2. Überblick Stuttgart – Ausstattungskennzahlen und konzeptionelle Ausrichtung
3. Herausforderungen mit Blick auf junge Menschen
4. Gebietsbezogene Projektaufträge und Weiterentwicklungsbedarf
Projektauftrag „Vaihingen“ In Vaihingen wurde Mobile Jugendarbeit zunächst zeitlich befristet mit zwei Vollzeitstellen eingerichtet, um auf wiederkehrend aggressive Grenzüberschreitungen junger Menschen im öffentlichen Raum zu reagieren. Das Projekt integriert sich hierfür in die bestehende schulische und außerschulische Angebotslandschaft und hat einen ausgesprochenen Kooperationsauftrag. Da nur ein Teil der auffälligen Jugendlichen schulisch eingebunden bzw. von örtlichen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen erreicht wird, ist zudem die Kooperation mit profilierten Fachdiensten insbesondere dem Beratungszentrum und den Hilfen zur Erziehung zu intensivieren und zu modellhaft zu erproben. Die wissenschaftliche Begleitung kommt nach dem dritten Projektjahr zum Befund, dass sich die Nachfrage wie auch Nutzungsweisen der Mobilen Jugendarbeit wie ein typischer Stadtteilstandort entwickelt haben. Planerisch bedeutet dies, dass das Angebot zukünftig ebenso wenig verzichtbar ist wie an den tradierten Standorten. Die absehbaren städtebaulichen Planungen für Vaihingen (insb. das hochverdichtete Eiermann Areal) unterstreichen dies. Die Verwaltung schlägt vor, dass das Projekt aufgrund seiner Wirkungsweise und Effekte verstetigt und in eine unbefristete Regelförderung im gegebenen Umfang überführt wird.
Die Verwaltung schlägt vor, das Projekt „Innenstadt“ um 8 Jahre, von 01. November 2024 bis 31. Oktober 2032 im gegebenen Umfang zu verlängern und ein jährliches Budget für Großaktionen zusätzlich bereitzustellen.
Die Verwaltung schlägt ferner vor, dem angelehnten Netzwerkprojekt „Integrierte Jugendarbeit Innenstadt“ für die Schwerpunktaufgabe Jugendbeteiligung ein jährliches Beteiligungsbudget (Aufwandsbudget) für die Jahre 2024 und 2025 bereitzustellen. Zudem soll die mit GRDrs 165/2022 beschlossene Förderung „Integrierte Jugendarbeit Innenstadt“ für 6 Projektakteur*innen, angelehnt an das Projekt „Mobile Jugendarbeit Innenstadt“ bis 31. Oktober 2032 fortgeführt werden.
Mit den Projekten und den geschaffenen Allianzen kann der Eventsuche und dem Aufenthaltswunsch junger Menschen an Trendorten in konstruktiver Weise auch weiterhin begegnet werden. Stuttgart nimmt mit diesen beiden Ansätzen, auf großstadttypische Ereignisse zu reagieren, eine Vorreiter-Rolle ein.
Ausführlicher Bericht
1 Mobile Jugendarbeit als besonderer Handlungsansatz Mobile Jugendarbeit hat das grundsätzliche Ziel, die Lebenssituation und Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Wenn das Leben für junge Menschen zu schwer ist, durch momentane Krisen oder chronisch erlebte Ungleichheiten oder Lebensumstände, die ein hohes Maß an Orientierung erfordern, bieten sich die Fachkräfte ihnen an. Sie unterstützen und begleiten junge Menschen und geben ihnen Impulse in einer kreativen Art. Sie streben eine prozessorientierte Beziehungsqualität an, erweitern dadurch ihr soziales Kapital. Im Einzelnen schaffen sie immer wieder eine szenische Umgebung, die alternative Erfahrungen zulässt. Sie hören zu, verstehen Zusammenhänge und treten für eine Veränderung der Umstände ein, sei es in der versorgenden Infrastruktur oder in Fragen sozial(politisch)er Anerkennung. Sie kooperieren deswegen mit Kunst, Kultur, Stadtplanung, lokalen Produktionsstätten und öffentlichen Institutionen. Der Arbeitsansatz basiert auf vier zentralen Arbeitsformen: Streetwork, Gruppenarbeit, Einzelhilfe und Gemeinwesenarbeit. Die Präsenz und Beweglichkeit im öffentlichen Raum bzw. in gesellschaftlichen Räumen, mit denen sich junge Menschen auseinandersetzen, steht dabei an erster Stelle. Mobile Jugendarbeit nutzt Lastenräder, Transporter, öffentliche Verkehrsmittel, stellt beachflags auf, trägt Kleidung mit eigener Marke und macht sich dadurch zugänglich.
2 Überblick Stuttgart Mobile Jugendarbeit wird in Stuttgart in Trägerunion von der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e.V. und dem Caritasverband Stuttgart e.V. angeboten. Der Arbeitsansatz ist an 20 Standorten im Stadtgebiet vertreten, jeweils durch ein eigenes Team mit bis zu fünf Vollzeitstellen Mobile Jugendarbeit plus ggf. Stellenanteilen für Schulsozialarbeit. Jede lokale Präsenz zeichnet sich durch ein hohes Maß an eigenständiger Ausrichtung, Vernetzung und individuell-örtlichen Rahmenbedingungen aus. Die Team-Standorte sind „eingelassen“ in das Ortstypische (ehemaliges Friseurgeschäft, Bauwagen vor der Zentralbibliothek, ausrangiertes Unternehmensloft etc.) und bewegen sich in den lokalen kulturellen Milieus. Mit dem Stuttgarter Modell, d.h. einer politisch verstandenen Sozialraumorientierung sowie der engen Verknüpfung mit Schulsozialarbeit werden die jungen Menschen sowohl in der Lebenswelt Schule als auch in ihrer Freizeit erreicht. Es geht mit dieser Aufstellung jedoch nicht nur ums „connecten“.
· Sozialraumorientierung meint zudem, einen analytischen Blick auf städtische Gebiete einzunehmen. Mobile Jugendarbeit macht sich klar, wer hier unter welchen Umständen lebt und lernt. Sie erkennt Problemkontexte wie auch wesentliche Handlungsräume. Auf Basis dieser Wissensqualität und der Anerkennung von Lebenswirklichkeiten plant sie ihr Tun.
· ‚Öffentlichkeit und Teilhabe‘ sind ein weiteres Grundverständnis für Mobile Jugendarbeit und ihr Tun. Der räumlich ausgerichtete Arbeitsansatz weiß darum, dass es keine gleichermaßen verteilten Selbstverständlichkeiten unter jungen Menschen gibt, das öffentlich Bereitgestellte in Anspruch zu nehmen. Daher zielt Mobile Jugendarbeit darauf ab, Zugangsschwellen zur soziokulturellen Teilhabe im Lebensumfeld abzubauen ohne die Menschen dabei bloßzustellen als „selberschuld, wenn ihr nicht kommt“-„so sind die halt“-Zielgruppe. Der Weg zur Beratungsstelle oder in den Tennisclub wird bereitet. Über eigene, immerzu neugedachte Angebotsformate nutzen die Fachkräfte den Aufforderungscharakter der Umgebung und schaffen Normalität im Zugang.
· Mobile Jugendarbeit geht schließlich nicht nur mit Begrenzungen in der Teilhabe am Gegebenen um, sondern unterstützt junge Menschen darin, eigenen Vorstellungen zu folgen und eigene Räume aufzumachen. Da sie ihr Handeln an formulierten Bedürfnissen und erkannten Bedarfslagen junger Menschen ausrichtet, bedeutet dies auch, unkonventionelle junge Kulturideen zu fördern. Die Umgebung wird als gestaltbar begriffen, es entstehen Improvisationen im räumlichen Aneignen. Unorte, Brachflächen oder Freiflächen im knappen, städtischen Raum sollen eine Zeit lang „unorthodox“ zum Gelegenheitsraum werden.
Damit trägt der Handlungsansatz in grundsätzlicher Weise zu sozialem Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft bei und unterstützt die Solidarität unter den Generationen und Milieus.
3 Herausforderungen mit Blick auf junge Menschen Im Jahr 2015 wurden die fachlichen Grundlagen der Mobilen Jugendarbeit, die in Stuttgart bereits 1967 ihren fachtheoretischen Ausgangspunkt fanden, in einer trägerübergreifenden Konzeption sowohl konsolidiert als auch gesellschaftspolitisch geschärft. Neben der klassischen Form mobiler Jugendarbeit wie sie sich in den Stadtteilen seit Ende der 1960er Jahre vom tendenziell kriminalpräventiven hin zum Empowerment-Ansatz entwickelt hat, werden inzwischen in Stuttgart auch besondere Formen erprobt. Diese haben andere Ausgangsideen, sind aber immer auf sichtbare Verhaltensweisen junger Menschen zurückzuführen, d.h. empirisch begründet: Die Lebensalter-bezogene Entgrenzung jugendtypischen Verhaltens, die Diversifizierung von Identitätsentwürfen, die Eventkultur und der Zwang zur Aufmerksamkeitsökonomie (Georg Franck 1998) im öffentlichen Raum. Jugendtheoretisch wird breiter gedacht und damit erfährt auch das eigene Verständnis von Zielgruppe („unsere Jugendlichen“) eine produktive Verunsicherung.
· Ist es angemessen, wenn über die Präsenz im öffentlichen Raum überwiegend männlich „gelesene“ junge Menschen erreicht werden?
· Muss mit dem Verständnis einer „Jugend im Plural“ (Karl Lenz 1990) und dem Anerkennen diverser Bedürfnisse entlang von Differenzkategorien (Geschlecht, Herkunft, Klasse, Körper, Status …) nicht auch intensiver nach einem Konzept für den bewussten Umgang mit sozialer Heterogenität und Diversität gesucht werden?
· Wie gelingt es, von generalisierten Präventionskonzepten zu differenzierten Antidiskriminierungs- und situativen awareness-Konzepten zu kommen?
· Wie kann Mobile Jugendarbeit die Ausrichtung von sozialer Infrastruktur und darauf aufbauend der Teilhabförderung junger Menschen schon vor dem Spatenstich neuer städtebaulicher Entwicklungen beeinflussen?
Für konzeptionelle Fragen dieser Art wird Mobile Jugendarbeit in Stuttgart seit einigen Jahren projektartig beauftragt. Ein Projekt zeichnet sich im Unterschied zum klassischen Ansatz durch eine besondere Fragestellung oder gebietsbezogene Herausforderung aus. Mobile Jugendarbeit hat dementsprechend einen öffentlichen Erprobungsauftrag auf Zeit. Projekte der Mobilen Jugendarbeit werden vollfinanziert und wissenschaftlich begleitet.
4 Gebietsbezogene Projektaufträge und Weiterentwicklungsbedarf Die im Folgenden dargestellten laufenden Projekte haben mit jeweils unterschiedlichen Herausforderungen zu tun und jeweils andere Erprobungsaufträge. Die Verwaltung hat sie bewertet und spricht im Folgenden jeweils eine Empfehlung zur Fortführung oder ggf. Beendigung aus.
4.1 Projektauftrag „Vaihingen“ – ‚Ankommen in Pandemiezeiten‘
In Vaihingen wurde Mobile Jugendarbeit zunächst zeitlich befristet mit zwei Vollzeitstellen eingerichtet, um auf eine aktuelle Bedarfslage zu reagieren: Punktuell und wiederkehrend wurden aggressive Grenzüberschreitungen junger Menschen im öffentlichen Raum verzeichnet. Durch die Einarbeitung der Fachkräfte in den Bezirk soll zugleich erhoben werden, ob ein dauerhafter Bedarf für den Arbeitsansatz gegeben ist. Das Projekt integriert sich hierfür in die bestehende schulische und außerschulische Angebotslandschaft und hat einen ausgesprochenen Kooperationsauftrag. Da nur ein Teil der auffälligen Jugendlichen schulisch eingebunden bzw. von örtlichen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen erreicht wird, ist zudem die Kooperation mit profilierten Fachdiensten insbesondere dem Beratungszentrum und den Hilfen zur Erziehung zu intensivieren und zu modellhaft zu erproben.
Planerische Bilanz und Perspektive Neben einer planerischen Einschätzung, die sich vor allem aus der teilnehmenden Beobachtung in Gremien und Arbeitsbezügen ergibt, hat das Institut für angewandte Sozialwissenschaften Stuttgart (ISM) das Projekt gezielt und vergleichend mit anderen Einsatzorten Mobiler Jugendarbeit in Stuttgart untersucht. Die wissenschaftliche Begleitung durch das ISM hat den sukzessiven Aufbau des Angebots in der Projektlaufzeit begleitet, d.h. Reflexionshilfe gegeben und zugleich registriert, wie es gelingt im Bezirk Fuß zu fassen. Neben der Aufbaubegleitung wurden die Wirkungen des Angebots überwiegend quantitativ erfasst. Aus beiden Perspektive lässt sich eine hohe „Brauchbarkeit“ der Mobilen Jugendarbeit vor Ort ableiten, sowohl bei jungen Menschen als auch bei diversen erwachsenen stakeholdern. Akzeptanz und Nachfrage sind geschaffen.
· Stakeholder-Perspektive - Kooperationserfolg trotz Pandemie Entgegen der Annahme, dass die MJA im ersten Projekt- und zugleich Pandemiejahr verhalten starten würde, zeigte sich eine rasche Inanspruchnahme durch öffentliche Stellen und Kooperationspartner*innen. MJA wird zunehmend nachgefragt und insbesondere vom Bezirksrathaus im Sinne der Jugendteilhabe mitgedacht. Rasch, intensiv und regelhaft hat sich vor allem die Kooperation mit örtlichen weiterführenden Schulen und der Schulsozialarbeit (als wichtigster Kooperationspartnerin) entwickelt. Auch das Jugendhaus lädt den mobilen Ansatz ein und schafft einen gemeinsamen Angebotshorizont. Ebenso regelhaft hat sich der Austausch mit dem Beratungszentrum eingestellt, wenn auch der Anspruch einer konkreten Formatbezogenen Zusammenarbeit noch nicht eingelöst ist. Gruppenangebote, die auf Bekanntheit der Fachkräfte aufbauen, entwickeln sich im dritten Projektjahr, auch in Partnerschaft mit der örtlichen HzE. Überwiegend aus den Kooperationen heraus wurden vielfältige Kleinformate für junge Menschen im Bezirk neu aufgesetzt.
· Jugend-Perspektive - Einzelgespräche eigeninitiativ nachgefragt trotz Pandemie Streetwork hat von Beginn an in einem zeitlich breiten Rhythmus stattgefunden. Sie hat jedoch nicht in erster Linie dazu geführt, mit jungen Menschen auf den Straßen, Plätzen und Schulhöfen Vaihingens Kontakte herzustellen, sondern den großflächigen Bezirk in seinen städtebaulichen Eigenschaften und Nischen kennenzulernen. Kontaktbeschränkungen im Lockdown habe zu weniger Aufenthalt im öffentlichen Raum geführt, junge Menschen wurden dort nicht wie üblich angetroffen. Mit Normalisierung des öffentlichen Lebens, etwa ab April 2021 wurden deutlich, dass der Hauptaufenthalt junger Menschen im Vaihinger Zentrum liegt. Im online Unterricht über Schulsozialarbeit vermittelt konnten die Streetworker die jungen Menschen ersatzweise kennenlernen. Dies hat dazu geführt, dass 2021 mehr Mädchen die Einzelgespräche angefragt haben. Inzwischen ist der Anteil der Jungen leicht höher. Das Kernalter der Nachfragenden liegt zwischen 14-17 Jahren. Die Einzelgespräche haben zumeist beratenden Charakter. Die Fachkräfte beraten fast ausschließlich in Vaihingen lebende Jugendliche. Thematisch sticht die Frage heraus, wie der Übergang von der Schule in den Beruf gelingen kann.
Die wissenschaftliche Begleitung kommt nach dem dritten Projektjahr zum Befund, dass sich die Nachfrage wie auch Nutzungsweisen der Mobilen Jugendarbeit wie ein typischer Stadtteilstandort entwickelt haben. Die Resonanz der jungen Menschen ist in vergleichbaren Maß da und erfreulicherweise verdichten und verstetigen sich die Kooperationsbezüge in erwartbarem Umfang. Planerisch bedeutet das, dass das Angebot zukünftig ebenso wenig verzichtbar ist wie an den tradierten Standorten. Mit der Aufsiedlung im zukünftigen Stadtteil Eiermann-Areal wird die Mobile Jugendarbeit Vaihingen frühzeitig die Chance und Aufgabe haben, die Nutzungsperspektive von Jugend im öffentlichen Raum einzubringen und den Entwicklungsprozess dahingehend zu beraten.
Die Verwaltung schlägt vor, dass das Projekt aufgrund seiner Wirkungsweise und Effekte verstetigt und in eine unbefristete Regelförderung im gegebenen Umfang überführt wird.
Dieser Vorschlag entspricht dem Haushaltsantrag der Träger eva/CVS.
Die im Folgenden bewerteten zwei Projekte unterscheiden sich grundsätzlich von einer klassisch-tradierten Form der Mobilen Jugendarbeit in den Stadteilen, in denen die adressierten jungen Menschen zumeist auch leben oder zur Schule gehen. Es geht um Trendorte und um eher zufällige Ansammlungen junger Besucher*innen, die sich zunächst inmitten dieser spontanen Gesellschaft treffen und erleben wollen.
Mit Beginn der Pandemie aber auch schon davor hat sich in Stuttgart eine hohe situative Dringlichkeit sowie ein hohes Problembewusstsein für das Aufenthaltsverhalten und die Erlebnissuche junger Menschen im öffentlichen Raum ergeben. Die Stadt stand und steht vor der Herausforderung, auf nichtkalkulierbare jugendkulturelle Eventformen an nichtfeststehenden Trendorten immer wieder neu reagieren zu müssen. Dabei konkurrieren berechtigte Interessen nach Ordnung, Sicherheit und Gemeinschaftserleben. Platzsperrungen, strategisches Umlenken von jungen Innenstadtbesucher*innen, eine hohe Kontrolldichte, Eskalationsstufenpläne aber auch Vernetzungsprozesse unterschiedlichster Funktionsstellen mit der Absicht, neue Veranstaltungsformen zu ermöglichen, kennzeichnen den Suchprozess.
Die Mobile Jugendarbeit ist unter all den Formen und Handlungsansätzen von Jugendarbeit, die es in Stuttgart gibt, eine besonders einflussreiche und wesentliche Fachlichkeit, die es vermag, neue stadtgesellschaftliche Verbindungen zu schaffen, aufgrund von ihrer Zugangsqualität und ihrem Selbstverständnis, dass auch junge Menschen ein konstruktives Miteinander wollen. Mit diesen geschaffenen Allianzen kann der Eventsuche und dem Aufenthaltswunsch junger Menschen an Trendorten in konstruktiver Weise begegnet werden.
Ganz praktisch bedeutet die Arbeitsweise an Trendorte, selbst auch Trends zu schaffen, wie im Folgenden gezeigt wird. Ein Budget für öffentlichkeitswirksame Großaktionen mit Veranstaltungscharakter primär für die fünf empirisch festgestellten Trendorte der jungen Stuttgarter*innen (Mailänder Platz, Eckensee, Schlossplatz, Freitreppe, kleiner Schloßplatz) in Höhe von 15.000 Euro p.a., wird für die beiden Standorte „Europaviertel“ und „Innenstadt“ für notwendig erachtet.
4.2 Projektauftrag „Europaviertel“ – wie David und Goliath, zusammen für kulturelle Teilhabe Der Mailänder Platz war ein erster Trendort, an dem durch die Masse junger Menschen Überforderung entstand. In diesen wurde aber investiert anstatt ihn zu verhindern. Das Projekt „Streetwork Europaviertel“ läuft bereits seit 2016, zunächst stiftungsfinanziert. Inzwischen ist es in der dritten Verlängerung und zum interdisziplinären Ansatz geworden. Das mobile Team besteht aus einer Vollzeitstelle junge Bibliothek und 2,5 Vollzeitstellen Jugendsozialarbeit. Der Wirkungsbereich des Ansatzes zoomt auf eine vergleichsweise kleine Fläche, das Viertel und in der Hauptsache den Mailänder Platz. Dort steht ein Bauwagen und ist eine Terrasse gebaut neben dem stadtarchitektonisch herausragenden Großbauwerk, der Stadtbibliothek – wie David und Goliath, zwischen denen es zur engen inhaltlichen Zusammenarbeit gekommen ist: Als junger Mensch sein dürfen, Kultur leben, Alltagshilfen erfahren, ein Haus voll mit Bildung kennenlernen, Perspektiven finden. Beide Akteurinnen haben das gemeinsame Potenzial erkannt und nutzen es in vielfältiger, noch längst nicht ausgeschöpfter Weise. Beispielhafte Projekte sind
· Instagram Stories in einfacher Sprache zur Corona Lage
· Live-Sessions auf Instagram (z.B. zu Berufsbildern)
· Hip-Hop-Woche
· Möbel-Bau
· Terrassen-Bau
· Gäste an der Terrasse (z.B. Projekt Respekt)
· Bauwagenausbau
· Hochbeete bauen
· Balkonkonzerte & DJ auf der Dachterrasse
· Junge Menschen der MJA aus arabischen Herkunftsländern übersetzen die Klappentexte von arabischen Büchern
· Gründung eines Modelabels mit jungen Menschen „Du armer nicht mal Marke“
„Das noch laufende Projekt hat sehr schnell gezeigt, dass sich perspektivsuchende und sozial benachteiligte Jugendliche, die im Europaviertel soziale Anbindung und Integration suchen, vor allem in den Bereichen Freizeitgestaltung, Spracherwerb, schulische Unterstützung und Arbeitsmarktorientierung ansprechen lassen“.
Mit dieser Aussage begründet das Kulturamt u.a. die unbedingte Fortführung der inter-disziplinären Kooperation, indem zum Haushalt 2024/2025 „der Wegfall des Stellenvermerks zum Stellenplan 2025“ beantragt wird und somit die Vollzeitstelle „Bibliothekar*in Mobile Jugendarbeit“ (sic) gesichert. Denn auch die „junge Bibliothek“ versteht es inzwischen als Vorteil, die Interessen einer relevanten Zielgruppe zu kennen, mit diesen zu arbeiten und den Schritt aus der Bibliothek hinaus mit „aufsuchender Bibliotheksarbeit“ zu machen. Die Angebote finden nicht nur in den Bibliotheksräumen statt, sondern auch „draußen vor der Tür“, auf der Terrasse oder im Bauwagen. Für die mobile Jugendarbeit wiederum ist die Stadtbibliothek mit ihrem Selbstverständnis, ein interkulturelles und gastliches Haus zu sein Gold wert, denn eigene vollwertige Räume hat sie nicht und kann sie den Adressat*innen nicht anbieten.
Planerische Bilanz und Perspektive Das Zusammenwachsen der beiden Akteur*innen Stadtbibliothek und Mobile Jugendarbeit ist sowohl kulturell wie auch in der Bildungsvermittlung herausragend. Beide verstehen mittlerweile, dass die jeweiligen Kompetenzen besten ineinandergreifen. Insbesondere für neu zugewanderte junge Menschen stellt diese Klammer des erfolgreichen Zusammenwirkens individueller Alltagshilfe, kultureller Teilhabe und soziokulturelle Bildung eine biografische Chance dar.
Da inzwischen erkennbar ist, dass der Mailänderplatz nicht nur temporär, sondern langfristig ein Anziehungspunkt für junge Menschen ist und bleibt, empfiehlt sich die Verstetigung des Ansatzes. Allerdings spricht sich die Verwaltung – nicht wie in Vaihingen (s.o.) – für die Aufnahme in die Regelförderung aus, sondern für die Beibehaltung des Projektstatus und damit des Innovationscharakters des Ansatzes. Dies hat mit den Chancen und Entwicklungen in der Umgebung zu tun. Die Verlängerung der Projektlaufzeit soll für 8 Jahre ausgesprochen werden, angelehnt an den Entwicklungshorizont Nord (s.u.). Und es soll die Idee von „David und Goliath“ als gesellschaftlicher Spagat zwischen zwei ganz unterschiedlichen kommunalen Akteur*innen noch weiter ausgereizt werden.
Konkret sind mit der Projektverlängerung zwei Erprobungsaufträge verbunden:
1. Aus dem ursprünglichen streetwork-Ansatz wird vollends ein interdisziplinärer Ansatz Mobile Jugendarbeit/junge Bibliothek. Eine Anforderung für den weiteren fachlichen Entwicklungsschritt ist ein multicodierbarer Raum vor der Bibliothek. Die Idee des Tiny houses als kleiner Würfel vor dem Großtrakt mit synchronisierten Öffnungszeiten würde sowohl der Bibliothek mobile Lernplätze und rausgehendes Arbeiten besser ermöglichen, vor allem aber der Mobilen Jugendarbeit den Bedarf für einen mobilen Beratungsraum bzw. Rückzugsort für junge Menschen auf dem Platz erfüllen. Eine entsprechende Vorprüfung, vom Hochbauamt 2020 veranlasst, hat bereits die baurechtlichen Parameter herausgearbeitet. In Abstimmung zwischen Liegenschaftsamt, Kulturamt und Jugendamt hat sich das Liegenschaftsamt bereit erklärt,
· das Grundstück dem Vorhabenträger eva/caritasverband zu bestimmten Kosten zu überlassen, die über Miete vereinnahmt werden.
· Die Miete wird im Rahmen der Förderzuwendung des Standorts mobile Jugendarbeit „Europaviertel“ zwischen Jugendamt und Vorhabenträger betrachtet.
2. Mitdenken im städtebaulicher Entwicklungshorizont Nord. Die baulichen Entwicklungen im Stuttgarter Norden in Folge von freiwerdenden Flächen, werden oft mit den Überschriften „Stuttgart Rosenstein“ und „Bürgerhospital“ markiert und als Zukunft angesehen. Allerdings haben diese Entwicklungen im Norden bereits begonnen, sind in ihren Auswirkungen aufs Gemeinwesen wenig abgrenzbar, überlappen mit kommunalen Versorgungsaufträgen wie der GU Tunzhoferstraße und setzen sich in den nächsten Jahren intervallweise fort (Baugebiete Auto Staiger, Bürgerhospital, Rümelinstraße, Budapester Platz und irgendwann dann das sogenannte Rosensteinviertel… alles Flächen im unmittelbaren Umfeld zum Mailänder Platz). Diese Veränderungskulisse soll deutlich machen, dass auf den Mailänder Platz diverse Menschen in Verbindung mit neuen Themen strömen werden, denn die Verdichtungen bringen den Bedarf nach Versammlungs- und Erlebnisorten auf atmosphärisch ansprechenden Freiflächen mit sich. Zugleich suchen Vorhabenträger und Stadtgestalter*innen nach Ansprechstellen mit der Kompetenz zwischen Bürger*in und Architektur zu vermitteln. Mobile Jugendarbeit in Verbindung mit der jungen Bibliothek soll sich in dieser anstehenden Entwicklungsetappe Nord erproben, indem sie – wie auch in der Innenstadt – zur jugendgerechten Stadt berät und sich für Jugendfragen als zuständig anbietet.
Die Verwaltung schlägt vor, das Projekt um 8,5 Jahre, von 01. April 2024 bis 31. Oktober 2032 im gegebenen Umfang zu verlängern und ein jährliches Budget für Großaktionen zusätzlich bereitzustellen.
4.3 Projektauftrag Mobile Jugendarbeit „Innenstadt“ Öffentlicher Raum ist immer umkämpft. Zugleich ist öffentlicher Raum der Personalausweis einer Stadt (vgl. Wildner, Berger 2018) https://www.bpb.de/themen/stadt-land/stadt-und-gesellschaft/216873/das-prinzip-des-oeffentlichen-raums/#node-content-title-1. Aus diesen beiden Charakteristika ergibt sich die Notwendigkeit, Jugendgerechtigkeit jugendpolitisch einzufordern und praktisch zu verfolgen. Denn klar wird mit dem ersten Merkmal, dass öffentlicher Raum als Mittelpunkt des öffentlichen Lebens noch nie allen Menschen gleichermaßen zugänglich war. Stattdessen hat immer schon Ausschließung stattgefunden: „Waren es im 19. Jahrhundert die Frauen und das Proletariat, so sind es heute vor allem Obdachlose und Drogenabhängige“ (ebd.). Von diesem Mechanismus sind auch junge Menschen per se nicht ausgeschlossen. Das zweite Merkmal macht demgegenüber deutlich, wie wichtig öffentliche Räume sind, um sich als Individuum und zugleich Teil einer Gemeinschaft bzw. Stadtgesellschaft zu begreifen, gerade im Heranwachsen. Personalausweis bedeutet, dass ein Blick auf öffentlichen Raum z.B. auf den Rathausplatz eine Momentaufnahme des städtischen Lebens zeigt, auf das Städtische an sich, das durch Diversität und Differenz und das Antreffen von Fremdem gekennzeichnet ist. Es zeigt sich z.B., dass Stuttgart ein junges Gesicht hat.
Mit dieser Haltung und zugleich im Dilemma, was mit den jungen Menschen in der Stuttgarter Innenstadt eigentlich nicht stimmt bzw. warum die Stadt für sie nicht stimmt, ist das Team Mobile Jugendarbeit Innenstadt mit fünf Vollzeitstellen im November 2020 gestartet, nur 4 Monate nach den zerstörerischen Ausschreitungen in der City, vor dem Hintergrund politischer Entschlossenheit also.
Das Projekt hat bis heute den Schwerpunkt, über Beobachtung Wissen für und über Stuttgart zu erzeugen und sich innovativ in das Geschehen auf den Straßen und Plätzen der Innenstadt einzumischen und dadurch in kluger Weise zu beruhigen.
Planerische Bilanz und Perspektive
Um dem Innenstadt-Auftrag und den allseits hohen Erwartungen gerecht zu werden, wurde und wird dieser Arbeitsansatz spezifisch ausgerichtet. Netzwerk- und Konzeptionsarbeit wurde höher angesetzt sowie das genaue Beobachten über streetwork. Die anderen Arbeitsformen (Einzelhilfen, Clubarbeit) sind in der Innenstadt gleichwohl erforderlich.
Das ISM stellt in einer wissenschaftlich-vergleichenden Perspektive fest:
„Die Mobile Jugendarbeit Innenstadt übernimmt in diesem Modellprojekt eine besondere Art der Informationsfunktion, die deutlich über die Erhebung von Bedarfen und Wünschen junger Menschen in einem Sozialraum hinausgeht: Im Rahmen der Streetworkgänge werden Beobachtungen durchgeführt und Daten gesammelt, etwa zur Frage, welche Faktoren eine aggressive Stimmung oder Eskalationen begünstigen. Damit übernimmt die Mobile Jugendarbeit eine forschende Rolle und liefert Daten und Erkenntnisse zu Grundsatzfragen anderer Professionen, etwa aus dem Bereich der Kriminologie oder Sozialpsychologie“ (Meyer, Kron, Leptin 2022: 63). https://www.mobile-jugendarbeit-stuttgart.de/
Die Ausrichtung der Mobilen Jugendarbeit Innenstadt ist daher eine andere als in den Stadtteilen. Kontakte, Gespräche und Beobachtungen an öffentlichen Trendorten spielen eine sehr viel größere Rolle als andernorts und zwar in der Hinsicht, die Teilräume und die Entstehung von Stimmungslagen besser zu verstehen. In den Streetworkprotokollen werden etwa „Lautstärke“, „Feierlevel“, „Präsenzlevel“, „Alkoholkonsum“, gesellschaftliche „Vielfalt“ oder gegenseitige Zugewandtheit von Gruppen in ihrer Gleichzeitigkeit erfasst. Es soll herausgefunden werden, von was es abhängt, dass eine Stimmung kippt.
Diese Differenziertheit in der Beobachtung überschreitet den Nutzwert für die Mobile Arbeit selbst. Sie ist dafür gedacht, das Beobachtungswissen auch anderen Akteur*innen zur Verfügung zu stellen etwa für sicherheitspolitische oder städtebauliche Fragen. Sie soll interdisziplinären Dialog und eine gemeinsame Ausrichtung fördern. Insbesondere wird hierüber ein wesentlicher Beitrag für das an die MJA angelehnte Netzwerkprojekt der integrierten Jugendarbeit Innenstadt geleistet.
1. MJA als bisheriger Motor der integrierten Jugendarbeit Innenstadt
Die mobile Jugendarbeit übernimmt im Kontrast zu anderen Einsatzorten in der Innenstadt eine umfassende Informationsfunktion und sie moderiert – zumindest bisher – die praktische Zusammenarbeit im Netzwerk der Integrierten Jugendarbeit.
Praktisch bedeutet dies beispielsweise
- eine stete Impulsfunktion und konkret die Moderation von 4 interdisziplinären Arbeitsgruppen mit strukturiert-zielgerichteter Arbeitsweise
- angefragt zu werden und teils beratend tätig zu sein für Polizei, Wirtschaftszusammenschlüsse, Stadtplanung, Kulturveranstalter*innen, Kunstschaffenden, diversen Präventionsstellen, Hochschulen, Presse etc.
- die Gestaltung einer Kommunikationsplattform vox711 (www.vox711.de) als Forum für Anliegen junger Menschen (storytelling zu Lebensentwürfen und -verläufen junger Stuttgarter*innen, podcasts zum Sicherheitsempfinden etc.). Zugleich ist vox711 bisher die einzige online Präsenz, auf der das Netzwerkprojekt integrierte Jugendarbeit Innenstadt erklärt wird und die Einzelvorhaben vorstellt.
- ihnen das Prinzip von öffentlichem Raum zu ermöglichen
- ihnen im öffentlichen Raum eine Art soziale Kioske zur Verfügung zu stellen, sprich Zugänge zu Unterstützung im Sinne einer präventiven Infrastruktur vorzuhalten
„Stuttgart zeichnet sich durch eine aktive Jugendbeteiligung aus: Vielfältige Angebote durch unterschiedliche Akteur*innen stärken die Identifikation junger Menschen mit ihrer Stadt. In der Praxis werden diese Angebote häufig unabhängig voneinander entwickelt und durchgeführt. Sie können daher immer nur einen bestimmten Bereich und eine bestimmte Zielgruppe erreichen. Jugendbeteiligung gerät somit in Kritik nicht „Alle” zu erreichen und nur bestimmte Ausschnitte der Gesellschaft abzubilden. Dies liegt insbesondere an einer unzureichenden Kooperation der städtischen und nicht-städtischen Akteur*innen. Um diesem Problem zu begegnen, wendet die AG Jugendbeteiligung die Grundsätze integrierter Jugendarbeit konsequent in der Praxis an. Sie setzt sich aus verschiedenen Institutionen zusammen, die Jugendbeteiligung in Stuttgart aktiv organisieren“ (AG Jugendbeteiligung 2022:15). Mit dieser Arbeitshaltung und in der Vielfalt der Perspektiven und Erfahrungen wurde Bestehendes zusammengetragen und neue Ideen für Beteiligung kleinteilig und den N-Faktor, also die Diversität der jungen Menschen ernst nehmend ausprobiert. Der Ergebnisbericht zur Sicherheitsfrage versteht sich als Fortschreibung der im Frühjahr 2022 erschienenen Konzeption für eine sichere Innenstadt 2022 und stellt die persönliche Seite, zu dem was Sicherheit ausmacht, heraus. Bereits jetzt hat die Arbeitsgruppe neue Ideen für öffentliche Beteiligungsformate und Fragen an die Jugend im Plural. Allerdings ist deren Realisierbarkeit nicht ohne weiteres gegeben. 3. Verstetigung durch ein Beteiligungsbudget
Zuhören und im Gehörten Bedarfe erkennen ist im Selbstverständnis der integrierten Jugendarbeit immer die Grundlage für jegliche Ausrichtung und Aktion. Auch im reformierten SGBVIII, im Kinder und Jugend Stärkungsgesetz ist die Vorgabe, junge Menschen und ihre Familien mehr Gehör zu verschaffen und sie in ihren Rechten zu unterstützen roter Faden. Deswegen besteht aus Sicht der Fachverwaltung eine hohe Notwendigkeit, Rahmenbedingungen zu schaffen damit die niederschwellige Jugendbeteiligung fortgeführt wird. Die interdisziplinäre Akteur*innengruppe, die sich gefunden hat, und Jugendbeteiligung aus verschiedenen Perspektiven und institutionellen Erfahrung betrachtet, soll möglichst weiterarbeiten können. Über ein sogenanntes Beteiligungsbudget soll der Ressourcenaufwand der Arbeitsgruppe Jugendbeteiligung gedeckt und somit eine zukünftige Praxis der informellen Jugendbeteiligung im öffentlichen Raum sichergesellt werden. Dafür erforderlich ist, dass das Organisationsteam der AG, bestehend aus MJA Innenstadt, stjg, team tomorrow e.V. und Bürgerstiftung Mittel für folgende Leistungen einsetzen können:
- Aufwandsentschädigungen
- Honorare
Die Verwaltung schlägt vor, das Projekt Mobile Jugendarbeit Innenstadt um 8 Jahre, von 01. November 2024 bis 31. Oktober 2032 im gegebenen Umfang zu verlängern und ein jährliches Budget für Großaktionen zusätzlich bereitzustellen.
Die Verwaltung schlägt ferner vor, dem angelehnten Netzwerkprojekt Integrierte Jugendarbeit Innenstadt für die Schwerpunktaufgabe Jugendbeteiligung ein jährliches Beteiligungsbudget (Aufwandsbudget) für die Jahre 2024 und 2025 bereitzustellen.
Dieser Vorschlag ist nicht im Haushaltsantrag der Träger eva/CVS enthalten, da er sich Träger- und ressortübergreifend auswirkt und im Verantwortungsbereich des öffentlichen Trägers liegt.
4.4 Neuer Projektauftrag „Veielbrunnen/Neckarpark“ – Stadt in Bewegung An der südlichen Kante des Einwohner*innenstärksten Bezirks Stuttgarts, in Bad Cannstatt bewegt sich bauplanerisch einiges. „Der NeckarPark“ entsteht, das Wasenufer wird als Erlebnisraum erschlossen, der Veielbrunnen als strukturell belasteter Wohnort und durch die Umgebung stark beeinträchtigter Stadtteil wird punktuell aufgewertet, neue öffentliche Einrichtungen mit Flagship-Charakter entstehen (Bildungshaus, Stadtteilhaus als soziokulturelles Zentrum). In diese Veränderungsprozesse soll Mobile Jugendarbeit als soziale Entwicklungspartnerin beratend und Ideengebend mit hineingenommen werden. Sie soll ihre Kompetenz in der Einbindung jugendlicher Lebensweisen und Perspektiven einbringen mit dem Ziel einer auch jugendgerechten Ausgestaltung von Urbanität. Mögliche Spannungen und Schwierigkeiten im öffentlichen Leben aller sollen frühzeitig bedacht und möglichst ausgeräumt werden.
Denn absehbar ist, dass mit der Aufsiedlung des urbanen Quartiers „NeckarPark“ ein Mehr an jungen Menschen das neue Stadtbild mitprägen werden. Das Jugendamt geht heute, auch aufgrund der geplanten Quote von gefördertem Wohnraum, von rund 280 6- bis 12-jährigen und rund 180 12- bis 16-jährigen jungen Menschen aus, die dort leben werden.
Auch die umliegenden Stadtteile sollen Verstärkung erfahren. Mit der Schaffung einer neuen Zuständigkeit der Mobile Jugendarbeit „Veielbrunnen/Neckarpark“ sollen zugleich heute schon unterversorgte Stadtteile vom mobilen und öffentlich präsenten Jugendarbeitsansatz profitieren. Das systematische Hinschauen und Zuhören erforderlich ist, wird aus Bedarfsanzeigen der örtlichen Gremien der Kinder- und Jugendhilfe (insbesondere von Schulen, dem Beratungszentrum und auch der Polizei) deutlich. Die gebietsmäßige Zuständigkeit soll daher neben dem Veielbrunnen, dem Neckarpark, dem Wasen auch Seelberg und ggf. Winterhalde umfassen. In zweiter Linie sollen auch Cannstatt-Mitte (insbesondere der Bahnhof) und ggf. der Kurpark in den aufsuchenden Ansatz einbezogen werden. Bisher werden in Bad Cannstatt links des Neckars die Neckarvorstadt, der Hallschlag sowie der nördliche Stadtteil Steinhaldenfeld mit Mobiler Jugendarbeit bedacht. Diese Ressourcen reichen allerdings nicht aus, um die oben beschriebene gebietsbezogene Herausforderung und Zukunftsentwicklung für junge Menschen erfahrbar mitzugestalten.
Der Gemeinderat wurde mit der GRDrs 684/2019 über diese Ausbauplanung der Mobilen Jugendarbeit bereits informiert.
Erprobungsauftrag „Veielbrunnen/Neckarpark“ konkret
Die oben beschriebene, gebietsbezogene Herausforderung ergibt in ihrer Gemengelage zwar noch kein bekanntes Anforderungsprofil an Mobile Jugendarbeit, zeigt jedoch, dass der Bedarf vielschichtig ist und hier modularer Ansatz äußerst sinnvoll wäre.
- Mit doppelter Perspektive reingehen Für einen Zeitraum von 8 Jahren soll Mobile Jugendarbeit zweigleisig im Entwicklungsgebiet aufgesetzt werden. Neben der mobilen Jugendsozialarbeit für Jugendliche und junge Erwachsene soll parallel mobile Kindersozialarbeit für den Altersbereich 8-13 Jahren angeboten werden. Die Hinzunahme der mobilen Kindersozialarbeit begründet sich zum einen durch die Rückmeldung aus den Schulen, dass in Cannstatt-Mitte relativ viele Kinder in den 5ten und 6ten Klassen an keinem Bestandsangebot andocken, sich daher eigeninitiativ und unbegleitet im Bezirk aufhalten und zugleich herausfordernde Lebensumstände haben. Zum anderen ist im Neckarpark mit vielen zunächst jungen Kindern zu rechnen. Ein frühzeitiges Kennenlernen und beteiligen an Fragen ihrer Umgebung bietet sich als besondere Chance.
- Einmischungsauftrag in „big business Angelegenheiten“ Mit der großräumigen Aufsiedlung und der Umgestaltung des Neckarufers und Anbindung an die südlichen Stadtteile, aber auch mit den riesen Event-Arenen im Gebiet und dem Thema Kommerz lässt sich konzeptionell arbeiten, beteiligungsorientiert und ermöglichend für junge Menschen, die grundsätzlich eine konsumschwache Bevölkerungsgruppe bilden. Aus den Erfahrungen in der Stuttgarter Innenstadt wissen wir inzwischen, dass sich für mobile Jugendarbeit hierfür ein eher untypisches Kooperations- und Akquiseumfeld auftut. Stadtplanung und -entwicklung, Wirtschaftsförderung, Stuttgart Marketing etc. So wird z.B. über die Masterpläne der Stadtentwicklung klar: „Jugend will Neckar“. Mobile Jugendarbeit leistet hier die entsprechende Übersetzungsarbeit und organisiert konkret Projekte im Sinne des stadtentwicklerischen Ziels. Mobile Jugendarbeit erwirkt jedoch auch kommerzfreie Äquivalente zu den high end events und erhöht damit Gerechtigkeitsempfinden. Für diesen anspruchsvollen Einmischungsauftrag in „big business Angelegenheiten“ wird ein freigestellter Leitungsanteil innerhalb des Teams empfohlen.
- Auswertung mit Hilfe von wissenschaftlicher Begleitung
· Wie gut gelingt es, die Lebensweisen und Bedürfnisse junger Cannstatter*innen in die städtebaulichen Projekte einzubringen? Kann über Mobile Jugendarbeit die Identifikation junger Menschen mit ihrem neuen Lebensort und die Verbundenheit mit diesem konstruktiv und erkennbar gefördert werden? · Fragen wie diese sollen am Ende der Projektlaufzeit beantwortet werden. Aber auch die besondere ‚Streuselkuchen‘-Ausstattung mit mobiler Jugendarbeit im Bezirk soll am Ende überdacht werden. Damit dies substantiell gelingt, ist eine wissenschaftliche Begleitung erforderlich. Eine Kennzahlen-basierte Einschätzung des neuen Projektstandorts in einer Cannstatter Gesamtperspektive auch unter Einbeziehung der INZEL und des Standorts Hallschlag soll beauftragt werden. - Verortung Eine erste Idee für die Verortung des mobilen Jugendarbeitsansatzes ist das sogenannte Pförtnerhäuschen. Dieses ist dem Stadtarchiv (Kulturamt) zugeordnet und wird derzeit vom Team der Gemeinwesenarbeit des Jugendamtes als bürgerschaftlicher Treffpunkt angeboten und wird von verschiedenen Initiativen genutzt und beansprucht. In Ablöse der Gemeinwesenarbeit könnte die Mobile Jugendarbeit den zentralen Standort an der Nahtstelle zwischen altem und neuem Stadtquartier übernehmen bzw. mit reingehen. Da im „NeckarPark“ - mit Ausnahme des Bolzplatzes – bisher kein „Ort für Jugendliche“ angedacht wurde, wäre die Nutzung des Pförtnerhäuschens nicht nur als Büro der Sozialpädagog*innen als Räumlichkeit für Beratungs- und Gruppenarbeit sowie für Gremien- Netzwerkarbeit der Akteur*innen vor Ort, sondern ebenso als Anlaufstelle (Prinzip überdachte Straße) für Kinder und Jugendliche eine angemessene Raumressource.
Dieser Vorschlag entspricht dem Haushaltsantrag der Träger eva/CVS. 4.5. Fachplanerisches Resümee Mit der Darstellung und Bewertung dieser Projekte und vor allem mit Betracht der planerisch formulierten Aufträge für die Zukunft wird eines deutlich: Mobile Jugendarbeit wird sich zukünftig – sofern die Ressourcen dafür bereitgestellt werden – mit einer ‚Stadt in Bewegung‘ auseinandersetzen. Neben animierenden Angeboten im öffentlichen Raum wird Mobile Jugendarbeit auch beratend und beteiligend für eine jugendgerechte Infrastruktur gebraucht. ‚Stadt in Bewegung‘ meint zweierlei. Erstens größere bauplanerische Entwicklungen an der Nahtstelle zu Bestandsgebieten und mit dem Anspruch, modernes Leben vielfältig, nachhaltig und im Miteinander zu gestalten. Zweitens ist mit ‚Stadt in Bewegung‘ das Erschließen von Erlebnisräumen, teils ungeplant und teils kommunal geplant und gestaltet gemeint. Damit wäre eine wichtige und bisher zu wenig bedache Transferleistung bei der Transformation städtischer Räume sichergestellt.
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