energiekennzeichnungsverordnung
im Bereich der Haushaltsgeräte und im PKW-Bereich
(siehe Anlage 5).
Weitere Aufgaben, wie Kontrollen nach der
Preisangabenverordnung
, wurden den unteren Verwaltungsbehörden im Rahmen der Verwaltungsstrukturreform ohne Personalzuweisung übertragen bzw. es handelt sich um Aufgaben, für die der ehemalige WKD mit zuständig war, und dieser Personalanteil wurde, da es sich nicht um Aufgaben der Lebensmittelüberwachung, sondern anderer Rechtsgebiete handelt, aus den Personalzuweisungen herausgerechnet. Die Erledigung zusätzlicher Aufgaben ohne Personalausgleich geht zu Lasten vorgegebener Kontrollquoten.
3. Ausblick
Auch künftig zeichnen sich neue Aufgaben ab, die die Lebensmittelüberwachung zusätzlich bewältigen soll. Insbesondere der weitere Ausbau der Überwachung nach der Energiekennzeichnungsverordnung in verschiedensten Produktgruppen aber auch die geplante Transparenz der Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung (
Smiley/Hygienebarometer; Internetportal Lebensmittelklarheit
) werden die Lebensmittelkontrolleure und Tierärzte der Dienststelle vor weitere große Herausforderungen stellen. Es bleibt abzuwarten, wie diese neuen Aufgaben sich über den kommenden Doppelhaushalt 2012/2013 auswirken und ob das Land seiner Verantwortung zur Finanzierung gerecht wird.
Dr. Wolfgang Schuster
Anlagen
Anlage 1 – Ausbildung von LMK
Anlage 2 – EU-Hygiene-Paket
Anlage 3 – Risikoorientierte Kontrollen und Probenahmen
Anlage 4 – Rechnungsprüfung – Ordnungswidrigkeiten / Gebühren
Anlage 5 – Energiekennzeichnungsverordnung
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_191-2011 Anlage 1 (Ausbildung).doc
_191-2011 Anlage 2 (Bea-Beschäftigte).doc
_191-2011 Anlage 3 (3,25 Stellen EU-Hygienepaket).doc
_191-2011 Anlage 4 (Risikoorientierte Kontrollen).doc
_191-2011 Anlage 5 (OWis-Gebühren).doc