2. Der Strategierat „Integrierte Jugendarbeit Innenstadt" wird legitimiert, gemeinschaftlich für den Prozess Verantwortung zu übernehmen und diesen zu steuern.
3. Die Verwaltung wird beauftragt, eine Jugendstudie in Auftrag zu geben.
4. Den notwendigen Unterstützungsleistungen durch Dritte, insbesondere aus Wissenschaft und Forschung gemäß Anlage 1, Ziff. 4.1., wird zugestimmt. Die Verwaltung wird beauftragt, im Rahmen des mit GRDrs 657/2020 bereit gestellten Budgets passende Stellen anzufragen und zu beauftragen.
5. Falls eine Landesförderung der neu geschaffenen Stellen für die Mobile Jugendarbeit Innenstadt bewilligt wird, wird einer Verwendung der dadurch freiwerdenden städtische Fördermittel für die Stuttgarter Jugendstudie zugestimmt (siehe Ziff. 4 der Begründung).
6. Drittmittel durch finanzielles Engagement von Stiftungen oder durch Beteiligung an Landesprogrammen können gegebenenfalls zusätzlich projektbezogen eingesetzt werden.
Begründung: Die sogenannte Stuttgarter „Krawallnacht“ hat einen besonderen Sommer 2020 für die Stadt eingeleitet, da sich ein solches Ereignis noch nie zuvor in Stuttgart gegeben hat. In dem anschließend angestoßenen Entwicklungsprozess wurde deutlich, dass für die weitere kommunale Jugendhilfestrategie nicht ein Ansatz per se der Richtige ist, sondern die Vernetzung vieler. Um diese Vernetzung und die weiteren Planungen vorzustellen, geht die vorliegende Beschlussvorlage auf folgende Aspekte ein: 1. Statusbericht: Erste Aktivitäten der "Integrierten Jugendarbeit Innenstadt" 2. Absichtserklärung zur Mitwirkung, Zusammenarbeit und Verantwortungsübernahme bei der weiteren Entwicklung einer "Integrierten Jugendarbeit Innenstadt" 3. Strukturmodell zur Weiterentwicklung einer jugendgerechten Innenstadt 4. Stuttgarter Jugendstudie Die Ausführungen zu den Ziffern 1 bis 3 beziehen sich auf alle jungen Menschen, die die Stuttgarter Innenstadt nutzen, das heißt auch auf diejenigen, die nicht in Stuttgart wohnen und daher nicht an das kommunale Jugendhilfesystem angebunden sind bzw. in ihrer Lebenswelt durch dieses erreicht werden können. Bei Beschlussfassung der Vorlage ist geplant, Kontakt zu Akteur*innen der freien und öffentlichen Jugendhilfe aus den umliegenden Stadt- und Landkreisen aufzunehmen, um das Stuttgarter Modell einer "Integrierten Jugendarbeit Innenstadt" ggf. durch Vor-Ort-Maßnahmen in den Heimatorten der jungen Menschen zu ergänzen und damit nachhaltig präventiv zu wirken. 1. Statusbericht: Erste Aktivitäten der "Integrierten Jugendarbeit Innenstadt" Die "Mobile Jugendarbeit Innenstadt", die Stuttgarter Jugendhaus Gesellschaft und die Dienststelle „Ambulante Maßnahmen der Jugendhilfe im Strafverfahren“ des Jugendamts haben bereits erste Schritte für die Aufarbeitung der so genannten „Krawallnacht“ ebenso wie Planungen für die kommende Zeit gemacht: Mobile Jugendarbeit Innenstadt Die fünf mit GRDrs. 657/2020 vom Gemeinderat beschlossenen Stellen der "Mobilen Jugendarbeit Innenstadt" sind besetzt und die meisten Fachkräfte haben ihre Arbeit bereits aufgenommen. Mitte Dezember wird das Team vollständig sein. Um die Erfahrungen und Kompetenzen von Beginn an anzureichern, wurde das Team "Mobile Jugendarbeit Innenstadt" mit dem „Team im Europaviertel“ zusammengelegt. Aufgabenschwerpunkte in der Startphase sind neben dem Teamaufbau die Präsenz der Jugendarbeiter*innen in der Innenstadt, um beim jungen Publikum bekannt zu werden und Kontakte zu jungen Mensch in der Innenstadt aufzubauen. Die Mitarbeiter*innen werden auch in den Herbst- und Wintermonaten unterwegs sein, da sich beim ersten Lockdown gezeigt hat, dass viele junge Menschen nicht zu Hause sein können und somit auf die öffentlichen und halböffentlichen Räume angewiesen sind. Sobald der Bus als mobile Anlaufstelle hinzukommt, werden im Cityring weitere Orte angefahren. Für die feste Anlaufstelle werden derzeit noch Räumlichkeiten gesucht, was sich im Innenstadtbereich als besonders schwierig erweist. Mit hohem Engagement und in sehr intensiver Form führt die „Mobile Jugendarbeit Innenstadt“ bereits Kooperationsgespräche. Es sind neue und neuartige Partnerschaften entstanden, beispielsweise der Kontakt zur City-Initiative Stuttgart e.V. (CIS) oder zum Staatstheater. Dabei wurde deutlich, dass die „Mobile Jugendarbeit Innenstadt“ vielfältige Player, Anliegen, Ressourcen, Wünsche und (Arbeits-)Haltungen in Einklang bringen muss. Darüber hinaus zeigen sich bereits jetzt Parallelen zum Europaviertel in Hinblick auf die Verknüpfung von kultureller Jugendbildung und Jugendsozialarbeit. Neben dem Aufbau des Teams "Mobile Jugendarbeit Innenstadt" und der Präsenz in der Innenstadt wird zeitnah analysiert, welche Aufträge und Kooperationen die "Mobile Jugendarbeit Innenstadt" priorisiert, welche Kooperationen im Mittelpunkt stehen und wie sie Mehrwert und Austausch zwischen den unterschiedlichen Netzwerken anregen kann. Unterstützt wird die "Mobile Jugendarbeit Innenstadt" dabei durch die wissenschaftliche Begleitung, die mit der GRDrs 657/2020 beschlossen wurde (Anlage 1, Ziff. 4.1.). Wiedergutmachungskonferenzen Das Jugendamt Stuttgart ist derzeit für 25 junge Menschen aus der sogenannten Stuttgarter „Krawallnacht“ zuständig. Davon haben sich bisher sieben an die Schlichtungsstelle gewandt und wollen Wiedergutmachung für die von ihnen begangenen Schäden leisten: zerstörte Scheiben, gestohlene Ware, beschädigte Polizeifahrzeuge. Hierfür wurden bereits Entschuldigungsbriefe abgegeben, ein junger Mann hat die gestohlene Ware persönlich zurückgegeben und war mit den Besitzern im Gespräch. Alle geschädigten Ladenbesitzer*innen wurden kontaktiert. Erste positive Rückmeldungen sind bei der Schlichtungsstelle eingegangen. Außerdem besteht Kontakt zu Herrn Jochen Hahn, Vorstand des Gerberviertel e.V. und Herrn Sven Hahn, Geschäftsführer CIS e.V. Der Verein Starthilfe e.V. stellt Mittel zur Verfügung, um durch die Verrechnung geleisteter gemeinnütziger Arbeitsstunden Schadensersatzzahlungen zu ermöglichen. Mit diesem Angebot soll die Möglichkeit zur Verantwortungsübernahme durch Täter geschaffen werden, die keine Mittel zur Verfügung haben und den Geschädigten trotzdem Schadensersatz leisten wollen. In Vorbereitung: Neben direkten Schadenswiedergutmachungen und persönlichen Ausgleichgesprächen sollen auch Fälle einbezogen werden, bei denen keine klare Zuordnung möglich ist. Hierfür wird mit gewillten Tätern und interessierten Geschädigten eine Wiedergutmachungskonferenz durchgeführt. Angestrebt wird hierbei auch die Einbeziehung von Vertreter*innen der Polizei. Die Jugendämter und Schlichtungsstellen Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) aus Ludwigsburg und dem Rems-Murr-Kreis beteiligen sich ebenfalls an den Wiedergutmachungskonferenzen. Projekt „Sprachrohr“ Mit dem Projekt „Sprachrohr“ hat die Stuttgarter Jugendhaus Gesellschaft in einer schnellen Umfrage Eindrücke und Aussagen von Jugendlichen zu der Krawallnacht eingefangen und ausgewertet. Der Fragebogen wurde mit der Polizei und der Stadtverwaltung abgestimmt. Insgesamt 116 Jugendliche wurden in den Jugendhäusern stadtweit zu den Ereignissen der Krawallnacht und zu damit verbundenen Themen interviewt. Diese Umfrage wird durch „Explanandum – Gesellschaft für empirische Sozialforschung“ ausgewertet. Eine erste Auswertung zeigt deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen die Ereignisse als falsch bezeichnet. Gleichzeitig wird deutlich, dass Jugendliche sich mehr Mitsprache bei jugendrelevanten Themen erhoffen. Diese Umfrage kann als erste und einzige Jugendbefragung zu der Krawallnacht in seiner Kürze einen wichtigen Einblick in die Stimmungslage und Hintergründe geben. Am 16. November 2020 wurde die Broschüre in Papierform im Jugendhilfeausschuss ausgelegt; die Ergebnisse sind online abrufbar unter: https://www.yumpu.com/de/document/read/64827802/stjg-broschure-sprachrohr-2020 Projekt „15 Fragen – 15 Antworten“ „15 Fragen – 15 Antworten“ ist ebenfalls ein aktuelles Projekt der Stuttgarter Jugendhaus Gesellschaft in Kooperation mit der Polizei, um die Kommunikation zwischen Polizei und Jugendlichen zu fördern. Hierbei wird das Medium Film/Video als Plattform genutzt. In Jugendhäusern werden 15 verschiedene Jugendliche ab 15 Jahren ausgewählt, die in verschiedenen Kontexten bereits Kontakt mit der Polizei hatten. Auch auf Seiten der Polizei nehmen 15 Personen am Projekt teil, die im Streifendienst tätig sind. Die Antworten und Fragen werden gefilmt und anschließend den interviewten Personen vorgeführt. Dies ermöglicht das Hineinversetzen in die jeweils andere Seite und gibt den Anstoß zur direkten (niedrigschwelligen) Kommunikation. Diese mittelbare mediale Kommunikation dient dazu, Zeit zum Nachdenken zu geben, die angesprochenen Themen begleiten zu können und so hitzige, emotionalisierte Gruppendiskussion zu vermeiden. Das Projekt „15 Fragen – 15 Antworten“ unterstützt den wichtigen Dialog zwischen Jugendlichen und Polizeit und wirkt auf ein gegenseitiges Verständnis hin. 2. Absichtserklärung Jugendarbeit in der Innenstadt steht vor besonderen Herausforderungen wie wechselnde Besucher*innen und Cliquen außerhalb ihrer Alltagsräume (siehe Anlage 1, Ziff. 2.2.). Das bedeutet, dass an Stelle kurzfristiger Aktionen oder Maßnahmen einzelner Träger oder Verwaltungseinheiten die gemeinsame Erkenntnissuche und eine gemeinsam abgestimmte Handlungsstrategie treten müssen. Der innerhalb der Krisenstruktur des Oberbürgermeisters eingeschlagene Kurs einer „Integrierten Jugendarbeit in der Innenstadt“ bringt diese Intention zum Ausdruck. Bei der Planung und Entwicklung weiterer Schritte und Strukturen wurden daher Institutionen und Personen gesucht, die sich mit der Stadt Stuttgart und den jungen Menschen, die sich in ihrer City aufhalten, verbunden und gleichzeitig verpflichtet fühlen, einen Beitrag für eine integrierte Jugendarbeit in der Innenstadt zu leisten. Hierfür wurden folgende Akteur*innen gefunden, die sich gemeinsam dafür einsetzen wollen, dass die Stadt Stuttgart die Vision einer jugendgerechten Innenstadt verfolgt und die hierfür ihre Ressourcen und Netzwerke einbringen (in alphabetischer Reihenfolge):
- Evangelische Gesellschaft Stuttgart e.V.
- GesundheitsLaden Stuttgart e.V.
- Jugendamt Stuttgart
- Kinderbeauftragte und Kinderbüro der Landeshauptstadt Stuttgart
- Referat Soziales und gesellschaftliche Integration, Abteilung Integrationspolitik
- Release Stuttgart e.V. für die Träger des Suchthilfeverbundes
- Sozialberatung Stuttgart e.V. für die Träger der Gewaltprävention
- Stadtjugendring Stuttgart e.V.
- Stuttgarter Jugendhausgesellschaft gGmbH
- Stuttgarter Jugendrat: In einer Sitzung des AK Stuttgarter Jugendrat (AKJ) wurde das geplante Strukturmodell für eine „Integrierte Jugendarbeit Innenstadt“ sowie die geplante Stuttgarter Jugendstudie kurz vorgestellt. In einer späteren Phase soll dem AKJ sowohl das Strukturmodell als auch die Jugendstudie ausführlich erläutert werden, um gemeinsam Anknüpfungspunkte in den Strukturen für die Jugendräte zu ermöglichen, wo sie sich möglichst kontinuierlich einbringen können (siehe Anlage 1, Ziff. 3.1.).
- Mitglieder des „Aktionsrats“ sind Mitarbeiter*innen der Träger aus dem Strategierat mit der Aufgabe, Probleme und Themen der jungen Menschen in der Innenstadt zu erkennen und auf Basis dieser Erkenntnisse entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
- Der Aktionsrat organisiert mindestens einmal jährlich „Jugendkonferenzen Innenstadt“ im öffentlichen Raum in der City, um die jungen Menschen direkt zu beteiligen.
- Die "Ad-hoc-Teams" sind anlassbezogen und temporär, um bedarfsgerecht spezielle Aktionen zu organisieren und durchzuführen.
- Das Ressourcen-Netzwerk „Jugendgerechte Innenstadt“ setzt sich aus Einrichtungen, Institutionen und Trägern zusammen, die für junge Menschen relevant sind, und greift auf deren bestehende Ressourcen zurück.
Detaillierte Ausführungen zu dem Strukturmodell, den Aufgaben und der Zusammensetzung der verschiedenen Gremien sind der Anlage 1 zu entnehmen. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass das vorgeschlagene Strukturmodell kein starres Gebilde ist, sondern ein atmendes System, das sich ab dem Start im Frühjahr 2021 weiter entwickelt und offen ist für neue Ideen und Mitglieder. 4. „Man greift seine eigene Stadt nicht an…“ – Stuttgarter Jugendstudie Direkt in Anschluss an die sogenannte „Krawallnacht“ stand die Stadt Stuttgart gewissermaßen unter Schock. Die Aufnahmen, die in den Medien kursierten, und das Ausmaß der Gewalt, die sich in der Nacht zeigte, ließen die Befürchtung entstehen, dass weitere Ausschreitungen folgen könnten und die Stuttgarter Innenstadt sich zu einem sozialen Brennpunkt entwickelt. Infolgedessen wurde im Juli 2020 – mit Beginn des Entwicklungsprozesses des Strukturmodells "Integrierte Jugendarbeit Innenstadt" – die Überlegung angestellt, eine Stuttgarter Jugendstudie durchzuführen, welche auf eine Problemeinordnung der Ereignisse und deren Ursachen abzielen sollte. Eine wissenschaftliche Erforschung der Ursachen wurde lokalpolitisch wie auch in der pädagogischen Fachwelt als notwendig erachtet für eine produktive Aufarbeitung und Bewältigung der Ereignisse in der Innenstadt. Bislang sind die Ausschreitungen vom Juni 2020 einmalig geblieben, die Stuttgarter City hat sich nicht zu einem „Gewalt-Hot-Spot“ entwickelt, und es scheint wieder ein weitgehend friedliches Miteinander eingetreten zu sein, nicht zuletzt dadurch, dass viele Stellen der Stadtgesellschaft sich verantwortlich zeigen. Die Ausschreitungen sind jedoch nach wie vor als Ausdruck von Jugend zu lesen und haben eine starke Sensibilisierung hervorgerufen. Es entsteht die Möglichkeit, die Krise als Chance zu nutzen, als Impuls nach vorne zu schauen und die Situation und kollektiven Erfahrungen junger Menschen in Stuttgart qualitativ zu beleuchten. Dabei geht es um drei zentrale Fragen:
Die Stuttgarter Jugendhilfe will nicht nur über, sondern vor allen Dingen auch mit den jungen Menschen reden: Was bewegt sie? Wie ordnen sie die Ereignisse im Spiegel ihrer eigenen Erfahrungen ein? Die nachfolgenden Zitate stammen aus verschiedenen Interviews und Gesprächen, die im Nachgang zur Krawallnacht in unterschiedlichen Kontexten der Jugendarbeit geführt wurden. In den Interviews mit Datum August 2020 wurde das Thema explizit als Konflikt zwischen Polizei und Jugend angesprochen. Die Aussagen wurden der Jugendhilfeplanung zur Verfügung gestellt oder durch sie erhoben. Sie sind nicht repräsentativ, sondern stellen exemplarisch Haltungen und Sichtweisen junger Menschen in Bezug auf die sogenannte „Krawallnacht“ dar:
- Jugendamt, Dienststelle Ambulante Jugendhilfe im Strafverfahren
- Release Stuttgart e.V. (stv. für die Träger des Suchthilfeverbunds Stuttgart)
- Sozialberatung Stuttgart e.V. (stv. für die Träger der Gewaltprävention in Stuttgart)
- ein breites Repertoire an Methoden und Zugängen,
- die Verbindung mit einem Netzwerk an Ermöglicher*innen aus der Gesellschaft,
- ein stringentes gemeinsames Suchen nach Problem- und Themenstellungen im sozialen Raum sowie
- ein flexibel einsetzbares Budget, beispielsweise für präventiv wirkende und gemeinwohlfördernde Aktionen.
- Aktionsebene: Je nach Erkenntnissen sollen zu bestimmten Themen spezielle Aktionen durchgeführt werden, für deren Umsetzung „Ad-hoc-Teams“ eingerichtet werden (siehe Ziff. 3.4.).
- Diskussion und Festlegung von Entscheidungskompetenzen einzelner Mitwirkender innerhalb der Gremien wie auch der Gremien mit Bezug aufeinander,
- Diskussion und Festlegung von Kommunikationswegen zwischen den Gremien,
- Procedere zur Fortschreibung der Netzwerk-Karte und
- die Erarbeitung einer alle Gremien umfassenden Geschäftsordnung.