Das Gesundheitsamt hat seit 2017 in drei Stadtteilen Stuttgarts Maßnahmen zur gesundheitlichen Prävention und Gesundheitsförderung durchgeführt. Die Herangehensweise, unter einer gesundheitlichen Thematik einen ganzen Stadtteil in den Blick zu nehmen, war für das Gesundheitsamt Neuland. Über die Erfahrungen und Ergebnisse informiert das Gesundheitsamt mit dieser Vorlage und den beigefügten Berichten aus den Stadteilen.
Aufgrund der kleinräumigen Analyse auf Stadtteilebene werden Unterschiede zwischen einzelnen Stadtteilen deutlich und Zusammenhänge zwischen sozialer Lage und Gesundheit erkennbar. Um allen Kindern in ganz Stuttgart ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen, wurden als Konsequenz aus dem Kindergesundheitsbericht Stadtteilprojekte in besonders benachteiligten Stadtteilen initiiert.
Zu den Settings bzw. Lebenswelten zählen u. a. Kindertageseinrichtungen, Schulen und Hochschulen, Betriebe, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe bzw. der pflegerischen Versorgung. Kommunen bzw. Stadtteile gelten als besonders relevante Settings, da sie die anderen (Teil-) Settings einschließen.
Die settingorientierte Gesundheitsförderung hat sich in den letzten Jahren – insbesondere auch als Beitrag zur gesundheitlichen Chancengleichheit – zunehmend verbreitet Altgeld, T. (2004). Gesundheitsfördernde Settingansätze in benachteiligten städtischen Quartieren.. Maßnahmen der Gesundheitsförderung, die den Settingansatz zugrunde legen, gelten als besonders erfolgsversprechend Richter, A. (2010). Armutsprävention – Ein Auftrag für die Gesundheitsförderung. In: Zander, M. (Hrsg.): Kinderarmut. Einführendes Handbuch für Forschung und soziale Praxis. Wiesbaden: Springer-Verlag, 200-217.. Zum einen wird der Zugang zu schwer erreichbaren Zielgruppen gut ermöglicht Rosenbrock, R. (2004). Primäre Prävention zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen.. Zum anderen zeigen bisherige Erfahrungen, dass die Settingorientierung einen Beitrag zur Verbesserung der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von gesundheitsfördernden Maßnahmen leisten kann Conrad, G. (2013). Gesundheitsförderung in Settings und das gesundheitsfördernde Setting. Journal Gesundheitsförderung, 1, 16-17.: Verhaltensänderungen sind in der Lebenswelt, d. h. im Alltag integriert und dadurch stabil. (Soziale) Strukturen werden berücksichtigt und Rahmenbedingungen unter Einbeziehung der Beteiligten verbessert.
Der Ansatz findet außerdem Ausdruck im Präventionsgesetz von 2015 und wird von den gesetzlichen Krankenkassen gefördert (§20a Abs. 1 und §20b Abs.1 SGB V). Umgesetzt wurde dies z. B. im aktuellen Stadtteilprojekt zur Durchführung von Prozessbegleitungen in Kitas (GRDrs 1054/2019).
Grundlage für die Auswahl der Stadtteile ist neben dem Kindergesundheitsbericht das Stuttgarter Sozialmonitoring. Gesundheits- und Sozialdaten werden herangezogen, mit dem Ziel, besonders benachteiligte Personengruppen zu erreichen. Die Auswertung dieser Daten wird um die Einschätzung von Expert*innen aus der Jugendhilfeplanung und der Lokalpolitik ergänzt.
Die Stadtteilprojekte weisen grundsätzlich ein einheitliches Vorgehen auf. Dieses orientiert sich am Public-Health-Action-Cycle BZgA (2015). Online abrufbar unter https://www.leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/public-health-action-cycle-gesundheitspolitischer-aktionszyklus/. und kann dadurch zu einem qualitäts- gesicherten Vorgehen beitragen:
· Teilhabe fördern und insbesondere sozial benachteiligte Kinder und Familien erreichen
· Familien und Professionelle vor Ort für das Thema „Gesund aufwachsen“ sensibilisieren
· die interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern, um z. B. Barrieren zwischen pädagogischen und medizinischen Bereichen abzubauen
· Zugänge zum Gesundheitssystem verbessern
Wichtige Grundsätze, die der Stadtteilarbeit zu Grunde liegen, sind:
· Multiplikator*innen-Ansatz
· Niederschwelligkeit der Angebote, um den Zugang für alle zu gewährleisten
· Die Vernetzung der Einrichtungen und Akteure vor Ort
· Identifikation und Einbindung von Schlüsselpersonen aus dem Stadtteil
Als Schlussfolgerung aus allen bisherigen Projekten wird deutlich, dass bestimmte Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit Stadtteilarbeit gelingen und ihr Potenzial bestmöglich entfalten kann. Dies sind:
· Aktive Beteiligung wichtiger Akteure
· Ausreichend Zeit für den Netzwerkaufbau und die Netzwerkpflege, die Planung und Umsetzung von Maßnahmen sowie die Verstetigung (ca. 2 Jahre für ein Stadteilprojekt)
Aufgrund der kleinräumigen Analyse zu Beginn der Stadtteilprojekte ergibt sich eine gute Kenntnis über die Situation im Stadtteil. Interventionen können dadurch passgenau und an den Bedarfen vor Ort entwickelt werden. Durch den überschaubaren Raum ergeben sich bessere Einflussmöglichkeiten.
Einflussfaktoren auf die gesundheitliche Entwicklung von Kindern liegen nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch in anderen Fachbereichen wie der Verkehrsplanung, dem Wohnungsbau, der öffentlichen Infrastruktur. Gesundheitsförderung sollte daher als Querschnittsaufgabe aufgefasst werden. Das Ziel „health in all policies“ lässt sich durch die Beteiligung vieler Akteure aus unterschiedlichen Bereichen im Stadtteilprojekt gut umsetzen.
Zudem werden die Einrichtungen nicht isoliert betrachtet, sondern im Gesamtgefüge des Stadtteils. Dieser kann die Teilsettings unterstützen und steuern und damit auch eine gemeinsame Ausrichtung und Strategie fördern.
Je nach Thema und vorhandenen Voraussetzungen konnten für die Stadtteile zusätzliche Maßnahmen und zusätzliche Gelder eingeworben werden, so z. B. in Stuttgart Rot eine Förderung der Kitas durch die Techniker Krankenkasse in einem Umfang von 126.600 € (GRDrs 1054/2019). Dies war nur durch den Zusammenschluss von mehreren Einrichtungen möglich.
Durch die stadtteilorientierte Gesundheitsförderung ergibt sich auch eine ämterübergreifende Zusammenarbeit, z. B. mit dem Amt für Sport und Bewegung, dem Jugendamt, dem Schulverwaltungsamt, der Stuttgarter Bildungspartnerschaft, der Stadtplanung und mit dem jeweiligen Bezirksbeirat. Dies hat sich in der Vergangenheit als sehr fruchtbar erwiesen, da Synergien gut genutzt werden können und die Ämter und der Stadtteil insgesamt davon profitieren. Zukünftig ist unter Umständen auch die Kooperation oder die Zusammenführung von Projekten unterschiedlicher Ämter in einem Stadtteil denkbar, so zum Beispiel zum Thema Schulverpflegung, bei der Planung von Schulaußengeländen, bei der Einbindung von Trägern der Ganztagesschulen und Schülerhäusern und eine Kooperation mit dem Projekt der Schulgesundheitsfachkräfte. Auch trägerübergreifende Fortbildungen im Stadtteil für pädagogische Fachkräfte in Kitas, Schulen sowie in Schüler- und Jugendhäuern können Synergien schaffen und insgesamt ein effizienteres Arbeiten ermöglichen.
Der Kindergesundheitsbericht sowie die aktuellen Daten der Einschulungsuntersuchung lassen erkennen, dass es weitere Stadtteile gibt, in denen gesundheitlich benachteiligte Kinder und Familien leben. Die Übertragung der Stadtteilarbeit auf weitere Stadtteile ist daher geplant. Zudem ist das Gesundheitsamt in den bisherigen Stadtteilen weiterhin aktiv, um eine Verstetigung der Arbeit zu ermöglichen.
Insbesondere zu Beginn der Stadtteilarbeit steht der Netzwerkaufbau und die Netzwerkpflege im Fokus. Dies hat sich als zeitintensiv erwiesen und ist mit den aktuell verfüg- baren Ressourcen jedoch kaum umsetzbar.
Anhang Stadtteilbericht „Gesund aufwachsen in Neckarvorstadt“ Stadtteilbericht „Gesund aufwachsen in Stöckach & Raitelsberg“ Stadtteilbericht „Gesund aufwachsen in Rot“ Beteiligte Stellen Referat JB hat die Vorlage mitgezeichnet. Vorliegende Anträge/Anfragen -- -- Dr. Alexandra Sußmann Bürgermeisterin 3 <Anlagen> zum Seitenanfang