1. Allgemeines zur Thematik Baugruppen sind Zusammenschlüsse von Bauwilligen, die gemeinsam Grundstücke erwerben und als Baugemeinschaften Bauvorhaben verwirklichen (Architektenkammer Baden-Württemberg, vgl. Merkblatt Nr. 996). Abb. Phasen der Entstehung von Baugruppen und Baugemeinschaften Baugruppen und Baugemeinschaften ermöglichen daher bürgerschaftliches Bauen auf Parzellenbasis und aufgrund ihrer individuellen Ausgestaltung auch eine größere Bandbreite an Bau- und Wohnformen, die zu einer größeren Vielfalt und Lebendigkeit der Stadtteile beitragen können. Sie können für schwierige städtebauliche Situationen innovative Lösungen entwickeln, bei Baulückenschließungen, Brachenentwicklungen oder der Revitalisierung von Bestandsbauten. Die Größe der Einzelvorhaben kann im Regelfall, je nach Lage und Grundstücksgröße, zwischen drei und 40 Wohnungen schwanken; aber auch größere Projekte sind möglich, jedoch nur mit erfahrenen Projektentwicklern. Daher sind Baugruppen geeignete Auftraggeber für Architekten und Sachverständige, für Handwerker und mittelständische Unternehmen. Angesichts der hohen Grundstückspreise in der städtebaulich integrierten Lage besteht die wohnungspolitische Chance, die interessierte Bürgerschaft im mittleren Einkommensbereich, die zur Selbstnutzung, kostengünstiger und ohne Gewinnerzielungsabsicht plant, wieder als Bauherr und Eigentümer inmitten der Stadt zu gewinnen. Durch die preisgünstigen Angebote der Baugemeinschaften kann der angespannte großstädtische Wohnungsmarkt deutlich entlastet werden, vor allem Schwellenhaushalte entlasten den Mietwohnungsmarkt. Baugemeinschaften wirken sozial stabilisierend und eine Antwort auf den stadtgesellschaftlichen Wandel. Die Ausdifferenzierung und demografische Alterung der Stadtgesellschaft sowie ein zuwachsendes Bedürfnis nach Formen eines Generationen übergreifenden und nachbarschaftlichen Zusammenlebens erfordern konzeptionelle Antworten, die zur Wahrung des Generationengefüges und zur Umsetzung einer auf junge Familiengründer zielende Wohnungs- und Stadtteilpolitik beitragen. Baugemeinschaften entwickeln Initiativen für neue Wohnformen. Es entsteht eine Nachfrage nach Dichte und Gemeinschaft, sprich urbanen Wohnformen. Damit verbindet sich eine veränderte gesellschafts-, wohnungs- und städtebaupolitische Programmatik. Da die Bezirksgremien die Bedürfnisse der bauwilligen Bürger am unmittelbarsten in Erfahrung bringen können und die besonderen Anliegen des Stadtbezirks kennen, wird bei den Vergabeverfahren eine frühzeitige programmatische Einbindung und Abstimmung der Konditionen voraus gesetzt. Wie viele Städte, die auf das wachsende Marktsegment der Baugemeinschaften setzen, wird auch in Stuttgart das Thema mit mehr Nachdruck verfolgt – nicht zuletzt im Rahmen der Handlungsstrategie urbanWohnen. Damit haben Baugemeinschaften gute Aussichten, nicht nur als Grundbaustein einer nachhaltigen und partizipativen Stadtentwicklung verstanden zu werden, sondern auch zur „urbanen Normalität“ im Baugeschehen zu werden. 2. Überblick über die laufenden Aktivitäten Bereits 2004 wurde dem Gemeinderat das Gutachten des Büros LEHEN drei „Neues Urbanes Wohnen in Baugemeinschaften“ vorgestellt (GRDrs 1159/2004) und nachfolgend zwei Informationsveranstaltungen zu Baugemeinschaften in Stuttgart sowie ein Expertenhearing zum Thema „Wohnwunsch Stuttgart“ durchgeführt. Zudem wurden Umzugs- und Lebensstilbefragungen des Statistischen Amts ausgewertet und mit dem Internetportal www.baugemeinschaften-stuttgart.de eine erste Kontaktbörse eingerichtet (die aus technischen Gründen neu in den Internetauftritt der Stadt www.stuttgart.de integriert werden soll). In den vergangenen Jahren hat der Gemeinderat der zuwachsenden Resonanz mit zahlreichen Anträgen, die Förderung von Baugemeinschaften und das konkrete Grundstücksangebot betreffend, Rechnung getragen. Neben dem wachsenden kommunalpolitischen Anliegen, dem bürgerschaftliche Bauen insbesondere bei der Entwicklung neuer Stadtquartiere Impulse zu verleihen, fährt die Stadtverwaltung bei der Etablierung gemeinschaftsorientierter und Generationen übergreifender Wohnformen schon seit einigen Jahren zweigleisig. Neben den Aktivitäten der Planungsverwaltung zur Etablierung von Baugemeinschaften (bislang zur Eigentumsbildung verschiedener Haushaltsformen) wurde seitens der Sozialverwaltung zur Unterstützung von Initiativen zur Gründung gemeinschaftlicher Wohnprojekte die „Stuttgarter Plattform für selbst organisiertes gemeinschaftliches Wohnen“ eingerichtet (GRDrs. 648/2007). Die „Stuttgarter Plattform für selbstorganisiertes gemeinschaftliches Wohnen“ ist ein Ergebnis des Projektes „Selbstbestimmtes Wohnen im Alter“ und bietet Informationen zu Projektformen, die sich auf Eigeninitiative und Selbstbestimmung sowie gegenseitige Hilfe und Unterstützung gründen. Ziel ist es, interessierte Bürgerinnen und Bürger über die Möglichkeiten von Wohnprojekten zu informieren und aktuelle Wohnprojekte in Stuttgart vorzustellen. Parallel zur Stuttgarter Plattform für selbstorganisiertes gemeinschaftliches Wohnen hat sich eine Kontaktbörse entwickelt, die zweimal jährlich im Treffpunkt Senior stattfindet. In diesem Zusammenhang ist auch die Initiativgruppe „Olgäle 2012“ zu erwähnen, die am 14./15. November 2008 eine Zukunftswerkstatt und am 25. Oktober 2009 eine Planungswerkstatt durchgeführt hat, die stadtweit Interesse fand. Seit 2010 findet im Stuttgarter Rathaus im nun zweijährigen Turnus, unter reger Beteiligung der Öffentlichkeit, der Wohnprojektetag statt. Der 1. Stuttgarter Wohnprojektetag mit dem Titel „Anders leben als gewohnt – selbstorganisiertes gemeinschaftliches Wohnen in Stuttgart“ wurde im Mai 2010 durchgeführt, der 2. Stuttgarter Wohnprojektetag unter dem Titel „Projekt Wohnen – gemeinschaftlich, selbstorganisiert, vielfältig“ fand im April 2012 statt. In verschiedenen Foren wurden Basisinformationen und Erfahrungsberichte aus geplanten und bereits umgesetzten Projekten, zu Verfahrensweisen der Stadt sowie Hinweise zu Rechts-, Finanzierung- und Förderungsfragen gegeben. Unter dem Dach der Wohnprojektetage wurden Baugemeinschaften und Mietwohngemeinschaften als Schlüsselprojekte zur Weiterentwicklung der Stuttgarter Wohnungsmarktes diskutiert. 3. Standortchancen – ein aktueller Überblick Erste Planungserfahrungen mit baugemeinschaftlichen Wohnformen wurden im Rahmen der 2006 abgeschlossenen städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme auf dem Burgholzhof mit den vier großteils im Mietwohnungsbau geförderten Neubauprojekten Mosaik, Mobile, Gandhi und Wabe gesammelt (insgesamt 100 Wohnungen). Weitere private Initiativen und Projekte für mehr als 80 Wohnungen entstanden mit der Umnutzung der Areale Nudelfabrik in Rohracker (22 Wohnungen, 1985 bis 1989) und Schnapsfabrik im Heusteigviertel (27 Wohnungen, 1989 bis 1994), mit der Umnutzung von Gebäuden an der Breitscheidstraße (Stuttgart-West) und in der Glockenstraße 36 in Bad Cannstatt (Bestandsumnutzung) sowie im Neubaugebiet Wolfbusch in Weilimdorf (Passivhäuser mit 20 Wohnungen, 2007). Insgesamt sind jedoch lediglich 0,05 % des Gesamtbestands an Wohnungen durch Baugemeinschaften errichtet worden. Das Nachfragepotenzial wird heute weitaus höher eingeschätzt und könnte je nach Förderung mind. 10 % der jährlichen Wohnbauleistung betragen. In der Zeitstufenliste Wohnen (letzter Stand 2010) werden bis zu 20 Standorte (stadteigene Areale und private Grundstücke) mit bis zu 1.500 WE Wohnbaukapazität als geeignet angesehen (vgl. Anlage 4). Derzeit projektiert bzw. vor der Ausschreibung sowie voraussichtlich möglich sind folgende Standorte:
- Bernsteinstraße in Heumaden (Teilfläche) 14 - 20 WE
- Baustreifen an der Karl-Schurz-Straße in Berg 30 - 40 WE
- Olgahospital in Stuttgart-West (parzellierbare Wohnhöfe) 80 WE
- Azenberg-Areal, Teilfläche an der Wiederholdstraße (Fa. Epple) 15 - 20 WE
- Schoch-Areal (Wohnhof) 40 - 50 WE
- Stadtteilprojekt NeckarPark (Baufelder) 200 WE
- GbR, Kleingenossenschaft, Verein oder geschlossener Fond
- Individuelles oder genossenschaftliches Eigentum (zur Selbstnutzung)
- Gemeinschaftliche Mietwohnprojekte (z. B. mit Vermietungsoptionen für am Wohnungsmarkt benachteiligte Haushalte – inkludiertes Wohnen).
Im Rahmen der Interessenbekundung berücksichtigt werden können - anlässlich von Ausschreibungsverfahren initiierte Gruppen,
- auf der städtischen Warteliste befindliche, als geeignet eingestufte Gruppen, darunter
- bestehende Gruppen, die seit längerem ohne Verfahrensbeteiligung ein Grundstück suchen (insbesondere wenn sie an der im Internet unter www.stuttgart.de noch einzurichtenden Kontaktbörse teilnehmen),
- Wiederbewerber, soweit sie in früheren Verfahren trotz Gebot nicht zum Zuge gekommen sind und von der Gruppenstärke weiterhin genügend Tragfähigkeit aufweisen.
Eine städtische Warteliste wird beim Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung, Kontaktstelle für Baugemeinschaften eingerichtet und geführt. Die sich für die Warteliste anmeldenden Interessentengruppen füllen einen Interessentenbogen mit Angaben zur Gruppe und, soweit konkretisierbar, zum beabsichtigten Vorhaben aus. Die Gruppen benennen einen Ansprechpartner, der regelmäßig oder Anlass bezogen bei geeigneten Grundstücksausschreibungen angeschrieben wird. Baugruppen, die aufgrund des eigenen Werdegangs oder früherer Verfahren bekannt sind, als tragfähig eingestuft wurden und bereits ein Gebot abgegeben haben, werden bei fortbestehendem Interesse im Auswahlverfahren gesetzt. 5. Aufgaben der städtischen Kontaktstelle Zur Unterstützung der Thematik wurde vom Gemeinderat bereits eine 0,5 Personalstelle für einen Pilotzeitraum von fünf Jahren bewilligt. Die Stelle wurde zum Mai 2012 besetzt und übernimmt folgende Aufgaben:
- Entgegennahme von Anfragen (ausschließlich Interessenten- und Baugruppen bzw. deren Vertreter) und die Einrichtung einer Kontaktbörse im Internet,
- Erstellung eines Leitfadens und einer entsprechenden Information im Internet,
- Führung einer Warteliste (unverbindliche Registratur),
- Erstellen von Vordrucken für das Infomemorandum (Ausschreibungsprofil mit Anlagen), das Antragsformular zur Verfahrensteilnahme sowie Vertragsbestandteile zum Kaufvertrag, soweit dieses die Einhaltung der Vergabekonditionen betrifft,
- Erstberatung von Baugruppen bezüglich Standorten und Vergabeverfahren,
- Unterstützung bei der Ausgestaltung eines Projektfahrplans,
- Vermittlung von Energieberatung und Wohnbauförderung (eine Rechts- und Finanzierungsberatung wird seitens der Baugruppe sicher gestellt),
- Vermittlung bei Kooperationsmöglichkeiten zwischen Baugruppen, Bauträgern und Baugenossenschaften,
- Hinzuziehung von Sachverständigen bei Vergabeverfahren,
- Evaluation von Verfahren und Berichterstattung (zum Ende des Pilotzeitraum).
Zusätzlich Verfahrensbezogen:
- Ausarbeitungen für Infomemorandum mit Anlagen,
- Durchführung von Interessenbekundungsverfahren,
- Ergänzende Koordinations- und Bearbeitungsleistungen bei verschiedenen Verfahrensschritten (Planungswerkstatt, Auswahlverfahren). 6. Förder- und Vergaberichtlinien Das Bauen in Baugemeinschaften bedeutet keine auf Gewinnerzielung ausgerichtete Grundstücksverwertung. Gemeinsames Planen und Bauen zielt auf Kostenersparnis durch ein systematisches Kosten-Qualitätsmanagement, erfahrungsgemäß 10 – 20 % der ortsüblichen Preise. Baugemeinschaften bedürfen daher keiner Sonderförderung, nur einer Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Verwirklichung der Vorhaben.
Bei der städtischen Eigentumsförderung besteht die Einschränkung, dass sie sich ausschließlich an Haushalte mit Kinder unter 18 Jahren richtet, die Eigentum bilden möchten, während der Verkauf städtischer Grundstücke laut Verkaufsrichtlinien nur an die Selbstnutzung gebunden ist, d.h. auch an Alleinstehende, Paare ohne Kinder oder ältere Personen erfolgen kann.
Im Sinne der Gleichbehandlung mit Baugemeinschaften und im Sinne des Inklusionsgedankens sollen – mit erweiterten Fördermöglichkeiten – auch gemeinschaftliche und betreute Mietwohnprojekte mit einem sozialen bzw. generationenübergreifenden Konzept ermöglicht werden; hierbei wird der Nachweis eines Bauträgers voraus gesetzt, der für entsprechenden Wohnraum sorgt. a) Wohnraumförderung
Bei entsprechenden Konzeptlösungen können verschiedene Wohnraumförderprogramme eingesetzt werden. Baugemeinschaften sind grundsätzlich förderfähig.
- Eigentumsförderung:
Bei Baugemeinschaften werden die Richtlinien für die städtische Wohnbauförderung (Programm PWE und Familienbauprogramm) mit Grundstücksverbilligung bzw. Baukosten-/Zinszuschüssen und/oder die Richtlinien der Landeswohnraumförderung mit zinsverbilligten Krediten und KfW-Förderung herangezogen. Die Berechtigung zur Antragstellung einzelner Teilnehmer einer Baugemeinschaft, der Umfang des Eigenkapitalnachweises und der Eigenleistung ist individuell haushaltsbezogen zu prüfen. Die Bearbeitungszeit (bei der Landeshauptstadt und der L-Bank) für einen Antrag in der Eigentumsförderung liegt nach Einreichung der vollständigen Unterlagen (inkl. Angaben zu Wohnfläche und Baukosten) bei 4 - 8 Wochen. Der Kauf- und Bauverträge werden erst nach Erhalt der Förderzusage abgeschlossen.
- Mietwohnraumförderung:
Bei Baugemeinschaften werden die Richtlinien für die städtische Wohnbauförderung (Programm MME und SMW) mit einer Grundstücksverbilligung sowie bei Sozialmietwohnungen die Richtlinien der Landeswohnraumförderung mit zinsverbilligten Krediten (gegen Mietpreis- und Belegungssubvention) herangezogen. Aufgrund der Vorgaben zum Energiestandard bei Verkauf städtischer Grundstücke (KfW-Effizienzhaus 70) können seitens der Baugemeinschaften zusätzlich KfW-Mittel in Anspruch genommen werden. Die Programmanwendung ist bezüglich Fördervoraussetzung bei gemeinschaftlichen Mietwohnprojekten und deren formalen und zeitlichen Regularien der Antragstellung schwieriger. Letztlich sind aber die Vorgaben des jeweiligen Landeswohnraumförderungsprogramms für die Stadt bindend. Bei der Förderung von Mietwohnprojekten im Rahmen des Landeswohnraumförderungsprogramms wird unterschieden in Neubauförderung (Allgemeine Sozialmietwohnungen) und der Förderung von Bestandsmodernisierungen (Energetische Sanierung und / oder barrierefreie Modernisierung bestehenden Mietwohnraums). Für die Antragstellung und Abwicklung der Mietwohnraumförderung ist die Benennung eines verantwortlichen Ansprechpartners des Mietwohnprojektes obligatorisch.
Das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM) kommt lediglich im Planungsfall (neues Baurecht) und auf Privatgrundstücken bei einem ausreichenden Planungswertzuwachs zur Anwendung. Bei der Vergabe städtischer Grundstücke kann die Zielstellung über eine angemessene Gestaltung der Grundstückspreise und die Vorgabe hinsichtlich der an zu wendenden Wohnraumförderprogramm analog der SIM-Konditionen erreicht werden.
Insofern der Nachweis eines sozialen Konzepts und einer entsprechenden kostengünstigen Bauweise erbracht ist, ist zur Anerkennung der Lösung im Sinne modifizierter Konditionen beim SIM entweder
- die Übernahme von Belegungsbindungen entsprechend der geforderten Wohnraumförderprogramme oder
- die Zahlung einer "Ablöse" (zur Quersubventionierung des Grundstückspreises eines für die Realisierung der Wohnbauförderquote vorgesehenen Baufelds) oder
- die Benennung eines Ersatzgrundstücks und die Realisierung der Wohnbauförderquote an diesem Standort notwendig.
b) Grundstücksvergabe
Die Richtlinien zur Vergabe städtischer Wohnplätze sind im Hinblick auf die vorgesehene Verfahrensweise anzupassen:
- Maximal sechsmonatige Optionsphase bis zum Abschluss des Kaufvertrag und verkürzenden Bauverpflichtung von 36 Monate auf 24 Monate zwischen Kaufvertrag und Bauabnahme (bei Nichteinhaltung der Bauverpflichtung wird eine Vertragsstrafe erhoben),
- Vereinbarung einer Vertragsstrafe zur Sicherung der Bauverpflichtung
- es gilt eine Selbstnutzerverpflichtung (Erstbezug unter Einbeziehung der Familienangehörigen), zusätzlich wird eine Öffnungsklausel für gemeinschaftliche Mietwohnprojekte (mit Bauträger/Baugemeinschaft) vorgesehen. 7. Flächenvorhaltung und städtische Grundstücksreservierung (Optionsgrundstücke) Um in diesem sich entwickelnden Marktsegment eine angemessene Versorgung mit Grundstücken zu gewährleisten ist eine vorausschauende Flächensicherung erforderlich. Voraussetzungen sind die städtebauliche Eignung (entsprechende Lage- und Liegenschaftsverhältnisse, insbesondere vorhandenes städtisches Eigentum), und die Erforderlichkeit neuen Planrechts (Bebauungsplan). Entsprechend sollen im Zuge der weiteren Planungen zum NeckarPark, zum RosensteinViertel und zu Klinik-Altstandorten sowie bei sonstigen relevanten Gebieten der Zeitstufenliste Wohnen geprüft werden, ob ein jeweils zu bestimmender Teil der für den Wohnungsbau vermarktbaren Grundstücksfläche (netto) an Baugemeinschaften vergeben werden kann. Eine Mindestquote von 20 % ist anzustreben. 8. Behandlung der Grunderwerbssteuer Die Verfahrensgestaltung ist eine wesentliche Voraussetzung für die steuerliche Behandlung der Baugemeinschaften und ihrer Vorhaben. Um einen kommunalpolitisch gewünschten gemeinschaftsorientierten und dabei kostengünstigen Wohnungsbau zu gewährleisten, unterliegt die seitens der Finanzverwaltung vorgenommene Bemessung der Grunderwerbssteuer bei Baugemeinschaften spezifischen Anforderungen (vgl. Merkblatt Nr. 997 der Architektenkammer Baden-Württemberg): a) Grunderwerbssteuer nur für unbebautes Grundstück Die Grunderwerbssteuer wird bei selbst initiierten und von Architekten betreuten Baugruppen nur für das unbebaute Grundstück erhoben. Voraussetzung sind hier getrennte Vertragswerke für den Grundstückskauf und die spätere Bauerrichtung. Maßgebend ist, dass mit Abschluss des Kaufvertrags noch keine bauantragsreife Vorhabenplanung – allenfalls Leistungsphase 3 HOAI entsprechend der Entwurfsplanung zur Angebotsabgabe sowie einer Bescheinigung der Stadt im Hinblick auf die Qualitätssicherung gemäß Kap. 13 a) – vorliegt und die Erwerbergruppe in ihrer Entscheidung bezüglich einer Grundstückbebauung und dem Abschluss von Errichtungsverträgen bzw. der Vergabe von Bauaufträgen an Bauunternehmer noch frei ist. Eine weitere Bedingung ist, dass die Baugruppe im Hinblick auf die Verflechtung und das Verhalten der Interessenten bzw. Teilnehmer einer Baugruppe personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich noch nicht hinreichend miteinander verbunden sind (Planungsgemeinschaft ohne rechtlichen Status). Architekten sollten in diesem Zusammenhang vermeiden, als bevollmächtigter Vertreter der späteren Baugemeinschaft auch für den Abschluss der Bauverträge aufzutreten. Der Architektenvertrag ist kein Bauerrichtungsvertrag und sollte sich auf die konzeptionellen Leistungen und ggf. die Moderation der Gruppenbildung beziehen (Bauplanung, Bauantragstellung, Finanzierungsmodell, Ausschreibung und Bauüberwachung). Die Baugemeinschaft vergibt (später als selbst bauende GbR) die Werkverträge mit Bauunternehmern und Handwerkern. Anders kann dieses bei bauträgergestützten Vorhaben sein, wenn also ein gewerblicher Bauträger oder Projektentwickler das Vorhaben für eine Interessentengemeinschaft erstellt. Hier wird die Grunderwerbssteuer aus der Gesamtheit aus Kaufpreis und Herstellungskosten berechnet (sachlicher Zusammenhang von Kauf- und Bauvertrag bzw. einheitlicher notarieller Vertrag). b) Doppelte Grunderwerbssteuer bei bauträgergestützten Vorhaben Die Grunderwerbssteuer kann bei bauträgergestützten Vorhaben zudem zeitlich mehrmals erhoben werden, ein erstes Mal beim Kauf durch den Bauträger, ein zweites Mal beim Weiterverkauf an den Endkunden. Unter den genannten Voraussetzungen bezieht sich die Grunderwerbssteuer nur auf das unbebaute Grundstück und fällt auch nicht doppelt an. Dieser Kostenvorteil gegenüber einem bspw. bauträgergestützten Vorhaben ist nur durch ein Vergabeverfahren möglich, bei dem Gruppe und Konzept über mehrere Stufen reifen können. 9. Strukturierte Verfahrensweise zur Grundstücksvergabe Die bisher gemachten Erfahrungen mit Baugruppen zeigen eine erhöhten Abstimmungsbedarf bezüglich planerischer Fragen und Baukonzepten. Vergaben sollen deshalb auf der Basis der Regelung von Bebauungsplänen erfolgen. Verfahren wie bei der Bürgerbeteiligung zur Neubebauung des Olgaareals sind weiterhin möglich. Sie sollen jedoch jeweils in besonderen Verfahren Fallbezogen geregelt werden. Das von der Stadt vorgesehene strukturierte bzw. mehrstufige Vergabeverfahren soll bereits unterschiedliche Standortvoraussetzungen im Stadtgebiet berücksichtigen. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass Nachfrage und Angebot an Grundstücken nicht immer miteinander korrespondieren. Als Referenzfälle sind zu nennen: - hohe Nachfrage – Konkurrenz um Einzelgrundstücke, - zuwachsende Nachfrage – infolge Aufsiedlung, - vorhandene Gruppen (Warteliste) – spätere Grundstückszuordnung. Der Verfahrensvorschlag korrespondiert mit den Erfahrungen, die bei der Vermarktung von Einzelgrundstücken und kleinen Baustreifen gemacht wurden (z.B. Burgholzhof, Killesberg, Olgahospital). Im Regelfall ist von folgenden zwei Verfahrensstufen auszugehen:
Stufe 1 Teilnahmeverfahren mit Interessenbekundungsphase (Teilnahmeantrag) und Präqualifikation (Eignungsprüfung) auf Grundlage eines Infomemorandums mit Anlagen (Vergabekriterien, Verfahrensfahrplan, Eckpunktepapier zum Bebauungsplanverfahren etc.); zwischen geschaltet ein Rückfragekolloquium bzw. ein Planungsworkshop (zur weiteren Diskussion des Standortprogramms und der Vergabeanforderun-gen, dokumentiert in einem Rückfrageprotokoll bzw. dem verfeinerten Eckpunktepapier zum Bebauungsplan als Grundlage für die Angebotsabgabe in Stufe 2),
Stufe 2 Zuschlagverfahren mit Bewerbungsphase (Angebotsabgabe) sowie Auswahlphase (mit Vorprüfung der Gebote) und Optionsphase,
- Selbst initiierte (private) Baugemeinschaften - Von Architekten betreute (private) Baugemeinschaften - Bauträger- und Projektentwicklergestützte Baugemeinschaften - Kleingenossenschaften (ggf. in Kooperation mit Bestandsgenossenschaften) - Gemeinschaftliche Mietwohnprojekte mit Bauträger / Baugemeinschaft Die im Rahmen des Teilnahmeverfahrens (Stufe 1) gemeldeten Interessenten- und Baugruppen werden auf ihre Verfahrenseignung überprüft. Die Eignungsprüfung erfolgt anhand der Angaben (Zulassungsvoraussetzungen), unter Berücksichtigung von Ausschlusskriterien. Diese und die Vollständigkeit der Angaben im Teilnahmeantrag entscheiden über die endgültige Zulassung zur nachfolgenden Bewerbungsphase im Zuschlagverfahren (Stufe 2). Bei Zweifeln bezüglich der Eignung werden Vertreter der Baugemeinschaften zu Bewerbungsgesprächen eingeladen. Baugemeinschaften mit wiederholter Bewerbung und bereits in früheren Vergabeverfahren nachgewiesener Eignung werden berücksichtigt (Warteliste). e) Ausschlusskriterien - für Bewerbungen ohne gemeinschaftlichen Konzeptansatz („Schein-Baugemeinschaften“) - bei Mehrfachbewerbungen einzelner Teilnehmer auf dasselbe Grundstück - für Nicht-Selbstnutzer (Bindungsfrist bislang 10 Jahre) - bei Nichtbeachtung grundlegender Planungsvorgaben (Bebauungsplan-Entwurf) - bei grundlegenden konzeptionellen Widersprüchen - bei unzureichendem Eigenkapitalnachweis f) Einhaltung der Vergabeanforderungen Den mit der Ausschreibung und Vergabe von Grundstücken verbundenen Anforderungen an Konzept und Gruppe ist während des gesamten Verfahrens zu entsprechen. Dieses gilt auch für die sich aus dem Standortprogramm abgeleiteten planerischen Eckpunkte bzw. die Maßgaben der Bauleitplanung für Baugrundstücke und Baufelder. Nach Grundstückszuteilung zwingend erforderliche Änderungen im Hinblick auf die Einhaltung der Anforderungen sind mit der Kontakt- oder Vergabestelle frühzeitig abzustimmen; bei Nichteinhaltung der Anforderungen wird die gesamte Baugruppe vom weiteren Verfahren ausgeschlossen (Selbstkontrolle). Die dauerhafte Einhaltung der Anforderungen wird auch durch Zusatzbestimmungen im Kaufvertrag abgesichert; sie gilt auch für Rechtsnachfolger. Sofern sich während des Verfahrens Änderungen in der Zusammensetzung der Baugruppe ergeben, ist die Kontakt- oder Vergabestelle hierüber unverzüglich zu informieren. Sollten Bewerbungen, auch Mehrfachbewerbungen von „Strohmänner“ nachgewiesen werden, entfällt das Anrecht auf die Grundstücksoption. 12. Bewerbungsunterlagen a) im Rahmen der Interessenbekundung/Präqualifikation (1. Stufe) Zulassung der Baugruppen anhand folgender Nachweise (vollständige Ausfüllung des Teilnahmeantrags, ggf. mit zweiseitigem Freitext):
- Zielsetzungen und konzeptionelle Vorstellungen zum Projekt (Skizze) und Darstellung der Standards (insbesondere der energetischen Anforderungen) - Aktuelle/angestrebte Gruppenstärke / Zahl der Haushalte und Wohnungen - Angestrebte gesellschaftsrechtliche Konstruktion (z.B. WEG, Genossenschaft) und bestehende vertragliche Bindungen (z.B. GbR, Verein) - Gründungszeitpunkt der Gruppe und Angaben zum Initiierungsprozess - Angaben zur Leistungsfähigkeit und Referenzprojekte des Projektentwicklers/ Architekten, insb. Vorerfahrungen mit der Betreuung einer Baugemeinschaft - Angaben darüber, wie die Projektdurchführung gesichert werden soll (Projektfahrplan) - Verpflichtungserklärung zum Ausschluss von Mehrfachbewerbungen einzelner Interessenten in unterschiedlichen Baugruppen auf dasselbe Grundstück - Verpflichtungserklärung zur Wohnnutzung (mind. 75 % der BGF) - Verpflichtungserklärung zur schriftlichen Information bei Änderungen. b) im Rahmen der Bewerbungsphase/Angebotsabgabe (2. Stufe) Bewerbungsunterlagen (unter Einbeziehung der Angaben zur 1. Stufe):
- Angaben zur Baugemeinschaft und zum Planungsteam - Maßstäbliches Entwurfskonzept mit Angaben zu
- Nachweis einer Mindestzahl an geschäftsfähigen Teilnehmern von ca. zwei Dritteln einer Baugruppe durch verbindliche Unterschrift
- Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit des Projekts (inkl. Eigenkapitalnachweis, Bankbürgschaften, etc.)
- Kaufpreisgebot. 13. Prüfrahmen a) Vergabekriterien
Die Vergabekriterien entsprechen den konzeptionellen Anforderungen an Bauvorhaben und Baugruppe und dienen der Qualitätssicherung durch die Baugruppe.
Das objektbezogene Konzept ist maßgeblich und wird entsprechend höher gewichtet. Es soll robust sein und in einer Weise gestaltet werden, dass es geänderten Marktverhältnissen, gesellschaftlichen Erwartungen und künftigen baukulturellen Auffassungen Stand hält. Dabei sind die Architektur- und Wohnraumqualitäten, die Anpassungsfähigkeit an veränderte Nutzerbedürfnisse und Lebensphasen, ein barrierefreier (insbesondere kinderfreundlicher) Zugang der Grundstücke und eine klimaneutrale Ausführung des Bauwerks, entsprechend der vorgegeben Standards der EnEV 2009 und weitere Unterschreitung z. B. bis KfW-Effizienzhaus 55/Passivhaus, von Bedeutung. Das gruppenbezogene Konzept zielt auf die besondere Qualität gemeinschaftlicher Bauvorhaben. Dabei sind eine aktive soziodemografische Durchmischung, deren soziale Integrationsleistung und die Formulierung eines tragfähigen Gemeinschaftsgedankens, z. B. durch eine entsprechende Hausordnung oder Nutzungsoptionen im Gebäude, von Bedeutung. Nachfolgend werden die drei Bewertungskategorien sowie die Anforderungen jeweils an das objekt- bzw. gruppenbezogene Konzept mit Prüfkriterien hinterlegt und entsprechend ihrer Bedeutung bei der Bewertung der Angebote gewichtet: 1) Objektbezogenes Konzept – Gewichtung mit 60 %
Rang X1 / 2 / 3 x Gewichtung 60 / 40 = Rangwert XX1 / 2 / 3 XX1 - 3 = Endwert
100 Dem Auswahlgremium obliegt die Gesamtwürdigung der eingereichten und vorgeprüften Angebote auf der Grundlage des Vorprüfberichts (Orientierungsrahmen). Im Auswahlgremium hat die verbal-argumentative Bewertung erfahrener Fachleute grundsätzlich Vorrang vor der Bewertung nach Prüfkriterien. So ist abschließend der Gesamteindruck der Bewerbungen zu beurteilen und die aufgrund der Vorprüfung gebildete Rangfolge ggf. nachzujustieren. Bei qualitativ gleichwertigen Beiträgen entscheidet als letzte Möglichkeit das Los. Das Auswahlgremium wird verfahrensbezogen besetzt, bestehend aus Vertretern der Stadtverwaltung, des Stadtbezirks und bei Bedarf externen Sachverständigen. Die Federführung für die Vorprüfung liegt beim Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung. Die Vorprüfung wird ämterübergreifend besetzt. zum Seitenanfang Anlage 2_Musterprüfblatt Festpreis.pdfAnlage 3_Strukturierter Verfahrensplan.pdfAnlage 4_Standortchancen.pdf