Protokoll: Krankenhausausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 09.02.2018
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:der Vorsitzende, BM Dr. Schairer,
die Herren Dr. Henn-Beilharz (Leitender Notarzt), Dr Knödler (Branddirektion) und Schuster (Rettungsdienstleiter)
Protokollführung: Herr Häbe de/fr
Betreff: Notfallversorgung und Rettungswesen im Rettungsdienstbereich Stuttgart
- mündlicher Bericht -

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.


Von EBM Föll werden zu diesem Tagesordnungspunkt BM Dr. Schairer sowie die Herren Dr. Knödler (Leiter der Branddirektion), Dr. Henn-Beilharz (Leitender Notarzt des Rettungsdienstbereichs Stuttgart) und Herr Schuster (DRK/Leiter des Rettungsdienstbereichs Stuttgart) begrüßt.

Einleitend stellt Herr Schuster die Situation im Rettungsdienstbereich der Landeshauptstadt im Jahr 2017 dar. Die Inhalte der beigefügten Präsentation ergänzend trägt er dabei bezugnehmend auf jüngste Medienberichterstattungen vor, die vom Land Baden-Württemberg vorgesehene Zielplangröße habe zum Inhalt, dass in 95 % der Rettungsdiensteinsätze in 10 maximal 15 Minuten ein Fahrzeug des Rettungsdienstes [Rettungstransportwagen (RTW) oder Notarzt] vor Ort sein müsse.

Die eingerichtete ständige Arbeitsgruppe zum Thema Hilfsfrist bestehe seit Jahren. Diese Gruppe komme regelmäßig zusammen, um Entwicklungen sehr frühzeitig zu erkennen und um gegebenenfalls möglichst frühzeitig mit entsprechenden Gegenmaßnahmen zu reagieren. Nachdem es im Jahr 2015 im Bereich des ersteintreffenden Rettungsmittels eine Untererfüllung der gesetzlichen Vorgabe gegeben habe, habe man zum 1. Februar 2016 im Bereichsausschuss einen weiteren Rettungswagen, gesplittet in einen Tag- und in einen Nachtdienst beschlossen.

Weiter geht er auf die am 20. Oktober 2016 aufgrund gutachterlicher Empfehlungen erhöhten Rettungsmittelvorhaltestunden (RVS) bei den einzelnen Rettungswachen sowie auf die Standortverlegung Notarzt Nord ein. Für den Standort Notarzt Süd sei ein zusätzliches Fahrzeug in Dienst gestellt worden (Wirkungsbeginn 1.1.2017).

Diese umfassenden Maßnahmen setzten voraus, dass zum einen die entsprechenden Fahrzeuge beschafft werden (RTW oder Notarzteinsatzfahrzeug); vom Zeitpunkt der Bestellung eines RTW bis zur Auslieferung vergehe ca. 1 Jahr. Zudem müssten die erforderlichen Fachkräfte gewonnen werden. In diesem Bereich gebe es bundesweit massive Probleme, da diese Fachkräfte am Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stünden. Auch ließen sich Personen durch das aktuelle Berufsbild nicht mehr so schnell wie in der Vergangenheit qualifizieren. In der Vergangenheit habe ein Rettungssanitäter nach einer sechsmonatigen Weiterbildung das Staatsexamen abgelegt und dann über eine fertige Berufsausbildung verfügt. Mittlerweile dauere die schulische Weiterbildung drei Jahre.

Aufgrund dieser Faktoren habe die Beschlussfassung des Bereichsausschusses des Weiteren zum Inhalt gehabt, dass alle Leistungsträger aufgefordert worden seien, all diese Maßnahmen zügig einzuleiten/durchzuführen und dem Bereichsausschuss regelmäßig über den Entwicklungsstand zu berichten. Die jeweiligen Wirkungsbeginne bzw. Umsetzungszeitpunkte können der Präsentation entnommen werden.

Die Folie 4 der Präsentation beinhalte die Standorte der Rettungswachen (nicht der Notarztwachen) bei denen Verstärkungen erfolgt seien.

In der Folge berichtet Herr Schuster über die Detailauswertung der Ausfallzeiten der Rettungsmittel (Folie 5). Diese Auswertung stehe dem Südwestrundfunk (SWR) zur Verfügung. Sie bedürfe allerdings einiger Erklärungen, um die Inhalte nachvollziehbar zu machen. Bislang werde seitens des Gesetzgebers nicht zuletzt in Ausführungsbestimmungen zum Rettungsdienstplan als einzige Planvorgabe/-größe die Hilfsfrist angesetzt. Für die Ausfallzeiten gebe es bis heute keine Vorgaben. Dazu, wie diese Zeiten bewertet werden müssten, werde auf eine Stellungnahme des zuständigen Landesministeriums gewartet. Der Ist-Soll-Abgleich beziehe sich auf den noch gültigen Bereichsplan. Dieser werde im Jahr 2018 fortgeschrieben. Auf den seitens des baden-württembergischen Innenministeriums seit langem versprochenen Musterbereichsplan werde nicht mehr gewartet. In der zweiten Spalte sei die Differenz des Ist-Soll-Ausgleichs zu den im Gutachten empfohlenen Maßnahmen bzw. zu den Maßnahmen, die bereits 2016 zur Umsetzung gekommen seien, enthalten. Der grau unterlegte Bereich beschreibe die Auswirkungen, die bei einer vollumfänglichen Umsetzung des Gutachtens zum Tragen gekommen wären. Daraus habe der SWR die falsche Schlussfolgerung abgeleitet, da von dort und in anderen Medien von einer 11 %igen Ausfallzeit gesprochen worden sei. Der SWR habe letztlich nur die letzten 2 - 4 Monate und nicht das gesamte Jahr kumuliert. Das DRK habe diese Spalte nur deswegen ergänzt, da im Monat 2016 der Beschluss über das Gutachten gefasst worden sei. Die hinter den Werten stehenden Maßnahmen seien allerdings 2016 nicht zur Umsetzung gekommen, weshalb hier unterschieden werden müsse. Wesentliche Größe bei einer Gegenüberstellung seien deshalb die Maßnahmen, die bereits 2016 zur Umsetzung gekommen seien und als umgesetzt auch den Bereichsausschuss und den zuständigen Gremien gemeldet worden seien. Auf dieser Folie 5 seien jeweils grün und rot die Ergebnisse der jeweiligen Monate in Stunden dargestellt. Im Ergebnis gebe es 7.383 Stunden über dem Soll (effektiv auf der Straße). Eine differenziertere Darstellung dieser 7.383 Stunden (9.255 Stunden Überschreitungen/mehr Personal und Fahrzeuge als gefordert auf der Straße, 1.871 Stunden Unterschreitungen/weniger Personal und Fahrzeuge als gefordert auf der Straße).

Die auf der Folie 6 dargestellten weiteren Zeitfaktoren machten die Qualität der rettungsdienstlichen Versorgung der Stuttgarter Bevölkerung im Jahr 2017 deutlich. Derzeit würden die Ergebnisse des Jahres 2017 bewertet. Die erste Sitzung der AG Hilfsfrist habe am 26. Januar 2018 stattgefunden, um zu ersten Ergebnissen des Vorjahres eine Bewertung herbeizuführen. Obwohl diese Arbeiten noch nicht abgeschlossen seien, könnten zwei wesentliche Faktoren für das Jahr 2017 bereits heute schon festgestellt werden. Bei dem Thema Hilfsfrist müsse eine weitere negative Entwicklung verzeichnet werden. Dies sei auf einen unterjährig erfolgten Beschluss auf Landesebene für eine neue Berechnungsgrundlage der Hilfsfrist zurückzuführen (in vielen Fällen frühere Zeitstempel als in den Vorjahren, mit dem Resultat von Hilfsfriständerungen). Andererseits habe ein zum Teil erheblicher Anstieg bei den dringlichen Notfalleinsätzen verzeichnet werden müssen, und zwar sowohl im Bereich des ersteintreffenden Rettungsmittels als auch des Notarztes. Im Bereich des ersteintreffenden Rettungsmittels betrage die Steigerung 6,5 % im Vergleich zu 2016 (ca. 2.000 zusätzliche Einsätze) und im Bereich des Notarztes 7,65 % (ca. 1.000 zusätzliche Einsätze).

Dies alles zeige die Komplexität der Themen. Die unterschiedlichen Ursachen und letztlich die daraus abzuleitenden Maßnahmen würden umfassend untersucht und bewertet. Die Arbeitsgruppe sei wie gesagt bereits im Januar wieder zusammengekommen, um ihre Arbeit fortzusetzen. Entsprechende Maßnahmen würden festgelegt und beschlossen. Unter Umständen sei allerdings eine sofortige Umsetzung nicht möglich, da beispielsweise das dafür notwendige Personal zunächst gewonnen werden müsse.

Anschließend erklärt BM Dr. Schairer, in seiner Verantwortung liegt die Rechtsaufsicht über den Stuttgarter Rettungsdienst, das Rettungsdienstsystem beruhe letztlich auf einer Selbstverwaltung. Der Bereichsausschuss bestehe aus Kostenträgern (Krankenkassen) und Leistungsträgern (Rettungsdiensten). Rettungsdienste würden sich nach den Vorstellungen des Rettungsdienstgesetzes von Baden-Württemberg mehr oder weniger selbst verwalten. Insofern seien die Kommunen, zumindest diesbezüglich nur als Rechtsaufsichtsbehörden tätig. Die von Herrn Schuster angesprochenen Themen wie Einsatzzeiten seien fachaufsichtliche Themen, die insbesondere im baden-württembergischen Innenministerium diskutiert würden. Die Stuttgarter Kommunalverwaltung verstehe traditionell ihre rechtsaufsichtliche Funktion sehr exzessiv. Von daher "rutsche" man immer wieder in fachaufsichtliche Weisungen hinein, vor allem was die Beobachtungen der Rettungsfristen angehe. Die immer angeführte 15 Minuten-Frist sei schon grenzwertig. Eigentlich sollten 10 Minuten eingehalten werden. Zwar seien Aussagen über die durchschnittliche Ankunftszeit von 7 bzw. 8 Minuten interessant, aber letztlich entscheidend sei, dass in mindestens 95 % der Fälle in 15 Minuten das Rettungsmittel vor Ort zu sein habe. Für 2017 liegen ihm folgende Zahlen vor: Rettungsdienst 94,63 %, Notarzt 94,29 %. Insofern habe sich in der Tat die Lage verschlechtert. Das Nichteinhalten der gesetzlichen Grenze sei für die Rechtsaufsichtsbehörde entscheidend. Auch im Januar und Februar 2018 gehe die Tendenz in die Richtung, dass die 95 %-Grenze unterschritten werde. Dafür gebe es vielfältige Gründe. Sehr bedeutsam seien die steigenden Einsatzzahlen und die Gründe für diesen Anstieg. So stellten sich die Fragen, und damit hätten sich die Medien ja auch befasst, ob mittlerweile viele Menschen den RTW als Hausarztersatz ansehen bzw. ob RTW für Krankentransporte benutzt würden. Teilweise sagten auch Ärzte, wenn sich nicht schnell ein Krankentransport organisieren lasse, werde der Rettungsdienst angerufen. Es gebe also viele Gründe für steigende Einsatzzahlen, die nicht aus einer notleidenderen Bevölkerung resultierten. Die Stadt Stuttgart sei im Rettungsdienst auch dadurch involviert, da über die Feuerwehr eigene Rettungseinsätze gefahren würden. Dies gehe auf einen Beschluss des Gemeinderates zurück, obwohl beamtete Feuerwehrleute als RTW-Besatzungen teurer seien als Angestellte. Gott sei Dank sei dieser Beschluss gefasst worden, da es ohne die Feuerwehr in Stuttgart schlechter um den Rettungsdienst bestellt wäre.

Ihren Dank für die Sachvorträge sowie für die Arbeit des Rettungsdienstes bringen StR Dr. Nopper (CDU), StRin Fischer (90/GRÜNE), StRin Dr. Hackl (SPD), StR Adler (SÖS-LINKE-PluS), StR Zaiß (FW) und StR Dr. Fiechtner (AfD) zum Ausdruck.

Seitens des Ausschusses werden folgende Fragen gestellt:

- Sind zur Gewährleistung der zukünftigen Notfallversorgung Notärzte/
Rettungssanitäter und RTW in ausreichender Anzahl vorhanden? (StR Dr. Nopper, StRin Dr. Hackl)


- Wäre es nicht von Vorteil, Notärzte wie in der Vergangenheit mit den RTW mitfahren zu lassen? (StR Dr. Nopper)

- Gibt es Bedarf für einen weiteren Rettungswachenstandort? (StRin Fischer, StRin Dr. Hackl)

- Gibt es Übergangszeiten für die längere Ausbildungszeit? (StRin Fischer)

- Gibt es Überlegungen auf einfacher ausgebildete Rettungssanitäter zurückzugreifen, um die Erstversorgungen abzusichern? (StR Dr. Fiechtner)

- Gibt es Möglichkeiten die Personalwerbung z. B. bei Zugewanderten zu intensivieren? (StRin Fischer)

- Lässt sich der Personalengpass bereits quantifizieren? (StRin Dr. Hackl)

- Welche Maßnahmen werden ergriffen bzw. welche Anreize werden geboten, um Personal zu gewinnen? (StR Adler)

- Sollte der Rettungsdienst, um Falschmeldungen zu vermeiden, seine Öffentlichkeitsarbeit intensivieren? (StRin Fischer)

- Welche gutachterlichen Empfehlungen müssen noch umgesetzt werden? (StRin Dr. Hackl)

- Gibt es bereits Zahlen zu unnötigen/zu missbräuchlichen Einsätzen des Rettungsdienstes? (StRin Dr. Hackl, StR Dr. Fiechtner)

- Weshalb hat das Land den "Zeitstempel" vorverlegt? (StR Zaiß)

- Gibt es Auswertungen über Einsätze bei denen eigentlich ein früheres Eintreffen erforderlich gewesen wäre? (StR Dr. Fiechtner)

- Welche Einsatzzeiten ergeben sich während der Rushhour-Zeiten? (StR Dr. Fiechtner)

- Besteht die Möglichkeit ein Geflecht zwischen Krankentransport und Rettungswesen zu schaffen, damit ein in der Nähe befindliches Krankentransportfahrzeug eine Erstversorgung vornimmt? (StR Dr. Fiechtner)

- Gibt es Ansätze, um durch IT-Lösungen bessere Differenzierungen über die Notwendigkeiten von Fahrten zu treffen? (StR Dr. Fiechtner)

- Wie wirken sich Ausfallzeiten aus? (StR Dr. Fiechtner)


Für EBM Föll zeigen die Zahlen des Jahres 2017, dass Stuttgart über eine gute Notfallversorgung bzw. über ein gutes Rettungswesen verfügt. Es gebe allerdings Nachsteuerungsbedarfe. Das Verfehlen der gesetzlichen Fristen um einige Zehntel sei kein Anlass, das Rettungswesen schlechtzureden. Wichtig sei, dass die heutige Anzahl der Rettungswachen auch künftig gewährleistet werde. Er nimmt dabei Bezug auf den zur Diskussion stehenden Standort der Rettungswache 3 im Stadtbezirk Bad Cannstatt. Dazu habe der Ausschuss heute in nicht öffentlicher Sitzung eine Entscheidung zu treffen (siehe heutige nicht öffentliche NNr. 6). Sollte ein Standort einer Rettungswache entfallen, hätte man keine Chancen, zukünftig die gesetzlichen Hilfsfristen einzuhalten. Um die Wegezeiten der RTW zu optimieren, sei ein sehr fein ausdifferenziertes System erforderlich.

Von einem hohen Niveau des Rettungsdienstes, und sinngemäß äußert sich auch StR Dr. Fiechtner, spricht BM Dr. Schairer. Die Bemühungen zielten darauf ab, die hohe Qualität des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg ständig zu verbessern. Dabei achte man nicht nur auf die Rettungsfristen. Vielmehr wolle man vor die Lage kommen und das Qualitätsmanagement verbessern. Die Stadtverwaltung in ihrer Funktion als Rechtsaufsicht sehe sich jede Bereichsausschusssitzung, wenn nicht Herr Dr. Knödler selbst daran teilgenommen habe, genau an. In den letzten Jahren habe man einen Stapel rechtsaufsichtiger Verfügungen mit Qualitätsanforderungen gegenüber dem Bereichsausschuss erlassen. Viele der von Herrn Schuster vorgestellten Maßnahmen resultierten aus diesen Verfügungen.

Herr Dr. Knödler fügt ergänzend an, mit den Partnern in der Leitstelle würden Einsätze konsequent überprüft (Auswerten der Aussagen der Anrufer, der eingesetzten Mittel, der tatsächlichen Abläufe). Beeinflussbar sei allerdings nur die erste Phase eines Einsatzes (bis zu der Weitergabe des Notrufs).

Träger der Aufgabe sei das Land. Das Land lege fest, wie der Rettungsdienst praktiziert werden müsse (10-minütige Einsatzzeit ist medizinisch indiziert, unter wirtschaftlichen Bedingungen maximal 15 Minuten). Wenn lediglich von einem 15-minütigen Planansatz ausgegangen werde, ergebe sich statistisch immer eine durchschnittliche Hilfsfrist von ca. 7 Minuten. Wenn man jedoch die medizinisch notwendige Zeit (10 Minuten) heranziehen würde, würde sich ein statistischer Wert für die durchschnittliche Hilfsfrist von 5 Minuten ergeben. Sein Wunsch sei im Interesse der Patienten beim Rettungsdienst vor die Lage zu kommen. Dazu sollte die Hilfsfrist nicht im Bereich von 15 Minuten, sondern bspw. bei 13 Minuten liegen. Dann könnten bei Herz-Kreislauf-Stillständen und bei Schlaganfällen Pflegestufen 4 und 5 vermieden bzw. Pflegestufen 1 und 2 erreicht werden. Im Rettungsdienst sei die Vernetzung der zeitlichen Aspekte und der Kausalitäten noch nicht abgebildet. Dies wolle man durch das TQM (Total-Quality-Management) erreichen. Auf dieses Spektrum, zu dem auch der Beginn der Hilfsfrist gehöre, schauten BM Dr. Schairer und er sehr genau.

Zu den gestellten Fragen wird von Herrn Schuster vorgetragen, aufgrund der Hilfsfristergebnisse des Jahres 2017 müsse die Frage, ob die Rettungsmittel ausreichten, verneint werden. Wenn allerdings die Zahl der Einsätze, die im Nachhinein betrachtet eigentlich einen Einsatz von RTW nicht rechtfertigten, hier kursiere derzeit eine Zahl von einem Drittel der Einsätze, berücksichtigt werde, müsse diese Frage bejaht werden. Genau solche komplexen Faktoren bis hin zu gesellschaftspolitischen Themen wie "Weshalb wird ein Notruf überhaupt abgesetzt?" müssten von der AG Hilfsfrist betrachtet und bewertet werden.

Das Thema Personalgewinnung scheitere nicht an einer zu geringen Anzahl von Bewerbungen. Für das Ausbildungsjahr 2018 habe es allein beim DRK Stuttgart 450 Bewerbungen für 10 Ausbildungsplätze gegeben. Mehr als maximal 30 Auszubildende für die drei Lehrjahre könnten nicht aufgenommen werden. Alle Beteiligten würden große Anstrengungen unternehmen, um die vorhandene Personalunterdeckung so schnell wie möglich zu überwinden. Der Bedarf in Baden-Württemberg belaufe sich heute schon auf 350 Fachkräfte. Der Fachkräftebedarf steige allerdings noch an.

Die Leistungsträger hätten keinerlei Bedenken, die Bereichsausschusssitzungen transparent zu machen. Beachtet werden müssten dabei jedoch die rechtlichen Rahmenbedingungen. Derzeit seien diese Sitzungen nicht öffentlich, aber eine aktuelle Rückmeldung des baden-württembergischen Innenministeriums aus der letzten Woche besage, dass ein Beschluss des Landesausschusses Rettungsdienst ausreiche, um eine Änderung herbeizuführen. Dieser Beschluss werde sicherlich kommen und dann könne den Wünschen nach mehr Transparenz nachgekommen werden.

Zum Beginn der Hilfsfrist (Zeitstempel) weist Herr Schuster auf die auf Landesebene im sogenannten Landesausschuss getroffene Entscheidung hin. Die letzte Umsetzung sei auf Empfehlung der Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst Baden-Württemberg (SQR-BW) erfolgt. Vergleiche bei den Hilfsfristen (Zeitstempel) zwischen den Rettungsdiensten in den verschiedenen Bundesländern seien nicht ohne weiteres möglich. In Hessen, darauf sei die SWR-Reportage beispielhaft eingegangen, beginne die Hilfsfrist mit dem Zeitpunkt der Alarmierung des Rettungsdienstes, während in Baden-Württemberg die Hilfsfrist mit Eingang des Notrufes in der Leitstelle beginne. Als neuer Zeitstempel werde in Baden-Württemberg der Eingang des Notrufs/die Feststellung des Notfallortes herangezogen. Die technischen Anpassungen seien im Laufe des Jahres 2017 erfolgt.

Für Herrn Dr. Knödler ist der Zeitstempel entscheidend. Für die Bürger beginne die Hilfsfrist mit dem Anruf bei der Leitstelle und nicht erst nach Beendigung einer 3-minütigen qualitativen Abfrage.

Zum Fachkräftemangel erläutert Herr Dr. Henn-Beilharz, es gebe den Rettungssanitäter (kurze Ausbildung) und den Rettungsassistenten (zweijährige Ausbildung). Der aktuelle Fachkräftemangel sei insbesondere dadurch entstanden, da die jetzige Berufsbezeichnung Notfallsanitäter einer dreijährigen Ausbildungszeit bedarf. Durch dieses neue Berufsbild habe eine Zeitlang kein Absolvent seine Ausbildung abgeschlossen. Dass Rettungsassistenten weiter ausgebildet würden sei gesetzlich nicht vorgesehen. Im Bereich des Rettungsdienstes werde es in Zukunft also keine neuen Rettungsassistenten geben. Mit großem Aufwand hätten die Leistungserbringer wie das DRK ihre Mitarbeiter zum Notfallsanitäter weiterqualifiziert. Ein gewisses Problem gebe es derzeit noch, da viele Organisationen zwar bereits über Notfallsanitäter verfügten, aber der rechtliche Rahmen seitens des Ministeriums, wie diese dann tatsächlich tätig werden könnten, noch erhebliche Mängel aufweise. So müssten diese von ärztlicher Seite überwacht werden, und in Baden-Württemberg gebe es keinen ärztlichen Leiter Rettungsdienst. Aus notärztlicher Sicht bestehe also Handlungsbedarf, damit Notfallsanitäter vor Ort aktiver eingreifen könnten.

Von Herrn Schuster, der in diesem Zusammenhang von der Reduzierung des therapiefreien Intervalls spricht, wird ergänzt, in Stuttgart sei es bei Notfällen wie andernorts auch üblich, das nächstgelegene Fahrzeug, auch wenn es sich um einen KTW handle, oder wenn sich Kräfte der DLRG oder der Feuerwehr in der Nähe befänden, diese von der Leitstelle zum Einsatzort zu entsenden, um das Zeitfenster bis zur Ersthilfe zu verkürzen. Gerade in schweren Notfällen führe dies zu schnelleren Hilfsmaßnahmen.

Gegenüber StR Adler fährt er fort, um derzeit einen RTW entsprechend den gesetzlichen Vorgaben besetzen zu können, werde mindestens ein Rettungssanitäter, Stand heute noch ein Rettungsassistent, benötigt. Ab 2021 ein Notfallsanitäter. Bis zu einem Stichtag 2020/2021 hätten die heutigen Rettungsassistenten die Möglichkeit, mit ihrer bisherigen Ausbildung in einer Art verkürzter Weiterbildungsmaßnahme die Qualifikation zum Notfallsanitäter zu erreichen. Diese zeitlich limitierte Möglichkeit gehe auf eine Bundesgesetzgebung zurück. Deutlich geändert habe sich, dass alle vorhergehenden Qualifikationsmaßnahmen (Rettungshelfer, Rettungssanitäter, Krankenschwester, Einsatz im Sanitätsdienst der Bundeswehr), die vorher Anerkennung beim Berufsbild des Rettungsassistenten gefunden hätten, und eine deutlich verkürzte Ausbildungszeit zum Ergebnis gehabt haben, nicht mehr anerkannt würden. Eine Qualifizierung zum Notfallsanitäter mache eine dreijährige Ausbildungszeit erforderlich. Hinzu kämen die neuen Führerscheinregeln. Mittlerweile würden im Bereich der Notfallrettung ausschließlich Fahrzeuge über 3,5 t Gewicht zum Einsatz kommen. Damit werde eine andere Fahrerlaubnis notwendig. Bei allen diesen Dingen sei es zwischenzeitlich gelungen, Lösungen zu finden. Es mangle, wie bereits gesagt, nicht am Interesse an dem neuen Berufsbild, aber für die Ausbildungsstelle stelle der Gesetzgeber bestimmte Qualitätsansprüche. Zwar würde das Stuttgarter DRK mehr als die genannten 10 Plätze/Jahr anbieten können, aber mehr als 10 Personen könne man nicht in der geforderten Art und Weise qualifizieren. Dass das Berufsbild an sich durch den Notfallsanitäter deutlich attraktiver geworden sei, zeige die Nachfrage. Bis der Fachkräftemangel überwunden sei werde, obwohl vieles unternommen werde, noch Zeit vergehen.

Gegenüber StR Dr. Nopper sieht StR Dr. Fiechtner das Mitfahren von Notärzten in RTWs skeptisch. Schon die dafür notwendige Anzahl von Notärzten lasse sich nicht gewinnen. Hierzu informiert Herr Schuster, vor vielen Jahren seien Notärzte in den RTW mitgefahren. Dieses sogenannte Kompaktsystem sei damals nahezu flächendeckend in Baden-Württemberg angewandt worden. Mittlerweile sei man auf das sogenannte Rendezvous-System übergegangen, welches mehr Vorteile biete. Nicht jeder Patient, zu dem ein RTW entsandt werde, benötige die Versorgung eines Notarztes. Zudem könne der Rettungsdienst durch dieses neue System deutlich flexibler agieren. Wenn beispielsweise der Zustand eines Patienten es erlaube, dass ein Notarzt den Patienten nicht in das Krankenhaus begleiten müsse, stehe der Notarzt schneller wieder für andere Einsätze zur Verfügung. Das Rendezvous-System habe sich bewährt und an diesem werde festgehalten.

Zu Fehleinsätzen des Rettungsdienstes gibt Herr Dr. Henn-Beilharz zu bedenken, wenn ein Anruf bei der Leitstelle eingehe, müsse der Disponent die Notwendigkeit erkennen. Trotz strukturierter Abfragen sei dies nicht immer einfach. Es werde von daher immer eine gewisse Anzahl von Fehleinsätzen geben. Zwar gehörten Nachalarmierungen vermieden, aber auch diese ließen sich nicht ausschließen. Wenn ein Team vor Ort durch weitere Erkenntnisse feststelle, dass sich doch eine dramatischere Situation als ursprünglich angenommen zeige, würden Notärzte nachalarmiert. Aufklärung sei notwendig, damit die Bürger Kenntnis z. B. über die Zuständigkeit des kassenärztlichen Notdienstes haben und darüber, in welchen Fällen sie sich an den Hausarzt bzw. an den Rettungsdienst wenden müssten.

Laut Herrn Dr. Knödler muss häufig festgestellt werden, dass sich die Realität nicht mit den Aussagen eines Anrufes decke. Heute sei es durchaus üblich, dass Anrufer dramatisierten. Dies lasse sich durch Abfragetechnik nicht immer erkennen. Ärzte würden nicht qualifiziert abgefragt, sondern wenn ein Arzt telefonisch einen Notarzt anfordere, komme der Notarzt. In dem SWR-Beitrag sei zu sehen gewesen, dass, wenn bei einem Arzt zum gewünschten Zeitpunkt kein KTW angekommen ist, könnten Ärzte schon einmal aus einem KTW- einen RTW-Einsatz machen. Für einen echten Notfall sei dann das eingesetzte Rettungsmittel blockiert. Alle Beteiligten, insbesondere auch die Kostenträger, hätten davon Kenntnis. Die Stuttgarter Feuerwehr sei sehr interessiert, das TQM-System einzuführen, um auch qualifiziert abzufragen.

Im Verlauf der Aussprache wird von StR Dr. Fiechtner eingeräumt, dass er, wenn ein Chemotherapiepatient fünf Stunden auf einen KTW warten musste, diesen in einen "Rettungsdienstpatienten umgewandelt" hat. Angesichts der Verzahnung von RTW und KTW müsse auch bei Krankentransporten über Nachjustierungen nachgedacht werden.

Im selben Zusammenhang weist Herr Dr. Henn-Beilharz auf die Kosten eines Krankentransportes im Umkreis von 50 km sowie auf den Zeitaufwand für eine 50 km-Fahrt in Stuttgart an einem Freitagnachmittag hin. Daraus leitet er zum einen eine geringe Erlössituation ab und dass die Anzahl der Fahrzeuge nicht ausreicht, um fünfstündige Wartezeiten zu vermeiden. Zwar belegten die Zahlen in der Regel deutlich schnellere Bedienzeiten, aber es gebe schon Hochzeiten mit längeren Wartezeiten. Hier gehörten die Krankenkassen einbezogen, um durch bessere Erlöse möglicherweise bessere Ergebnisse zu ermöglichen.

Im weiteren Verlauf schließt sich StR Dr. Fiechtner dem von Herrn Dr. Knödler formulierten Ziel einer Hilfsfristverkürzung an, um z. B. bei Patienten mit Schlaganfällen die Folgen zu minimieren. Der Stadtrat sieht es als erforderlich an, die Ergebnisse des derzeitigen Rettungsdienstsystemes zu hinterfragen. Darauf geht Herr Dr. Henn-Beilharz ein, indem er ausführt, aus notärztlicher Sicht sei auch bereits in der Vergangenheit überlegt worden, ob denn die Hilfsfrist oder die Versorgungszeit entscheidend sei. Er nennt dazu die Fragen:

- Wie schnell muss ein Herzinfarkt auf dem Kathetertisch liegen?
- Wie schnell muss ein Schlaganfall diagnostiziert werden?
- Wie schnell muss ein Schwerstverletzter in den OP-Saal kommen, um beispielsweise eine lebensrettende Blutstillung durchzuführen?

Bekanntlich müssten solche Schritte innerhalb einer Stunde erfolgen. Obwohl diese Zeiten durch den Rettungsdienst ermöglicht würden, seien die Hilfsfrist und die Erstmaßnahmen wichtig.

Aus verschiedenen Vergleichen aus dem Reanimationsregister sei bekannt, dass in Regionen mit kürzeren Hilfsfristen und mit einer höheren Dichte der RTW, Reanimationsergebnisse besser seien. Die Ergebnisse in Stuttgart seien nicht schlecht, aber in anderen Bundesländer könnten bei Vergleichen höhere Prozentzahlen festgestellt werden. Kenntnis habe man auch davon, dass es in Skandinavien, z. B. in Schweden, deutlich bessere Ergebnisse gebe. Dort würden mehr Menschen Erstmaßnahmen wie die Herzdruckmassage ergreifen. Damit würden die Zeiten bis zum Eintreffen qualifizierter Helfer besser überbrückt.

Die Bedeutung von Erstmaßnahmen hebt StR Dr. Fiechtner hervor. Hier könne die Stadt selbst Maßnahmen ergreifen, um die Bevölkerung zu sensibilisieren. Für ihn ist der Beginn der Rettungsmaßnahmen und nicht das Eintreffen des Notarztes bei einem Notfall der entscheidende Faktor.

Lücken bei Notfällen, so Herr Dr. Henn-Beilharz, werde es immer geben. Dazu, wie sich diese Lücken schließen lassen, arbeite die ärztliche Seite an Maßnahmen. 2016 habe man im Rathaus einen Notfalltag abgehalten, in dessen Rahmen auf dem Marktplatz 1.000 Schüler/-innen in Erstmaßnahmen ausgebildet worden seien (Notfall erkennen, alarmieren, tätig werden bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes). Solche Erstmaßnahmen seien wesentlich, um zu verbesserten Ergebnissen bei kritischen Notfällen zu kommen. Neu sei, dass sich Menschen mit gewissem Fachwissen bei Rettungs-Apps anmelden könnten. Diese Ersthelfer könnten dann über eine Leitstelle alarmiert werden und diese könnten teilweise zu einer Verkürzung der Hilfsfrist beitragen. Tests dazu seien in Göppingen, Freiburg und im Odenwaldkreis vorgesehen. Rechtliche Themen wie Datenschutz und Versicherungsschutz müssten noch geklärt werden. Neben den im Bereichsausschuss diskutierten Maßnahmen zur Einhaltung der Hilfsfrist müsse auch an solche Dinge gedacht werden. Im Kultusministerium sei beschlossen worden, Ersthelfermaßnahmen in die Schulpläne aufzunehmen.

Als wünschenswert erachtet es Herr Schuster, dass jeder seinen Ersthilfekurs auffrischt, um so bei Notfällen bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes Hilfe leisten zu können. Den letzten Punkt aufgreifend erklärt der Vorsitzende, die Verwaltung nehme aus der heutigen Sitzung mit, den Mitgliedern des Gemeinderates öffentlichkeitswirksam ein entsprechendes Nachschulungsangebot zu unterbreiten. Schließlich sollte der Rat mit gutem Beispiel vorangehen. Er selbst räumt ein, Nachholbedarf in Sachen Erster Hilfe zu haben.

Zur Frage von StR Dr. Fiechtner, welche Kenntnisse ein Erstversorger mindestens aufweisen muss, um positive Wirkungen erzielen zu können, berichtet Herr Dr. Henn-Beilharz, ein Ersthelfer benötige sehr wenig. Daher sei es möglich, bereits in Schulen Kinder auszubilden. Dennoch sei es nicht gerechtfertigt zu sagen, dass es ausreicht, wenn ein Notarzt erst in 30 Minuten vor Ort erscheint. Es werde, auch wenn Ersthelfer schnell tätig würden, Fälle geben, wo nach wie vor der Leitstellendisponent aufgrund der ihm gegenüber gemachten Aussagen zum Ergebnis komme, dass sich ein Notarzt sofort auf den Weg zum Notfallort begeben müsse. Fälle, in denen lediglich ein RTW auf den Weg gebracht werde, werde es weiter geben. Die Bundesärztekammer habe in einem Katalog Kriterien genannt, wann ein Notarzt entsandt werden müsse. Bei den Leitstellen eingehende Meldungen ließen dies aber nicht immer erkennen und es könne sich ja auch der Zustand eines Patienten verschlechtern.

Gegen Ende der Aussprache schlägt StR Adler (SÖS-LINKE-PluS) vor, dass bei der nächsten Berichterstattung über das zur Beratung stehende Thema von Herrn Dr. Henn-Beilharz eine Präsentation über den Zusammenhang von klinischen Ergebnissen und Anfahrts-, Versorgungs-, Transportzeiten erfolgt. Dies, so EBM Föll, könne in die nächste Berichterstattung einbezogen werden, wobei allerdings Herr Dr. Henn-Beilharz erklären müsse, welche konkrete Auswertungsqualität diesbezüglich im Stuttgarter Rettungsdienstbereich überhaupt zur Verfügung stehe. Dazu merkt Herr Dr. Henn-Beilharz, der die Bedeutung des letzten Hinweises des Vorsitzenden hervorhebt, an, gesehen werden müsse, was tatsächlich vorliege. Heute angeführte Vergleiche gingen zum Teil auf einen Bericht zurück, der sich damit befasst habe, wie viel die Kassen pro Bürger für den Rettungsdienst aufwenden. Baden-Württemberg bewege sich hier an der unteren Grenze. Andere Bundesländer seien hier bessergestellt, was sich nicht zuletzt durch die dort zur Verfügung stehenden Fahrzeugparks zeige. Gesehen werden müsse, ob sich in Richtung des Gewünschten etwas Verwertbares darstellen lasse.


Nachdem sich EBM Föll im Namen des Ausschusses bei den Berichterstattern und den in der Notfallversorgung und im Rettungsdienst tätigen Menschen bedankt, schließt er diesen Tagesordnungspunkt ab.

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