Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Jugend und Bildung
Gz: JB
GRDrs 448/2021
Stuttgart,
06/10/2021



Modell-Kita "Zusammen wachsen" - Grundsatzbeschluss



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Jugendhilfeausschuss
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Beschlussfassung
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
21.06.2021
26.07.2021



Beschlußantrag:


Begründung:


Die Modell-Kita "Zusammen wachsen" ist ein innovatives und einzigartiges Projekt, das auch Kindern mit besonderem Förderbedarf (Mehrfachbehinderung) die Betreuung in einer Kindertageseinrichtung ermöglicht. Bislang werden diese Kinder nahezu ausschließlich in Sondereinrichtungen (Schulkindergärten) betreut, was dem inklusiven Gedanken und Leitziel der "Kita für alle in Stuttgart" nicht entspricht. In der Modell-Kita "Zusammen wachsen" werden gleiche Bedingungen und Teilhabe für alle Kinder und Familien hergestellt.

1. Zu Beschlussantrag 1: Konzept

Der gesetzliche Rahmen sieht vor, dass Kinder mit und ohne Behinderung in Gruppen gemeinsam gefördert werden sollen und dies auch im Rahmen der kommunalen Bedarfsplanung entsprechend zu berücksichtigen ist. So ist in § 24 SGB VIII festgelegt, dass jedes Kind ab der Vollendung des ersten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege hat. Dadurch ergibt sich ein Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsauftrag für alle Kinder in Stuttgart, unabhängig von der Art und dem Grad ihrer Behinderung.

Dennoch erfolgt die Betreuung von Kindern mit besonderem Förderbedarf (Mehrfachbehinderung) bislang vorrangig in Sondereinrichtungen, die nach § 20 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg (SchulG BW) als freiwilliges Angebot (kein Rechtsanspruch) gefördert werden und sich in ihrer Betriebsorganisation wesentlich von einer Regeleinrichtung unterscheiden wie zum Beispiel Das bedeutet, dass Kinder mit besonderem Förderbedarf andere Rahmenbedingungen vorfinden als in einer Regeleinrichtung; zudem stehen Eltern vor der Herausforderung, die Betreuung außerhalb der verlängerten Öffnungszeiten und während der Schulferien zu organisieren.

Die bisherige Trennung und Versäulung der Betreuung von Kindern mit Behinderung wird durch die Modell-Kita "Zusammen wachsen" aufgehoben. Es entsteht eine grundständig inklusive Regeleinrichtung, die ohne Sonderregelungen allen Stuttgarter Kindern offen steht und damit den Rechtsanspruch für jedes Kind erfüllt. In der Modell-Kita werden Plätze für Kinder mit körperlicher, geistiger, seelischer und Sinnesbehinderung mit zusätzlichem Förderbedarf sowie Plätze für Kinder mit besonderem Förderbedarf (Mehrfachbehinderung) eingerichtet. Die ausführliche Konzeption der Modell-Kita ist der Anlage 1 zu entnehmen.

Die Stadt Stuttgart bereitet sich damit auf die Zukunft vor, trägt zur Erfüllung der Vision einer inklusiven Stadt bei und übernimmt eine Vorreiterrolle in der inklusiven Kindertagesbetreuung:
Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 22. April 2021 das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KSJG) beschlossen und der Bundesrat stimmte in seiner Sitzung am 7. Mai 2021 dem Gesetz zu. Besonders entscheidende und weitreichende Veränderungen beinhaltet das KJSG für den Bereich der Hilfen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung. Der Gesetzgeber hat sich damit für die lang erwartete „Große Lösung“ entschieden, also für eine einheitliche sachliche Zuständigkeit für alle Kinder und Jugendlichen ohne und mit Behinderung, unabhängig von der Behinderungsform. Konkret vorgesehen ist ein Drei-Stufen-Modell, das schrittweise auf die ab 2028 vorgesehene einheitliche sachliche Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder unabhängig vom Vorliegen einer Behinderung und unabhängig von der Behinderungsform vorbereitet. Änderungen bei konkreten Leistungen sind im KJSG für die Kindertagesbetreuung geregelt: Für die Förderung in Tageseinrichtungen fällt für die gemeinsame Förderung von Kindern mit und ohne Behinderung die Abhängigkeit vom Hilfebedarf im Einzelfall weg, stattdessen wird die Pflicht zur Berücksichtigung besonderer Bedürfnisse eingeführt (Neufassung des § 22a Abs. 4 SGB VIII).


2. Zu Beschlussantrag 2: Interessenbekundungsverfahren

Dem Standort für die Modell-Kita "Zusammen wachsen" im Bezirk Zuffenhausen, Stadtteil Rot, Gebiet Fleiner Straße/Rotweg (Inklusives „WohnquartierPlus – WQ+“) wurde mit der GRDrs 730/2020 zugestimmt. Die Fertigstellung der Modell-Kita "Zusammen wachsen" ist voraussichtlich 2025. Für die Trägerschaft der Modell-Kita wurde mit der GRDrs 730/2021 beschlossen, dass ein Interessenbekundungsverfahren eingeleitet wird, durch welches ein Träger gefunden werden soll, der von Beginn an fundierte Fachexpertise und weitreichende Erfahrungen in der Behinderten- und in der Jugendhilfe mitbringt, das heißt ein Träger der Behindertenhilfe, der mehrjährige Erfahrungen in der Kita-Arbeit nachweist.

Das „WohnquartierPlus Stuttgart-Rot (WQ+)“ ist ein inklusives Quartier, in dem sowohl gesellschaftliche Vielfalt als auch unterschiedliche Lebensentwürfe berücksichtigt werden. Bauträgerin und zukünftige Vermieterin der Modell-Kita "Zusammen wachsen" im Quartier WQ+ ist die Baugenossenschaft „Neues Heim – Die Baugenossenschaft eG (BGNH)“. Sie startet ab Sommer 2021 einen Beteiligungsprozess der im „WQ+“ lebenden Bewohner*innen und weiteren Akteur*innen und Nutzer*innen. Ziel dieses Prozesses ist, dass alle Akteur*innen vor Ort von Anfang an in die Planung und Gestaltung des Quartiers eingebunden sind und ihre Ideen und Vorstellungen einbringen können. Die BGNH will die Voraussetzungen für das Bebauungs-Planverfahren im 4. Quartal 2021 schaffen, um im Zeitplan für die IBA’27 bleiben zu können.

Auch der zukünftige Träger der Modell-Kita "Zusammen wachsen" soll von Anfang an bzw. frühestmöglich beteiligt werden, um Grundsätzliches zu den Raum- und Flächenanforderungen für die Einrichtung einzubringen wie Kubatur, Ort, Gebäude- und Freiflächenbeziehungen. Optimalerweise ist der Träger mit Abschluss des dritten Quartals bereits ausgewählt, um seine Expertise in den Prozess einzubringen und darüber hinaus Beziehungen zu den anderen Akteur*innen aufzubauen.

Um die Beteiligung des zukünftigen Trägers der Modell-Kita "Zusammen wachsen" im Quartier „WQ+“ baldmöglichst zu gewährleisten, soll bei Zustimmung zum vorliegenden Grundsatzbeschluss in Anschluss daran das Interessenbekundungsverfahren ausgeschrieben werden mit einer Abgabefrist zum 05.08.2021. Die anschließende Trägerauswahl soll bis 13.08.2021 erfolgen und dem Jugendhilfeausschuss in seiner Sitzung am 27.09.2021 zur Beschlussfassung vorgelegt werden.

3. Zu Beschlussantrag 3: Förderaufwand

Kinder mit besonderem Förderbedarf brauchen eine besondere Förderung. Das bedeutet, dass zusätzlich zum förderfähigen Fachpersonal nach § 7 Kindertagesbetreuungsgesetz Baden-Württemberg (KitaG) in einer Regeleinrichtung weitere Unterstützung durch sonder- bzw. heilpädagogisch sowie medizinisch qualifiziertes Personal erfolgen muss.

In der Modell-Kita "Zusammen wachsen" werden in vier Gruppen 52 Kinder betreut. Sowohl für Kinder mit Behinderung mit zusätzlichem Förderbedarf als auch für Kinder mit besonderem Förderbedarf (Mehrfachbehinderung) stehen jeweils sechs Plätze zur Verfügung (∑ = 12 Plätze für Kinder mit Behinderung).

Die Bezugsgrößen für die Berechnung der notwendigen Personalressourcen für die Modell-Kita "Zusammen wachsen" sind Darüber hinaus wurde auf Grund der besonderen Anforderungen in der Modell-Kita "Zusammen wachsen" festgelegt, dass in der Einrichtung eine 1,0 FK-Stelle für die Einrichtungsleitung sowie eine 0,75 FK-Stelle für ein*e Hauswirtschafter*in gefördert wird. Daraus ergibt sich für die viergruppige Modell-Kita "Zusammen wachsen" nach aktuellem Stand folgender förderfähiger Stellenschlüssel:

1.Fachpersonal nach § 7 Kindertagesbetreuungsgesetz (KitaG)
Pädagogisches Fachpersonal für Kinder ohne Förderbedarf
9,81
Sonder- und heilpädagogisches Fachpersonal sowie Personal mit spezifischem medizinischem Wissen (nach § 7 KiTaG, Abs. 2, Satz 10 a) für Kinder mit besonderem Förderbedarf
3,07
Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger*in für Kinder mit besonderem Förderbedarf
1,00
Kinderpfleger*innen für Kinder mit besonderem Förderbedarf
2,50
Sonder- und heilpädagogisches Fachpersonal sowie Personal mit spezifischem medizinischem Wissen (nach § 7 KiTaG, Abs. 2, Satz 10 a) für Kinder mit zusätzlichem Förderbedarf
1,20
Einrichtungsleitung
1,00
Summe
18,58
2.Hauswirtschaftspersonal
Hauswirtschafter*in
Summe
0,75
Personalressourcen gesamt:
19,33

Für eine viergruppige Kindertageseinrichtung ohne Plätze für Kinder mit besonderem bzw. zusätzlichem Förderbedarf ergibt sich auf der Grundlage der aktuellen Fördergrundsätze ein förderfähiger Stellenschlüssel für pädagogisches Personal in Höhe von 13,28. Das bedeutet, dass für die Modell-Kita "Zusammen wachsen" ein zusätzlicher Personalaufwand von 5,30 Fachkraftstellen über den Mindestpersonalschlüssel nach KitaVO entsteht (1,32 Stellen pro Gruppe) sowie ein weiterer Zusatzaufwand für eine 0,75 Fachkraftstelle für ein*e Hauswirtschafter*in = 6,05 Stellen gesamt.

Zusätzlich zur Förderung der Personalkosten erfolgt die Förderung von Sachausgaben und Mietkosten der Modell-Kita "Zusammen wachsen" analog der Fördergrundsätze für Betriebsausgaben von öffentlich-zugänglichen Kindertageseinrichtungen des Jugendamts.


Darüber hinaus sollen verstetigte Landesprogramme wie die Förderung zur Entwicklung eines Kinder- und Familienzentrums oder das Programm „Kolibri“ vom zukünftigen Träger der Einrichtung zusätzlich in Anspruch genommen werden. Zudem hat das Kultusministerium in einem Abstimmungsgespräch mit dem Stuttgarter Jugendamt am 12. Mai 2021 erklärt, dass, soweit ab 2025 weitere Fördermöglichkeiten durch das Land Baden-Württemberg bestehen, diese vom Träger genutzt und ggf. als Komplementärförderung eingesetzt werden können.

Es wird angestrebt, den Aufwand für die zusätzliche Personalkostenförderung der Modell-Kita "Zusammen wachsen" zumindest teilweise aus Leistungen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) zu decken.

Aus Leistungen des Bundesteilhabegesetzes (Eingliederungshilfeteil) kann derzeit eine Refinanzierung der zusätzlichen Personalkostenförderung für anspruchsberechtigte Kinder in dem sich aus der GRDrs 360/2006 ergebenden Rahmen erfolgen. Im Umsetzungsprozess BTHG wird zwischen Jugendamt, Sozialamt und mit den freien Trägern das weitere Verfahren zur Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen in Kitas erarbeitet.


Finanzielle Auswirkungen

Es entstehen finanzielle Aufwendungen für den Mindestpersonalschlüssel nach KitaVO (1,32 Stellen pro Gruppe) plus zusätzliche 6,05 Stellen (5,3 Fachstellen und 0,75 Hauswirtschaftskraft). Zusätzlich zur Förderung der Personalkosten erfolgt die Förderung von Sachausgaben und Mietkosten der Modell-Kita "Zusammen wachsen" analog der Fördergrundsätze für Betriebsausgaben von öffentlich-zugänglichen Kindertageseinrichtungen des Jugendamts. Über den endgültigen Förderaufwand muss im Rahmen des Doppelhaushalt 2024/25 nochmals entschieden werden.




Beteiligte Stellen

Referate WFB und SI haben mitgezeichnet.




Isabel Fezer
Bürgermeisterin


Anlagen




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