1. Arbeitslosengeld II-Leistungsbezieher mit Suchtproblematik Laut bundesweiter Studien ist davon auszugehen, dass ca. 10 % der Arbeitslosengeld II-Leistungsbezieher mindestens eine Suchtdiagnose aufweisen. Vgl.: Henkel D, Schröder H.: Suchtdiagnoseraten bei Hartz-IV-Beziehenden in der medizinischen Versorgung im Vergleich zu ALG-I-Arbeitslosen und Erwerbstätigen: eine Auswertung der Leistungsdaten aller AOK-Versicherten der Jahre 2007-2012. Suchttherapie 2015 Neben dem Tabakkonsum dominiert beim diagnostizierten Substanzkonsum v.a. der Alkoholkonsum (4,17%) und der Konsum von Opioiden (1,08%).
Im Juni 2015 bezogen in der Landeshauptstadt Stuttgart 28.969 erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ELB) ALG II-Leistungen. Vgl. www.statistik.arbeitsagentur.de
Zum Stichtag 10.06.2015 waren 848 Personen mit Bezug von ALG II-Leistungen wegen ihrer Suchtproblematik in psychosozialer Betreuung der ambulanten Stuttgarter Suchthilfe. Dies entspricht 2,2 % aller erwerbsfähigen ALG II-Leistungsberechtigten in Stuttgart.
2. Erwerbssituation der Klientinnen und Klienten der ambulanten Stuttgarter Suchthilfe im Jahr 2015 Von den im Jahr 2015 2.328 neu in die Betreuung aufgenommenen Klientinnen und Klienten waren 31,6 % in einem Beschäftigungsverhältnis. 33,6 % der Klientinnen und Klienten bezogen entweder Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB III. Davon bezogen 85,4 % Leistungen nach dem SGB II (ALG II) und 14,6 % Leistungen nach dem SGB III (ALG I). Beim Vergleich der Klientinnen und Klienten mit einem Konsum von legalen Suchtmitteln mit den Klientinnen und Klienten mit einem Konsum von illegalen Suchtmitteln ist eine gravierende Differenz aufzuzeigen:
Die erreichten Klientinnen und Klienten mit der Hauptdiagnose Alkohol waren zu 38,2 % erwerbstätig (absolut: 389 Personen), dem gegenüber waren nur 13 % (43 Klientinnen und Klienten) mit der Hauptdiagnose Opioide erwerbstätig. Die Beschäftigtenzahl unter den Opioidabhängigen in Betreuung stagniert beziehungsweise sinkt seit Jahren. Vgl.: GRDrs 369/2016 "Jahresbericht 2015 der ambulanten Suchthilfe für die Bereiche Suchtprävention, Beratung, Betreuung und Behandlung", Anlage 2. Maßnahmen Im Jahr 2015 haben sich der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen und der Sozial- und Gesundheitsausschuss in mehreren Sitzungen intensiv mit der Situation von Arbeitslosen mit Suchtproblematiken und den vorgehaltenen und geplanten Angeboten zur Eingliederung in der Landeshauptstadt Stuttgart beschäftigt (vgl. GRDrs 896/2015 "Fortsetzung des Programms „Arbeit statt Drogen“" und GRDrs 756/2015 "Niedrigschwellige arbeitsähnliche Tätigkeiten"). Fachlich bestand Einigkeit darüber, dass Langzeitarbeitslose mit Suchtproblematiken und multiplen Vermittlungshemmnissen zur sozialen Teilhabe und zur Wiedereingliederung in Beschäftigungsverhältnisse ein zwischen allen Akteuren abgestimmtes und sich ergänzendes Stufenmodell an Angeboten und Maßnahmen benötigen. Mit den Beschlüssen zum Doppelhaushalt 2016/2017 hat der Gemeinderat die Voraussetzungen zur Ausdifferenzierung der Angebote für Arbeitslose mit einer Suchtproblematik geschaffen, indem er die Einführung von niedrigschwelligen arbeitsähnlichen Tätigkeiten beschlossen hat (vgl. GRDrs 1371/2015 "Zusammenfassung der Ergebnisse der Haushaltsplanberatungen 2016/2017 für den Bereich des Sozialamtes und des Gesundheitsamtes"). Darüber hinaus wurde das Programm „Arbeit statt Drogen“, mit einer teilweisen Umsetzung des Programms über Arbeitsgelegenheiten neu konzipiert. Insgesamt stehen damit für die Zielgruppen der ALG II-Leistungsempfänger mit Suchtproblematik 175 Maßnahmenplätze des Jobcenters und Kosten für 25 Maßnahmeplätze im Jahr 2016 und 36 Maßnahmeplätze im Jahr 2017 für das Sozialamt beziehungsweise die Umsetzung dieser Plätze innerhalb der ambulanten Suchthilfe des Sozialamtes zur Verfügung. Die Weiterentwicklung der Arbeits- und Beschäftigungsangebote für Menschen mit Suchtproblematik wird zukünftig in enger Abstimmung des Referates Soziales und gesellschaftliche Integration mit den Trägern der ambulanten Suchthilfe und den Arbeitshilfeträgern erfolgen. Zum Auftakt hat am 22. November 2016 unter Federführung des Referates Soziales und gesellschaftliche Integration der Arbeitskreis „Arbeit, Beschäftigung und Sucht“ stattgefunden, in den der frühere Arbeitskreis „Arbeit statt Drogen“ aufgeht. Teilnehmende des Arbeitskreises sind der Suchthilfeverbund, die Arbeitshilfeträger, das Sozialamt und das Jobcenter. In der ersten Sitzung wurden die Information über die Angebote der ambulanten Suchthilfe und der Arbeitshilfeträger und deren Belegung thematisiert. Die Durchlässigkeit der verschiedenen Angebote (Stufenmodell) wurde verfestigt. Das Ziel des Arbeitskreises „Arbeit, Beschäftigung und Sucht“ besteht darin, differenzierte Angebote für Menschen mit Suchtproblematik weiterzuentwickeln, zugänglich zu machen und Übergänge abzustimmen. Der Arbeitskreis wird sich halbjährlich treffen, wobei auch weitere Kooperationspartner einbezogen werden können. Beteiligte Stellen --- Vorliegende Anträge/Anfragen --- --- Werner Wölfle Bürgermeister 1. Maßnahmen und Kooperationen zur Eingliederung Arbeitsloser mit Suchtproblematiken in der Landeshauptstadt Stuttgart 2. Verlaufsdiagramm: Zusammenarbeit Jobcenter und Beratungs- und Behandlungsstellen (BBS), Stand: 20.02.2014 Maßnahmen und Kooperationen zur Eingliederung Arbeitsloser mit Suchtproblematiken in der Landeshauptstadt Stuttgart 1. Jobcenter Stuttgart
Die Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit ist innerhalb eines 5-Jahres-Zeitraums auf maximal 3 Jahre begrenzt. Spezielle Arbeitsgelegenheiten für Menschen mit Suchtproblematiken werden vom Jobcenter in der Landeshauptstadt Stuttgart im Rahmen des Programms „Arbeit statt Drogen“ angeboten. Zielgruppe sind Menschen mit einem illegalen und/oder legalen Substanzkonsum. Aktuell stehen 92 AGH „Arbeit statt Drogen“-Plätze zur Verfügung. Davon wurden 81 zum Juli 2016 bewilligt. Das Jobcenter stellt diese dem Suchthilfesystem zur Zusteuerung zu den Programmplätzen zur Verfügung und belegt selbst nur einzelne Plätze. Den Klientinnen und Klienten der ambulanten Suchthilfe wird damit die Möglichkeit gegeben, sich direkt auf die "Arbeit statt Drogen"-Arbeitsgelegenheiten bei den Arbeitshilfeträgern zu bewerben und erst danach das Jobcenter aufzusuchen. Das Jobcenter prüft dann die Voraussetzungen und erteilt die Kostenzusage. Bis zum 01.01.2017 wurden 36 von 92 Maßnahmeplätzen belegt, welche sich wie folgt verteilen:
Su+Ber ist ein Projekt (ursprünglicher Titel: NaWiSu) unter der Trägerschaft der Werkstatt Parität gGmbH mit aktuell 6 Projektstandorten (Heilbronn, Karlsruhe, Ludwigsburg, Pforzheim, Sigmaringen und Stuttgart), das durch das Jobcenter und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert wird. Das Projekt wird vom Institut für Therapieforschung (ift) in München evaluiert, die Evaluation wird durch die Deutsche Rentenversicherung finanziert. In Stuttgart wird das Projekt in Kooperation der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e. V. (Suchtberatung), dem Sozialunternehmen Neue Arbeit gGmbH und dem Jobcenter Stuttgart seit dem 15.02.2016 umgesetzt. Als Zielgruppe von Su+Ber sind langzeitarbeitslose erwerbsfähige Personen mit psychosozialen Problemlagen und Suchtproblemen (stoffgebundene und stoffungebundene Süchte) benannt, die für eine berufliche Wiedereingliederung gesundheitlich, psychosozial und konsumbezogen geeignet und daran interessiert sind. Ziele sind die Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit und die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Wesentlich ist die Kombination aus beruflicher Orientierung und Bearbeitung der Suchtproblematik. Bei letzterer sind Abstinenzorientierung oder die Erhöhung der Steuerungsfähigkeit durch Erlernen von kontrolliertem Konsumverhalten gleichwertige Zielsetzungen. Der Projektverlauf gliedert sich in drei Phasen:
Phase A
· Identifizierung, Motivierung, Information und Vermittlung von Projektteilnehmenden (Grobclearing)
· Fallbezogene Kooperation der Projektteilnehmenden und Zuweisung durch das Jobcenter
· Zeitdauer offen
Phase B
· Arbeitsmarktnaher Arbeitsplatz in der Neuen Arbeit, Qualifizierung, Betriebspraktika etc.
· Betreuung durch die Evangelische Gesellschaft Stuttgart e. V., Suchtberatung mit dem Ziel der Konsumreduktion bzw. Abstinenzorientierung, Einzelgespräche, Gruppenangebote und Krisenintervention in der Beratungsstelle
· Zeitdauer bis 8 Monate
Phase C
· Individuelle Nachbetreuung und Nachsorge im betrieblichen Kontext
· Zeitdauer bis 12 Monate
Seit Projektbeginn am 31.08.2016 befanden sich insgesamt 35 Personen in Phase A, 9 Personen in Phase B und 2 Personen in Phase C. Drei Personen konnten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden, davon in zwei befristete Vollzeitarbeitsplätze und eine unbefristete geringfügige Beschäftigung. Zwei Personen absolvierten ein Praktikum.
2. Sozialamt der Landeshauptstadt Stuttgart 2.1 Niedrigschwellige arbeitsähnliche Tätigkeiten für Menschen mit einer Suchtproblematik Das Angebot richtet sich an Personen mit einer Suchtproblematik und ALG II-Leistungs-bezug, bei denen multiple Vermittlungshemmnisse und Leistungseinschränkungen vorliegen und die nicht bzw. noch nicht in der Lage sind, den Anforderungen von Arbeitsgelegenheiten (AGH) bzw. Maßnahmen nach § 45 SGB III gerecht zu werden. Es wird im Rahmen des § 67 SGB XII, der Hilfen für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten, in der ambulanten Suchthilfe umgesetzt. Zielgruppe sind Menschen mit einem illegalen und/oder legalen Substanzkonsum. Bei den niedrigschwelligen tagesstrukturierenden Angeboten erhalten die Teilnehmenden eine Entschädigung aufgrund zusätzlicher Aufwendungen in Höhe von 1,50 EUR je geleisteter Stunde. Die Anbieter erhalten eine Vergütung je nach Anzahl der von den Teilnehmenden geleisteten Stunden (Regiekosten/Maßnahmekosten). Zur Umsetzung niedrigschwelliger arbeitsähnlicher Tätigkeiten wurden für das Jahr 2016 25 Plätze und das Jahr 2017 36 Plätze in der ambulanten Suchthilfe eingerichtet (vgl. GRDrs 376/2016 "Umsetzung niedrigschwelliger arbeitsähnlicher Tätigkeiten in der ambulanten Suchthilfe – Zwischenstand 2016"). Die schrittweise Umsetzung begann im Juni 2016. Zum Stichtag 01.01.2017 waren 16 Maßnahmenplätze besetzt und 14 weitere Anträge zur Kostenübernahme in Bearbeitung. Der Beschäftigungsumfang der Teilnehmerinnen und Teilnehmer variiert zwischen 2 bis 15 Stunden in der Woche. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Angebot zeigen, dass die niedrigschwelligen tagesstrukturierenden Angebote zur Stabilisierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beitragen.
· Analyse und Diagnostik von Arbeitshaltung und Fähigkeiten
· Ressourcenstärkung und Defizitmanagement (Schwerpunkt Arbeitsfähigkeit und berufliche Handlungskompetenzen)
· Strukturierung der Vernetzung von ambulant ganztägiger Rehabilitation, Arbeitshilfeträgern und Arbeitgebern bzw. Praktikumsstellen
· Verzahnung der psycho- und sozialtherapeutischen Angebote im Tagwerk mit den arbeitstherapeutischen Angeboten.
· allgemeinbildende Themenarbeit (bspw. Politik, Haushalt, Finanzen, Mediennutzung, Zeitmanagement, Work-Life-Balance)
· Bewerbungs- und berufsweltorientierte Sozialtrainings (Teamarbeit, Kommunikation, Gesprächsführung)
· Trainingseinheiten zur Erarbeitung von arbeitsbezogenen Problemlösungsstrategien
· Hirnleistungstraining
4. Kooperation ambulante Suchthilfe, Arbeitshilfeträger und Jobcenter 4.1 Umsetzung § 16 a, SGB II, Kommunale Eingliederungsleistungen Seit 2006 besteht zwischen der ambulanten Suchthilfe und dem Jobcenter Stuttgart eine Vereinbarung, die das Verfahren der Zusammenarbeit regelt. Im Zentrum der Regelung stehen die Vermittlungswege der ALG II-Leistungsbezieher mit Suchtproblematiken in adäquate Hilfen der ambulanten Suchthilfe. Die Verfahrensabläufe werden laufend fortgeschrieben (s. Anlage 2, Verlaufsdiagramm der Zusammenarbeit Jobcenter und Beratungs- und Behandlungsstellen, Stand 20.02.2014). 4.2 Suchtspezifische Fortbildungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters
Im Jahr 2013 wurde von Jobcenter Stuttgart und Suchthilfeplanung ein Planungsraster für suchtspezifische Fortbildungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters entwickelt. Der Suchthilfeverbund Stuttgart hat auf dieser Grundlage Fortbildungsveranstaltungen entwickelt. Seit 2014 finden diese suchtspezifischen Fortbildungen der Persönlichen Ansprechpartnerinnen und -partner und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Leistungsabteilung des Jobcenters durch die ambulante Suchthilfe fortlaufend statt. Seit 2013 wurden insgesamt 8 Schulungen für etwa 88 Persönliche Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner und drei Schulungen für ca. 33 Leistungsgewährerinnen und Leistungsgewährer durchgeführt. 5. Weiteres Vorgehen Die Weiterentwicklung der Arbeits- und Beschäftigungsangebote für Menschen mit Suchtproblematik wird zukünftig in enger Abstimmung des Referates Soziales und gesellschaftliche Integration mit den Trägern der ambulanten Suchthilfe und den Arbeitshilfeträgern erfolgen. Zum Auftakt hat am 22. November 2016 unter Federführung des Referates Soziales und gesellschaftliche Integration der Arbeitskreis „Arbeit, Beschäftigung und Sucht“ stattgefunden, in den der frühere Arbeitskreis „Arbeit statt Drogen“ aufgeht. Teilnehmende des Arbeitskreises sind der Suchthilfeverbund, die Arbeitshilfeträger, das Sozialamt und das Jobcenter. In der ersten Sitzung wurden die Information über die Angebote der ambulanten Suchthilfe und der Arbeitshilfeträger und deren Belegung thematisiert. Die Durchlässigkeit der verschiedenen Angebote (Stufenmodell) wurde verfestigt. Der Arbeitskreis wird sich halbjährlich treffen und kann thematisch auch weitere Kooperationspartner einbeziehen. Im Ergebnis wird ein auch in den Verantwortlichkeiten abgestimmtes Fördersystem angestrebt, das mit Bezug zum individuellen Leistungsvermögen rehabilitative Angebote mit Beschäftigungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten verbindet. zum Seitenanfang