In der Landeshauptstadt Stuttgart gibt es zurzeit 14 anerkannte Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf (Stand Mai 2021). Seit der Beschlussfassung des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes (WTPG) 2014 entstehen zunehmend mehr Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf in Baden-Württemberg.
In einer Wohngemeinschaft können 3 bis 12 Personen mit Hilfe- und Unterstützungsbedarf gemeinschaftlich wohnen und werden nach Bedarf von einem Betreuungs- oder Pflegedienst versorgt. Auf besondere Versorgungsbedarfe zum Beispiel von Menschen mit Migrationshintergrund kann wegen der geringen Größe von Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf individuell eingegangen werden.
Aufgrund des demografischen Wandels und des Abbaus von Doppelzimmern in Pflegeheimen werden in der Landeshauptstadt Stuttgart bis zum Jahr 2030 2.052 zusätzliche Pflegeplätze benötigt (vgl. GRDrs 320/2021 „Ergebnis des 3. Suchlaufs für Pflegeheimstandorte“). Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf sind ein wichtiger Baustein im Versorgungssystem für Menschen, die in der Regel einen hohen Pflegebedarf haben. Sie entstehen meist in Mehrfamilienhäusern und weisen aufgrund dessen einen hohen Quartiersbezug auf.
Der Sozial- und Gesundheitsausschuss hat perspektivisch mit GRDrs 103/2016 „Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige in der Landeshauptstadt Stuttgart - ein Überblick“ der Umsetzung von mindestens einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Pflegebedarf je Stadtbezirk zugestimmt. Die Grundlage der Bedarfsplanung ist die Kreispflegeplanung 2030 (vgl. GRDrs 109/2019 „Kreispflegeplanung 2030 – Fortschreibung“).
Für die Bewohner*innen fallen neben dem Lebensunterhalt und der individuellen Pflege in Wohngemeinschaften Betreuungskosten an. Versicherte können hier von ihrer Pflegeversicherung unterschiedliche Leistungen erhalten. Die Versicherten müssen im Einzelfall klären, welche Leistungen von der Pflegekasse übernommen werden. Den Restbetrag finanzieren sie aus ihrem eigenen Einkommen und Vermögen. Bei Personen, die über keine ausreichenden eigenen Mittel verfügen, kommen Leistungen der Sozialhilfe für den Lebensunterhalt und der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII in Betracht.
Eine Leistung für die Betreuung in Wohngemeinschaften ist im SGB XII nicht ausdrücklich geregelt. Um auch pflegebedürftigen Menschen mit geringem Einkommen die Nutzung der Wohngemeinschaften zu ermöglichen, werden die Ansprüche durch die Sozialverwaltung im Einzelfall sachgerecht ausgelegt.
Für den geplanten Ausbau von Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf stehen die notwendigen Ressourcen nicht zur Verfügung. Die erforderliche Steuerung und Förderung des Ausbaus dieses sozialraumorientierten Pflegeangebots und die notwendige kontinuierliche, professionelle Begleitung und Beratung bei der Planung, Gründung und im Betrieb von Wohngemeinschaften kann mit den bestehenden Ressourcen nicht sichergestellt werden
Beteiligte Stellen --- Vorliegende Anträge/Anfragen --- --- Dr. Alexandra SußmannBürgermeisterin 1. Ausführlicher Bericht Ausführlicher Bericht 1. Einführung In den letzten Jahren wurden verschiedene Bundes- und Landesgesetze erlassen, um die Infrastruktur der pflegerischen Versorgung zu verbessern und eine steuernde Funktion der Kommune zu fördern. Insbesondere das Pflegestärkungsgesetz III hat die Rolle der Kommunen für die Entwicklung der regionalen Pflegestruktur gestärkt und fordert die Kommunen auf, Sozialräume so zu entwickeln, dass Menschen mit Pflegebedarf solange wie möglich in ihrem gewählten Umfeld leben können. Nur im engen Zusammenwirken von Bund, Ländern, Kommunen, Pflegekassen und Pflegeeinrichtungen kann die Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf und die Unterstützung ihrer Angehörigen angemessen erfolgen. Einen wichtigen Baustein der Pflegeinfrastruktur bilden die Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf. Das Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz (WTPG) ermöglichte 2014 als neues Heimgesetz in Baden-Württemberg eine größere Vielfalt an Wohn- und Versorgungsformen und damit die Entstehung von ambulant betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf. Hiermit konnte die Alternativlosigkeit zwischen stationärer Pflege in Pflegeheimen und ambulanter Pflege in der eigenen Häuslichkeit überwunden werden. Das Ministerium für Soziales und Integration hat im Jahr 2021 erstmals auch ein investives Förderprogramm „Gemeinsam unterstützt & versorgt wohnen“ für Wohngemeinschaften nach dem Wohn-, Teilhabe-, und Pflegegesetz angeboten. In ambulant betreuten Wohngemeinschaften können Menschen mit einem hohen pflegerischen Versorgungsbedarf bis zu ihrem Lebensende versorgt werden. Angestrebt wird ein enger Quartiersbezug im Sinne einer von geteilter Verantwortung getragenen wohn- ortnahen Versorgungsform unter Beteiligung von bürgerschaftlich Engagierten. In einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Pflegebedarf können nach dem WTPG bis zu 12 Personen wohnen (§ 4 Abs. 2 WTPG). Das Pflegestärkungsgesetz sieht eine Untergrenze von 3 Personen in einer Wohngemeinschaft vor. Durch diese geringe Anzahl an Bewohner*innen ist eine individuelle Versorgung der Menschen mit Pflegebedarf möglich, die sich an ihrer bisherigen Biografie und ihren aktuellen Bedürfnissen orientieren soll. Die Ausgestaltung dieser Wohn- und Versorgungsform kann bei Bedarf auf die Bedürfnisse spezifischer Zielgruppen zugeschnitten werden (z. B. Menschen mit Demenz, pflegebedürftige Menschen mit Migrationshintergrund, junge Menschen mit Pflegebedarf oder pflegebedürftige Menschen aus der LSBTTIQ-Community). Das WTPG unterscheidet zwischen anbieterverantworteten und selbstverantworteten Wohngemeinschaften. Eine anbieterverantwortete Wohngemeinschaft wird von einem Anbieter, in der Regel einem ambulanten Pflegedienst, organisiert und betrieben. Mietvertrag und Betreuungsvertrag sind aneinandergekoppelt. Sie müssen von der Heimaufsicht anerkannt werden. Eine selbstverantwortete Wohngemeinschaft hingegen wird von den Menschen mit Pflegebedarf und ihren Angehörigen selbst organisiert. Dies erfordert einen hohen Einsatz der Angehörigen und ermöglicht die vollständige Wahlfreiheit der Bewohner*innen in Bezug auf den Betreuungsdienst und Pflegedienst. Die Bewohner*innen und deren Angehörige können alle ihre Angelegenheiten vollständig eigenverantwortlich regeln. Zusätzlich fördert auch das Pflegeversicherungsgesetz ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf. Über § 38a SGB XI werden zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen gewährt und über § 45e SGB XI kann eine Anschubfinanzierung zur Gründung von ambulant betreuten Wohngruppen bewilligt werden. Durch diese gesetzlichen Regelungen soll der Ausbau dieses Versorgungsangebotes gestärkt werden. Mit der Umsetzung von ambulant betreuten Wohngemeinschaften in der Landeshauptstadt Stuttgart soll das Ziel Nr. 3 (Gesundheit und Wohlergehen) der Nachhaltigkeitsziele der UN (sustainable development goals, SDGs), denen sich die Landeshauptstadt Stuttgart verpflichtet hat, erreicht werden. 2. Aktueller Stand in Stuttgart Im Jahr 2020 waren 110.826 Personen in Stuttgart 65 Jahre oder älter. Dies entspricht 18 % der Stuttgarter Bevölkerung. 12.378 Menschen mit Pflegebedarf lebten im Jahr 2017 in der eigenen Wohnung selbständig oder mit Unterstützung von Angehörigen oder ambulanten Diensten (Stand: 2017, Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württem-berg). Dies sind 71,4 % aller Menschen mit Pflegebedarf in der Landeshauptstadt Stuttgart. Der kleinere Anteil der Menschen mit Pflegebedarf in Höhe von 28,6 % lebte in stationären Pflegeeinrichtungen. Aufgrund des demografischen Wandels und des Abbaus von Doppelzimmern in Pflegeheimen wird bis zum Jahr 2030 ein Bedarf von 2.052 zusätzlichen Langzeitpflegeplätzen prognostiziert (vgl. GRDrs 320/2021 „Ergebnis des 3. Such-laufs für Pflegeheimstandorte“). In der Landeshauptstadt Stuttgart gibt es 14 ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf. Hiervon sind 7 Wohngemeinschaften selbstverantwortet durch die Menschen mit Pflegebedarf und ihre Angehörigen organisiert. Wohngemeinschaften bilden einen wichtigen Innovationsbaustein für die Weiterentwicklung der pflegerischen Infrastruktur. Für die Landeshauptstadt Stuttgart wird angestrebt, in jedem Stadtbezirk mindestens eine ambulant betreute Wohngemeinschaft für Menschen mit Pflegebedarf vorzuhalten (vgl. GRDrs 103/2016 „Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige in der Landeshauptstadt Stuttgart - ein Überblick“). Im Rahmen der räumlichen Sozialplanung wird der Bedarf an Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf bei Neubauvorhaben angemeldet und der Bau von der Sozialplanung fachlich begleitet. Bauträger wie die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG), die Stuttgarter Baugenossenschaften und private Wohnbauträger haben in Stuttgart bereits Erfahrungen im Bau von Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf. Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf werden in Stuttgart bei Neubebauung in der Regel in Mehrfamilienhäusern realisiert. Dadurch wird ein hoher Quartiersbezug ermöglicht und die Inklusion von Menschen mit Pflegebedarf in die Gesellschaft erleichtert. Derzeit befinden sich 22 neue ambulant betreute Wohngemeinschaften mit rd. 202 Plätzen in der Planung, die voraussichtlich im Zeitraum von 2021 bis 2025 realisiert werden können. Weitere acht ambulant betreute Wohngemeinschaften mit rd. 64 Plätzen befinden sich in der Klärungsphase in Bezug auf eine bauliche Realisierbarkeit. 3. Erfahrungen aus den letzten Jahren Ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf sind ein wichtiger Baustein in der Versorgung von Pflegebedürftigen. Basierend auf den Erfahrungen aus der Beratung von Menschen mit Pflegebedarf und deren Angehörige, insbesondere bei den Pflegestützpunkten, möchte ein größerer Teil der Menschen selbstbestimmt leben und vorrangig ambulant versorgt werden. Es wurde auch deutlich, dass der Kenntnisstand zu dieser Versorgungsform bei allen Beteiligten gering ist. Die Ursache hierfür ist, dass ambulant betreute Wohngemeinschaften in Stuttgart noch keine große Verbreitung und keinen großen Bekanntheitsgrad haben. Es sind oftmals sehr umfangreiche Beratungen nötig, um alle notwendigen Informationen zu vermitteln, die bei der Entscheidungsfindung helfen, welche Versorgungsform die Richtige für den Einzelnen ist. Den meisten Menschen ist eine wohnortnahe Versorgung sehr wichtig, um ihre sozialen Bezüge nicht zu verlieren und auch der wachsende Anspruch, so individuell wie möglich betreut zu werden, wird immer wieder sichtbar in den Beratungen. Die Erfahrungen seit in Kraft treten des WTPG haben gezeigt, dass der Aufbau von ambulant betreuten Wohngemeinschaften eine kontinuierliche, professionelle Begleitung und Beratung bei der Planung, Gründung und im Betrieb benötigt. Es gibt einen sehr hohen Informationsbedarf aller Beteiligten, der an das Sozialamt adressiert wird. Insbesondere bei selbstverantworteten ambulant betreuten Wohngemeinschaften ist die Beratung der Initiator*innen über die gesamte Dauer des Planungsprozesses notwendig. Bei bestehenden ambulant betreuten Wohngemeinschaften wird die Beratung bei Schwierigkeiten oder bei der Nachbelegung freier Plätze nachgefragt. Die Erfahrung hat ebenfalls gezeigt, dass auch bei allen anderen Akteur*innen wie z. B. Wohnungsbaugesellschaften und Dienstleistungsanbieter ein hoher Informationsbedarf hinsichtlich dieser Versorgungsform besteht. Der Entscheidungsprozess für die Realisierung einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft bedarf der Begleitung. Im Rahmen der Umsetzung von selbstorganisierten gemeinschaftlichen Wohnprojekten ist die Realisierung von ambulant betreuten Wohngemeinschaften immer wieder ein Thema. 4. Finanzierung von Kosten der Wohnbetreuung In ambulant betreuten Wohngemeinschaften haben die Bewohner*innen mehrere Kostenpositionen zu bestreiten:
· ihren gesamten Lebensunterhalt einschließlich der Kosten der Unterkunft,
· ihren individuellen Bedarf an Körperpflege und Haushaltshilfe sowie · in der Regel Kosten für die allgemeine Betreuung der Wohngemeinschaft durch eine Präsenzkraft.
Dafür sind zunächst die eigenen Einkünfte und das Vermögen einzusetzen.
Für die individuelle Körperpflege (z. B. Unterstützung beim Duschen und Anziehen) müssen die Menschen mit Pflegebedarf in ihrer häuslichen Umgebung - also auch in einer Wohngemeinschaft - einen von der Pflegekasse anerkannten Pflegedienst beauftragen. Dafür erhalten versicherte Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 Sachleistungen der Häuslichen Pflegehilfe nach § 36 SGB XI von ihrer Pflegeversicherung.
Der Umfang der Betreuungskosten in einer anbietergestützten Wohngemeinschaft ergibt sich aus den ordnungsrechtlichen Vorgaben in Baden-Württemberg (WTPG). In Wohngemeinschaften mit bis zu 8 Bewohner*innen muss die Anwesenheit einer Präsenzkraft über 24 Stunden pro Tag sichergestellt werden. Bei größeren Wohngemeinschaften (max. 12 Personen) müssen in anbietergestützten Wohngemeinschaften weitere Präsenzzeiten abgedeckt werden (bis zu 36 Stunden) (§ 13 Abs. 3 Nr. 1 WTPG). Es ergeben sich dadurch je nach Qualifikation der eingesetzten Kräfte monatliche Kosten in unterschiedlicher Höhe.
Selbstverwaltete Wohngemeinschaften sind ordnungsrechtlich nicht verpflichtet, eine Mindestanzahl an täglichen Betreuungsstunden sicherzustellen. Die Bewohner*innen beauftragen gemeinschaftlich eine Präsenzkraft je nach dem Versorgungsbedarf der Gemeinschaft. Wenn aufgrund der Schwere der Pflegebedürftigkeit einzelner Bewohner*innen jedoch eine Hilfskraft rund um die Uhr vor Ort sein muss, kann auch hier ein Betreuungsumfang wie in anbietergestützten Wohngemeinschaften erforderlich sein und es können entsprechende Kosten entstehen.
Leistungen für die Betreuung von Menschen mit Pflegebedarf der Pflegeversicherung (SGB XI)
Für die Betreuung in einer Wohngemeinschaft können versicherte Menschen mit Pflegebedarf einen Wohngruppenzuschlag nach § 38 a SGB XI, Entlastungsleistungen nach § 45 b SGB XI und pflegerische Betreuungsmaßnahmen im häuslichen Umfeld nach § 36 SGB XI erhalten. Aus den Sachleistungen nach § 36 SGB XI muss allerdings der individuelle Bedarf an Körperpflege vorrangig gedeckt werden. Der nicht verbrauchte Restbetrag kann dann für Betreuungsmaßnahmen eingesetzt werden.
Die einzelnen Leistungen werden von der Kasse nebeneinander gewährt. Die Leistungen der Häuslichen Pflegehilfe nach § 36 SGB XI können ausschließlich durch zugelassene Pflegedienste nach SGB XI erbracht und abgerechnet werden. Hinsichtlich ihrer Abrechnungsweise sind die Leistungen der Häuslichen Pflegehilfe nach § 36 SGB XI nicht auf Monatspauschalen ausgerichtet. Im Rahmenvertrag für Baden-Württemberg über ambulante Pflege sind sog. Leistungspakete definiert. Für pflegerische Betreuungsmaßnahmen wurden die Leistungspakete 21 und 22 eingeführt. Diese sind landesweit nach einer zeitgebundenen Vergütung abzurechnen. Speziell für die Versorgung in ambulant betreuten Wohngemeinschaften konzipierte Vergütungssätze sind in Baden-Württemberg nicht zwischen den Leistungserbringern und Pflegekassen vereinbart.
Haben versicherte Menschen mit Pflegebedarf für die Betreuung in der Wohngemeinschaft eine Monatspauschale vereinbart, müssen sie demnach jeweils mit ihrer Pflegekasse klären, wie die Sachleistungen für die Betreuungsleistungen ausgeschöpft und abgerechnet werden können. Eine einheitliche Vorgehensweise der Pflegekassen ist nicht bekannt. Der Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung für die Betreuung in einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Pflegebedarf ist durch die beschriebene Rechtslage sehr aufwendig organisiert.
Leistungen für die Betreuung von Menschen mit Pflegebedarf im Rahmen der Sozialhilfe (SGB XII)
Für Personen, die keine ausreichenden Eigenmittel aus Einkommen und Vermögen haben, um ihren Bedarf in einer Wohngemeinschaft zu decken, sind alle dafür in Frage kommenden Leistungsansprüche nach dem SGB XII zu prüfen.
Für den Lebensunterhalt in der Wohngemeinschaft kommen Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (3. bzw. 4. Kapitel SGB XII) in Betracht.
Für die individuelle Körperpflege sind nach Ausschöpfen der Leistungen der Pflegekasse nach §§ 36 SGB XI und 45 b SGB XI oder für Personen ohne Pflegeversicherung (ergänzende) Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel SGB XII vorgesehen.
Für Betreuungskosten in Wohngemeinschaften ist im SGB XII keine dem Wohngruppenzuschlag nach § 38 a SGB XI entsprechende Leistung normiert. Um sozialhilfebedürftigen Personen die Nutzung dieser Wohnform zu ermöglichen, muss der Anspruch im Einzelfall im Wege der Auslegung geklärt werden. Nach Auffassung der Sozialverwaltung ist neben dem allgemeinen Bedarfsdeckungsgrundsatz der einzige Anknüpfungspunkt dafür die amtliche Begründung zu § 64 b SGB XII (BT-Drs. 18/9518, S. 94): danach ist der „Bedarf in ambulant betreuten Wohngruppen hinsichtlich Tätigkeiten oder Unterstützungsleistungen im Sinne des § 38a Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB XI“ den pflegerischen Betreuungsleistungen der Häuslichen Pflegehilfe nach § 64 b SGB XII zuzuordnen.“
Aus Sicht der Sozialverwaltung ist diesem Hinweis zu folgen, da dadurch an die bestehende Leistungssystematik für häusliche Pflegehilfe angeknüpft werden kann. Sobald die gedeckelten Leistungen der Pflegeversicherung ausgeschöpft sind, können nahtlos ergänzende Sachleistungen nach § 64 b SGB XII für die häusliche Pflege gewährt werden. Bei nicht versicherten Menschen mit Pflegebedarf ist der Betreuungsbedarf vollständig aus den Sachleistungen nach § 64 b SGB XII zu decken. Sachleistungen nach § 64 b SGB XII bzw. § 36 SGB XI dürfen nur durch Pflegedienste erbracht werden.
Die Berechnung des Anspruchs erfolgt nach den bestehenden Vergütungssätzen für Pflegedienste. Die pflegerischen Betreuungsleistungen werden - wie oben dargestellt - landesweit nach festgelegten zeitbezogenen Leistungspaketen abgerechnet. An diese ist der Sozialhilfeträger gesetzlich gebunden (§ 76 a SGB XII). Es besteht dadurch kein Raum für die Vereinbarung abweichender Vergütungssätze. Eine andere rechtlich ausgearbeitete Auslegung oder Rechtsprechung zur Übernahme von Betreuungskosten in Wohngemeinschaften im SGB XII liegt derzeit nicht vor.
5. Ausblick Der Ausbau sozialraumorientierter Pflegeangebote ist angesichts des demografischen Wandels und dem damit einhergehenden Mangel an Pflegeplätzen in der Landeshauptstadt Stuttgart dringend erforderlich. Der Ausbau von Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf wird bei den regelmäßigen Grundstückssuchläufen für Pflegeplätze in Stuttgart berücksichtigt (vgl. GRDrs 320/2021 „Ergebnis des 3. Suchlaufs für Pflegeheimstandorte“). Für die Kommunen bedeutet dies, die Entwicklung der regionalen Pflege-infrastruktur zu fördern und zu stärken. Die Quartiere in Stuttgart sollen so entwickelt werden, dass sie den Bedarfen der Einwohner*innen gerecht werden. Zusätzlich ist eine ausgebaute Infrastruktur zur Förderung von bürgerschaftlichem Engagement und Management erforderlich. Für einen flächendeckenden Ausbau ist eine stärkere Aktivierung weiterer Akteur*innen, die Wohngemeinschaften planen und umzusetzen möchten, unerlässlich. In diesem Kontext ist umfangreiche Informations- und Öffentlichkeitsarbeit von großer Bedeutung. Für einen flächendeckenden Ausbau von ambulant betreuten Wohngemeinschaften sind zudem die Vernetzung der Akteur*innen in Stuttgart und der Wissenstransfer wichtig. Eine kontinuierliche, professionelle Begleitung und Beratung bei der Planung, Gründung und im Betrieb von ambulant betreuten Wohngemeinschaften wird benötigt. Insbesondere sind für die Einwohner*innen Informationsveranstaltungen, Fachtagungen, die Erstellung eines Newsletters und die Entwicklung bzw. Weiterentwicklung von Arbeitshilfen und Informationsbroschüren speziell für Stuttgart sinnvoll. Darüber hinaus wäre die Unterstützung bei der Wohnplatzvermittlung für die Wohngemeinschaften in Stuttgart und die quartiersbezogene Unterstützung der Einbindung bürgerschaftlich Engagierter in diesen Bereichen hilfreich. Die notwendige Steuerung und Förderung des Ausbaus dieses sozialraumorientierten Pflegeangebots kann aktuell nicht ausreichend unterstützt werden. Die dafür notwendigen Ressourcen stehen nicht zur Verfügung. Damit ambulant betreute Wohngemeinschaften eine gesicherte Finanzierung im Einzelfall haben, konnten bisher durch Auslegung Leistungen bedarfsdeckend gewährt werden. Dennoch wäre es im Sinne aller Beteiligten wünschenswert, dass in Zukunft die gesetzlichen Ansprüche für die Pflege und Betreuung in ambulant betreuten Wohngemeinschaften in den jeweiligen Leistungsgesetzen ausdrücklich formuliert und besser aufeinander abgestimmt wären. Die weitere Entwicklung der gesetzlichen Regelungen und der richterlichen Entscheidungen zu den Ansprüchen sind daher zu beobachten und das Vorgehen gegebenenfalls anzupassen. Am Austausch zu dem Thema nimmt die Sozialverwaltung gemeinsam mit anderen Sozialhilfeträgern aktiv teil. Über die Entwicklung von Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflegebedarf in Stuttgart wird die Sozialverwaltung regelmäßig berichten. zum Seitenanfang