| Junge Eltern in Deutschland haben heute häufig mit unklaren Rollenbildern zu kämpfen, was ihnen auf der einen Seite große Unsicherheiten mit dem eigenen Rollenbild bescheren kann, andererseits aber Freiräume lässt, die die älteren Generationen so nicht hatten. Die Rollenbilder in der Familie sind im Umbruch: Während Emanzipation von Frauen in Westdeutschland heute Karriere ohne Kinder, aber auch Beruf mit Kindern bedeuten kann, kann für ostdeutsche Mütter eine Reduzierung der beruflichen Tätigkeit anstrebsam erscheinen. Relativ neu in beiden Teilen Deutschlands ist das Bild einer aktiven Vaterschaft, das nun auch durch die neue Erziehungsgeldregelung verstärkt werden soll. Eine Aufteilung finanzieller Lasten und Risiken zwischen den Eltern einerseits und Erziehungsaufgaben andererseits wird von vielen modernen Familien als Gewinn empfunden. Allerdings, kämpfen junge Väter nicht selten mit dem anderen Extrem, denn von ihnen wird ALLES erwartet – die Familie finanziell abzusichern, sich gerecht am Haushalt zu beteiligen und für die Kinder da zu sein. Männer identifizieren sich jedoch nach wie vor am stärksten mit ihrem Beruf.
Das schlechte Gewissen und die Vorstellung, junger Eltern, nicht „gut“ genug zu sein, rührt in erster Linie von der Unklarheit der Rollenerwartungen und damit verbunden häufig mit fehlendem Vertrauen in den eigenen Lebensentwurf und den ausgesprochenen und unausgesprochenen Werten, die sie von den eigenen Eltern mit auf den Weg bekommen haben und mit denen sie nach der Geburt vor allem des ersten Kindes massiv konfrontiert werden.
Noch bis zum zweiten Weltkrieg waren Frauen zu keiner Zeit und in keiner gesellschaftlichen Schicht den ganzen Tag allein mit ihren Kindern beschäftigt. Vor der Industrialisierung sprach man von „Haus“ statt „Familie“. Frauen und Männer arbeiteten gleichermaßen in Haus und Hof. Die Kinder halfen mit, sobald sie groß genug dazu waren.
Erst die Industrialisierung brachte das Hausfrauen-Ideal hervor. Arbeiterfrauen träumten von einem sorglosen Leben als Mutter und Hausfrau. In Zusammenhang mit diesem Ideal entstand nach dem zweiten Weltkrieg in Westdeutschland das Sentiment, Frauen nähmen den heimkehrenden Männern Arbeitsplätze weg. Frauen benötigten noch bis 1977 das Einverständnis ihres Ehemanns, wenn sie erwerbstätig sein wollten. Nicht zuletzt auch aus den Erfahrungen der Nazizeit wurde die Kindererziehung lange Zeit ausschließlich als Privat- und Familiesache gesehen. Merkblätter bei der Kindergartenanmeldung warten in den 1950er Jahren, dass kein noch so guter Kindergarten die Mutter ersetzen könne. Experten warten vor Schäden, wenn eine Mutter ihrer „zentralen Aufgabe“ nicht nachkäme. Noch in den 1970er Jahren wurden Modellprojekte mit Tagesmüttern böswillig mit „Versuchen am Menschen“ verglichen. Unter dem Eindruck zunehmender Arbeitslosigkeit verkündete Norbert Blüm noch 1987: „Ich finde es sinnvoller, die Mutter bleibt bei ihrem Kinde, als der Vater ist arbeitslos.“ Trotz dieser Einschränkungen war es schon in den 1970er Jahren normal, dass auch Mädchen eine Berufsausbildung machten und zumindest bis zur Geburt des ersten Kindes erwerbstätig waren.
Der „Pillenknick“ führte in den 1970ern zu einem starken Geburtenrückgang, auf den die Politik reagieren mußte. 1975 wurde das Kindergeld eingeführt. Aber erst 1986 wurden Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub eingeführt – eine Maßnahme, die zugleich als „Argument“ herangezogen wurde, dass ein weiterer Ausbau von Kinderkrippen überflüssig sei.
Ostdeutschland kämpfte seit den 70er Jahren ebenfalls mit einem starken Geburtenrückgang – allerdings in einem Gesellschaftsmodell, das auf der vollen Erwerbstätigkeit beider Elternteile basierte. Der Aufbau von Kindergärten und Kinderkrippen war daher im Osten ein politisches Muß. Dennoch genügten weder die gut durchorganisierte Kinderbetreuung, noch der Ehekredit, das Kindergeld oder die Familienzuschläge auf Stipendien sowie weitere finanzielle Anreize die Geburtenrate nachhaltig anzuheben. Ausbildung und Beruf als staatlich verordnete „Selbstverwirklichung“ ließen wenig Freiraum für die Zeit mit Kindern und hinterließen selbst lange nachdem die Kinder „groß“ wurden, oft große Traurigkeit, so wenig Zeit für sie gehabt zu haben, als sie „klein“ waren.
Zuletzt geändert am 08/29/2013 - Haftungsausschluss |  |