Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 889/2016
Stuttgart,
01/26/2017


Sucht und Arbeit



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich13.02.2017

Bericht:



In der Landeshauptstadt Stuttgart gibt es differenzierte Maßnahmen zur Integration von Menschen mit Suchtproblematik in Arbeit und Beschäftigung. Diese Maßnahmen werden im Folgenden dargestellt.

Die Entwicklung einer Suchtmittelabhängigkeit ist multifaktoriell und von biografischen, individuellen und sozialen Bedingungen wesentlich beeinflusst. Bei der Unterstützung der Betroffenen bedarf es deshalb, entsprechend der vielschichtigen Problemlagen, unterschiedlicher Herangehensweisen in Bezug auf deren soziale und individuelle Stabilisierung sowie der gesellschaftlichen Teilhabe.

Der Missbrauch und schädliche Konsum von legalen oder illegalen Suchtmitteln beginnt häufig schon in der Jugend und führt zu Abbrüchen in den schulischen und beruflichen Bildungsverläufen der Betroffenen. Bei Erwachsenen kommt es in Folge von Suchterkrankungen vielfach zu längeren Zeiten der Arbeitslosigkeit und damit verbunden zu massiven Schwierigkeiten bei einer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Menschen mit Suchtproblematiken sind deshalb in einem höheren Maße von Arbeitslosigkeit und insbesondere von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen als Menschen ohne Suchtprobleme (vgl. GRDrs 369/2016 "Jahresbericht 2015 der ambulanten Suchthilfe für die Bereiche Suchtprävention, Beratung, Betreuung und Behandlung", Anlage 2).

Weitergehend ist erwiesen, dass Arbeitslosigkeit Suchtmittelabhängigkeit verstärken kann und Suchtmittelabhängigkeit vielfach zu Arbeitslosigkeit führt. Vgl.: Bundesministerium für Gesundheit 2009: Erhebung von Ansätzen guter Praxis zur Integration Suchtkranker ins Erwerbsleben im Rahmen des SGB II, Abschlussbericht.

Abhängiger und meist langjähriger Suchtmittelkonsum bzw. Suchtmittelmissbrauch sind häufig gekoppelt mit multiplen Problemlagen wie gesundheitliche, soziale und psychische Probleme. Erwerbslose mit Suchtproblematiken haben im Vergleich zu Erwerbslosen ohne Suchtproblematiken häufig eine schlechtere Einbindung in soziale Nahbeziehungen, vielfach Gewalterfahrungen erlebt, niedrigere Schulabschlüsse, seltener eine abgeschlossene Berufsausbildung, sind häufiger verschuldet und in Kontakt mit der Justiz.

Diese multiplen Problemlagen führen dazu, dass eine Reintegration auf den regulären Arbeitsmarkt erschwert ist. Andererseits belegen zahlreiche Studien, dass Arbeit und
Tagesstruktur als zentrale und stabilisierende Teilhabefaktoren zu bewerten sind.


Arbeit und Beschäftigung können dazu beitragen, Suchtmittelabhängigkeit und -miss-brauch zu überwinden beziehungsweise abzuschwächen. Arbeit, Tagesstruktur und andere Tätigkeiten stärken Selbstbild und Selbstregulation, sind ein identitätsstiftender Faktor durch Anerkennung und Wertigkeit und ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe. Vgl.: Wolfgang Scheiblich; Gute Arbeit in schlechten Zeiten. Die Rolle von Arbeit und Tagesstruktur bei der Überwindung von Sucht, Kongress des Fachverbandes Drogen- und Suchthilfe e. V., Köln 2014
Deshalb sind spezifische und differenzierte Maßnahmen zur Reintegration in den Arbeitsmarkt notwendig, wie sie es in der Landeshauptstadt Stuttgart gibt.

Datenbasis

1. Arbeitslosengeld II-Leistungsbezieher mit Suchtproblematik

Laut bundesweiter Studien ist davon auszugehen, dass ca. 10 % der Arbeitslosengeld II-Leistungsbezieher mindestens eine Suchtdiagnose aufweisen. Vgl.: Henkel D, Schröder H.: Suchtdiagnoseraten bei Hartz-IV-Beziehenden in der medizinischen Versorgung im Vergleich zu ALG-I-Arbeitslosen und Erwerbstätigen: eine Auswertung der Leistungsdaten aller AOK-Versicherten der Jahre 2007-2012. Suchttherapie 2015 Neben dem Tabakkonsum dominiert beim diagnostizierten Substanzkonsum v.a. der Alkoholkonsum (4,17%) und der Konsum von Opioiden (1,08%).

Im Juni 2015 bezogen in der Landeshauptstadt Stuttgart 28.969 erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ELB) ALG II-Leistungen. Vgl. www.statistik.arbeitsagentur.de

Zum Stichtag 10.06.2015 waren 848 Personen mit Bezug von ALG II-Leistungen wegen ihrer Suchtproblematik in psychosozialer Betreuung der ambulanten Stuttgarter Suchthilfe. Dies entspricht 2,2 % aller erwerbsfähigen ALG II-Leistungsberechtigten in Stuttgart.


2. Erwerbssituation der Klientinnen und Klienten der ambulanten Stuttgarter Suchthilfe im Jahr 2015

Von den im Jahr 2015 2.328 neu in die Betreuung aufgenommenen Klientinnen und Klienten waren 31,6 % in einem Beschäftigungsverhältnis.

33,6 % der Klientinnen und Klienten bezogen entweder Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB III. Davon bezogen 85,4 % Leistungen nach dem SGB II (ALG II) und 14,6 % Leistungen nach dem SGB III (ALG I).

Beim Vergleich der Klientinnen und Klienten mit einem Konsum von legalen Suchtmitteln mit den Klientinnen und Klienten mit einem Konsum von illegalen Suchtmitteln ist eine gravierende Differenz aufzuzeigen:

Die erreichten Klientinnen und Klienten mit der Hauptdiagnose Alkohol waren zu 38,2 % erwerbstätig (absolut: 389 Personen), dem gegenüber waren nur 13 % (43 Klientinnen und Klienten) mit der Hauptdiagnose Opioide erwerbstätig. Die Beschäftigtenzahl unter den Opioidabhängigen in Betreuung stagniert beziehungsweise sinkt seit Jahren. Vgl.: GRDrs 369/2016 "Jahresbericht 2015 der ambulanten Suchthilfe für die Bereiche Suchtprävention, Beratung, Betreuung und Behandlung", Anlage 2.


Maßnahmen

Im Jahr 2015 haben sich der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen und der Sozial- und Gesundheitsausschuss in mehreren Sitzungen intensiv mit der Situation von Arbeitslosen mit Suchtproblematiken und den vorgehaltenen und geplanten Angeboten zur Eingliederung in der Landeshauptstadt Stuttgart beschäftigt (vgl. GRDrs 896/2015 "Fortsetzung des Programms „Arbeit statt Drogen“" und GRDrs 756/2015 "Niedrigschwellige arbeitsähnliche Tätigkeiten").

Fachlich bestand Einigkeit darüber, dass Langzeitarbeitslose mit Suchtproblematiken und multiplen Vermittlungshemmnissen zur sozialen Teilhabe und zur Wiedereingliederung in Beschäftigungsverhältnisse ein zwischen allen Akteuren abgestimmtes und sich ergänzendes Stufenmodell an Angeboten und Maßnahmen benötigen.

Mit den Beschlüssen zum Doppelhaushalt 2016/2017 hat der Gemeinderat die Voraussetzungen zur Ausdifferenzierung der Angebote für Arbeitslose mit einer Suchtproblematik geschaffen, indem er die Einführung von niedrigschwelligen arbeitsähnlichen Tätigkeiten beschlossen hat (vgl. GRDrs 1371/2015 "Zusammenfassung der Ergebnisse der Haushaltsplanberatungen 2016/2017 für den Bereich des Sozialamtes und des Gesundheitsamtes").

Darüber hinaus wurde das Programm „Arbeit statt Drogen“, mit einer teilweisen Umsetzung des Programms über Arbeitsgelegenheiten neu konzipiert.

Insgesamt stehen damit für die Zielgruppen der ALG II-Leistungsempfänger mit Suchtproblematik 175 Maßnahmenplätze des Jobcenters und Kosten für 25 Maßnahmeplätze im Jahr 2016 und 36 Maßnahmeplätze im Jahr 2017 für das Sozialamt beziehungsweise die Umsetzung dieser Plätze innerhalb der ambulanten Suchthilfe des Sozialamtes zur Verfügung.

Die Weiterentwicklung der Arbeits- und Beschäftigungsangebote für Menschen mit Suchtproblematik wird zukünftig in enger Abstimmung des Referates Soziales und gesellschaftliche Integration mit den Trägern der ambulanten Suchthilfe und den Arbeitshilfeträgern erfolgen. Zum Auftakt hat am 22. November 2016 unter Federführung des Referates Soziales und gesellschaftliche Integration der Arbeitskreis „Arbeit, Beschäftigung und Sucht“ stattgefunden, in den der frühere Arbeitskreis „Arbeit statt Drogen“ aufgeht.
Teilnehmende des Arbeitskreises sind der Suchthilfeverbund, die Arbeitshilfeträger, das Sozialamt und das Jobcenter. In der ersten Sitzung wurden die Information über die Angebote der ambulanten Suchthilfe und der Arbeitshilfeträger und deren Belegung thematisiert. Die Durchlässigkeit der verschiedenen Angebote (Stufenmodell) wurde verfestigt.

Das Ziel des Arbeitskreises „Arbeit, Beschäftigung und Sucht“ besteht darin, differenzierte Angebote für Menschen mit Suchtproblematik weiterzuentwickeln, zugänglich zu machen und Übergänge abzustimmen. Der Arbeitskreis wird sich halbjährlich treffen, wobei auch weitere Kooperationspartner einbezogen werden können.


Beteiligte Stellen

---


Vorliegende Anträge/Anfragen

---
---




Werner Wölfle
Bürgermeister





1. Maßnahmen und Kooperationen zur Eingliederung Arbeitsloser mit Suchtproblematiken in der Landeshauptstadt Stuttgart

2. Verlaufsdiagramm: Zusammenarbeit Jobcenter und Beratungs- und Behandlungsstellen (BBS), Stand: 20.02.2014


Maßnahmen und Kooperationen zur Eingliederung Arbeitsloser mit Suchtproblematiken in der Landeshauptstadt Stuttgart

1. Jobcenter Stuttgart

Die persönlichen Ansprechpartnerinnen und -partner im Jobcenter Stuttgart arbeiten nach den Prinzipien des beschäftigungsorientierten Fallmanagements. Dazu gehören unter anderem Die persönlichen Ansprechpartnerinnen und -partner sind im Umgang mit stoffgebundenen und stoffungebundenen Abhängigkeitserkrankten geschult und stehen in einem regelmäßigen fachlichen und auch fallbezogenen Austausch mit den Fachkräften des Suchthilfesystems. Im Rahmen der Integrationsplanung wird regelmäßig für alle Kundinnen und Kunden der Handlungsbedarf geschlechtsspezifisch und interkulturell geprüft. Ebenso wird geprüft, welche Förderinstrumente geeignet sind, um Integrationsfortschritte zu erzielen. Grundsätzlich kommen auch für Abhängigkeitserkrankte alle arbeitsmarkt- und beschäftigungsorientierte Regelinstrumente in Betracht. Sie müssen allerdings der Leistungsfähigkeit entsprechen.

Sofern bestehende Regelinstrumente nicht ausreichen, ist es Ziel des Jobcenters, mit dem Suchthilfesystem geeignete Angebote zu erweitern oder zu initiieren.

Im Folgenden sind lediglich spezifische Angebote für Leistungsberechtigte mit illegalem und legalem Suchtkonsum erläutert.

1.1 Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungen, § 16 d SGB II (AGH)

Zielsetzung von Arbeitsgelegenheiten ist die (Wieder-)Herstellung und die Aufrechterhaltung der Beschäftigungsfähigkeit von arbeitsmarktfernen Personen. AGH dienen als mittelfristige Brücke zum allgemeinen Arbeitsmarkt, d. h. es erfolgt eine Teilhabe am Arbeitsleben mit dem längerfristigen Ziel der Integration in diesen Arbeitsmarkt. Verfolgte Integrationsstrategien sind:
§ Heranführen an das Arbeitsleben (Tagesstruktur herstellen)
§ Arbeits- und Sozialverhalten stärken
§ Perspektiven verändern
§ Individuelle Wettbewerbsnachteile ausgleichen.

Die Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit ist innerhalb eines 5-Jahres-Zeitraums auf
maximal 3 Jahre begrenzt.


Spezielle Arbeitsgelegenheiten für Menschen mit Suchtproblematiken werden vom Jobcenter in der Landeshauptstadt Stuttgart im Rahmen des Programms „Arbeit statt Drogen“ angeboten. Zielgruppe sind Menschen mit einem illegalen und/oder legalen Substanzkonsum.
Aktuell stehen 92 AGH „Arbeit statt Drogen“-Plätze zur Verfügung. Davon wurden 81 zum Juli 2016 bewilligt. Das Jobcenter stellt diese dem Suchthilfesystem zur Zusteuerung zu den Programmplätzen zur Verfügung und belegt selbst nur einzelne Plätze. Den Klientinnen und Klienten der ambulanten Suchthilfe wird damit die Möglichkeit gegeben, sich direkt auf die "Arbeit statt Drogen"-Arbeitsgelegenheiten bei den Arbeitshilfeträgern zu bewerben und erst danach das Jobcenter aufzusuchen. Das Jobcenter prüft dann die Voraussetzungen und erteilt die Kostenzusage.

Bis zum 01.01.2017 wurden 36 von 92 Maßnahmeplätzen belegt, welche sich wie folgt verteilen:

Sozialunternehmen
Bezeichnung der
AGH-Maßnahme
Anzahl
der Plätze
Aktuelle
Belegung
CaritasverbandDrugStop
7
3
CaritasverbandLederschmiede
20
6
CaritasverbandSiebdruckwerkstatt
8
8
Neue Arbeit gGmbHKulturwerk
20
16
sbr gGmbHFlower Power
20
1
sbr gGmbHInitiative Schellack e.V.
2
2
Frauenunternehmen
ZORA gGmbH
Donna Luna
15
0
Summe
36


1.2 Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung § 45 SGB III
Ziel der Maßnahmen ist die berufliche Eingliederung von Arbeitslosen durch
§ Heranführung an Ausbildung und Arbeitsmarkt
§ Feststellung, Verringerung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen
§ Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung
§ Heranführung an eine selbständige Tätigkeit
§ Stabilisierung einer Beschäftigungsaufnahme
Zielgruppe sind Menschen mit einem illegalen und/oder legalen Substanzkonsum.
Insgesamt liegt der Schwerpunkt der Maßnahmen in der Kombination von arbeitsmarktnaher Beschäftigung, Qualifizierung und Betreuung. Es darf keine Mehraufwandsentschädigung an die Teilnehmenden gezahlt werden.

Aktuell stehen 40 suchtspezifische Maßnahmeplätze zur Verfügung. Von den 40 Plätzen sind 31 Plätze besetzt.

1.3 Maßnahmen der Freien Förderung gemäß § 16 f SGB II in Verbindung mit dem Europäischen Sozialfonds

Su+Ber ist ein Projekt (ursprünglicher Titel: NaWiSu) unter der Trägerschaft der Werkstatt Parität gGmbH mit aktuell 6 Projektstandorten (Heilbronn, Karlsruhe, Ludwigsburg, Pforzheim, Sigmaringen und Stuttgart), das durch das Jobcenter und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert wird. Das Projekt wird vom Institut für Therapieforschung (ift) in München evaluiert, die Evaluation wird durch die Deutsche Rentenversicherung finanziert.
In Stuttgart wird das Projekt in Kooperation der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e. V. (Suchtberatung), dem Sozialunternehmen Neue Arbeit gGmbH und dem Jobcenter Stuttgart seit dem 15.02.2016 umgesetzt.

Als Zielgruppe von Su+Ber sind langzeitarbeitslose erwerbsfähige Personen mit psychosozialen Problemlagen und Suchtproblemen (stoffgebundene und stoffungebundene Süchte) benannt, die für eine berufliche Wiedereingliederung gesundheitlich, psychosozial und konsumbezogen geeignet und daran interessiert sind. Ziele sind die Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit und die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Wesentlich ist die Kombination aus beruflicher Orientierung und Bearbeitung der Suchtproblematik. Bei letzterer sind Abstinenzorientierung oder die Erhöhung der Steuerungsfähigkeit durch Erlernen von kontrolliertem Konsumverhalten gleichwertige Zielsetzungen.

Der Projektverlauf gliedert sich in drei Phasen:

Phase A

· Identifizierung, Motivierung, Information und Vermittlung von Projektteilnehmenden (Grobclearing)

· Fallbezogene Kooperation der Projektteilnehmenden und Zuweisung durch das Jobcenter

· Zeitdauer offen

Phase B

· Arbeitsmarktnaher Arbeitsplatz in der Neuen Arbeit, Qualifizierung, Betriebspraktika etc.

· Betreuung durch die Evangelische Gesellschaft Stuttgart e. V., Suchtberatung mit dem Ziel der Konsumreduktion bzw. Abstinenzorientierung, Einzelgespräche, Gruppenangebote und Krisenintervention in der Beratungsstelle

· Zeitdauer bis 8 Monate

Phase C

· Individuelle Nachbetreuung und Nachsorge im betrieblichen Kontext

· Zeitdauer bis 12 Monate


Seit Projektbeginn am 31.08.2016 befanden sich insgesamt 35 Personen in Phase A, 9 Personen in Phase B und 2 Personen in Phase C. Drei Personen konnten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden, davon in zwei befristete Vollzeitarbeitsplätze und eine unbefristete geringfügige Beschäftigung. Zwei Personen absolvierten ein Praktikum.

2. Sozialamt der Landeshauptstadt Stuttgart

2.1 Niedrigschwellige arbeitsähnliche Tätigkeiten für Menschen
mit einer Suchtproblematik


Das Angebot richtet sich an Personen mit einer Suchtproblematik und ALG II-Leistungs-bezug, bei denen multiple Vermittlungshemmnisse und Leistungseinschränkungen vorliegen und die nicht bzw. noch nicht in der Lage sind, den Anforderungen von Arbeitsgelegenheiten (AGH) bzw. Maßnahmen nach § 45 SGB III gerecht zu werden. Es wird im Rahmen des § 67 SGB XII, der Hilfen für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten, in der ambulanten Suchthilfe umgesetzt.

Zielgruppe sind Menschen mit einem illegalen und/oder legalen Substanzkonsum.
Bei den niedrigschwelligen tagesstrukturierenden Angeboten erhalten die Teilnehmenden eine Entschädigung aufgrund zusätzlicher Aufwendungen in Höhe von 1,50 EUR je geleisteter Stunde. Die Anbieter erhalten eine Vergütung je nach Anzahl der von den Teilnehmenden geleisteten Stunden (Regiekosten/Maßnahmekosten).
Zur Umsetzung niedrigschwelliger arbeitsähnlicher Tätigkeiten wurden für das Jahr 2016 25 Plätze und das Jahr 2017 36 Plätze in der ambulanten Suchthilfe eingerichtet (vgl. GRDrs 376/2016 "Umsetzung niedrigschwelliger arbeitsähnlicher Tätigkeiten in der ambulanten Suchthilfe – Zwischenstand 2016").

Die schrittweise Umsetzung begann im Juni 2016. Zum Stichtag 01.01.2017 waren 16 Maßnahmenplätze besetzt und 14 weitere Anträge zur Kostenübernahme in Bearbeitung. Der Beschäftigungsumfang der Teilnehmerinnen und Teilnehmer variiert zwischen 2 bis 15 Stunden in der Woche.

Die bisherigen Erfahrungen mit dem Angebot zeigen, dass die niedrigschwelligen tagesstrukturierenden Angebote zur Stabilisierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beitragen.

3. Kommunale Arbeitsförderung

3.1 „Kulturwerk“, Sozialunternehmen Neue Arbeit

Aus den langjährigen Erfahrungen in der Arbeit mit suchtmittelabhängigen Menschen entwickelte das Sozialunternehmen Neue Arbeit die Konzeption für das „Kulturwerk“.

Berücksichtigt werden die vielfältigen, individuellen Anforderungen zur sozialen und beruflichen Förderung. Somit soll eine optimale berufliche Entwicklung mit guten Ergebnissen in der Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, in Ausbildung und Umschulung erreicht werden. Die zugrundeliegende Konzeption beinhaltet ein vielfältiges, motivierendes Förder- und Qualifizierungsangebot, vorwiegend im Dienstleistungsbereich.

Die Tätigkeitsbereiche im „Kulturwerk“ decken ein großes Feld an möglichen Tätigkeiten des ersten Arbeitsmarktes ab. Da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf sehr unterschiedlichem Leistungsstand sind, ist ein breites Spektrum von niederschwelligen bis hin zu anspruchsvollen Förderplätzen notwendig. Die einzelnen Tätigkeitsbereiche werden durch qualifizierte Fachanleiterinnen und Fachanleiter abgedeckt.

Die Kultur- und Gastronomieangebote bewegen sich überwiegend im Nonprofitbereich. Im Zentrum des soziokulturellen Veranstaltungsangebotes stehen Produktionen von Nachwuchskünstlern, Laientheater- oder Schülergruppen, für die es sonst weder Ort noch Möglichkeit zur Realisierung ihrer Kulturvorhaben geben würde. Der Schwerpunkt liegt dabei auf interaktiv-pädagogischer Theaterarbeit zu den Themen Jugendproblematiken, Sucht, Gewalt, Migration und Gesundheit. Zudem wird mit den Betroffenen eine Präventionsarbeit umgesetzt, beispielsweise mit und an den Stuttgarter Schulen.

Das „Kulturwerk“ hat keine gesicherte Regelfinanzierung. Ein Teil der Mittel für gesonderte Projekte und Maßnahmen werden durch jährliche Antragstellungen im regionalen Europäischen Sozialfond-Pakt S abgedeckt. Die Geschäftsführung des regionalen Europäischen Sozialfonds ist bei der Arbeitsförderung angesiedelt. Im Förderjahr 2016 liegt der vom Europäischen Sozialfond gedeckte Betrag für das Kulturwerk bei 149.000 EUR.
Anzustreben ist eine unbefristete Regelförderung, um das Angebot dauerhaft abzusichern.

3.2 „Tagwerk“, ganztägig ambulante Therapie, Release Stuttgart e. V. und Caritasverband für Stuttgart e. V. - arbeitsweltbezogene Gruppe

Während einer ganztägig ambulanten Therapie verzögert sich der Einstieg in die Berufstätigkeit über mehrere Monate. Wichtig ist für die Zielgruppe ein langsamer und begleitendender Einstieg in den Arbeitsalltag schon während einer ambulanten Therapie. Die Veränderungen und die aktuellen Anforderungen der Arbeitswelt erfordern zudem eine besondere Beachtung. Das entwickelte Programm im Rahmen der ganztägigen ambulanten Therapie in „Tagwerk“ ermöglicht mit fachlicher Anleitung in verschiedenen Arbeitsbereichen ein flankierendes Angebot schon während des Therapieablaufs. Das Modul „Leben und Arbeit“ bietet spezielle Interventionen in Bezug auf:

· Analyse und Diagnostik von Arbeitshaltung und Fähigkeiten

· Ressourcenstärkung und Defizitmanagement (Schwerpunkt Arbeitsfähigkeit und
berufliche Handlungskompetenzen)

· Strukturierung der Vernetzung von ambulant ganztägiger Rehabilitation, Arbeitshilfeträgern und Arbeitgebern bzw. Praktikumsstellen

· Verzahnung der psycho- und sozialtherapeutischen Angebote im Tagwerk mit den arbeitstherapeutischen Angeboten.

Ferner werden in Kleingruppenarbeit und in aufgabenbezogenen Teams verschiedene Themenkomplexe bearbeitet:

· allgemeinbildende Themenarbeit (bspw. Politik, Haushalt, Finanzen, Mediennutzung, Zeitmanagement, Work-Life-Balance)

· Bewerbungs- und berufsweltorientierte Sozialtrainings (Teamarbeit, Kommunikation, Gesprächsführung)

· Trainingseinheiten zur Erarbeitung von arbeitsbezogenen Problemlösungsstrategien

· Hirnleistungstraining

Für die Stuttgarter Teilnehmerinnen und Teilnehmer übernimmt die Landeshauptstadt Stuttgart aus dem Etat der Arbeitsförderung den Baustein der beruflichen Praxis während der ambulanten Therapie. Dieser wird im „Kulturwerk“ des Arbeitshilfeträgers Neue Arbeit und beim Arbeitshilfeträger sbr gGmbH absolviert. Die Kosten betragen jährlich rund 130.000 EUR.

Fazit

Es ist mit den Maßnahmen über das Jobcenter und das Sozialamt und der kommunalen Arbeitsförderung im Jahr 2016 gelungen, einen Einstieg in ein Stufenmodell zur Integration von Menschen mit Suchtproblematik in Beschäftigung und Arbeit zu gestalten. Dieses gilt es weiterzuentwickeln.




4. Kooperation ambulante Suchthilfe, Arbeitshilfeträger und Jobcenter

4.1 Umsetzung § 16 a, SGB II, Kommunale Eingliederungsleistungen
Seit 2006 besteht zwischen der ambulanten Suchthilfe und dem Jobcenter Stuttgart eine Vereinbarung, die das Verfahren der Zusammenarbeit regelt. Im Zentrum der Regelung stehen die Vermittlungswege der ALG II-Leistungsbezieher mit Suchtproblematiken in adäquate Hilfen der ambulanten Suchthilfe. Die Verfahrensabläufe werden laufend fortgeschrieben (s. Anlage 2, Verlaufsdiagramm der Zusammenarbeit Jobcenter und Beratungs- und Behandlungsstellen, Stand 20.02.2014).

4.2 Suchtspezifische Fortbildungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des Jobcenters

Im Jahr 2013 wurde von Jobcenter Stuttgart und Suchthilfeplanung ein Planungsraster für suchtspezifische Fortbildungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters entwickelt. Der Suchthilfeverbund Stuttgart hat auf dieser Grundlage Fortbildungsveranstaltungen entwickelt. Seit 2014 finden diese suchtspezifischen Fortbildungen der Persönlichen Ansprechpartnerinnen und -partner und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Leistungsabteilung des Jobcenters durch die ambulante Suchthilfe fortlaufend statt.

Seit 2013 wurden insgesamt 8 Schulungen für etwa 88 Persönliche Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner und drei Schulungen für ca. 33 Leistungsgewährerinnen und Leistungsgewährer durchgeführt.


5. Weiteres Vorgehen

Die Weiterentwicklung der Arbeits- und Beschäftigungsangebote für Menschen mit Suchtproblematik wird zukünftig in enger Abstimmung des Referates Soziales und gesellschaftliche Integration mit den Trägern der ambulanten Suchthilfe und den Arbeitshilfeträgern erfolgen. Zum Auftakt hat am 22. November 2016 unter Federführung des Referates Soziales und gesellschaftliche Integration der Arbeitskreis „Arbeit, Beschäftigung und Sucht“ stattgefunden, in den der frühere Arbeitskreis „Arbeit statt Drogen“ aufgeht.
Teilnehmende des Arbeitskreises sind der Suchthilfeverbund, die Arbeitshilfeträger, das Sozialamt und das Jobcenter. In der ersten Sitzung wurden die Information über die Angebote der ambulanten Suchthilfe und der Arbeitshilfeträger und deren Belegung thematisiert. Die Durchlässigkeit der verschiedenen Angebote (Stufenmodell) wurde verfestigt.
Der Arbeitskreis wird sich halbjährlich treffen und kann thematisch auch weitere Kooperationspartner einbeziehen.

Im Ergebnis wird ein auch in den Verantwortlichkeiten abgestimmtes Fördersystem angestrebt, das mit Bezug zum individuellen Leistungsvermögen rehabilitative Angebote mit Beschäftigungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten verbindet.







zum Seitenanfang


File Attachment Icon
GRDrs 889_2016 Anlage 2.pdf