Protokoll: Sozial- und Gesundheitsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
47
3
VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 26.04.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BMin Dr. Sußmann
Berichterstattung:Herr Mutz (TiefbA), Frau Dr. Matschke (OB-ICG), Herr Ohm (GesundhA)
Protokollführung: Herr Krasovskij de
Betreff: Leitlinien für die Werbung - Neukonzeption
- mündlicher Bericht -

Vorgang: Ausschuss für Stadtentwicklung u. Technik v. 16.03.2021, öffentlich, Nr. 71
Ergebnis: Beratung ohne Votum

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.


Nach kurzen einleitenden Worten von BMin Dr. Sußmann stellen Herr Mutz (TiefbA), Frau Dr. Matschke (OB-ICG) und Herr Ohm (GesundhA) den Ratsmitgliedern analog der Präsentation ausführlich die Leitlinien für die Neukonzeption der Vorgaben für Inhalte in der Werbung im öffentlichen Straßenraum vor. Die neuen Verträge sollen ihre Gültigkeit ab dem Jahr 2023 aufnehmen, erklärt Herr Mutz. Es sei geplant, dass die entsprechende Vorlage hierzu, nach Einholung des heutigen Meinungsbildes aus dem Sozial- und Gesundheitsausschuss (SGA), am 11.05.2021 im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik (STA) behandelt werden solle. Neben den künftigen Inhalten werde dabei auch festgelegt, welche Werbeträger und in welcher Anzahl in der Stadt Stuttgart künftig zulässig seien.

Frau Dr. Matschke betont, dass aus Sicht der Gleichstellungstellungsstelle gerade auch im Hinblick auf sexistische und/oder diskriminierende Werbung eine klare Haltung der Stadt und die Festlegung entsprechender Kriterien, die sich nicht nur auf Abbildungen, sondern auch auf Produkte und Werbeaussagen beziehen müssten, notwendig seien. Die Gleichstellungsbeauftragte hält einen dauerhaften Diskurs über Sexismus und Diskriminierung für unverzichtbar. Zu diesem Zwecke müsste u. a. ein kommunales interdisziplinäres Expert*innengremium unter Einbeziehung der Werbebranche und der Kreativen gegründet werden, das für eine Sensibilisierung und Aufklärung der Mitarbeitenden der Werbebranche und der kommunalen Entscheider*innen sorgen solle.

Darauf eingehend, bittet BMin Dr. Sußmann die Gleichstellungsbeauftragte bis zur nächsten Beratung des Themas um eine Konkretisierung der aus ihrer Sicht künftig erforderlichen Kriterien für die Werbung sowie der angesprochenen klaren Haltung der Stadt im Hinblick auf sexistische und/oder diskriminierende Werbung.

Herr Ohm bekräftigt seinerseits die ablehnende Haltung des Gesundheitsamtes gegenüber Werbemaßnahmen für Tabak- und Alkoholprodukte. Er begrüßt die strengeren Beschränkungen, die bereits ab dem Jahr 2021 für die Außenwerbung von Tabakerzeugnissen gelten und erklärt, dass die Gesundheitskonferenz der Stadt Stuttgart die Umsetzung eines Außenwerbeverbots für Tabakwaren (hierbei sollten auch E-Zigaretten incl. der nikotinfreien E-Zigaretten und Nachfüllbehälter berücksichtigt werden) im gesamten Stadtgebiet bereits mit den neuen Verträgen ab 2023 empfehle. Diese Anregung wird durch das Gremium fraktionsübergreifend unterstützt.

Bezogen auf Alkoholprodukte berichtet Herr Ohm, dass sich die Gesundheitskonferenz der Stadt Stuttgart für ein Außenwerbeverbot für alkoholische Getränke im gesamten Stadtgebiet – und nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft von Schulen, Kinder- und Jugendbetreuungseinrichtungen, ungeachtet des Alkoholgehalts ausgesprochen habe.

Zuvor hatte bereits Herr Mutz auf das Spannungsfeld zwischen dem, aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Suchtprävention sicherlich gerechtfertigten Wunsch nach einem grundsätzlichen Außenwerbeverbot für Tabak- und Alkoholprodukte in der Stadt auf der einen Seite, und den Stuttgarter "Kulturgütern" Weindorf, Volksfest sowie das städtische Weingut und dessen Interessen auf der anderen Seite hingewiesen. Aufgrund dessen wolle das Tiefbauamt künftig nur die Werbung für alkoholische Getränke mit über 15 % Alkoholgehalt verbieten (in derzeitigen Verträgen sei die Werbung für alkoholische Getränke mit einem Alkoholgehalt von über 20% verboten).

Im Verlauf der folgenden Aussprache plädiert StRin Nuber-Schöllhammer (90/GRÜNE) – nach einer Anregung durch StRin Rühle (90/GRÜNE) – in einem mündlichen Antrag dafür, dass noch vor der geplanten Beratung des Themas im STA eine vorbereitende inhaltliche Diskussion im Rahmen einer Videokonferenz mit Vertretern des SGA, des STA und des Gleichstellungsbeirates sowie ggf. weiterer externer Experten*innen stattfinden solle. Die Ergebnisse der Beratung sollen dann in der Vorlage für den STA berücksichtigt werden. Die endgültige Vorlage solle zudem auch im SGA noch einmal beraten werden.

Diesem Verfahrensvorschlag stimmen die anderen Fraktionen im Folgenden übereinstimmend zu. Herr Mutz sagt daraufhin zu, die Ratsmitglieder zu einem solchen digitalen Format einzuladen, dessen Beratungsergebnisse im weiteren Beratungsgang entsprechend berücksichtigt werden.



Nach einer Anregung durch StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), die anschließend durch das Gremium unterstützt wird, sagt der Amtsleiter ebenfalls zu, dass die Verwaltung bereits im Vorfeld der geplanten Videokonferenz zur Vorbereitung dieses Termins den Ratsmitgliedern eine entsprechende Vorlage basierend auf den inhaltlichen Erkenntnissen aus der heutigen Beratung im SGA vorlegen werde.

Im Folgenden begrüßen die Ratsmitglieder in ihren Wortmeldungen die bereits heute geltenden Beschränkungen und Auflagen für Werbung im öffentlichen Straßenraum, machen fraktionsübergreifend aber auch darauf aufmerksam, dass die Kriterien an manchen Stellen nachjustiert bzw. abgeändert werden müssten, um besser der heutigen Zeit zu entsprechen. Zudem plädiert das Gremium für eine bessere Kontrolle und schnellere Entscheidungsverfahren die im Falle von Verstößen zügiger zu einem Abhang der Werbemittel führen müssten.

Bezugnehmend auf die Neukonzeption der Leitlinien für die Werbung macht StRin Nuber-Schöllhammer die Bereiche sexistische und/oder diskriminierende Werbung, Werbung für Alkohol- und Tabakprodukte sowie Werbung für stark zuckerhaltige Lebensmittel wie Süßigkeiten, gesüßte Getränke etc. insbesondere auch im näheren Umfeld von Kitas und Schulen als die für ihre Fraktion zentralen Felder aus.

Im Zusammenhang mit den Themen Sexismus und Diskriminierung spricht sich die Stadträtin für genaue Definitionen und Abgrenzungen aus. So betrachte sie bspw. Produkte, die mit Sexualität zu tun hätten (Kondome, Dildos etc.) nicht per se als sexistisch. Und Diskriminierung könne auf verschiedenen Ebenen und Arten stattfinden, bspw. aufgrund von Alter, der Herkunft, der Religion, des Geschlechts etc. Ähnlich äußern sich hierzu auch die StRinnen Meergans (SPD) und Schumann (PULS).

StR Mörseburg (CDU) plädiert für eine stärkere Differenzierung bei der Werbung in die Bereiche: staatliche Werbe- und Aufklärungskampagnen des Bundes oder Landes, Werbekampagnen der Stadt Stuttgart und Werbekampagnen aus der Privatwirtschaft. Bei diesen drei Arten gebe es nach Ansicht des Stadtrats auch rechtlich unterschiedliche Spielräume für Auflagen oder Beschränkungen. Diese Auffassung wird auch durch StRin Schumann unterstützt.

In seiner Wortmeldung begrüßt StR Pantisano die aktuelle Verschärfung der Beschränkungen für die Außenwerbung von Tabakerzeugnissen. Ferner spricht sich der Stadtrat für ein grundsätzliches Verbot von Außenwerbung für Alkoholprodukte im öffentlichen Straßenraum aus – gerade auch deshalb, weil Kinder und Jugendliche sich breit in der Öffentlichkeit und natürlich nicht nur im Umfeld von Kitas und Schulen bewegen würden. Er bezeichnet es als einen "Widerspruch in sich" wenn auf der einen Seite große Kampagnen gegen Alkoholkonsum durchgeführt würden und auf der anderen Seite bspw. für das Volksfest breit geworben werde.

Bezogen auf die Werbung für stark zuckerhaltige Lebensmittel und Süßigkeiten fordert der Stadtrat für die Zukunft eine klare und konsequente Haltung der Stadt. Herr Ohm sagt zu, dass das Gesundheitsamt hierzu bis zur nächsten Beratung des Themas eine entsprechende Einschätzung vorbereiten werde. In diesem Kontext spricht sich StRin Bulle-Schmid (CDU) gegen die Aufnahme von Werbeverboten für einzelne Lebensmittel in die neuen Verträge aus und macht darauf aufmerksam, dass bspw. auch der übermäßige Verzehr von Chips oder Knabbereien gesundheitsschädlich sein könne.

Im weiteren Verlauf der Aussprache plädieren StR Pantisano und StRin Meergans dafür, dass im geplanten kommunalen interdisziplinären Expert*innengremium auch Betroffene von Diskriminierung und Sexismus vertreten sein müssten, um den Werbemachern ihre Erfahrungen mitzuteilen.

StRin Meergans und später auch StRin Schumann äußern sich anschließend verhalten gegenüber dem Einsatz einer auf künstlicher Intelligenz basierenden (Bild-)Erkennungs-Software zur automatisierten Erkennung kritischer Inhalte in der Werbung. Die Stadträtinnen betonen, dass ein solches technisches Instrument in seiner Funktion kritisch begleitet werden müsse und immer nur eine Vorprüfung der Werbeinhalte darstellen könne bzw. die menschliche Prüfung nie ersetzen könne.

Bezugnehmend darauf, dass künftig Produkte per se – unabhängig von Darstellung oder Aussage – als "unzumutbar" definiert werden können, möchte StRin Meergans ferner wissen, durch wen eine solche Einteilung und nach welchen Kriterien vorgenommen werde.

Im Folgenden warnen die StRinnen Yüksel (FDP) und von Stein (FW) sowie StR Dr. Mayer (AfD) in ihren Wortmeldungen vor einer Überregulierung der Werbung durch die neuen Verträge. StRin von Stein spricht sich in diesem Zusammenhang für eine konsequentere Aufklärung der Bevölkerung über gesunde und weniger gesunde Lebensmittel aus, wobei den Menschen anschließend aber auch die eigene Entscheidung hinsichtlich ihrer Ernährung und Lebensweise überlassen werden müsste.

Ähnlich wie bereits StR Pantisano verweist auch StRin Schumann auf die Gefahren der Werbung für alkoholhaltige Getränke. Gerade für Kinder und Jugendliche könnten dabei auch niedrigprozentige alkoholische Getränke wie z. B. Bier als eine Art Einstiegsdroge in die Alkoholsucht dienen. In diesem Kontext macht StRin Nuber-Schöllhammer darauf aufmerksam, dass künftig auch die Werbung für sogenannte Mischgetränke, bspw. Bier mit Zitronengeschmack, mit denen die Hersteller gezielt jüngere und vor allem auch weibliche Konsumenten*innen ansprechen wollen, stärker im Blick behalten werden sollte.

Abschließend erklärt BMin Dr. Sußmann, dass das Thema "Leitlinien für die Werbung – Neukonzeption" nun entsprechend dem im Gremium vereinbarten Verfahrensvorschlag zunächst im Rahmen eines digitalen Formats mit Vertretern des SGA, des STA und des Gleichstellungsbeirats weiterberaten werde.

Danach stellt BMin Dr. Sußmann fest:

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss hat vom Bericht Kenntnis genommen.
zum Seitenanfang