Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Sicherheit/Ordnung und Sport
Gz: 0614-01
GRDrs 537/2024
Stuttgart,
07/19/2024


Feststellung der neuen amtlichen Einwohnerzahl im Rahmen des Zensus 2022



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussKenntnisnahmeöffentlich24.07.2024

Bericht:


Feststellung der neuen amtlichen Einwohnerzahl im Rahmen des Zensus 2022

Nach Abschluss des Zensus 2022 wurden Ende Juni 2024 die neuen amtlichen Einwohnerzahlen der Gebietskörperschaften in Deutschland durch die staatlichen Statistikämter bekannt gegeben. Förmlich zugestellt wird die amtliche Einwohnerzahl der Stadt Stuttgart per Feststellungsbescheid voraussichtlich im September 2024. Gegen diesen Bescheid kann dann binnen eines Monats Widerspruch beim Statistischen Landesamt Baden-Württemberg eingelegt werden.


Einwohnerzahl von Stuttgart und im Vergleich

Zum Stichtag des Zensus 2022, dem 15. Mai 2022, wurde für Stuttgart als neue amtliche Einwohnerzahl 610 459 Einwohner mit Hauptwohnung ermittelt. Auf Basis dieser Zahl wird künftig jährlich die amtliche Einwohnerzahl durch das Statistische Landesamt Baden-Württemberg bis zum nächsten Zensus 2031 fortgeschrieben. Gegenüber der „alten“ amtlichen Einwohnerzahl auf der Basis Fortschreibung des Zensus 2011 bedeutet das eine Differenz von -21.706 Einwohner beziehungsweise -3,4 Prozent zum Fortschreibungsstichtag 30. Juni 2022. Beim Zensus 2011 war die amtliche Einwohnerzahl um -3,6 Prozent nach unten korrigiert worden.

Das Melderegister hingegen wies zum Stichtag 15. Mai 2022 insgesamt 609.828 Personen auf, die mit Hauptwohnsitz in Stuttgart gemeldet waren. Im Vergleich zur im Zensus ermittelten Zahl ergibt sich damit ein nur marginaler Unterschied von +0,1 Prozent.



Methodische Hintergründe

Die durch den Zensus 2022 ermittelten neuen amtlichen Einwohnerzahlen stellen in erster Linie und erwartungsgemäß eine Korrektur der amtlichen Bevölkerungsfortschreibung der Länder und des Bundes auf der Basis des Zensus 2011 dar. Dabei fielen die (prozentualen) Abweichungen insbesondere in größeren Städten und bei starker Bevölkerungsfluktuation (vorzugsweise an Hochschulstandorten) höher aus.

Im Vergleich stellen sich die Differenzen zwischen neuer amtlicher Einwohnerzahl auf der Basis des Zensus 2022 zur fortgeschriebenen amtlichen Einwohnerzahl auf der Basis des Zensus 2011 entsprechend wie folgt dar: Bundesrepublik Deutschland insgesamt - 1,6 %
7 größte Städte Deutschlands - 3,4 %
Baden-Württemberg insgesamt - 1,2 %
Landeshauptstadt Stuttgart - 3,4 %
Kreisfreie Städte Baden-Württemberg - 1,3 %

Verluste zwischen neuer und fortgeschriebener Einwohnerzahl verzeichnen alle der sieben größten Städte Deutschlands. Diese fallen in München (-2,0 %) und Düsseldorf (-2,3 %) etwas geringer, in Berlin (-3,5 %), Frankfurt a. M. (-3,5 %), Hamburg (-3,5 %) und Köln (-5,9 %) etwas höher aus als in Stuttgart. Insgesamt sinkt die Einwohnerzahl des Bundesrepublik Deutschland um 1,6 Prozent, Baden-Württemberg steht mit einer Abweichung von -1,2 Prozent zur „alten“ amtlich fortgeschriebenen Zahlen dabei etwas besser da als der Bundesdurchschnitt.

Einen realistischen Maßstab zur Einordnung der Zensusergebnisse bietet aber der Vergleich mit den Melderegisterzahlen. Schließlich stellte der Zensus 2022 in methodischer Hinsicht auf die Melderegister als zentrale Datenbasis für die Ermittlung der Einwohnerzahl ab. Die dort gespeicherten Einwohnerdaten wurden zunächst einer überregionalen Mehrfachfallprüfung unterzogen. Parallel dazu wurde durch das Statistische Bundesamt für jede Gemeinde eine Stichprobe aus dem Melderegister (Umfang in Stuttgart: ca. 7,1 Prozent der Bevölkerung) gezogen. Die so ermittelten Anschriften wurden durch Erhebungsbeauftragte (organisiert durch die örtliche Erhebungsstelle) persönlich aufgesucht und vor Ort die Existenzen der gemeldeten und nicht-gemeldeten Bewohnerinnen und Bewohner überprüft. Aufgrund der Erhebung durch die Interviewerinnen und Interviewer an den Stichprobenanschriften wurden Differenzen zum konsolidierten Melderegisterbestand (sog. „Karteileichen“ oder Fehlbestände) festgestellt. Diese wurden durch das Statistische Bundesamt entsprechend der Stichprobengröße auf die Gesamtstadt hochgerechnet und im Gesamtbestand statistisch korrigiert. Betrachtet man nun die Differenz zwischen der Einwohnerzahl laut Melderegister sowie der neuen amtlichen Einwohnerzahl für den Stichtag 15. Mai 2022 ergibt sich für die kreisfreien Städte in Baden-Württemberg folgendes Bild: Während für einige Städte wie zum Beispiel Pforzheim (+3,7 %, zuvor: +1,1 %) und Heidelberg (+3,5 %, zuvor: +8,9 %) eine positive relative Abweichung zum Register errechnet wurde, sinkt die amtliche Einwohnerzahl anderer Städte wie zum Beispiel Mannheim (-3,3 %, zuvor: -3,1 %) relevant unter die nach Melderegister eigentlich zu erwartende Zahl ab. Stuttgarts neue amtliche Einwohnerzahl liegt hier mit einem Plus von 0,1 Prozent (zuvor: +3,7 %) zum Registerwert im Mittelfeld der kreisfreien Städte und ziemlich exakt bei der nach unserem Melderegister zu erwartenden Einwohnerzahl. Vorbehaltlich der detaillierteren Erkenntnisse aus dem Datenblatt, das mit dem Feststellungsbescheid zugesendet wird, haben sich nach aktuellem Stand bei der Zensuserhebung in Stuttgart die positiven Korrekturen (durch erfasste Fehlbestände) und negativen Korrekturen (durch erkannte „Karteileichen“) gegenüber dem Melderegister nahezu ausgeglichen. Dies erforderte allerdings, wie sich bei der Durchführung zeigte, einen immensen Aufwand, den die Stuttgarter Erhebungsstelle nur dank einer guten Ressourcenausstattung und des großen Engagements der Erhebungsbeauftragten bewältigen konnte.
Finanzielle Auswirkungen
Entscheidende Bedeutung verbunden mit finanziellen Auswirkungen hat die amtliche Einwohnerzahl für den Finanzausgleich (FAG): Die FAG-Masse ist die Summe der Mittel, die im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs unter Berücksichtigung von Verteilungskriterien den Gemeinden und Landkreisen zur Finanzierung ihrer Aufgaben zur Verfügung gestellt werden. Von dieser wurden z.B. im Jahr 2023 von 13.105 Mio. Euro rd. 7.519 Mio. Euro, also ca. 57 %, unter Berücksichtigung des Faktors Einwohner verteilt.

Beim Faktor Einwohner ist zu berücksichtigen, dass nach Zensus 2022 (Stichtag 15. Mai 2022) nicht nur die LHS 3,4 % Einwohner (zum fortgeschriebenen Bevölkerungsstand 30.06.2022) verloren hat, sondern auch im Landesdurchschnitt die Einwohnerzahl zurückgegangen ist (1,2 %). Daraus folgt, dass ein Teil der finanziellen Auswirkungen bei der LHS, der auf den Einwohnerrückgang zurückzuführen ist, durch den landesweiten Einwohnerrückgang „aufgefangen“ wird.

Im Hinblick auf das Spannungsverhältnis (LHS: 1:1,86; Landesdurchschnitt: ca. 1:1,29), das bei der LHS um das 1,4-Fache über dem durchschnittlichen Landeswert liegt, kann der Verlust eines Stuttgarter Einwohners allerdings nicht 1:1, sondern nur in dieser Relation durch den Verlust eines Einwohners im Land ausgeglichen werden.

Erste Vergleichsberechnungen Verglichen wurden ab 2025 die Ansätze im DHH 2024/2025 bzw. in der Finanzplanung 2026-2028 basierend auf den nach Zensus 2011 fortgeschriebenen Einwohnerzahlen mit FAG-Berechnungen, die sich bei Anwendung der Fortschreibungsergebnisse basierend auf dem Zensus 2011 und dem Zensus 2022 für 2025 im Verhältnis 50:50 und ab 2026 basierend auf der Einwohnerzahl nach Zensus 2022 ergeben. haben ergeben, dass sich die zensusbedingten Verluste bei der LHS auf etwa 25,8 Mio. (2025), 58,3 Mio. (2026) bzw. per Saldo 54,1 Mio. (2027 – die Mindereinnahmen bei den FAG-Zuweisungen (-59,6 Mio.) werden über eine verringerte FAG-Umlage (-5,5 Mio.) gemindert) und per Saldo 58,3 Mio. (2028 – die Mindereinnahmen bei den FAG-Zuweisungen (-69,7 Mio.) werden über eine verringerte FAG-Umlage (-11,5 Mio.) gemindert) belaufen.

Die Zensusauswirkungen werden bei der Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs für den Doppelhaushalt 2026/2027 berücksichtigt. Im Fall einer positiven Wirtschaftsentwicklung könnten die oben genannten Mindereinnahmen dann evtl. infolge ansteigender Steuerschätzergebnisse aus der Herbst-Steuerschätzung 2024 und der Mai-Steuerschätzung 2025 teilweise oder ganz kompensiert werden.



Rechtliche Bewertung und weiteres Vorgehen

Im Zuge des Feststellungsbescheids, welcher für September 2024 angekündigt ist, wird zur Erläuterung des Zustandekommens der Einwohnerzahl ein Datenblatt mitgeliefert werden. Dieses wird detaillierte Angaben zu Stichprobe, Schichtung und Erhebung enthalten und soll eine umfassende und detaillierte Nachprüfung der neuen Einwohnerzahl durch das Statistische Amt ermöglichen. Sollten sich hier Anzeichen für Ungereimtheiten finden, wird die Landeshauptstadt Stuttgart daher innerhalb der gesetzlichen Frist vorsorglich zur Wahrung der städtischen Interessen Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid einlegen. Für die Begründung eingelegter Widersprüche will das Statistische Landesamt eine Frist bis Januar 2025 einräumen.

Nach derzeitigem Stand ist nicht davon auszugehen, dass die Einwohnerzahl Stuttgarts im Rahmen der Zensusmethode nicht gesetzesgemäß ermittelt wurde, da die neue amtliche Einwohnerzahl im Rahmen der laut Melderegister zu erwartenden Einwohnerzahl liegt. Das erscheint nach Einschätzung des Fachamtes plausibel. Sollten keine gravierenden Fehler in der Ausführung der gesetzlichen Vorgaben, zum Beispiel bei der Stichprobenziehung oder im Hochrechnungsverfahren, erkennbar sein, scheint aus Opportunitätsgründen ein Widerspruchsverfahren oder eine eventuell anschließende Klage daher nicht angeraten.


Beteiligte Stellen

Referat WFB






Dr. Clemens Maier
Bürgermeister





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