Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
256
zu 3 - 5
VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 06.07.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Herr Häbe fr
Betreff: Heutige Tagesordnungspunkte zu S 21-Bürgerbegehren
- Vorbemerkungen/Vorschlag zur weiteren Vorgehens-
weise durch Herrn Oberbürgermeister Kuhn

Der Antrag Nr. 220/2016 der SPD-Gemeinderatsfraktion vom 01.07.2016 "Verkehrliche Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21: Öffentliche Sitzung des Unterausschusses
Stuttgart 21 mit Dr. Christoph Engelhardt und Joris Schoeller sowie mit Vertretern der DB AG" ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


In dieser Niederschrift sind die Vorbemerkungen/der Vorschlag des Vorsitzenden zur weiteren Vorgehensweise zu den heutigen Tagesordnungspunkten

TOP 3 a): Antrag der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS auf Anhörung der Vertrauensleute zu den Bürgerbegehren zu S 21 jeweils vor den Vorberatungen des Verwaltungsausschusses

3 b): Anhörung der Vertrauensleute der Bürgerbegehren zu S 21 (für den Fall, dass eine Anhörung unter a) beschlossen wird.

TOP 4: Bürgerbegehren "Ausstieg der Stadt Stuttgart aus S 21 aufgrund des Leistungsrückbaus durch das Projekt", Abhilfeprüfung im Widerspruchsverfahren

TOP 5: Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21 "Storno 21", Abhilfeprüfung im Widerspruchsverfahren

sowie zum Antrag Nr. 220/2016 und die dazu erfolgte Aussprache wiedergegeben.

OB Kuhn hebt auf heutige Berichte der Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung ab, wonach der Bundesrechnungshof beim Bahnprojekt Stuttgart 21 von Kosten in Höhe von bis zu 10 Milliarden € ausgeht.

Er schickt voraus, bisher liege der Bericht des Bundesrechnungshofes noch nicht vor. Dieser befinde sich offensichtlich noch im Verfahren; solche Berichte würden erst nach Rückkoppelungen mit den zuständigen Ministerien öffentlich gemacht.

In den letzten Wochen habe er klar gemacht, dass seines Erachtens hinsichtlich des Vorgehens der Bahn eine Vertrauenskrise besteht. Immer wieder seien seitens der Bahn im Arbeitskreis Informationen zurückgehalten worden. Erst im Lenkungskreis habe die Bahn erklärt, S 21 könne 2 Mrd. € teurer werden. Gleichzeitig sei dargestellt worden, wenn man sich anstrenge, könnten der Kosten- und der Zeitrahmen dennoch eingehalten werden.

Er unterstütze den Vorschlag des baden-württembergischen Verkehrsministers, zur Klärung dieser Fragen möglichst bald, wenn möglich noch vor der Sommerpause, eine Sondersitzung des Lenkungskreises einzuberufen. Dort sollten am besten auch, dies müsse er vorsichtig formulieren, da sich dies nicht erzwingen lasse, der Bund und der Rechnungshof anwesend sein. Die Kostenfrage müsse geklärt werden, schließlich sei es ein Unterschied, ob von 6,5 Mrd. € oder von 10 Mrd. €, diese Zahl stehe heute politisch im Raum, gesprochen wird.

Der Aufsichtsrat der Bahn habe in seiner letzten Sitzung Anfang Juni beschlossen, dass es eine Begutachtung darüber geben soll, ob die Zahlendimension des Gutachtens Vieregg Rössler zutreffe (rund 10 Mrd. €). Diese Begutachtung werde Mitte September, 10.09., fertig sein und anschließend im Aufsichtsrat der Bahn verhandelt. In der letzten Sitzung des Lenkungskreises sei besprochen worden, direkt danach eine Sitzung des Lenkungskreises vorzusehen. Die sich nun ergebende Kulisse müsse man ernst nehmen.

In der Folge betont der Oberbürgermeister, es sei nun an der Zeit, dass der Bund - der Bundesverkehrsminister, das Kanzleramt -, eindeutig Stellung dazu bezieht, dass Mehrkosten übernommen werden. Das Projekt S 21 baue die Bahn, und die Bahn müsse daher jetzt erklären, ob sie S 21 zu welchen Kosten bauen kann. Land, Stadt und Region finanzierten das Projekt entlang der Zahlen, die in den Finanzierungsvereinbarungen und vor allem im Vertrag von 2009 dargelegt seien, mit. Bislang sei über die Sprechklausel nichts entschieden worden. Hierzu verhandle das Land mit der Bahn. Die Landeshauptstadt gehe davon aus, dass sie nicht belangt werde.

Der SPD-Antrag Nr. 220/2016 zum Thema Leistungsfragen des neuen Bahnhofs (nicht zu Finanzierungsfragen), eine Sondersitzung des Ausschusses S 21 stattfinden zu lassen, müsse heute besprochen werden. Er schlage vor, eine solche Sondersitzung dieses beratenden Ausschusses zu den Leistungsfragen, aber auch zu den Finanzierungsfragen, vorzusehen. Er wolle, sobald belastbarere Zahlen vorliegen und die Lenkungskreistermine bekannt sind, in diesem Ausschuss umfassend über die verschiedenen Aspekte wie Projektfertigstellung, Kostenrahmen und Leistungsfähigkeit informieren. Dabei könnten unterschiedliche Referentinnen und Referenten, nicht nur der Bahn, agieren. Sollten angesichts des noch im Verfahren befindlichen Berichtes des Bundesrechnungshofes vor der Sitzung des Lenkungskreises keine Auskünfte des Bundes vorliegen, könnte diese Sondersitzung erst nach der Lenkungskreissitzung und nach der Bahnaufsichtsratssitzung im September vorgesehen werden. Sollte noch vor den Sommerferien eine Lenkungskreissitzung zustande kommen, könnte dieser Termin auch direkt danach stattfinden. Dieses müsse er in seinem Vorschlag offenlassen. Mitgeteilt würden ausschließlich belastbare Informationen. Eine spekulative Diskussion könne nicht stattfinden. Diese öffentliche Veranstaltung werde kein Faktencheck und keine Schlichtung sein, sondern eine Information des Gemeinderats und der Öffentlichkeit über die Frage, wie die Verwaltung den Projektstand einschätzt. Die Fraktionen könnten anschließend die Informationen erörtern.

Zum zweiten Punkt seines Vorschlags: Die heutigen TOPs 4 und 5 stünden in der morgigen Sitzung des Gemeinderates zur Beschlussfassung an. Vor etwa einem Jahr habe der Rat diese beiden Bürgerbegehren für unzulässig erklärt. Dabei habe es sich um eine rechtliche Entscheidung, ohne die Möglichkeit, Ermessen auszuüben, gehandelt. Dazu habe sich Herr Prof. Kirchberg ja mehrfach geäußert. Auch bei der morgigen Entscheidung habe der Rat kein Ermessen. Daher, und davon zeigt er sich überzeugt, müsse die Abhilfe versagt werden. Dann werde das Regierungspräsidium eine abschließende Rechtsprüfung vornehmen.

Eine juristische Debatte über die Abhilfeentscheidungen, und nur eine solche könne geführt werden, lasse sich mit einer politischen Debatte über das S-21-Gesamtszenario nicht gut vereinbaren. Daher schlage er vor, diese Abhilfeentscheidungen nochmals zurückzustellen (bis nach der öffentlichen Sondersitzung des Ausschusses S 21). Darüber müsse der Verwaltungsausschuss entscheiden.


Von StR Körner (SPD) wird im Verlauf der Aussprache der Antrag Nr. 220/2016 erläutert.

Eine öffentliche Sondersitzung des Ausschusses Stuttgart 21 mit den durch den Vorsitzenden skizzierten Inhalten unterstützen StR Kotz (CDU), StR Stopper (90/GRÜNE), StR Körner und StRin von Stein (FW). Eventuell, so StR Kotz, könnten in dieser Sitzung dann auch andere beantragte Themen bearbeitet werden. Die Verwaltung sollte, da eventuell zu einigen Themen Diskussionsbedarfe entstehen, auf eine ausreichende Sitzungsdauer achten. StR Stopper erinnert an Anträge seiner Fraktion zu den Themen Fertigstellungstermin und Genehmigungsfähigkeit der Bahnsteigneigung. Seines Erachtens sollten diese Themen dann ebenfalls aufgerufen werden. Weiter befürwortet er die Beteiligung der Vertrauensleute. Dabei informiert er, die SPD-Gemeinderatsfraktion und seine Fraktion hätten in der Vergangenheit versucht, gemeinsam eine Veranstaltung zu organisieren. Dazu hätten jedoch die Vertrauensleute zum Ablauf sehr abweichende Vorstellungen gehabt, nämlich eher in Richtung eines neuen Schlichtungsverfahrens. Von StR Körner wird angeregt, in dieser Sitzung auch das vom Bahn-Aufsichtsrat in Auftrag gegebene Gutachten, das im Laufe des Septembers vorliegen soll, zu besprechen. Betont wird von ihm, es gelte weiter, dass, wenn gegenüber der Stadt Mehrkosten geltend gemacht werden sollten, nach der Beschlussfassung des Gemeinderats auf Antrag seiner Fraktion, ein Bürgerentscheid stattfinde. Nach Einschätzung von StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) können die vorgesehenen Berichte nicht die inhaltliche Auseinandersetzung mit den von der Bahn AG bisher gemachten falschen Versprechungen zu der Leistungsfähigkeit und zu den Kosten ersetzen. Damit der Ausschuss S 21 qualifiziert diskutieren könne, müsse über die Gestaltung dieser Sitzung nachgedacht werden. Neben der Bahn AG müssten unter einer geschulten Moderation von der Bahn unabhängige Experten gleichberechtigt gehört werden. Konkret nennt er das Büro Vieregg Rössler und Christoph Engelhardt. Des Weiteren müssten Nachfragen erlaubt werden und in strittigen Fällen müssten Vertagungen möglich sein. Diese könnten dann im Nachhinein mit einem Faktencheck geklärt werden. Eine solche Sitzung mache also erst dann Sinn, wenn in deren Rahmen ein Faktencheck erfolgt. Wenn lediglich eine weitere Anhörung der Bahn AG stattfände, käme dies einer weiteren Vertagung gleich. Zwischenzeitlich könnte die Bahn AG weitere Fakten schaffen hat. Seine Fraktion, so StR Prof. Dr. Maier (AfD) halte eine Anhörung/einen Faktencheck zu S 21 aufgrund der neuesten Kostenschätzungen für dringend geboten. Diese sollte in der Vollversammlung des Gemeinderates stattfinden. Dabei sollten die Projektbeteiligten, aber auch unabhängige Experten, ihre Positionen erläutern. Die AfD-Gemeinderatsfraktion sei unverändert der Auffassung, dass die Geschäftsgrundlage für das Bahnprojekt S 21 aufgrund der finanziellen Entwicklungen entfallen ist. StR Conz (FDP) sieht eine Sitzung wie vorgeschlagen dann nicht als hilfreich an, wenn dort S 21-Kritiker zu Wort kommen. Gegen neue Informationen sei dagegen nichts einzuwenden.

StR Kotz merkt zu den vom Vorsitzenden vorgeschlagenen Zurückstellungen der heutigen Tagesordnungspunkte 4 und 5 an, angesichts der geringen Ermessensspielräume des Gemeinderates könne seine Fraktion sich vorstellen, über die GRDrsn 46/2016 und 47/2016 schon morgen zu beschließen. Ein Zusammenhang zwischen der sachlichen Erörterung von Fragen zu S 21 und den zwei Bürgerbegehren werde nicht gesehen. Sofern den Zurückstellungen aber keine Fristen etc. entgegenstünden, könnte dem Vorschlag des Oberbürgermeisters gefolgt werden. Zudem stimmen StR Stopper, StR Körner, StRin von Stein und StR Prof. Dr. Maier den Zurückstellungen zu. Die Zurückstellungen sieht auch StR Rockenbauch für richtig an. Gerade angesichts der neuen Kostenentwicklung sei die bisherige Geschäftsgrundlage zu S 21 ad absurdum geführt. Bei einer juristischen Bewertung könnten sachliche Inhalte nicht außen vor bleiben. Die vorgeschlagenen Zurückstellungen erachtet StR Conz für nicht notwendig. Die FDP-Gruppierung könne den Vorlagen vollständig folgen.

Indem er seine einführenden Anmerkungen ergänzt, trägt der Vorsitzende vor, als erforderlich werde es angesehen, dem Gemeinderat in der von ihm geleiteten Sondersitzung des Ausschusses S 21 einen Bericht zu geben, wie sich das Bahnprojekt aus Sicht der Verwaltung darstellt. Dazu würden selbstverständlich auch Verfahrensbeteiligte wie die Bahn, und zu strittigen Fragen auch Personen geladen, die andere Positionen als die Bahn vertreten. Im Kern sollte es sich jedoch um eine Veranstaltung handeln, in deren Rahmen die Verwaltung darüber berichtet, wie das Projekt im September 2016 unter den verschiedenen in der Öffentlichkeit und auch im Gemeinderat diskutierten Aspekten eingeschätzt wird. Nicht mehr und nicht weniger. Es werde kein Faktencheck, keine Schlichtung und keine Moderation vorgeschlagen. Es mache jetzt seitens der Stadt Sinn deutlich zu machen, wo man steht und welche Fragestellungen der Bund oder andere klären müssen. Die Stadtöffentlichkeit und auch der Gemeinderat als Hauptorgan hätten einen Anspruch auf eine vernünftige Klärung von Themen wie der Projektkosten.

Zu den Inhalten der von ihm vorgeschlagenen Sondersitzung des Ausschusses S 21 betont OB Kuhn, sollte der Ausschuss seinem Vorschlag folgen, würde er einen Programmvorschlag für die Sitzung des Ausschusses S 21 machen und diesen mit dem Ältestenrat absprechen. Der Ältestenrat könne dem Vorschlag zustimmen bzw. diesen modifizieren. Dies erachtet er als nachvollziehbares Verfahren.

Für StR Rockenbauch ist in der heutigen Sitzung zu klären, ob in der Ausschuss-Sondersitzung, wie in den Sitzungen gemeinderätlicher Ausschüsse üblich, Berichterstattungen erfolgen, oder ob versucht werden soll, in einem zeitlich auskömmlichen Rahmen unterschiedliche Sichtweisen auf fachlichem Niveau zu klären. Lediglich Berichterstattungen wertet er als nicht weiterführend. Neu wäre lediglich eine Berichterstattung des Bundes, wenn es dem Oberbürgermeister gelänge, eine solche zu organisieren.

Für StR Kotz bietet jede gemeinderätliche Sitzung die Möglichkeit Fragen zu stellen. Er geht davon aus, dass sich dies bei der vorgeschlagenen Sondersitzung ebenso verhält.

Mit dem Selbstverständnis eines Ratsmitgliedes ist für StR Körner die Auffassung von StR Rockenbauch, dass eine Ausschusssitzung mit Präsentationen/Berichterstattungen und Fragemöglichkeiten minderwertiger ist, als wenn viele Experten tagelang Fakten austauschen, nicht in Einklang zu bringen. Der Gemeinderat mache Politik, und im Vorfeld von politischen Entscheidungen würden Argumente abgewogen. Zu S 21 hätten doch schon in der Vergangenheit mit Experten ausführliche Diskussionen stattgefunden. Zu der Klärung des Themas Leistungsfähigkeit hätten sich Gegner und Projektbefürworter sogar gemeinsam darauf verständigt, ein Büro zu beauftragen. Dieses Büro habe diese Klärung auch herbeigeführt. Dass dies alles nicht akzeptiert werde zeige, dass die Verfahrensdiskussion ausschließlich dazu diene, den Projektwiderstand aufrechtzuerhalten. Im anvisierten Sonderausschuss wünsche man sich eine sachliche Diskussion. Diese werde selbstverständlich politisch sein. Er geht davon aus, dass seitens des Oberbürgermeisters ein Vorschlag erfolgt, der eine gute und weiterführende Diskussion ermöglicht.

Bezogen auf die Themen Leistungsfähigkeit und Kosten von S 21 erinnert StR Stopper, und dabei wendet er sich an StR Conz, die Experten der S 21-Kritiker hätten durchaus schon oft Recht behalten. Seine Fraktion habe Respekt vor deren Leistungen. Danach betont er, die Wahrheit zu finden habe jedoch Grenzen. Während nun StR Rockenbauch die Schlichtung lobe, werde bei den Montagsdemonstrationen der Eindruck erweckt, "es wurde etwas weggeschlichtet". Bei der Schlichtung, die durchaus Stärken gehabt habe, habe es drei unabhängige Gutachten von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu den Kosten gegeben. Heute zeige sich, dass die Ergebnisse dieser Experten vermutlich nicht zutreffen. Der Glaube, dass es eine Wahrheit gebe, sei in der Politik wohl ein Irrglaube. Insofern stoße das von der Verwaltung vorgeschlagene Verfahren, egal wie dieses gestaltet wird, an Grenzen. Hinsichtlich der Kosten sei in erster Linie der Aufsichtsrat der Bahn gefragt. Auch der Bundestag und das Bundeskanzleramt sollten sich mit diesem Thema intensiver befassen. Wenn sich die nun durchgesickerten Zahlen als zutreffend erwiesen, wäre dies ein Desaster.

StR Rockenbauch fordert, dass die in der Sonder-Ausschusssitzung seitens der Bahn verwendeten Präsentationen rechtzeitig den Experten der S 21-Kritiker zugänglich gemacht werden.

Gegenüber den StRen Körner und Rockenbauch fährt der Oberbürgermeister fort, wenn heute über die Abhilfen der beiden Bürgerbegehren entschieden würde, wäre völlig formale Entscheidungen zu treffen. Nach Vorschlag des Gutachters und auch der Verwaltung sollte der Rat, da den Abhilfen nicht stattgegeben werden könne, den Beschlussanträgen zustimmen. Danach würde nochmals das Regierungspräsidium prüfen. Für die Stadt stünden lediglich die Texte der Bürgerbegehren zur Prüfung an. Die Stadt habe nach Auffassung der Verwaltung rechtlich eindeutig kein Ermessen. Es gebe, und damit wendet er sich an StR Körner, zwischen den Zurückstellungen der Tagesordnungspunkte 4 und 5 und den Entscheidungen keinen inneren Zusammenhang. Sollte der Gemeinderat morgen über die Beschlussanträge der GRDrsn 46/2016 und 47/2016 entscheiden, geht er angesichts der seitens des Bundesrechnungshofs befürchteten Kostensteigerung auf bis zu 10 Mrd. € davon aus, dass in der Öffentlichkeit die Frage nicht mehr als rechtliche Frage, sondern als eine Entscheidung, mit der die Stadt offene Fragen zum Bahnprojekt S 21 wegschieben will, verstanden wird. Aus diesem Grund habe er den Vorschlag auf Zurückstellung gemacht. Hinsichtlich der Bewertung dieser Bürgerbegehren könne er in zwei Monaten keinen anderen Vorschlag machen, da er den Gemeinderat nicht davon befreien könne, rechtskonforme Entscheidungen zu treffen.

Der Aussage, dass der Gemeinderat bei den Tagesordnungspunkten 4 und 5 über keinen Ermessensspielraum verfügte, widerspricht StR Rockenbauch. Die Vorlagen bezeichnet er dabei als hochpolitisch. Zudem kritisiert er mit Nachdruck, dass die Verwaltung und Herr Prof. Kirchberg keine Stellungnahmen zu den Vorwürfen der S 21-Kritiker abgegeben haben. Die Gutachten, die für die Ablehnungen der Bürgerbegehren erstellt worden seien, würden "als absolut mangelhaft und unzureichend" angesehen. Die Rechtsauffassung des Oberbürgermeisters und von Herrn Prof. Kirchberg seien eine mögliche Rechtsauffassung. Um Rechtsstreitigkeiten zu klären, gebe es Gerichte.

Dieser Kritik an Herrn Prof. Kirchberg hält der Vorsitzende entgegen, dass dieser Gutachter bei anderen Bürgerbegehren, aber verwandten Inhalts, bis zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Stadt jeweils erfolgreich vertreten hat, mit Rückwirkung auf noch zu entscheidenden Bürgerbegehrensanträge. Er bittet StR Rockenbauch um respektvollere Darstellungen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig habe die Darstellungen von StR Rockenbauch eindeutig widerlegt.

Für StR Körner steht außer Frage, dass es sich bei den Entscheidungen zu den GRDrsn 46/2016 und 47/2016 um politische Entscheidungen handelt. Die Ausführungen von Herrn Prof. Kirchberg und der Verwaltung überzeugten die SPD-Gemeinderatsfraktion deutlich mehr als die Ausführungen von StR Rockenbauch.

Für die Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion weist StR Stopper zurück, dass die Entscheidungen zu den heutigen Tagesordnungspunkten 4 und 5 als alternativlos angesehen werden. Seine Fraktion habe sich mit den Vorlagen befasst und, je nachdem, wann die Entscheidungen anstehen, könnten Entscheidungen getroffen werden.

StR Rockenbauch hebt hervor, dass auch er davon gesprochen hat, dass die Entscheidungen zu diesen Tagesordnungspunkten nicht alternativlos sind. Heute sei eine Debatte darüber, in welchen Punkten die Rechtsprechung Herrn Prof. Kirchberg gefolgt ist, nicht weiterführend. Für ihn macht eine politische Entscheidung zu den Themen wie bspw. Leistungsfähigkeit, Projektkosten, Brandschutz etc. nur dann Sinn, wenn man sich auf diejenigen, die die Kriterien zu solchen Themen beschreiben, verlassen kann. Bei der Bahn AG sei dies nicht der Fall. Diese Erfahrung hätten schon die bei der Schlichtung tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gemacht. Für die von diesen angestellten Plausibilitätsprüfungen seien die vorgelegten Materialien der Bahn nicht ausreichend gewesen. Bekannt sei mittlerweile, dass die Bahn 2009 wissentlich die Stadt

und das Land bei den Kosten getäuscht hat. Daher müsse vor weiteren Berichten der Bahn AG gewarnt werden.

Nach der Anmerkung von StR Kotz, StR Rockenbauch müsse akzeptieren, dass er seine Forderungen mangels Mehrheit nicht durchsetzen kann, wird seitens des Oberbürgermeisters nochmals verdeutlicht, sein Vorschlag sei nicht erfolgt, um einen neuen Faktencheck bzw. eine neue Schlichtung durchzuführen, sondern angesichts seiner Sorgen zum Projekt S 21. Die Sorgen würden sich erstens darauf beziehen, ob die Bahn das Projekt umsetzen kann, und wenn ja, ob dieses im vorgesehenen Zeitraum gelingt. Weiter sorge er sich darum, ob die Bahn und der Bund das Projekt finanzieren können und wollen. Diese Themen seien für die Stadt relevant. Als Oberbürgermeister habe er die Pflicht, diese Sorgen zu artikulieren, vor allem, wenn gefühlsmäßig Vertrauen zum Bahnprojekt schwindet; die Vorgänge in den letzten Monaten seien nicht vertrauensfördernd gewesen. Deswegen schlage er eine Art Statusbericht aus Sicht der Verwaltung vor, selbstverständlich unter Anhörung verschiedener Projektbeteiligter. Natürlich müsste dabei die Bahn, die nach dem Vertrag von 2009 baue, zu Wort kommen. Sicherlich gelinge es, einen Weg vorzuschlagen, durch den z. B. bei der Leistungsfrage auch von der Bahn abweichende Meinungen zu Wort kommen. Ziel sei eine Veranstaltung, und dies müsse der Anspruch des Gemeinderats sein, mit der eindeutig der Projektstand aufgezeigt wird. Dazu gehöre das Thema Brandschutz. Die Stadt habe mit ihrer Branddirektion den Brandschutz maximal verbessert. Nun erkläre die Bahn, damit habe die Stadt das Projekt verzögert. Dies müsse klar zurückgewiesen werden, denn Brandschutz sei nicht zuletzt eine Auflage des Eisenbahnbundesamtes, also der zuständigen Genehmigungsbehörde. Im Ergebnis könne nun ein brandsicherer Bahnhof realisiert werden. Die Stadt habe hier zu keiner Verzögerung beigetragen, sondern mit eine Basis geschaffen, um den Bahnhof überhaupt in Betrieb gehen zu lassen. Solche Dinge müssten in der Sitzung des Sonderausschusses dargestellt werden

Mit dieser Sitzung werde nicht infrage gestellt, dass die Mehrheit des Gemeinderates und des Landtages mehrfach erklärt haben, S 21 werde gewollt. Zudem sei durch den Volksentscheid die Projektrealisierung befürwortet worden. Allerdings müsse angesichts der nun im Raum stehenden Projektkosten eine politische Antwort darauf gegeben werden, was diese Kostenexplosion für die Stadt bedeutet bzw. welche Position die Stadt nun einnimmt.

Bei den Abhilfeentscheidungen, Tagesordnungspunkte 4 und 5, gebe es kein Ermessen für eine politische Entscheidung. Vielmehr müsse er, wenn er zu der Überzeugung komme, dass eine Entscheidung des Rates fehlerhaft wäre, darauf hinweisen und widersprechen. Die Begutachtung sowie die Abwägung mit dem Rechtsamt zeigten, dass die Formulierungen der Bürgerbegehren nicht zulässig sind. Nach der neuen Gesetzeslage sei es sogar die Aufgabe der Verwaltung, Initiatoren von Bürgerbegehren zu beraten, ob deren Formulierungen richtig gewählt wurden. Dies sei positiv, da es durchaus problematisch und nicht zufriedenstellend sei, wenn Bürgerbegehren für unzulässig erklärt werden müssten.

Die Entscheidungen über die Abhilfen könnten wie gesagt nach der Sondersitzung des Ausschusses S 21 klarer als in der morgigen Gemeinderatssitzung getroffen werden.




Abschließend stellt OB Kuhn folgenden Vorschlag zur Abstimmung:

- Baldmöglichst im September nach den Sitzungen des Lenkungskreises und des Bahnaufsichtsrates, findet eine Sondersitzung des Ausschusses S 21 statt. Sollte noch vor der Sommerpause der Lenkungskreis tagen, wird vorgeschlagen, diese Sondersitzung vorzuziehen.

- Heute und in der morgigen Sitzung des Gemeinderates werden die Abhilfeentscheidungen, GRDrsn 46/2016 und 47/2016, zurückgestellt. Diese Entscheidungen werden unmittelbar nach der Sondersitzung des Ausschusses S 21 wieder auf die Tagesordnung gesetzt.

- Zum Ablauf der Sondersitzung des Ausschusses S 21 wird der Oberbürgermeister in der nächsten Sitzung des Ältestenrates einen Vorschlag unterbreiten.

Zu diesem Vorschlag stellt der Oberbürgermeister fest:

Der Verwaltungsausschuss unterstützt diesen Vorschlag einstimmig.

Mit der Anmerkung, dass damit die heutigen Tagesordnungspunkte 3a, 3b, 4 und 5 zurückgestellt sind sowie der Antrag Nr. 220/2016 der SPD-Gemeinderatsfraktion erledigt ist, - die Frage der Anhörung der Vertrauensleute könne bei der Beratung seines Vorschlags zu der Sondersitzung im Ältestenrat vorentschieden werden -, schließt OB Kuhn diesen Punkt ab.

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