Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 225/2021
Stuttgart,
04/01/2021


Gemeindepsychiatrischer Verbund Stuttgart (GPV):
Sozialpsychiatrische Dienste (SpDi) - Sachstand 2020




Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich17.05.2021

Bericht:


Mit der GRDrs 694/2020 „Gemeindepsychiatrischer Verbund Stuttgart (GPV): Sozialpsychiatrische Dienste - Sachstand 2019“ wurde zuletzt am 19. Oktober 2020 über die Situation in den Sozialpsychiatrischen Diensten (SpDi) berichtet.
Die Analyse und Auswertung der Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Dokumentation der SpDi dient der Transparenz des Versorgungssystems in der Landeshauptstadt Stuttgart und ist eine Grundlage zur Weiterentwicklung der Angebotsstruktur.

In Anbetracht der Corona-Pandemie war der Berichtzeitraum 2020 geprägt durch außergewöhnliche Herausforderungen für die sozialpsychiatrische Versorgung in der Landeshauptstadt Stuttgart.

Gemeindepsychiatrischer Verbund (GPV) Stuttgart

Durch das Inkrafttreten des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (PsychKHG) in Baden-Württemberg zum 1. Januar 2015 erhielten der GPV Stuttgart und die SpDi erstmals eine gesetzliche Grundlage. Die Dienste verantworten „sozialpsychiatrische Vorsorge, Nachsorge und psychosoziale Krisenintervention, auch aufsuchend, sowie die Vermittlung sozialer Hilfen für insbesondere chronisch psychisch kranke… Menschen…“ (§ 6 PsychKHG).

Der GPV Stuttgart ist der Zusammenschluss aller an der sozialpsychiatrischen Versorgung Beteiligten in der Landeshauptstadt Stuttgart. Unter partizipativen Gesichtspunkten sind Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige und Bürgerhelfer*innen langjährige und selbstverständliche Partner*innen der Professionellen sowie der Verwaltung und der Kostenträger. Ziel ist die Bereitstellung eines umfassenden und koordinierten Leistungsangebotes für chronisch psychisch kranke Menschen in der Landeshauptstadt Stuttgart, um die ambulante Grundversorgung zu sichern. Die personenzentrierten Hilfen erfolgen wohnortnah und durch multiprofessionelle Zusammenarbeit.


Gemeindepsychiatrische Zentren (GPZ)

Die acht SpDi bilden das Kernstück der GPZ in der Landeshauptstadt Stuttgart. Sie sind zentraler Bestandteil der psychosozialen Grundversorgung und übernehmen gemeinsam mit den anderen Bausteinen des GPV die Versorgungsverpflichtung für das gesamte Stadtgebiet. Das bedeutet, dass allen chronisch psychisch erkrankten Menschen in ihrem Einzugsgebiet sozialpsychiatrische Hilfen erschlossen und umgesetzt werden und zusätzlich im Rahmen der Funktion der niederschwelligen Anlaufstelle Anfragen von unterschiedlichsten Organisationen, Einrichtungen, Privatpersonen auch von Dritten, abgeklärt werden. Die Anfragen und die Beratung von Angehörigen psychisch erkrankter Menschen und Nachbar*innen nehmen diesbezüglich einen besonderen Raum ein.

Jedes GPZ ist für ein definiertes Versorgungsgebiet zuständig und verantwortlich für den jeweiligen Sozialraum. Die Sektoren der beiden psychiatrischen Kliniken mit Versorgungsverpflichtung und die Einzugsgebiete der GPZ sind aufeinander abgestimmt.

Die GPZ beinhalten folgende Bausteine

· Sozialpsychiatrische Dienste (SpDi)
· Gerontopsychiatrische Dienste (GerBera)
· Tagesstätten
· Arbeitsprojekte / Beschäftigungsmöglichkeiten (SGB XII und SGB II)
· Psychiatrische Institutsambulanzen (PIA) (SGB V)
· Häusliche psychiatrische Pflege (SGB V)
· Soziotherapie (SGB V)
· Angebote für Kinder psychisch kranker Eltern
· EX-In und Peer-Beratung
· Betreutes Wohnen (SGB IX/XII) ist in die GPZ eng eingebunden

In den GPZ werden die Angebote einer ambulanten psychiatrischen Versorgung „unter einem Dach“ gebündelt, um die Ressourcen effektiv einzusetzen und personenbezogen auszugestalten. Die Bausteine arbeiten dezentral, niederschwellig, alltags- und lebensweltorientiert und erleichtern so
den Zugang für Betroffene und ihre Angehörigen. Die Grundlagen für ein GPZ sind in der GRDrs 556/2016 „Kriterien für neue Standorte und die strukturelle Ausgestaltung von Gemeindepsychiatrischen Zentren ab 2016“ geregelt.

Leistungsbereiche der SpDi

Die Leistungsbereiche der SpDi wurden mit der GRDrs 969/2003 „Übertragung sozialer Dienste des Gesundheitsamts - sozialpsychiatrische Hilfen - an andere Träger; Festlegung der qualitativen und quantitativen Rahmenbedingungen“ definiert.
    Bezeichnung des Leistungsbereichs
    Inhalt des Leistungsbereichs
A
    Information, Auskunft und Vermittlung
B
    Aufbau von helfenden Beziehungen und Hinführung zu weitergehenden Hilfen
C
    Feststellung des Hilfebedarfs, Hilfeplanung und Hilfeprozessplanung
D
    Sicherstellung der materiellen Grundversorgung
E
    Langzeitbegleitung
F
    Krisenintervention und Schutzmaßnahmen
G
    Gutachten und Stellungnahmen
H
    Verbundbezogene Leistungen
I
    Gemeinwesenbezogene Leistungen
Situation in den SpDi in der Landeshauptstadt Stuttgart
(Datengrundlage 31.12.2020)


Die Versorgung psychisch kranker Menschen im Jahr 2020 durch die SpDi und andere Dienste und Einrichtungen des GPV war geprägt durch die völlig neuen Herausforderungen der Corona-Pandemie.

Dienste und Einrichtungen mussten neue Settings für die Erbringung der Leistungen konzipieren und verschiedene Szenarien für die Versorgung bis hin zur Notfallversorgung entwickeln. Bestehende Kooperationen wurden unter extremen Bedingungen auf eine Belastungsprobe gestellt.
Trotz dieser besonderen Herausforderungen war im gesamten Jahr 2020 die Versorgung der Klient*innen jederzeit sichergestellt. Die acht Gemeindepsychiatrischen Zentren und die Sozialpsychiatrischen Dienste waren unter den jeweils gültigen Schutzmaßnahmen mit entsprechenden Infektionsschutzkonzepten und alternativer Arbeitsweisen weiterhin geöffnet. Die niederschwellige, alltags- und lebensweltorientierte Methode (wie Hausbesuche, Beratungsgespräche, alltagspraktische und sozialanwaltliche Tätigkeiten, freiwillige Geldverwaltung, Medikamentenvergabe) wurde aufrechterhalten. Die Weiterführung der städtischen Förderung wurde in der GRDrs 432/2020 „Aufrechterhaltung der städtischen institutionellen Förderung für die Angebote der freigemeinnützigen Träger im Bereich des Sozialamts trotz Betriebseinschränkungen nach Corona-Verordnung“ ausgeführt.
Die psychiatrischen Kliniken erfüllten ihren Versorgungsauftrag und waren ein wichtiger und verlässlicher Partner in der Pandemie. Die gute Zusammenarbeit zwischen ambulanter Versorgung im GPV und klinischem Bereich war auch in diesen schwierigen Zeiten sehr konstruktiv. Die Angebote des Betreuten Wohnen wurden unter Hygienemaßnahmen weiterhin durchgeführt.

Im Rahmen der jeweils gültigen Bestimmungen der Corona-Verordnungen des Landes Baden-Württemberg und in enger Abstimmung mit den Regelungen des RKI und des Gesundheitsamtes der Landeshauptstadt wurden Maßnahmen im Gemeindepsychiatrischen Verbund regelmäßig unter Koordination der Landeshauptstadt Stuttgart aktualisiert und der Situation angepasst.

Die Tagesstätten in den Gemeindepsychiatrischen Zentren haben ihre Arbeitsweise während der angeordneten Schließung vom 16. März 2020 bis 1. Juni 2020 komplett verändert und durch z. B. Telefonkontakte, Beratungen im Freien, wöchentlichen sog „Recovery“-Postsendungen mit Informationen zu Corona, Rätseln, Anleitungen zu tagesstrukturierender Beschäftigung, Kochrezepten, Take-Away-Essenspakete und ausgelagerte Heimarbeitsplätze den Kontakt zu den Klient*innen kreativ umgestaltet und gehalten.

Über die Zeit dieser massiven Einschränkungen wurde eine Dokumentation erarbeitet „Gemeindepsychiatrischer Verbund Stuttgart – Corona in den Tagesstätten der Gemeindepsychiatrischen Zentren der Landeshauptstadt“.

Auswertung der Daten 2020 und Schlussfolgerungen

Die Gesamtzahlen der Anfragen, die Anzahl der langfristigen Beratungen, die Diagnosen und die soziodemografischen Daten der langfristig betreuten Menschen mit psychischen Erkrankungen vermitteln eine quantitative Grundlage bezüglich der Auslastung der Dienste und der Frage, ob der Personenkreis erreicht wird, der im PsychKHG und den Verwaltungsrichtlinien beschrieben wird.

Die Daten werden jeweils mit den Vorjahren verglichen, um frühzeitig ggf. notwendige Veränderungen zu erkennen und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Für den Berichtszeitraum 2020 (1. Januar 2020 - 31. Dezember 2020) ergibt sich zusammengefasst folgendes Bild:

Die Gesamtzahl der Anfragen ging 2020 um 36 Anfragen zurück auf 3.728 (2019: 3.764 Kontakte). Möglicherweise als Folge der veränderten Gesamtkontaktzahlen gingen auch die langfristigen Kontakte zurück auf 1.850 (2019: 1956).
Dieser Rückgang wird zurückgeführt auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Die Kontakthäufigkeit hingegen hat zugenommen. Die Fallzahlen pro Mitarbeiter*in sind nach wie vor hoch: 135 Gesamtbetreuungen, davon 67 langfristig Betreute (2019: 138 Gesamtbetreuungen, davon 72 langfristig Betreute).

Erfreulich ist, dass 76 % der langfristig betreuten Menschen, die sich schwertun, überhaupt Hilfe anzunehmen, in ärztlicher Behandlung sind (Facharzt/Institutsambulanz). Gründe dafür sind die niedrigschwellige Präsenz der Institutsambulanzen in den GPZ, die Akzeptanzarbeit der Mitarbeiter*innen sowie die gute Kooperation mit den Kliniken.

Wie auch in den letzten Jahren sind leichte Schwankungen im Bereich der soziodemografischen Daten von Klient*innen zu beobachten. Die wesentlichen Faktoren wie Diagnosen, Familienstand, Alter und Geschlecht zeigen jedoch keine signifikanten Veränderungen im Vergleich zu den Vorjahren.

Die Kooperation und Koordination der Hilfen, vor allem an den sogenannten Schnittstellen mit anderen Hilfesystemen wie Wohnungsnotfallhilfe, Hilfen für geflüchtete Menschen, Suchthilfe, Jugend- und Altenhilfe, nimmt eine zunehmende Bedeutung ein. Diese Schnittstellen werden weiter vertieft und strukturiert.

Im Rahmen der Überarbeitung der Verwaltungsvorschriften (VwV) für die SpDi in Baden-Württemberg und der Neufassung ab 2021 wurden Schwerpunkte der Arbeit der Stuttgarter Dienste vollzogen und z. B. die aufsuchende Arbeit (Hausbesuche) gestärkt.

Folgende Entwicklungen werden zukünftig die Dienste beeinflussen: Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) wird sich auf die Arbeit und die Aufgaben der SpDi (und auf das betreute Wohnen) auswirken. Über die Stationsäquivalente Behandlung im häuslichen Umfeld (StäB) wurde mit der GRDrs 267/2020 „Stationsäquivalente Behandlung (StäB) in Stuttgart am Beispiel des Klinikums Stuttgart, Zentrum für Seelische Gesundheit“ berichtet. Insbesondere vor dem Hintergrund der Pandemie erwies sich diese Behandlungsform als überaus hilfreich und wurde erfreulicherweise ausgeweitet und entwickelt eine gute Kooperation und Vernetzung mit den GPZ.

Insgesamt sind die SpDi in der Landeshauptstadt Stuttgart gut aufgestellt und wurden ihrem Arbeitsauftrag auch in extrem herausfordernden pandemischen Zeiten engagiert gerecht. Besonders bewährt hat sich auch der GPV Vertrag (Versorgungsverpflichtung) und die Zusammenarbeit mit dem klinischen Bereich unter besonders schwierigen Bedingungen. Die Kooperation mit beteiligten Einrichtungen und Diensten in den Schnittstellenbereichen der Sozialpsychiatrie und darüber hinaus verläuft weiterhin gut.




Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

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Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin





1. Sozialpsychiatrische Dienste (SpDi) in Stuttgart 2020: Fakten, Zahlen und soziodemographische Merkmale der langfristig betreuten psychisch erkrankten Menschen in den acht SpD, Bericht der Träger der Sozialpsychiatrischen Dienste

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GRDrs 225_2021_Anlage 1_Bericht der Träger der SpDi.pdf