Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 251/2017
Stuttgart,
05/18/2017


Teilhabe am Arbeitsleben - Betriebsintegrierte Arbeitsplätze der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) - Bericht



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
29.05.2017
30.06.2017

Bericht:


Gesetzliche Grundlage und Aufgabenbeschreibung

Die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) ist gemäß § 136 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches IX eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie soll Menschen mit Behinderung, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anbieten und ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Die WfbM fördert den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen. Sie verfügt über ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen sowie über qualifiziertes Personal und einen begleitenden Dienst. Zum Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen gehören ausgelagerte Plätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die ausgelagerten Arbeitsplätze werden zum Zwecke des Übergangs und als dauerhaft ausgelagerte Plätze angeboten.


Betriebsintegrierte Arbeitsplätze der WfbM

In der Landeshauptstadt Stuttgart bieten die Träger der WfbM, das bhz Stuttgart e. V. (47 Plätze), die Neckartalwerkstätten des Caritasverbands für Stuttgart e. V. (51 Plätze) und die Lebenshilfe Stuttgart e. V. (18 Plätze) insgesamt 116 „ausgelagerte“ bzw. „betriebsintegrierte Arbeitsplätze“ an (Stand: Februar 2017). Diese 116 Plätze entsprechen einem Anteil von knapp 14 % aller WfbM-Plätze in der Landeshauptstadt Stuttgart (bezogen auf 861 Plätze, Datenerhebung 2015). Betriebsintegriert (Kurzform BiA oder BiAP) sind alle WfbM-Plätze, die außerhalb der anerkannten WfbM-Standorte in Firmen und regulären Wirtschaftsunternehmen ausgeübt werden. Dazu zählen auch die WfbM-Arbeitsplätze, die bei Trägern der Eingliederungshilfe in Wohnheimen oder in deren Verwaltung angesiedelt sind.

Die Tätigkeiten liegen z. B. in den Bereichen Hauswirtschaft, Hausmeistertätigkeiten, Verpackungsarbeiten, Montagetätigkeiten, allgemeine Bürotätigkeit, Postverteilung, Rechnungsablage, Kommissionierung, Konfektionierung, Betreuungsaufgaben, Mithilfe im Kindergarten, in der Altenhilfe, in der Wäscherei, bei der Demontage von Kraftfahrzeugen und in der Autowerkstatt, bei der Montage von Steuerungstechnik, Hilfstätigkeiten im Lebensmitteleinzelhandel und in der Tierhandlung, Tierpflege, Mithilfe bei der Theaterrequisite oder in einer Schreinerei. Beispielhaft sind Tätigkeiten in Anlage 1a, 1b und 1c beschrieben.

Belegung und Dauer der Beschäftigung

Betriebsintegrierte Arbeitsplätze werden intern in den WfbM ausgeschrieben und Beschäftigte werden auch gezielt auf Arbeitsmöglichkeiten angesprochen. Ausgehend vom Wunsch des oder der Beschäftigten werden Anforderungs- und Fähigkeitsprofile abgeglichen. In der Vorbereitung wird außerdem auf die Schulung von Arbeitstugenden wie Sozialverhalten, Pünktlichkeit, Konfliktverhalten und Umgang mit Fehlzeiten Wert gelegt. Durch Qualifikation der Beschäftigten und Anpassung der Arbeit soll eine größtmögliche Übereinstimmung von Fähigkeiten, Interessen und Anforderungen erreicht werden. Die Belegung der betriebsintegrierten Arbeitsplätze ist relativ konstant; teilweise sind die Beschäftigten 10 Jahre und länger in den Firmen tätig. Teilzeittätigkeit oder tageweise Beschäftigung auf einem betriebsintegrierten Arbeitsplatz sind ebenfalls möglich.

WfbM-Beschäftigte müssen in der Lage sein, den betriebsintegrierten WfbM-Arbeitsplatz selbstständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufzusuchen. Weniger leistungsfähige Menschen mit schweren Beeinträchtigungen arbeiten in der Regel in den Arbeitsstätten der WfbM. Es gelingt nicht immer, WfbM-Beschäftigte über Trainingsmaßnahmen so zu qualifizieren, dass sie den durchaus erhöhten Anforderungen gewachsen sind.

Eine größere Auswahl an unterschiedlichen Tätigkeiten und positive Anreize, wie z. B. das Budget für Arbeit nach dem Bundesteilhabegesetz, können helfen, mehr Menschen mit Behinderung Chancen für diese Form von Teilhabe an Arbeit zu eröffnen.

Zusammenarbeit mit den Betrieben

Zwischen der WfbM und dem Betrieb wird eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Darin sind die monatlichen Entgeltzahlungen des Betriebs an die WfbM, die Verantwortung für die Arbeitssicherheit und die Frage, wer weisungsbefugt gegenüber dem WfbM-Beschäftigten ist, geregelt. Die Betriebe übernehmen die Kosten für die Ausstattung der Arbeitsplätze, für Werkzeuge und Betriebsmittel und teilweise für Arbeitskleidung. In der Regel gibt es im Betrieb einen Paten, der Ansprechpartner für den WfbM-Beschäftigten ist. Die sozialpädagogische Begleitung, die Beratung und die regelmäßige Betreuung durch den Jobcoach stellt die WfbM. Ein Bildungsvertrag ist in Anlage 1b beschrieben.

Eingesetzte Ressourcen

Alle Betriebe, die nach § 71 SGB IX die Pflicht haben, mindestens 5 % schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen, müssen für jeden unbesetzten Pflichtplatz eine Ausgleichsabgabe an das Integrationsamt entrichten. Arbeitgeber, die zur Ausgleichsabgabe verpflichtet sind, können ihre Zahlungspflicht ganz oder teilweise auch dadurch erfüllen, dass sie anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder Blindenwerkstätten Aufträge erteilen. 50 % der in den Aufträgen enthaltenen Arbeitsleistung kann an der zu zahlenden Ausgleichsabgabe abgesetzt werden (§ 140 SGB IX).

Die WfbM erhält für jede Person, die in einer WfbM beschäftigt ist, vom Träger der Eingliederungshilfe einen vereinbarten Entgeltsatz für die Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben. Dieser Entgeltsatz besteht aus einer Grund- und einer Maßnahmenpauschale sowie einem Investitionsbetrag und steht der WfbM unabhängig vom Arbeitsort der Person in voller Höhe zur Verfügung. Das Werkstattentgelt, das jeder WfbM-Beschäftigte monatlich erhält, muss die WfbM aus ihren wirtschaftlichen Erlösen bezahlen.

Bei betriebsintegrierten WfbM-Arbeitsplätzen erfolgt die wirtschaftliche Kalkulation der Betriebe für die erbrachte Arbeitsleistung analog zur Kalkulation der Arbeit, die in der WfbM selbst erbracht wird. In den monatlichen Zahlungen der Betriebe an die WfbM ist das Entgelt der WfbM-Beschäftigten sowie ein Betrag für Regiekosten enthalten.

Laut den Erfahrungen sind die Betreuung durch den Jobcoach der WfbM und den Sozialdienst der WfbM teilweise intensiver und aufgrund der verschiedenen Einsatzorte zeitaufwändiger. Damit entsteht laut den Kalkulationen der Träger eine Finanzierungslücke. Die Träger wenden statt des in der WfbM üblichen Betreuungsschlüssels von 1:12 für die Begleitung am Arbeitsplatz einen Schlüssel von 1:8 bis 1:10 an. Abweichungen entstehen auch durch die Essenspreise, die in den Betrieben häufig höher sind als in der WfbM.

Bewertung des Angebots

Die Nachfrage von Seiten der Menschen mit Behinderung nach betriebsintegrierten Arbeitsplätzen der WfbM ist groß, ihre Zufriedenheit hoch. Die höhere Verantwortung und Selbständigkeit und die Identifikation mit dem Betrieb steigern das Selbstwertgefühl. Sehr bedeutsam ist das Bewusstsein, dort zu arbeiten, wo auch alle anderen Menschen arbeiten und dies z. B. durch Arbeitskleidung mit Firmenlogo auch nach außen hin sichtbar werden zu lassen.

Die Betriebe sehen diese Angebote unter Berücksichtigung von Aspekten der Wirtschaftlichkeit und der Zusicherung einer angemessenen Begleitung positiv. Aus Sicht der WfbM-Träger fördert das Angebot Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. In Einzelfällen werden Beschäftigte sozialversicherungspflichtig vom Betrieb übernommen. Dies ist in den vergangenen 3 Jahren in 4 Fällen gelungen. Eine „Kooperationsvereinbarung zur Unterstützung von Menschen mit Behinderung beim Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt“ zwischen dem bhz Stuttgart e. V., den Neckartalwerkstätten des Caritasverbandes für Stuttgart e. V., den Stuttgarter Werkstätten der Lebenshilfe Stuttgart e. V., dem Rudolf-Sophien-Stift und dem Integrationsfachdienst Stuttgart unter Mitarbeit der Eingliederungshilfe der Landeshauptstadt Stuttgart regelt das Zusammenwirken der Beteiligten im Sinne der Förderung der Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Der Integrationsfachdienst (IFD) fördert gemäß § 109 Abs. 2 SGB IX die Teilhabe am Arbeitsleben schwerbehinderter Menschen, die auf aufwändige, personalintensive und individuelle arbeitsbegleitende Hilfen angewiesen sind und zielgerichtet durch die WfbM für die Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereitet wurden. Er berät zu allen Leistungen des beim Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) angesiedelten Integrationsamtes und ist damit auch ein wichtiger Ansprechpartner für Betriebe.

Alle an der Kooperation Beteiligten treffen sich zu einem jährlichen Austausch und werten ihre Erfahrungen aus. Dabei zeigt sich, dass Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen häufig trotz Rückkehrrecht in den Status eines WfbM-Beschäftigten den Wechsel in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht wünschen. Sie fürchten, das Erreichte durch Überforderung und weniger Unterstützung am Arbeitsplatz zu gefährden und rechnen damit, dass ihre Angehörige mit Behinderung langfristig mit zu hohen Erwartungen an seine Leistungsfähigkeit konfrontiert sein würde.

Weiterer Ausbau betriebsintegrierter WfbM-Arbeitsplätze

Eine Erweiterung des Angebots betriebsintegrierter WfbM-Arbeitsplätze wird von den Menschen mit Behinderung, den WfbM-Trägern sowie der Eingliederungshilfe und der Sozialplanung des Sozialamtes der Landeshauptstadt Stuttgart befürwortet und unterstützt.

Betriebe, die betriebsintegrierte WfbM-Arbeitsplätze vereinbart haben, bewerten die Erfahrungen positiv und sehen einen Mehrwert. Gute Chancen für die Erschließung neuer Angebote sehen die WfbM-Träger bei kleinen und mittelständischen Betrieben. Bei Arbeitgebern aus dem öffentlichen Bereich gestalten sich Vereinbarungen bislang schwierig. Betriebe, die Interesse an betriebsintegrierten WfbM-Arbeitsplätzen haben, können geeignete Tätigkeiten identifizieren, das Anforderungsprofil kommunizieren und die Kosten kalkulieren. Die WfbM-Beschäftigten bzw. deren Arbeit ist eine Ergänzung für einen betrieblichen Ablauf und stellt keine Konkurrenz zu den Arbeitsplätzen für die Belegschaft dar.

Auch wenn es im Anschluss an die Beschäftigung auf einem betriebsintegrierten WfbM-Arbeitsplatz zur Übernahme in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kommt, wird die reduzierte Leistungsfähigkeit der Beschäftigten in der Regel durch Lohnkostenzuschüsse kompensiert.

Die WfbM-Träger weisen darauf hin, dass sie den Abmangel aus den Kosten der erforderlichen Begleitung bei einem deutlichen Ausbau langfristig nicht aus den Erlösen der Werkstätten für behinderte Menschen tragen können.

Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) bietet ab Januar 2018 im Rahmen des Budgets für Arbeit die Möglichkeit, Arbeitgebern den Betreuungsaufwand zu erstatten. Das Sozialamt als Träger der Eingliederungshilfe lotet zusammen mit dem KVJS die Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die betriebsintegrierten Plätze der WfbM aus und nimmt mit den Trägern der WfbM Gespräche auf, sobald die Verordnungen des Landes Baden-Württemberg zur Umsetzung des BTHG vorliegen.


Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

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Werner Wölfle
Bürgermeister





1a Beispiel des bhz Stuttgart e. V.
1b Beispiel des Caritasverbandes für Stuttgart e. V.
1c Beispiel der Lebenshilfe Stuttgart e. V.
Die Anlagen 1a bis 1c werden ausschließlich elektronisch zur Verfügung gestellt.


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