Die strukturellen und baulichen Herausforderungen der Sozialunterkünfte wurden in der GRDrs 188/2021 „Projekt: Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften“ ausführlich beschrieben. Die in der Landeshauptstadt Stuttgart praktizierte Unterbringung von Familien in Pensionen von privaten Betreiber*innen (Sozialunterkünfte) war ursprünglich als Notunterbringung vorgesehen. Mittlerweile wird dies aufgrund des angespannten Wohnungsmarkts zu einer Unterbringungsform über mehrere Monate bis über Jahre hinweg, ohne dass dies eine geeignete Unterbringung für Kinder und Jugendliche ist. Daher kam die Sozialverwaltung zu der Erkenntnis, dass es eines Strategiewechsels bei den Sozialunterkünften bedarf und grundsätzlich andere Unterkunftsmöglichkeiten notwendig sind (vgl. GRDrs 362/2021 „Projektergebnisse: Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften“). Es wurden finanzielle Mittel für den Pilotbetrieb einer durch das Sozialamt geführten Unterkunft genehmigt (Modell 1) sowie angedacht, freiwerdende Platzkapazitäten in Bestandsbauten, die für geflüchtete Menschen genutzt wurden, für Familien aus Sozialunterkünften einzusetzen (Modell 2). Aktueller Stand Zum Stichtag 01.07.2022 lebten 373 Personen in Familienkontexten in Sozialunterkünften, von denen 205 Kinder waren. Die Anzahl der Personen ist nach dem Rückgang 2021 wieder angestiegen. Mehr als die Hälfte der Familien lebt inzwischen länger als sechs Monate, ein Viertel sogar länger als ein Jahr in der Sozialunterkunft. Es ist zu beobachten, dass dabei der Anteil von Familien aus einem EU-Land stark zunimmt. Von diesen Familien kamen 70 % im Jahr 2022 aus Rumänien. Im Jahr 2020 lag der Anteil der rumänischen Familien aus EU Ländern bei 45 %. Gebäudesituation Der Pilotbetrieb einer durch das Sozialamt geführten Unterkunft konnte bislang leider nicht umgesetzt werden. Eine eingehende Prüfung durch das Baurechtsamt, um ein Gebäude, das bis Sommer 2021 als Schutzunterkunft für Covid-Fälle in der Flüchtlings- und Wohnungslosenhilfe diente, in eine Unterkunft für obdachlose Familien umzuwandeln, hat ergeben, dass eine Nutzung als Sozialunterkunft aufgrund des Bebauungsplans in diesem Flurstück nicht in Frage kommt. Grund war, dass das Vorhaben baurechtlich als Anlage für soziale Zwecke einzustufen ist, das Gebäude jedoch in einem Gewerbegebiet liegt. Der Sachverhalt wurde in einer Besprechung zwischen Sozialamt, Baurechtsamt und Liegenschaftsamt am 09.11.2021 ausführlich erörtert. Eine Ausnahme war nicht möglich, weil die Begründung zum Bebauungsplan ausdrücklich feststellt, dass dort „nur Gebäude für Gewerbetriebe errichtet werden sollen, die das Wohnen nicht wesentlich stören.“ Das Liegenschaftsamt wurde gebeten, in seinem Bestand nach einem anderen geeigneten Gebäude für diesen Zweck zu suchen. Leider konnte bisher noch keine geeignete Immobilie für den Betrieb einer eigenen Sozialunterkunft gefunden werden. Durch die Zuwanderung vieler geflüchteter Menschen aus der Ukraine ist der Bedarf an Gebäuden zur Unterbringung insgesamt deutlich angestiegen. Dies ist auch ein Grund, warum in den Bestandsbauten für Geflüchtete keine Platzkapazitäten für wohnungslose Familien frei wurden. Es wurde versucht, bestimmte Rahmenbedingungen zu verbessern, wie zum Beispiel die Unterbringung von Familien und Alleinstehenden räumlich voneinander zu trennen. Dies konnte mittlerweile in zwei von 17 Sozialunterkünften, in denen Familien untergebracht sind, umgesetzt werden. Die durch Corona bedingte notwendige geringere Belegung der Sozialunterkünfte im letzten Jahr führte außerdem dazu, dass seitens der Betreiber*innen weitere Belegungsvereinbarungen gekündigt wurden. Weiterhin wurden Gebäude verkauft. Im Zuge von mehreren Besitzer*innenwechseln schloss das Sozialamt neue Belegungsvereinbarungen ab. Dies war dringend angezeigt, um die Unterbringung von wohnungslosen Familien zu gewährleisten. Zwei Unterkünfte für Familien mit vergleichsweise guten Bedingungen sind ersatzlos weggefallen. Fallmanagement für wohnungslose Familien Seit ca. drei Jahren ist bei der Zentralen Fachstelle der Wohnungsnotfallhilfe in der Abteilung Sozialarbeit und Betreuungsbehörde im Sozialamt ein Fallmanagement für wohnungslose Familien in Sozialunterkünften eingerichtet worden, um den ansteigenden Zahlen der Unterbringung von Familien sowie die längeren Verweildauern in den Unterkünften durch den Engpass in der Wohnraumversorgung von Familien mit geringem Einkommen und dem Bedarf an Begleitung der Familien Rechnung zu tragen. Die Implementierung des Fallmanagements ist kein Ergebnis des Projekts, steht jedoch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Situation der Familien in den Sozialunterkünften und wird deswegen in dieser Vorlage mit beschrieben. Die Fallmanager*innen sind sowohl für die Unterbringung von Familien, das Zusammenführen von Informationen und Hilfen, die Vermittlung zwischen den beteiligten Akteur*innen und die weitere Begleitung der Familien verantwortlich. Die Arbeit des Fallmanagements stellt eine sehr große Verbesserung dar, da sowohl die Familien, die Mitarbeiter*innen der Beratungszentren des Jugendamts als auch die Betreibenden in einem kontinuierlichen Kontakt mit den Fallmanager*innen stehen. Zwischen Jugendamt und Sozialamt wurde ein handlungsleitendes Kooperationspapier entwickelt, in dem die gemeinsame Verantwortung für wohnungslose Familien beschrieben wird. Der oben genannte große Wechsel bei den Betreibenden von Sozialunterkünften konnte durch die Fallmanager*innen optimal begleitet werden. Die regelmäßigen Besuche des Fallmanagements in den Unterkünften mit Familien haben dazu geführt, dass die neuen Betreiber*innen für die Anliegen der Familien sensibilisiert wurden und gut mit ihnen in Kontakt kamen. In den Jahren 2020 und 2021 war die Arbeit des Fallmanagements für Familien überwiegend von Kriseninterventionen geprägt. Häufig ging es dabei um Infektionsfälle in den Unterkünften und die damit verbundenen organisatorischen und sozialarbeiterischen Aufgaben. Die Familien waren durch die verschiedenen Herausforderungen in der Coronazeit stark belastet. Ein weiterer Schwerpunkt des Fallmanagements hat sich durch die Entwicklung der Lebenssituationen der Zielgruppe verändert. Die Familien in Sozialunterkünften leben in komplexen und herausfordernden Situationen. Ein zunehmender Anteil von ihnen reist aus Südosteuropa zur Arbeitssuche nach Stuttgart. Die Einreise zur Arbeitssuche ist Personen aus anderen EU-Staaten jederzeit möglich, jedoch besteht kein Anspruch auf Sozialleistungen während der Arbeitssuche. Erst wenn mindestens ein erwachsenes Familienmitglied Arbeit in einem bestimmten Umfang gefunden hat, werden ergänzende Leistungen nach dem SGB II gewährt. Für viele Familien bedeutet die Unterbringung in Sozialunterkünften eine erste Grundversorgung ihrer existenziellen Bedürfnisse. Die Erwachsenen verfügen häufig über keine formalen Bildungsabschlüsse; einige von ihnen sind Analphabet*innen und haben nur geringe bis keine Deutschkenntnisse. Daher sind sie zu großen Teilen in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt und werden teilweise von den Arbeitgeber*innen nicht korrekt angemeldet. Wenn sie ihre Anstellung verlieren und nicht nachweisen können, dass dies nicht aus eigenem Verschulden geschehen ist, verliert die ganze Familie sofort den Anspruch auf aufstockende Leistungen und damit auch die Kostenzusage für die Sozialunterkunft. Sie müssen dann gegebenenfalls aus der Sozialunterkunft ausziehen. In der Regel wird der Familie ein Ticket zur Rückkehr in das Herkunftsland durch das Sozialamt der Landeshauptstadt Stuttgart angeboten. Wenn die Familien dort alles aufgegeben haben, um in Deutschland Arbeit zu suchen, nehmen sie das Ticket oftmals nicht an. In vielen Fällen verlieren Familien zwar mehrmals ihren Leistungsanspruch und damit die Unterkunft, aber nach einigen Tagen bzw. Wochen gelingt es den Eltern, neue Arbeit zu bekommen und damit wieder einen neuen Leistungsanspruch zu generieren. Zeiten ohne Leistungsanspruch überbrücken die Familien in häufig prekären Wohnverhältnissen oder auf der Straße. Die Arbeit mit Familien ist somit geprägt von den massiven Unsicherheiten ihrer Lebenssituationen. Teilweise haben einige Familien Schwierigkeiten, das von den Betreiber*innen und Mitbewohner*innen erwartete Wohnverhalten zu zeigen. Dies betrifft z. B. die Bereiche Hygiene, Nutzung von Sanitärräumen oder die Erziehung und Beaufsichtigung ihrer Kinder. So kommt es in den Unterkünften immer wieder zu Konflikten. Einige Betreiber*innen fühlen sich überfordert und sind nicht mehr bereit, diese Familien unterzubringen. Weitere Planungen Im Bereich des Fallmanagements für Familien wird angestrebt, vor allem für die Situation längerer Aufenthalte (ab sechs Monate) einen strukturierten Prozess zu entwickeln, der regelhaft eingeleitet wird. Darin sollen konkrete Vereinbarungen mit den Familien über die verschiedenen anstehenden Themen geschlossen werden. Wie deutlich wurde, sind die mangelnden Unterstützungsmöglichkeiten für Familien aus dem EU-Ausland, die über keinen Leistungsanspruch verfügen, ein Problem sowohl in der Landeshauptstadt Stuttgart als auch in anderen Großstädten in Deutschland. Dies wird auch in der zentralen Notübernachtung (vgl. GRDrs 585/2022 „Bericht über die Unterbringung akut obdachloser Alleinstehender in den zentralen Notübernachtungen“) deutlich. Um das Unterstützungssystem in Stuttgart weiterzuentwickeln hat sich eine Delegation des Sozialamts bei einer Exkursion in die Landeshauptstadt München im Juli 2022 über deren umfassendes Hilfesystem für Familien ohne Leistungsanspruch informiert. Die Erkenntnisse der Exkursion werden derzeit diskutiert. Umsetzung der Maßnahmen der AG 2: Angebote für Kinder und Jugendliche 1. Fachkräftetandem zur Unterstützung der Bildungs- und Lebenssituation von Familien aus Sozialunterkünften Im Rahmen der Arbeitsgruppe 2 wurde ein hoher Bedarf an niedrigschwelliger, alltags- und lebensweltorientierter Unterstützung von Familien aus Sozialunterkünften identifiziert (vgl. GRDrs 362/2021 „Projektergebnisse: Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen in Sozial- und Gemeinschaftsunterkünften“). In enger Abstimmung mit den bestehenden Regelsystemen wurde vor diesem Hintergrund empfohlen, das als Pilotprojekt konzipierte Fachkräftetandem in Stuttgart-Ost für eine erweiterte Erprobung fortzuführen und dieses in Stuttgart-Zuffenhausen ebenfalls zur Erprobung zu etablieren. Ein Fachkräftetandem setzt sich aus 50 % Mobiler Jugendarbeit und 50 % niedrigschwelliger Elternarbeit zusammen. Aktueller Stand
o In der Gemeinschaftsunterkunft leben Menschen mit Behinderungen. Die Kinder mit Behinderungen bzw. mit Angehörigen mit Behinderungen kommen zu kurz (Nordbahnhofstr. 161 A, B, C, Stuttgart-Nord).
o Der Standort der Unterkunft ist sozialräumlich ungünstig in den Stadtteil eingebunden (Steinröhre 1A, 1B, 1C, 1D, 1E, Stuttgart-Weilimdorf).
o Die Gemeinschaftsunterkunft liegt in einem Areal, welches sozialräumlich umgestaltet wird, so dass die Kinder aufgrund der Baustelle weniger Raum haben (Tunzhoferst. 20, Stuttgart-Nord).
Sobald die ausgeschriebenen Stellenanteile besetzt sind, soll der geplante Arbeitskreis erstmalig stattfinden und sowohl der Vernetzung, Qualifizierung und Begleitung der Fachkräfte dienen, so wie auch der Rückbindung der Bedarfe der Kinder und Jugendlichen an mögliche Hilfesysteme. Die Leitung des Arbeitskreises setzt sich zusammen aus dem Sozialamt (Sozialplanung für Geflüchtete), dem Jugendamt (Dienststelle für Kinderförderung und Jugendschutz) sowie dem Kinderbüro. Die Geschäftsführung des Arbeitskreises obliegt dem Sozialamt.