Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz:
GRDrs 846/2009
Stuttgart,
10/06/2009


Zukunft des Planetariums



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussKenntnisnahmeöffentlich04.11.2009

Bericht:


1. Sanierungsbedarf des Planetariums am alten Standort

a) Investitionen:

Mit der Mitteilungsvorlage 372/2009 hat die Verwaltung den notwendigen Erneuerungsbedarf für die Ausstattung und der Präsentationstechnik des Planetariums mitgeteilt, der insgesamt bei 4,8 Millionen Euro liegt.

Zugleich habe ich im Auftrag des Gemeinderats die Firma Nixdorf Consult gebeten, den Sanierungsbedarf des Planetariums am bisherigen Standort gutachterlich zu überprüfen. Der abschließende Bericht liegt vor (Anlage) und macht deutlich, dass eine Grundsanierung, die nach über 30 Jahren – das Planetarium wurde am 22. April 1977 eröffnet – erforderlich ist, sowie notwendige energetische Verbesserungen Kosten von mindestens 4,2 Millionen Euro mit sich bringen würden. Darin sind auch Maßnahmen enthalten, die dann anfallen, wenn die Erneuerung der Ausstattung und der Präsentationstechnik im Umfang von 4,8 Millionen Euro im Zuge der Haushaltsberatungen realisiert würde.

Für die insgesamt 9 Millionen Euro an Investitionskosten stehen im aktuellen Haushalt 5 Millionen Euro zur Verfügung, weitere 4 Millionen Euro müssen noch finanziert werden.

b) Entwicklung der laufenden Zuschüsse:

Im Jahr 2008 haben rund 130.000 Besucher die Sternenvorführungen des Planetariums besucht. Die Eintrittspreise liegen derzeit bei 6 Euro bzw. ermäßigt 4 Euro, insgesamt wurden dabei ca. 600.000 Euro eingenommen. Auf der Grundlage des aktuellen Haushaltsplans 2008/2009 ergibt sich ohne kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen ein jährlicher Finanzbedarf von knapp 1,4 Millionen Euro und damit ein jährlicher Abmangel von rund 800.000 Euro.

c) Die Baumaßnahmen für Stuttgart 21:

Die Planfeststellung aus dem Jahr 1995 für Stuttgart 21 legt fest, dass der Betrieb des Planetariums aufrechterhalten bleiben kann, die Zugänglichkeit muss in allen Bauphasen möglich sein. Allerdings ist mit Erschwernissen zu rechnen. Dies in erster Linie deshalb, weil im gesamten Umfeld des Planetariums die Bahn das Recht hat, Flächen während der Bauzeit, zum Beispiel für den Düker des Nesenbachs, die Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie, den Fernbahnhof, aber auch für Baustraßen, Lagerflächen, Container, Werkstatt u.ä. in Anspruch zu nehmen (Anlagen 1 bis 3):

Die Zuschauerzahlen des Planetariums stagnieren, was sich in der Baustellensituation ab 2010 noch verschlimmern wird. Dies um so mehr, als die Sanierung und der Einbau der neuen Technik längere Phasen in Anspruch nehmen werden, in denen das Planetarium seinen Betrieb unterbrechen muss. In der Summe haben wir hier mit einem Jahr zu rechnen.

Insoweit erwarten uns an diesem Standort über die Investitionen hinaus rund 1 Million Euro städtischer Zuschuss pro Jahr für den laufenden Betrieb, d.h. jeder Besucher wird dann im Durchschnitt mit rund 10 Euro subventioniert. Für ein Planetarium am alten Standort werden wir also in den kommenden zehn Jahren rund 20 Millionen Euro ausgeben, wenn wir diesen Zuschussbedarf mit betrachten.

In dieser Situation gibt es für das Planetarium zwei alternative Perspektiven, die beigefügte Tabelle (Anlage 4) erleichtert den Vergleich:


2. Neubau des Planetariums an neuem Standort

a) Investitionen:

Die Baukosten liegen bei dieser Variante bei rund 9 Millionen Euro. Dabei gehen wir von einer Nutzfläche aus, die mit der Situation heute und dem Flächenangebot im Rahmen der Synergien mit dem MEZ vergleichbar ist. Hinzu kommen die Kosten für die Erneuerung der Ausstattung und der Präsentationstechnik von 4,8 Millionen Euro sowie die Umzugskosten. Insgesamt kommen wir so auf Investitionskosten in Höhe von 14,3 Millionen Euro. Auch hier steht für die Investitionen nur der Baukostenzuschuss in Höhe von 5 Millionen Euro zur Verfügung, weitere 9,3 Millionen Euro müssen noch finanziert werden.

b) Entwicklung der laufenden Zuschüsse:

Umgekehrt gehen wir davon aus, dass mit einer umfassend ertüchtigten Technik wesentlich attraktivere Angebote als bisher zu realisieren sind. Die künftigen Besucherzahlen bei dieser Alternative sind allerdings nur schwer abschätzbar, ebenso ein marktgängiger Eintrittspreis.

Wir gehen daher bei unserem Vergleich von folgender Annahme aus: Die Besucherzahl nimmt gegenüber dem aktuellen Ist-Stand um 30 % zu, der nicht ermäßigte Eintrittspreis kann bei ca. 9,- Euro pro Einzelticket liegen. 180.000 Besucher bezahlen dann 6,90 Euro netto (Durchschnittwert ermittelt auf Grundlage der derzeitigen Relation von Preis und Zuschauer, umgerechnet auf 9,- Euro brutto). Wir können für den städtischen Haushalt in den ersten Jahren mit Einnahmen in Höhe von etwas über 1,2 Millionen Euro kalkulieren.

Bei einem Finanzbedarf des Planetariums pro Jahr von knapp 1,4 Millionen Euro (ohne kalkulatorische Kosten) reduziert sich der Zuschuss in den laufenden Betrieb insoweit auf 200.000 Euro pro Jahr, wobei wir für die Zukunft von einem steigenden Finanzbedarf ausgehen müssen.

Wenn darüber hinaus das alte Planetariumsgebäude als „Blue Box“ für Baustellen-Touristen oder als Baubüro genutzt wird (s.u.), könnten wir Mieteinnahmen von mindestens 140.000 € kalkulieren und insoweit bei dieser Variante das Planetarium fast zuschussfrei betreiben.

In der Zehnjahresbetrachtung kommen wir so auf Gesamtkosten in Höhe von
16 bis 18 Millionen Euro.


3. Neubau in Synergie mit dem MEZ

a) Investitionen:

Für den Neubau des Planetariums im Synergiekonzept mit dem MEZ fallen für das Planetarium die Kosten für Projektionssaal, Nebenräume und Ausstattung in der kalkulierten Höhe von 5 Millionen Euro sowie die Erneuerung der Technik (4,8 Millionen Euro) und die Umzugskosten an. Gemeinsam mit dem MEZ genutzte Räume werden im Rahmen eines Kooperationsabkommens an das Planetarium überlassen. Insgesamt kommen wir so auf Investitionskosten in Höhe von 10,3 Millionen Euro.

Wir haben in Vorbereitung des Investoren- und Architektenwettbewerbs die Stuttgarter Firma Wolff & Müller gebeten, unseren Kostenansatz zu überprüfen. Als Ergebnis dieser Prüfung ist festzuhalten, dass wir die Bau- und Planungskosten deutlich tiefer als bisher geplant ansetzen können.

Mit den vorgesehenen 30 Millionen Euro aus der Kapitalherabsetzung der Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrs GmbH (SVV) um 25 Millionen Euro, die der Gemeinderat bereits im vergangenen Jahr beschlossen hat (GRDrs. 53/2008, Beschluss vom 17. Juli 2008), und dem bereits etatisierten Baukostenzuschuss von 5 Millionen Euro für das Planetarium ist nicht nur das neue Planetarium komplett finanziert, sondern auch dessen Ausstattung und Technik.


b) Entwicklung der laufenden Zuschüsse:

Für den zukünftigen Betrieb im MEZ erwarten wir eine Verdoppelung der Besucherzahl des Planetariums auf 280.000 bis 300.000 Personen, die auch bereit sind, höhere Eintrittspreise zu bezahlen. Derzeit angedacht sind 9,- Euro für eine Einzelkarte Erwachsene. Diese Zahlen sind bei dieser Variante um so realistischer, als das Planetarium von einer deutlich erhöhten Besucherfrequenz bei einem gemeinsamen Standort mit dem MEZ profitiert:

Selbst wenn wir nur von der aktuellen Besucherzahl des Planetariums ausgehen und – konservativ geschätzt – 150.000 Besucher pro Jahr annehmen, die ergänzend eine „Kombikarte“ mit dem MEZ nutzen, ist bei einem Ticketanteil des Planetariums von 7,50 Euro (6,30 Euro netto) pro Kombikarte mit 945.000 Euro pro Jahr an Mehreinnahmen im Vergleich zu heute zu rechnen.

Ermäßigungen sind noch nicht definiert und kalkuliert. Umgekehrt auch nicht die Möglichkeit, in einem solchen Synergieverbund neue Veranstaltungsangebote zu machen (z.B. durch Vermietung des Planetariums für Präsentationen Dritter).

Weitere Synergien gegenüber dem bisherigen Betrieb entstehen für das Planetarium bei der Nutzung der Vortragsräume, von Eingangsbereich, Ticketing, Kasse, Cafeteria, Labors, Marketing. Dies ist in einem Kooperationsvertrag abschließend zu regeln, der gerade ausgearbeitet wird. Das Planetarium wird eine jährliche Pacht an die Besitzgesellschaft von 100.000 Euro und einen Kostenbeitrag von 275.000 Euro an die Betreibergesellschaft des MEZ für Energie, Reinigung, Pflege Außenbereiche, Reparaturen, Versicherungen, Marketing und Vertrieb sowie einen Personalpool bezahlen.

Der städtische Zuschuss wird auf Null reduziert. Das Gesamt-Ensemble aus Planetarium und MEZ in Bad Cannstatt funktioniert ohne Folgekosten für den laufenden Betrieb.

Hinzu kommen Mieterlöse für das alte Planetariumgebäude in Höhe von mindestens 140.000 € pro Jahr, die dem städtischen Haushalt zufließen können.


4. Kalkulatorische Kosten

Die kalkulatorischen Kosten – kalkulatorische Verzinsung, Abschreibungen, die sich durch die Investitionen:

ergeben, bleiben bei dieser vergleichenden Berechnung außer Betracht, da sie bei allen drei Standortvarianten anfallen.


5. Weitere Schritte

a) Das durch Vertrag vom 20. Juni 1974 zwischen der Landeshauptstadt und der Industriehof AG vereinbarte Erbbaurecht endet zum 31. Dezember 2009. Im Hinblick auf die bisher geplante Verlegung des Planetariums in das MEZ bis ca. 2012 war ggf. für die Übergangszeit eine entsprechende Verlängerung des Erbbaurechts vorgesehen. Verhandlungen hierüber mit dem Erbbauberechtigten haben allerdings noch nicht stattgefunden, im Erbbaurechtsvertrag ist über eine etwaige Verlängerung nichts geregelt. Falls das Erbbaurecht nicht verlängert wird, müsste die Landeshauptstadt nach Erbbaurechtsende vertragsgemäß das Gebäude abreißen oder an den Erbbauberechtigten eine Entschädigung von 1/5 des Werts des Bauwerks entrichten.

Bei Übernahme des Gebäudes kann die Stadt dafür mindestens 140.000 € an Miete einnehmen (s.u.).


b) Derzeit gibt es keine genauen Zeitpläne der Deutschen Bahn AG für die verschiedenen Bauaktivitäten in Zusammenhang mit Stuttgart 21. Sobald wir hier klarer sehen – das wird in einigen Monaten der Fall sein – werden wir die Verhandlungen mit der Bahn aufnehmen.

Dabei wäre zu klären, in welchem Umfang die Deutsche Bahn sich an den Umzugskosten für das Planetarium beteiligt und ob sie das alte Gebäude des Planetariums zum Beispiel als „Blue Box“ für Baustellen-Touristen oder als Baubüro anmietet. Die Bahn könnte sich so erhebliche Aufwendungen beim Lärm- und Erschütterungsschutz sparen.

c) Es kommen etwa 1.720 qm Nutzfläche zur Vermarktung. Derzeit bezahlt die Landeshauptstadt an die Industriehof AG monatlich 11.930 Euro Grundmiete, was in etwa 7,00 Euro/qm entspricht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gesamte Bauunterhaltung einschließlich Dach und Fach von der Landeshauptstadt getragen wird. Wenn der künftige Nutzer die laufende Bauunterhaltung in vollem Umfang übernimmt, ist die derzeitige Quadratmetermiete von 7,00 Euro weiterhin angemessen und gerechtfertigt. In der Summe wäre dies eine Grundmiete von rund 140.000 Euro pro Jahr.

d) Die Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrs GmbH (SVV), eine 100 %ige Tochter der Stadt, hat den Gesellschaftszweck, ihre Mittel für Dienstleistungen im Mobilitätsbereich zur Verfügung zu stellen. Dementsprechend hat der Gemeinderat bereits im vergangenen Jahr mit breiter Mehrheit eine Kapitalherabsetzung in Höhe von 25 Millionen Euro beschlossen.

e) Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) hat bereits in der unteren Halle des Straßenbahndepots ein Straßenbahnmuseum („Straßenbahnwelt“) eröffnet, das künftig in das MEZ integriert werden soll. Die Besucher des MEZ werden auch zu separaten Besuchen der Straßenbahnwelt und zu Fahrten im historischen Betrieb animiert. Die SSB geht von einem Synergieeffekt, und damit von einem finanziellen Vorteil in Höhe von bis zu 150.000 Euro pro Jahr aus.


6. Fazit

a) Für ein Planetarium am alten Standort müssen wir 9,6 Millionen Euro investieren, 5 Millionen Euro sind bislang als Baukostenzuschuss budgetiert, 4 Millionen Euro sind noch zu finanzieren. In den kommenden 10 Jahren sind bei dieser Variante auf jeden Fall rund 20 Millionen Euro städtischer Haushaltsmittel vorzusehen.

b) Ein Neubau des Planetariums ohne Synergieeffekte mit dem Mobilitäts-Erlebniszentrum (MEZ) würde in 10 Jahren zu Aufwendungen von rund 16 bis 18 Millionen Euro führen. Auch in diesem Fall sind nur 5 Millionen Euro als Baukostenzuschuss budgetiert, 9,3 Millionen Euro sind noch zu finanzieren, der jährliche Zuschuss in den laufenden Betrieb ist deutlich geringer.

c) Die Bau-, Planungs- und Ausstattungskosten des Planetariums bei einem gemeinsamen Standort mit dem MEZ in Höhe von 10,3 Millionen Euro sind in den bereits beschlossenen 30 Millionen Euro enthalten, also durchfinanziert. Es entstehen keine Folgekosten.


7. Vorschlag

Planetarium und MEZ sind zentrale Bildungseinrichtungen insbesondere für unsere Kinder und – im Sinne eines „lebendigen Klassenzimmer“ – für die Schülerinnen und Schüler im Rahmen des naturwissenschaftlichen und technischen Unterrichts. Gerade am Mobilitätsstandort Stuttgart ist die vom Gemeinderat grundsätzlich auf den Weg gebrachte Synergielösung eine wichtige Investition in die Bildung.

Da im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen eine Entscheidung nicht zwingend ist, sollte erst nach Vorliegen der Zeitpläne der Deutschen Bahn AG und den Verhandlungen mit der Bahn im Laufe des Jahres 2010 über die Varianten entschieden werden. Das Erbbaurecht für das alte Planetarium ist dabei ebenfalls zu verhandeln. Im Laufe des Jahres 2010 ist auch die weitere Finanzentwicklung der Landeshauptstadt besser absehbar, deshalb sollte eine Entscheidung des Gemeinderats bis auf weiteres verschoben werden.


Beteiligte Stellen




Vorliegende Anträge/Anfragen

Anfrage 311/2009 vom 24.08.2009 der Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN




Dr. Wolfgang Schuster






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846-2009 Zukunft Planetarium Tabelle Anlage 4.pdf
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846-2009 - Anlage 3 Teilbaumaßnahmen mit Auswirkungen auf das Planetarium.pdf
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846-2009 - Anlage 3 Grobablauf Südkopf.pdf
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846-2009 - Anlage 1+2 Bauaktivitäten Bereich Planetarium.pdf
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846-2009 - Anlage Gutachten Nixdorf.pdf
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Vorlage8462009.pdf