Protokoll:
Ausschuss für Klima und Umwelt
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
49
3
Verhandlung
Drucksache:
867/2021
GZ:
SWU
Sitzungstermin:
22.10.2021
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BM Pätzold
Berichterstattung:
-
Protokollführung:
Herr Haupt
ba
Betreff:
Bericht Bodenschutzkonzept Stuttgart (BOKS) 2019-2021
Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Referats Städtebau, Wohnen und Umwelt vom 29.09.2021, GRDrs 867/2021. Sie ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.
StRin
Munk
(90/Grüne) betont, die Mitteilungsvorlage 867/2021 beinhalte zentrale Ansätze, die das Bauen auf der "grünen Wiese" und auf landwirtschaftlichen Flächen deutlich kritisierten und in Frage stellten. Es bestehe ein gemeinsamer Beschluss, das Bodenschutzkonzept Stuttgart 2019-2021 (BOKS) in einem transparenten Verfahren nach bestimmten Kriterien zu betreiben und hierdurch eine deutliche Ablesbarkeit zu erreichen. Im Konzept werde dargestellt, was mit den Böden geschehe. Auf Seite drei der Mitteilungsvorlage seien der Klimawandel, Wetterextreme wie Starkregen, Hitze, lange Trockenphasen usw. aufgeführt. Zudem werde nicht lediglich vom Verlust von Böden gesprochen, sondern vor allem vom Verlust von fruchtbaren Böden. Für ihre Fraktion stelle es ein großes Problem dar, wenn entsprechende Beschlüsse für Baugebiete auf Ackerflächen gefasst würden (z.B. Baugebiet Schafhaus im Stadtbezirk Mühlhausen). In der Vorlage sei unmissverständlich aufgeführt, Bodenverluste seien nicht wieder rückgängig zu machen. Diese Tatsache müsse in Hinblick auf die Zukunft bekannt sein. Die Vorlage stelle für ihre Fraktion ein Grund dar, das entsprechende Handeln weiterhin und dringend zu überdenken und das Thema Bodenschutz ernst zu nehmen.
Die Vorlage stelle ein Spiegelbild dar, so StR
Currle
(CDU), wie mit den Böden in der LHS umgegangen werde. Falls Innenverdichtung vor Außenverdichtung stehe, könnten die Böden sehr sparsam behandelt werden. Allerdings könne mit der Innenverdichtung allein nicht der benötigte Wohnraum beschafft werden. Daher müsse bedauerlicherweise ebenso auf sehr fruchtbare Böden ausgewichen werden. Die Wohnbebauung Schafhaus in Stuttgart-Mühlhausen und der Böckinger Straße in Stuttgart-Zuffenhausen sowie der neue SSB-Betriebshof in Stuttgart-Weilimdorf stellten allein einen Verlust von etwa 40 Punkten des Bodenindexes dar. Daher müsse sehr sensibel mit den sehr guten und unvermehrbaren Böden in der LHS umgegangen werden.
StR
Gottfried
(Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) betont, der Bericht spreche eine klare Sprache und sei als Warnschuss zu verstehen. Insbesondere die Außenentwicklung sei sehr kritisch zu betrachten, da die Böden sehr kostbar seien und deren Verluste nicht wieder rückgängig gemacht werden könnten. Zudem sei der Klimawandel und der damit verbundene nötige Unwetterschutz zu beachten.
Es bestehe ein Konsens, äußerst sensibel mit den kostbaren Böden in der LHS umgehen zu müssen, betont StR
Körner
(SPD). Daher müssten alle Potentiale in der Innenentwicklung ausgeschöpft werden. Die Innenentwicklung müsse ernstgenommen und besser umgesetzt werden als bislang erfolgt. Es werde hierbei zu viel Zeit in Anspruch genommen, um Fortschritte zu erzielen. An StRin Munk gewandt betont er, bei dem größten und wichtigsten Innenentwicklungsprojekt Rosensteinquartier sei es nicht hilfreich, wenn die Fraktion 90/Grüne eine Ergänzungsstation in Spiel bringe, da hierdurch die Entwicklung dieses Quartiers erschwert und verzögert würde. Des Weiteren müsse ein Zielkonflikt benannt werden: Allein mit der Innenentwicklung könnten die Wohnungsbauziele nicht erreicht werden. In Berlin sei beschlossen worden, 400.000 neue Wohnungen mit einem Anteil von 100.000 Sozialmietwohnungen zu errichten. Dies bedeute für die LHS eine Zielzahl von rund 1.000 Sozialmietwohnungen und etwa 3.000 neuen Wohnungen. Selbst wenn lediglich 2.000 neue Wohnungen in der Stadt errichtet werden sollten und dabei festgestellt würde, dieses Ziel mit der Innentwicklung nicht erreichen zu können, müsse ehrlicherweise ausgesagt werden, dass das Ziel 2.000 neuer Wohnungen nicht gehalten werden könne und eine geringere Wohnungsanzahl festgelegt werde. Es bestehe eine Nachfrageerhebung und die Zeitstufenliste müsse aktuell beschlossen werden. Ebenso müsse festgelegt werden, welche neuen Wohnungen auf welchen Flächen vertretbar seien und welche nicht. Angesichts der derzeitigen Situation auf dem Wohnungsmarkt in der LHS wäre es nicht angemessen, die Entscheidung über die Innen- und Außenentwicklung als einfach zu bezeichnen. Vielmehr stelle diese Entscheidung einen Abwägungsprozess dar. Seine Fraktion spreche sich dafür aus, den wesentlichen Anteil beim Wohnungsbau über die Innenentwicklung durchzuführen. Hiermit könnten etwa 80 bis 90 Prozent des Bedarfs gedeckt werden, wenn die Planungs- und Umsetzungsgeschwindigkeit erhöht würde. Allerdings werde es sich angesichts der Wohnungsbauziele nicht vermeiden lassen, im Außenbereich rund 10 bis 20 Prozent erschließen zum müssen. Den größten Verlust bei den Bodenindexpunkten bringe das Projekt in der Heßbrühlstraße im Stadtbezirk Vaihingen mit sich, welches eine sehr breite Mehrheit im Gemeinderat beschlossen habe.
StR
Ozasek
(PULS) betont, Boden sei in menschlichen Betrachtungszeiträumen nicht vermehrbar und stelle die endlichste aller Ressourcen auf der Erde dar. Daher sei ein umsichtiger Umgang mit dieser Ressource dringend geboten. Im Bereich des klimagerechten Planens und Bauens müsse der Aspekt des Bodenschutzes ins Zentrum gerückt werden. Vor allem in der LHS bestehe ein hoher Druck auf hochwertigste Böden mit hoher Güte und hoher Bodenfruchtbarkeit. Dies betreffe insbesondere klimasensible Bereiche mit großer Relevanz für den Wasserhaushalt. Daher müsse sich mit dieser Thematik stets wiederkehrend auseinandergesetzt werden und in diesem Zusammenhang sei das Vorliegen des Bodenindexes sehr zu begrüßen. Das BOKS sei ein wichtiges geeignetes Instrument, welches der ehemalige Baubürgermeister Hahn hinterlassen habe. Es müsse zu denken geben, dass sich der Bodenverschleiß u.a. aufgrund der Bundesgesetzgebung wie des § 13 b des Baugesetzbuches (BauGB) unvermindert fortsetze, da dieser Paragraph Siedlungsrandarrondierungen kompensationsfrei und ohne Beteiligung der Träger öffentlicher Belange zulasse. Ebenso wenig werde die Schutzwürdigkeit der Güter angemessen abgewogen, wie es üblicherweise bei den Stufen des räumlichen Planes erfolge. Mit einer intelligenten Innenentwicklungsstrategie könnten in Stuttgart alle Bedarfe aus dem Siedlungskörper durch transformative Prozesse und Quartiersprozesse befriedigt werden. Es bestünden zahlreiche untergenutzte Quartiere sowie eine städtische Typologie, die nicht einem urbanen Typus, sondern eher einem dörflichen Typus entspreche. Ein aktives Überplanen solcher Flächen würde Potentiale erschließen und auf diesen Flächen könnte bezahlbarer Wohnraum entstehen. Hinsichtlich der von StR Körner angesprochenen mehreren hunderttausend neuer Wohnungen, welche von der neuen Koalition avisiert würden, müsse kritisch angemerkt werden, dass der Wohnungsbau die Krise am Wohnungsmarkt nicht löse. Es sei befremdlich, den Wohnungsbau massiv anzukurbeln und forcieren zu wollen, aber gleichzeitig in den Eckpunktepapieren für den Koalitionsvertrag keine Deckelung der Mieten aufzuführen. Gerade dieser Aspekt würde endlich den Druck vom Wohnungsmarkt nehmen und stehe im Zusammenhang mit der Klimapolitik, da die Bauwirtschaft einen schlafenden Klimariesen mit einem enormen ökologischen und klimapolitischen Fußabdruck darstelle. Daher müsse eine Bauwende vollzogen werden, was einen wesentlichen Schritt zur zukünftigen Klimagerechtigkeit darstelle. StR
Ozasek
schlägt vor, die anstehenden Bauprojekte zumindest im Ausblick darzustellen. Er vermutet, hinter einer mittlerweile gezeigten Folie verberge sich ein Folienvortrag, welcher in einzelnen Punkten vertiefend auf die auf Seite drei der Mitteilungsvorlage aufgeführten zukünftigen Projekte eingehe und die hierdurch verursachten Verluste der Bodenpunkte aufzeige.
Solange der große Bedarf an Wohnungen vorhanden sei, so StR
Zaiß
(FW), werde eine Mietpreisbremse zu keinem Zeitpunkt in Kraft treten. Vielmehr entscheide der Markt den Mietpreis. Es solle nicht in Vergessenheit geraten, dass Baumaßnahmen bei Dachfenstern und der Umbau von Dachwohnungen zügiger umgesetzt werden sollten. In diesem Bereich bestehe ein großes Defizit. Dies betreffe ebenso die Aufstockung von Gebäuden, welches von einigen Hausbesitzern*innen so gewünscht sei, jedoch eine zu lange Zeitspanne in Anspruch nehme. Zudem bestünden in der LHS leerstehende Wohnungen, auf die aufgrund eines gewissen Eigentumsschutzes kein Zugriff bestehe. Bei der Vermietung einer Wohnung sei es für den Vermieter problematisch, den Mietervertrag aufzulösen. Diese Probleme würden in einigen Fällen eine Vermietung verhindern, was gerade auf ältere Eigentümer*innen zutreffe. Ein zu hoher und zu weitgreifender Mieterschutz verursache solcherlei Probleme.
BM
Pätzold
betont, mit dem BOKS bestehe eine transparente Darstellung bei dem Umgang mit dem Aspekt "Boden". StR
Körner
habe darauf hingewiesen, dass dieser Aspekt einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen sei. Es bestünden zwar Wohnungsbauziele, bei denen die Innenentwicklung durchgeführt werde. Allerdings sei die Auffassung falsch, eine "smarte" Innenentwicklung lasse sich rasch umsetzen. Schließlich wohnten dort bereits Nachbarn*innen und die Stadt wolle diese nicht vertreiben, auch wenn sie Grundstücke in Erbpacht besitze. Für ein derartiges Vorgehen lasse sich im Gemeinderat keine Mehrheit finden. In der Anlage der Vorlage seien u. a. die Projekte Ludwigsburger Straße sowie die Keltersiedlung im Stadtbezirk Zuffenhausen aufgeführt, welche Bodenpunkte in sehr geringen Umfang verbraucht hätten, da sie eine Innenverdichtung bzw. eine Nachverdichtung darstellten. Allerdings seien diese Projekte nicht einheitlich auf die Zustimmung des Gemeinderats gestoßen. Somit stelle jede Entscheidung einen Abwägungsprozess der vorhandenen Aspekte dar. Vor der Sommerpause sei ein Bericht über die Leistungsfähigkeit von Böden hinsichtlich des Hochwasserschutzes, der Landwirtschaft sowie der Nahrungsmittelversorgung vorgestellt worden. Ebenso finde bezüglich des Klimaschutzes eine Diskussion über die Transportwege statt. Daher müsse bei der Betrachtung des gesamten Themas der Klimawandel berücksichtigt werden, da sich aufgrund dieser Veränderung ebenso das Stadtklima mit Frischluftentstehungsgebieten und Frischluftschneisen ändere. Derzeit würden die entsprechenden Modelle neu berechnet (Klimaatlas der Region). Dieser zeige deutlich die Auswirkungen auf die Böden in der Stadt. In dieser Gemengelage müssten die Entscheidungen abgestimmt werden. Je nach Priorisierung gingen diese Entscheidungen in die ein oder andere Richtung aus. Mit dem Bodenschutzkonzept Stuttgart (BOKS) verfügten die Stadträte*innen über ein weiteres Instrument für die Entscheidungsfindung.
Der Unterschied zwischen der Innen- und Außenentwicklung hinsichtlich des Flächenverbrauchs müsse verglichen werden, so StRin
Munk
. In der Innenentwicklung bestehe ein zusätzlicher Einspareffekt: Die bauliche Infrastruktur, der ÖPNV sowie die Einkaufsmöglichkeiten seien bereits vorhanden. Dagegen müssten bei Bauprojekten im Außenbereich diese Einrichtungen erst geschaffen werden, was zusätzliche Flächen verbrauche. Daher bringe der Wohnungsbau in der Innenentwicklung klare Vorteile mit sich.
Herr
Heitkamp
(AfU) betont, beim Thema Bodenschutz müsse Geduld aufgewendet werden. Es bestehe eine sehr gute Perspektive, da zahlreiche Flächen in der Innenentwicklung in den nächsten 10 bis 20 Jahren erschlossen werden könnten. Dies betreffe die Kohlebandbrücke, das Gaswerk und das Stöckachareal im Stadtbezirk Ost, den Güterbahnhof in Bad Cannstatt, sowie das Rosensteinareal im Stadtbezirk Stuttgart-Nord. Derzeit bereite er einen Bericht über den Aspekt der Altlastenflächen für nächstes Jahr vor, damit ein Instrumentarium für die Perspektiven in den dortigen Innenentwicklungsgebieten vorliege.
Da keine weiteren Wortmeldungen geäußert werden, stellt BM
Pätzold
fest:
Der Ausschuss für Klima und Umwelt hat vom Bericht
Kenntnis genommen
.
zum Seitenanfang