Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 1029/2020
Stuttgart,
12/03/2020


Stadtteilbezogene Gesundheitsförderung: Stadtteilprojekte „Gesund aufwachsen“



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Jugendhilfeausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
14.12.2020
15.03.2021

Bericht:


Der Gemeinderat nimmt den Bericht zur Kenntnis

Das Gesundheitsamt hat seit 2017 in drei Stadtteilen Stuttgarts Maßnahmen zur gesundheitlichen Prävention und Gesundheitsförderung durchgeführt. Die Herangehensweise, unter einer gesundheitlichen Thematik einen ganzen Stadtteil in den Blick zu nehmen, war für das Gesundheitsamt Neuland. Über die Erfahrungen und Ergebnisse informiert das Gesundheitsamt mit dieser Vorlage und den beigefügten Berichten aus den
Stadteilen.


Mit dem Kindergesundheitsbericht 2015 legte das Gesundheitsamt den zweiten Bericht zur Kindergesundheit vor (GRDrs 384/2016). Dieser bietet einen Überblick über die
Verteilung von Gesundheits-, Entwicklungs-, Lebenswelt- und Versorgungsindikatoren in Stuttgart. Der Bericht dient als Planungsinstrument für all diejenigen, die im Kinder- und Jugendbereich arbeiten. Aus diesem Grund wurde der Bericht in vielen Ämtern, Gremien und Arbeitskreisen vorgestellt. Für einzelne Ämter wurden außerdem spezifische Bedarfsanalysen durchgeführt.

Aufgrund der kleinräumigen Analyse auf Stadtteilebene werden Unterschiede zwischen einzelnen Stadtteilen deutlich und Zusammenhänge zwischen sozialer Lage und Gesundheit erkennbar. Um allen Kindern in ganz Stuttgart ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen, wurden als Konsequenz aus dem Kindergesundheitsbericht Stadtteilprojekte in
besonders benachteiligten Stadtteilen initiiert.


Grundlage für die Stadtteilprojekte ist der sogenannte Setting-Ansatz. Dieser wurde
bereits 1986 von der WHO als eine wesentliche Strategie in der Gesundheitsförderung beschrieben (Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung): „Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt: dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben.“

Zu den Settings bzw. Lebenswelten zählen u. a. Kindertageseinrichtungen, Schulen und Hochschulen, Betriebe, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bzw. der pflegerischen Versorgung. Kommunen bzw. Stadtteile gelten als besonders relevante Settings, da sie die anderen (Teil-) Settings einschließen.

Die settingorientierte Gesundheitsförderung hat sich in den letzten Jahren – insbesondere auch als Beitrag zur gesundheitlichen Chancengleichheit – zunehmend verbreitet Altgeld, T. (2004). Gesundheitsfördernde Settingansätze in benachteiligten städtischen Quartieren..
Maßnahmen der Gesundheitsförderung, die den Settingansatz zugrunde legen, gelten als besonders erfolgsversprechend
Richter, A. (2010). Armutsprävention – Ein Auftrag für die Gesundheitsförderung. In: Zander, M. (Hrsg.): Kinderarmut. Einführendes Handbuch für Forschung und soziale Praxis. Wiesbaden: Springer-Verlag, 200-217.. Zum einen wird der Zugang zu schwer erreichbaren Zielgruppen gut ermöglicht Rosenbrock, R. (2004). Primäre Prävention zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen.. Zum anderen zeigen bisherige Erfahrungen, dass die
Settingorientierung einen Beitrag zur Verbesserung der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von gesundheitsfördernden Maßnahmen leisten kann
Conrad, G. (2013). Gesundheitsförderung in Settings und das gesundheitsfördernde Setting. Journal Gesundheitsförderung, 1, 16-17.: Verhaltensänderungen sind in der Lebenswelt, d. h. im Alltag integriert und dadurch stabil. (Soziale) Strukturen werden
berücksichtigt und Rahmenbedingungen unter Einbeziehung der Beteiligten verbessert.

Der Ansatz findet außerdem Ausdruck im Präventionsgesetz von 2015 und wird von den gesetzlichen Krankenkassen gefördert (§20a Abs. 1 und §20b Abs.1 SGB V). Umgesetzt wurde dies z. B. im aktuellen Stadtteilprojekt zur Durchführung von Prozessbegleitungen in Kitas (GRDrs 1054/2019).


Bislang wurden drei Stadtteilprojekte durch das Gesundheitsamt Stuttgart durchgeführt:
Die beiden ersten Projekte wurden durch den Arbeitsbereich Gesundheitsplanung in der Kindheit im Gesundheitsamt durchgeführt, letzteres im Rahmen einer Förderung durch das Ministerium für Soziales und Integration (GRDrs 837/2018) zusätzlich unterstützt.

Grundlage für die Auswahl der Stadtteile ist neben dem Kindergesundheitsbericht das Stuttgarter Sozialmonitoring. Gesundheits- und Sozialdaten werden herangezogen, mit dem Ziel, besonders benachteiligte Personengruppen zu erreichen. Die Auswertung
dieser Daten wird um die Einschätzung von Expert*innen aus der Jugendhilfeplanung und der Lokalpolitik ergänzt.

Die Stadtteilprojekte weisen grundsätzlich ein einheitliches Vorgehen auf. Dieses
orientiert sich am Public-Health-Action-Cycle
BZgA (2015). Online abrufbar unter https://www.leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/public-health-action-cycle-gesundheitspolitischer-aktionszyklus/. und kann dadurch zu einem qualitäts-
gesicherten Vorgehen beitragen:


Die Stadtteilprojekte zielen darauf ab, gesundheitsbezogene Kompetenzen zu stärken (Verhaltensprävention) und gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen und nachhaltige Strukturen zu schaffen bzw. weiterzuentwickeln (Verhältnisprävention). Konkrete Ziele
dabei sind:

Die Vielfalt der Stadtteile kommt in den jeweils gesetzten Schwerpunktthemen zum Ausdruck: In der Neckarvorstadt war dies das Thema Bewegungsförderung. In Stöckach und Raitelsberg stand die Vernetzung der Einrichtungen und Akteure vor Ort im Fokus. Das Stadtteilprojekt in Rot setzte den Schwerpunkt – auch aufgrund der Förderung – auf die Bildung einer Präventionskette und auf die Erweiterung um den Grundschulbereich.

Wichtige Grundsätze, die der Stadtteilarbeit zu Grunde liegen, sind:


Als Schlussfolgerung aus allen bisherigen Projekten wird deutlich, dass bestimmte
Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit Stadtteilarbeit gelingen und ihr Potenzial bestmöglich entfalten kann. Dies sind:



Aus Sicht der Gesundheitsplanung gibt es wichtige Aspekte, die für einen Ausbau der stadtteilorientierten Gesundheitsförderung sprechen vgl. Bär, G. (2014). Gesundheitsförderung im Raum. Dimensionen und Verläufe in stadtteilbezogenen Setting-Analysen. Dissertationsschrift, Universität Bielefeld.:

Aufgrund der kleinräumigen Analyse zu Beginn der Stadtteilprojekte ergibt sich eine gute Kenntnis über die Situation im Stadtteil. Interventionen können dadurch passgenau und an den Bedarfen vor Ort entwickelt werden. Durch den überschaubaren Raum ergeben sich bessere Einflussmöglichkeiten.

Einflussfaktoren auf die gesundheitliche Entwicklung von Kindern liegen nicht nur im
Gesundheitswesen, sondern auch in anderen Fachbereichen wie der Verkehrsplanung, dem Wohnungsbau, der öffentlichen Infrastruktur. Gesundheitsförderung sollte daher als Querschnittsaufgabe aufgefasst werden. Das Ziel „health in all policies“ lässt sich durch die Beteiligung vieler Akteure aus unterschiedlichen Bereichen im Stadtteilprojekt gut
umsetzen.

Zudem werden die Einrichtungen nicht isoliert betrachtet, sondern im Gesamtgefüge des Stadtteils. Dieser kann die Teilsettings unterstützen und steuern und damit auch eine
gemeinsame Ausrichtung und Strategie fördern.

Je nach Thema und vorhandenen Voraussetzungen konnten für die Stadtteile zusätzliche Maßnahmen und zusätzliche Gelder eingeworben werden, so z. B. in Stuttgart Rot eine Förderung der Kitas durch die Techniker Krankenkasse in einem Umfang von 126.600 € (GRDrs 1054/2019). Dies war nur durch den Zusammenschluss von mehreren Einrichtungen möglich.

Durch die stadtteilorientierte Gesundheitsförderung ergibt sich auch eine ämterübergreifende Zusammenarbeit, z. B. mit dem Amt für Sport und Bewegung, dem Jugendamt, dem Schulverwaltungsamt, der Stuttgarter Bildungspartnerschaft, der Stadtplanung und mit dem jeweiligen Bezirksbeirat. Dies hat sich in der Vergangenheit als sehr fruchtbar
erwiesen, da Synergien gut genutzt werden können und die Ämter und der Stadtteil insgesamt davon profitieren. Zukünftig ist unter Umständen auch die Kooperation oder die Zusammenführung von Projekten unterschiedlicher Ämter in einem Stadtteil denkbar, so zum Beispiel zum Thema Schulverpflegung, bei der Planung von Schulaußengeländen, bei der Einbindung von Trägern der Ganztagesschulen und Schülerhäusern und eine
Kooperation mit dem Projekt der Schulgesundheitsfachkräfte. Auch trägerübergreifende Fortbildungen im Stadtteil für pädagogische Fachkräfte in Kitas, Schulen sowie in
Schüler- und Jugendhäuern können Synergien schaffen und insgesamt ein effizienteres Arbeiten ermöglichen.


Stadtteilbezogene Maßnahmen in der Gesundheitsförderung haben sich als eine wichtige Ergänzung zum Programm „Gesund aufwachsen in der Kita“ des Gesundheitsamtes
erwiesen. Beide Ansätze - Gesundheitsförderung im Setting Stadtteil sowie in den (Teil-) Settings Kita und Schule - können gut nebeneinander angeboten werden. Sie verfolgen unterschiedliche Ziele, erreichen diese jedoch beide auf ihre Weise und sind somit im Rahmen der Gesundheitsförderung bedeutend. Auch für die Stadtteilentwicklung in Stuttgart insgesamt sind diese Maßnahmen der Gesundheitsförderung bedeutend. Durch den Fokus auf sozial und gesundheitlich benachteiligte Kinder und Familien in den entsprechenden Stadtteilen, leistet die stadtteilbezogene Gesundheitsförderung einen wichtigen Beitrag zur gesundheitlichen Chancengleichheit in Stuttgart.

Der Kindergesundheitsbericht sowie die aktuellen Daten der Einschulungsuntersuchung lassen erkennen, dass es weitere Stadtteile gibt, in denen gesundheitlich benachteiligte Kinder und Familien leben. Die Übertragung der Stadtteilarbeit auf weitere Stadtteile ist daher geplant. Zudem ist das Gesundheitsamt in den bisherigen Stadtteilen weiterhin
aktiv, um eine Verstetigung der Arbeit zu ermöglichen.

Insbesondere zu Beginn der Stadtteilarbeit steht der Netzwerkaufbau und die Netzwerkpflege im Fokus. Dies hat sich als zeitintensiv erwiesen und ist mit den aktuell verfüg-
baren Ressourcen jedoch kaum umsetzbar.

Anhang
Stadtteilbericht „Gesund aufwachsen in Neckarvorstadt“
Stadtteilbericht „Gesund aufwachsen in Stöckach & Raitelsberg“
Stadtteilbericht „Gesund aufwachsen in Rot“


Beteiligte Stellen

Referat JB hat die Vorlage mitgezeichnet.


Vorliegende Anträge/Anfragen

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Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin





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web_PROJEKTBERICHT NV_2018-09-29.002.pdf
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web_PROJEKTBERICHT S&R_2019.002.pdf
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WEB_Bericht Stadtteilprojekt Rot.pdf