Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 802/2023
Stuttgart,
09/07/2023


Gemeindepsychiatrischer Verbund Stuttgart (GPV):
Sozialpsychiatrische Dienste (SpDi) - Sachstand 2022




Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich09.10.2023

Kurzfassung des Berichts:
Ausführlicher Bericht siehe Anlage 1

Mit der GRDrs 96/2022 „Gemeindepsychiatrischer Verbund Stuttgart (GPV): Sozialpsychiatrische Dienste - Sachstand 2021“ wurde zuletzt über die Entwicklungen in den Sozialpsychiatrischen Diensten berichtet.


Neue Erhebung „Dokumentation der Sozialpsychiatrischen Dienste
Baden-Württemberg“ ab 2022


Auf Initiative des Ministeriums für Gesundheit, Soziales und Integration Baden-Württemberg wurde die Grundlage der neuen Dokumentation 2022 gemeinsam mit Vertretungen der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg, des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg und des Städte- und Landkreistages Baden-Württemberg erarbeitet und abgestimmt.

Die neue, landesweit durchgeführte Dokumentation löst die bisherige freiwillige Dokumentation in Baden-Württemberg ab. Die neue Dokumentation ist für alle Sozialpsychiatrischen Dienste (SpDi) in Baden-Württemberg verpflichtend.

Der aktuelle Bericht 2022 basiert auf der neu eingeführten „Dokumentation der Sozialpsychiatrischen Dienste Baden-Württemberg“. Langzeitvergleiche werden aufgrund des veränderten Dokumentationsbogens jedoch erst in den nächsten Jahren möglich sein. Er ermöglicht perspektivisch aber den Vergleich zu anderen Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Vorlage lag die Gesamtauswertung der „Dokumentation der Sozialpsychiatrischen Dienste Baden-Württemberg 2022“ durch die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg e. V. noch nicht vor. Die Auswertung für die acht Gemeindepsychiatrischen Zentren (GPZ) in Stuttgart sind im Folgenden dargestellt.


Gemeindepsychiatrischer Verbund (GPV) Stuttgart und Sozialpsychiatrische
Dienste (SpDi) – Sachstand 2022

Ziel des Gemeindepsychiatrischen Verbundes (GPV) Stuttgart ist die Bereitstellung eines umfassenden und koordinierten Leistungsangebotes für chronisch psychisch kranke Menschen in der Landeshauptstadt Stuttgart, um die ambulante Grundversorgung zu sichern. Die personenzentrierte Hilfe erfolgt wohnortnah und durch multiprofessionelle Zusammenarbeit. Der Dialog mit Psychiatrie-Erfahrenen, Angehörigen und Bürgerhelfer*innen ist dabei ein wichtiger Bestandteil des Austausches auf Augenhöhe.

Gemäß § 6 Abs. 1 PsychKHG leisten die SpDi die „sozialpsychiatrische Vorsorge, Nachsorge und psychosoziale Krisenintervention“ sowie „die Vermittlung sozialer Hilfen für insbesondere chronisch psychisch kranke Menschen“, dabei sind sie auch Ansprechpartner für Angehörige, Nachbarn und Kooperationspartner in ihrem jeweiligen Einzugsgebiet. Sie betreuen und begleiten psychisch erkrankte Menschen, die auf Grund der Art, Intensität und Dauer ihrer Erkrankung unter seelischen Behinderungen und sozialen Beeinträchtigungen leiden.

Die Sozialpsychiatrischen Dienste, die in den acht Gemeindepsychiatrischen Zentren (GPZ) angesiedelt sind, bilden den Ausgangspunkt und Kern eines breiten Spektrums an Einrichtungen und Diensten, die die regionale Versorgungsverpflichtung für alle chronisch psychisch kranken Menschen in Stuttgart sicherstellen.

Die SpDi fungieren als niederschwellige Anlaufstellen, indem sie Informationen über psychische Erkrankungen und das Hilfesystem anbieten und leisten damit kurzfristig Hilfe. Dies beinhaltet insbesondere die Unterstützung und Beratung bei der Früherkennung von psychischen Erkrankungen und Behinderungen. Gleichzeitig betreuen und begleiten die Dienste psychisch erkrankte Menschen über einen längeren Zeitraum, die zu einer eigenständigen Lebensführung noch nicht oder nicht mehr in der Lage sind, mit dem Ziel, zu einem an ihren Bedürfnissen orientierten Leben beizutragen und darüber mehr Lebensqualität zu erreichen.

Träger dieser Hilfen sind der Caritasverband für Stuttgart e. V., die Evangelische Gesellschaft Stuttgart e. V. und das Klinikum der Landeshauptstadt Stuttgart gKAöR, Zentrum für Seelische Gesundheit.

Zusammenfassung und Ausblick

Aufgrund der Umstellung auf die neue Dokumentation für die Sozialpsychiatrischen Dienste sind die Daten nur bedingt mit den Zahlen der Vorjahre vergleichbar. Neben neuen Items haben sich auch die Antwortkategorien leicht verändert, z B. in der Abfrage der Altersgruppen. Die Zahlen dienen dazu, frühzeitig Veränderungen zu erkennen.

· Gesamtzahl der betreuten Personen

Im Jahr 2022 wurden 3.693 Personen von den SpDi betreut. Davon waren 2.587 Personen in der Grundversorgung und 1.106 Personen in Kurzberatungen (Gesamtzahl 2020: 3.764, 2021: 3.816).

· Neuanfragen

Im Jahr 2022 gab es 1.773 Neuanfragen von Personen, die das erste Mal mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst in Kontakt traten oder der letzte Kontakt mehr als ein Berichtsjahr zurücklag.


· Soziodemografische Daten

Es sind leichte Schwankungen im Bereich der soziodemografischen Daten von Klient*innen zu beobachten. Die wesentlichen Faktoren wie Diagnosen, Familienstand, Alter und Geschlecht zeigen jedoch keine signifikanten Veränderungen im Vergleich zu den Vorjahren. Die Anzahl älterer Personen in der Betreuung nimmt zu. Die Zahl der Alleinlebenden ist hoch, 56 % der Klient*innen in der Grundversorgung leben allein.

· Auswirkungen der Corona-Pandemie

Das Jahr 2022 war noch durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie geprägt. Die Aufgabe der SpDi bestand u. a. darin, Personen, die sich durch die coronabedingten Einschränkungen weiter zurückgezogen haben, wieder zu mobilisieren und die Kontakte zu intensivieren.

Eine Herausforderung besteht weiterhin darin, den (präventiven) Blick auch auf junge Menschen zu richten, da die Corona-Pandemie bei vielen möglicherweise Auswirkungen auch im Hinblick auf die Entstehung psychischer Erkrankungen hinterlassen hat. Auch das Thema „Kinder psychisch kranker Eltern“ muss vor dem Hintergrund der Erfahrungen während der Pandemie weiter beobachtet werden. 11 % der Klient*innen der Grundversorgung hatten minderjährige Kinder, 206 Kinder lebten zusammen mit ihren Eltern im Haushalt.

Fazit

Insgesamt sind die SpDi in der Landeshauptstadt Stuttgart gut aufgestellt. Besonders bewährt hat sich die vertraglich verankerte Versorgungsverpflichtung und die Zusammenarbeit mit allen Funktionsbereichen im GPV, insbesondere auch mit dem klinischen Bereich. Die Kooperation mit beteiligten Einrichtungen und Diensten in den Schnittstellenbereichen der Sozialpsychiatrie und darüber hinaus verläuft weiterhin gut.


Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

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Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin





1. Ausführlicher Bericht


Ausführlicher Bericht

Sozialpsychiatrischen Dienste in Stuttgart – Sachstand 2022
Ergebnisse der „Dokumentation der Sozialpsychiatrischen Dienste Baden-
Württemberg 2022“


Die Daten 2022 basieren auf der neu eingeführten „Dokumentation der Sozialpsychiatrischen Dienste Baden-Württemberg“. Langzeitvergleiche werden aufgrund des veränderten Dokumentationsbogens jedoch erst in den nächsten Jahren möglich sein. Wann immer direkte Vergleiche zu den Vorjahren möglich waren, wurden diese angegeben.


Hierzu zählen alle von den Sozialpsychiatrischen Diensten (SpDi) im Jahr 2022 erreichten Personen:
- betreute Personen in der Grundversorgung (2.587 Personen)
- Kurzberatungen von Neuanfragenden (1.106 Personen)

Im Jahr 2022 wurden insgesamt 3.693 Personen von den SpDi betreut (2020: 3.764, 2021: 3.816). Hier ist ein leichter Rückgang zu verzeichnen, der möglicherweise noch auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist.

Die Fallzahlen pro (100 %) Mitarbeiter*in lag bei 134 Gesamtbetreuungen (Vorjahr: 142). Die Arbeitsintensität war für die Mitarbeitenden nach wie vor hoch. Die Komplexität der Fälle nimmt zu und damit auch der Zeitaufwand für die Betreuung.

· Geschlecht

Unter den 3.693 betreuten Personen waren 2.032 Frauen (55 %), 1.657 Männer (45 %), und 4 Diverse (< 1 %).

· Migrationshintergrund

Einen Migrationshintergrund (Einwohner mit Migrationshintergrund sind Ausländer, eingebürgerte Deutsche und Aussiedler) hatten 31 % (1.154 Personen), davon 54 % Frauen, 46 % Männer, < 1 % Diverse.

· Schnittstelle zur Flüchtlingshilfe

136 Personen (4 %) hatten einen Fluchthintergrund, davon waren 92 Männer und 44 Frauen.

Zusätzlich erhoben wurden die Anfragen zu psychisch kranken Personen, die in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete in Stuttgart wohnten. Dabei konnten folgende Kontakte hergestellt werden: 18 Kurzkontakte (2021:13, 2020: 16), 14 indirekte Kontakte, z. B. mit Mitarbeitenden anderer Dienste und kollegiale Fachberatungen (2021: 14, 2020: 19), und 15 langfristige Kontakte (2021:18, 2020: 19).


Zur Grundversorgung zählen:
- Klient*innen, die bereits im letzten Berichtsjahr vom SpDi betreut und begleitet wurden mit mindestens einem Kontakt im aktuellen Berichtsjahr

- Neuanfragen von Klient*innen im Berichtsjahr mit 5 und mehr Kontakten

- Angehörige, andere Bezugspersonen

- kollegiale Fachberatung

Im Jahr 2022 wurden insgesamt 2.587 Personen in der Grundversorgung betreut.

Neben der Beratung und Begleitung der Klient*innen (83 %, 2.139 Personen) werden auch die Beratung und Begleitung von Angehörigen und anderen Bezugspersonen (7 %, 187 Personen) sowie kollegiale Fachberatungen (10 %, 261 Personen) dazugezählt.

Pro Mitarbeiter*in (100 %) wurden 94 Personen in der Grundversorgung betreut (2021: 74, 2020: 67). Der Anstieg von 27 % liegt u. a. daran, dass in der neuen Erhebung die Beratung und Begleitung von Angehörigen und anderen Bezugspersonen sowie kollegiale Fachberatungen nun zur Kategorie Grundversorgung dazugezählt werden.

· Betreuungsdauer und Kontakthäufigkeit

Die Betreuungsdauer der Personen in der Grundversorgung betrug im Berichtsjahr 2022 bei 68 % (1.752 Personen) 7 bis 12 Monate. Bei 18 % (479 Personen) dauerte die Betreuung bis zu 3 Monate und bei 14 % (356 Personen) betrug die Betreuungsdauer 3 bis 6 Monate.

Als Kontakt zählen Hausbesuche, Kontakte im Dienst und längere Telefonkontakte. Die Kontakthäufigkeit orientiert sich dabei am individuellen Bedarf.

Bei 5 % bzw.138 Personen in der Grundversorgung (2021:145, 2020: 163) fanden über 40 Kontakte im Jahr statt, d. h. in der Regel fast ein Kontakt pro Woche. Bei 14 % bzw. 366 Personen lag die Kontakthäufigkeit zwischen 21 und 40 im Jahr, d. h. ungefähr ein Kontakt in vierzehn Tagen (2021: 313, 2020: 358). 24 % bzw. 612 Personen hatten 11 bis 20 Kontakte im Jahr, 57 % bzw. 1.471 Personen hatten < 10 Kontakte im Jahr.

Hierzu zählen folgende Personen:
- Klient*innen, die bereits im letzten Berichtsjahr vom SpDi betreut und begleitet wurden mit mindestens einem Kontakt im aktuellen Berichtsjahr.

Die Neuanfragen werden separat behandelt (siehe Seite 8).

Die Zahl der Klient*innen in der Grundversorgung ist um 7 % auf 2.139 Klient*innen angestiegen (2020: 1.850, 2021: 1.993).

· Geschlecht und Alter

Unter den 2.139 Klient*innen waren 1.206 Frauen (56 %), 930 Männer (44 %) und 3 Diverse (< 1 %).
Insgesamt waren 595 Personen (28 %) zwischen 51 und 60 Jahren alt, 486 Personen (23 %) waren 60 Jahre oder älter. Die Zahl älterer Personen in der Betreuung hat zugenommen. Auch die Gruppe der Personen, die zwischen 41 und 50 Jahren alt waren, ist groß und liegt bei 19 %. Zwischen 28 und 40 Jahren waren 413 Personen, ebenfalls 19 %. Bei 60 Personen (3 %) war das Alter nicht bekannt. 180 Personen (8 %) waren 18 bis 27 Jahre alt.

· Familienstand und Lebensverhältnisse

Von den 2.139 Klient*innen waren 1.196 Personen (56 %) ledig. Geschieden waren 410 Personen, 71 Personen lebten getrennt weitere 64 Personen waren verwitwet. Verheiratet waren 276 Personen. Bei 122 Personen war zum Zeitpunkt der Erhebung der Familienstand unklar oder nicht bekannt.

56 % der Klient*innen in der Grundversorgung lebten allein (1.192 Personen). 12 % bzw. 265 Personen lebten mit den Eltern oder Angehörigen zusammen. 12 % bzw. 250 Personen lebten mit einer (Ehe-)Partnerin/einem (Ehe)-Partner zusammen. 5 % bzw. 111 Personen lebten in einer privaten Wohngemeinschaft. 4 % bzw. 78 Personen lebten mit der (Ehe-)Partnerin/dem (Ehe)-Partner und (minderjährigen) Kindern zusammen. 3 % bzw. 70 Personen waren alleinerziehend mit minderjährigen Kind(ern) im Haushalt. 2 % bzw. 46 Personen lebten in einer betreuten Wohnform, weitere 2 % bzw. 44 Personen waren ohne festen Wohnsitz. Bei 2 % bzw. 50 Personen waren die Lebensverhältnisse nicht näher bekannt. 2 % bzw. 33 Personen hatten „Sonstige“ Lebensverhältnisse (lebten z. B. in einer Einrichtung der Wohnungsnotfallhilfe oder in einer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete).

· Betreute Klient*innen mit minderjährigen Kindern

243 Klient*innen in der Grundversorgung (179 Mütter und 64 Väter) bzw. 11 % (2021: 230 Klient*innen) haben minderjährige Kinder.

Im Jahr 2022 waren das 382 Kinder, davon 202 Mädchen und 180 Jungen. 206 Kinder (54 %) lebten zusammen mit ihren Eltern im Haushalt. 70 Klient*innen waren alleinerziehend. Bei 152 Kindern (40 %) bestand Kontakt zu einem Beratungszentrum des Jugendamtes. Bei 97 Kindern (25 %) fand eine Kinder- oder Jugendhilfemaßnahme statt.

· Finanzielle Situation

Das Einkommen bzw. der Lebensunterhalt teilte sich wie folgt auf: Arbeitslosengeld II erhielten 575 Personen (27 %). 469 Personen (22 %) erhielten eine Erwerbs-/Berufsunfähigkeitsrente. Nur 13 % (2021: 11 %) bzw. 268 Klient*innen waren sozialversicherungspflichtig beschäftigt und gingen einer Erwerbs- bzw. Berufstätigkeit nach. 216 Personen (10 %) erhielten Grundsicherung nach SGB XII, 157 Personen (7 %) erhielten eine Altersrente, Pension oder Witwenrente. 113 Personen erhielten Unterhaltsleistungen durch die Ehepartnerin/den Ehepartner oder die Familie (5 %). Krankengeld erhielten 74 Personen (4 %). 48 Personen bezogen Arbeitslosengeld I (2 %). 32 Personen hatten eigenes Vermögen/Ersparnisse (1 %). Bei 143 Personen war das Einkommen unbekannt (7 %). 15 Personen besuchten eine WfbM (< 1 %), 10 Personen (< 1 %) bekamen Übergangsgeld und 6 Personen (< 1 %) gingen Gelegenheitsarbeiten nach. 13 Personen (< 1 %) hatten ein „Sonstiges“ Einkommen.

· Psychiatrische Hauptdiagnosen

815 Personen (38 %, 2021: 39 %) hatten als Hauptdiagnose eine Schizophrenie, eine schizotype und wahnhafte Störung. 806 Personen (38 %, 2021: 35 %) eine affektive Störung z. B. eine Depression oder Manie. 239 Personen (11 %, 2021:12 %) hatten eine Persönlichkeits- und Verhaltensstörung (z. B. Borderline-Persönlichkeitsstörung). 111 Personen (5 %) hatten eine neurotische Belastungs- und somatoforme Störung. Bei 105 Personen (5 %) war die psychiatrische Diagnose nicht bekannt. Eine andere psychiatrische Hauptdiagnose hatten 63 Personen (3 %), darunter 16 Personen mit einer psychischen und Verhaltensstörung durch psychotrope Substanzen (z. B. Sucht), 14 Personen hatten eine organische, einschließlich symptomatische psychische Störungen (z. B. Demenz), 12 Personen hatten eine verhaltens- und emotionale Störung beginnend in der Kindheit und Jugend. 10 Personen hatten eine Entwicklungsstörung, 7 Personen hatten eine Verhaltensauffälligkeit mit einer körperlichen Störung (z. B. Essstörung), 4 Personen hatten eine Intelligenzminderung.

· Komorbidität

Die Zahl der Menschen mit Komorbidität (zusätzlich zu einer psychiatrischen Hauptdiagnose als Grunderkrankung vorliegendes, diagnostisch abgrenzbares Krankheits- oder Störungsbild) ist hoch und lag bei 53 %. Mehrfachnennungen wurden hier berücksichtigt.

727 Personen (34 %) hatten zusätzlich eine behandlungsbedürftige körperliche Erkrankung. 253 (12 %) hatten zusätzlich eine behandlungsbedürftige Suchtproblematik. 95 Personen (4 %) hatten zusätzlich eine behandlungsbedürftige neurologische Erkrankung (z. B. Epilepsie, Parkinson, Chorea Huntington), 60 Personen (3 %) hatten eine Intelligenzminderung.

· Ärztliche Versorgung

Die 2.139 Klient*innen in der Grundversorgung wurden folgendermaßen medizinisch versorgt. Mehrfachnennungen sind möglich.

1.640 Klient*innen (77 %) waren an eine allgemeinmedizinische Versorgung angebunden. 1.351 Klient*innen (63 %) waren in psychiatrischer Behandlung, davon 938 Personen (44 %) bei einem niedergelassenen Psychiater (2021: 942 Klient*innen) und 413 Personen (19 %) (2021: 489 Klient*innen) bei einer Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA). 447 Klient*innen (21 %) hatten 2022 eine psychiatrische Krankenhausbehandlung, davon waren 234 Personen mehrfach in der Klinik, 113 Klient*innen (5 %) waren in keiner ärztlichen Behandlung (2021: 112 Klient*innen).

· Art und Umfang der Betreuungskontakte

Insgesamt gab es im Jahr 2022 über 31.500 Betreuungskontakte mit den Klient*innen der Grundversorgung. Mehrfachnennungen wurden berücksichtigt.

36 % waren telefonische Beratungen, 27 % der Beratungen erfolgten in der Dienststelle des SpDi im GPZ. 13 % waren Kontakte mit einem Kooperationspartner/Fallberatung wie z. B. mit dem Teilhabemanagement des Sozialamts oder den Fachberatungsstellen der Wohnungsnotfallhilfe. 12 % waren Beratungen per E-Mail, inklusive Online-Beratungen. Zukünftig soll auch die Online-Terminvergabe angeboten bzw. ausgebaut werden. 9 % wurden im Rahmen der aufsuchenden Betreuung durchgeführt, hierzu zählen Hausbesuche, Krankenhausbesuche, die Begleitung zum Arzt und bei Behördengängen usw. Weitere 3 % der Kontakte bestanden mit Angehörigen und dem sozialen Umfeld z. B. Kontakt zu Nachbar*innen. Die restlichen Kontakte verteilen sich auf Gruppenberatungen und Gruppenangebote.

· Zusammenarbeit mit anderen Hilfesystemen und weiteren Hilfen

Im Jahr 2022 wurde bei 317 Klient*innen (14 %) mit folgenden Hilfesystemen kooperiert:
- Wohnungsnotfallhilfe: 132 Klient*innen

- Jugendhilfe: 102 Klient*innen

- Suchthilfe: 53 Klient*innen
- Altenhilfe: 30 Klient*innen

Bei 1.170 Klient*innen (55 %) der insgesamt 2.139 Klient*innen der Grundversorgung wurde mit weiteren Hilfen kooperiert bzw. wurden weitere Hilfen installiert, um die Klient*innen des SpDi optimal begleiten und versorgen zu können. Dies betraf bei 229 Klient*innen (11 %) die gesetzliche Betreuung, mit der entweder kooperiert wurde oder eine gesetzliche Betreuung installiert wurde. Bei 199 Klient*innen (9 %) wurde mit der GPZ-Tagesstätte oder dem Zuverdienst-Angebot im GPZ kooperiert. Bei 187 Klient*innen (9 %) wurde ein zusätzliches Pflegeangebot installiert (ambulante Pflegeleistungen bzw. häusliche psychiatrische Krankenpflege). Bei 116 Klient*innen (5 %) wurde zusätzlich eine psychologische oder ärztliche Psychotherapie installiert. Bei 4 % der Klient*innen (91 Personen) wurde auch zu anderen Hilfen im Sozialraum vernetzt wie z. B. zu Kirchengemeinden. Weitere 4 % betrafen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (WfbM, Integrationsfachdienst, Berufsbildungsbereich o. ä.). Mit der Selbsthilfe wurde bei 23 Klient*innen (2 %) kooperiert. Bei 239 Klient*innen (11 %) war „Sonstiges“ angegeben.

· Beendigungen der Betreuung

Im Jahr 2022 wurde die Betreuung bei 537 Klient*innen in der Grundversorgung beendet. Davon erfolgten 161 Beendigungen (30 %) einseitig durch einen Abbruch der Klient*innen, bei 126 Personen (24 %) wurde die Betreuung durch die Weitervermittlung in eine Anschlussbetreuung durch einen anderen psychiatrischen Fachdienst beendet. Bei 93 Personen (17 %) wurde die Betreuung im gegenseitigen Einvernehmen ohne eine Weiterbetreuung durch einen anderen psychiatrischen Dienst beendet. Bei 80 Personen (15 %) wurde die Betreuung beendet aufgrund eines Umzugs und damit dem Ende der regionalen Zuständigkeit. Bei 40 Personen (7 %) führten sonstige Gründe zum Ende der Betreuung (z. B. Haft, Forensik). Bei 19 Personen (4 %) beendete der SpDi die Betreuung. 16 Personen (3 %) sind verstorben, davon 3 Personen durch einen Suizid. In 2 Fällen (<1 %) wurde die Betreuung in der Grundversorgung durch den Übergang in Soziotherapie beendet.

Zu Neuanfragen zählen:
- Personen (ausschließlich Klient*innen), die das erste Mal mit dem SpDi in Kontakt treten

- Personen (ausschließlich Klient*innen), bei denen der letzte Kontakt mit dem SpDi mehr als ein Berichtsjahr zurückliegt

Im Jahr 2022 wurden insgesamt 1.773 Neuanfragen an die SpDi gestellt.

Die Zuweisungswege waren unterschiedlich. 527 Klient*innen (30 %) haben sich eigeninitiativ beim SpDi gemeldet. 389 Personen (22 %) waren der Kategorie „Sonstiges“ zugeordnet bzw. kamen von „anderen Beratungsstellen“, der Selbsthilfe oder einer EUTB-Stelle. 258 Klient*innen (15 %) kamen auf Initiative oder Intervention ihres sozialen Umfelds (z. B. Nachbarn, Angehörige). 244 Klient*innen (14 %) kamen über die (Tages-)Kliniken oder die PIA. 57 Klient*innen kamen über einen niedergelassenen Psychiater/Nervenarzt (3 %). 54 Klient*innen (3 %) wurden von der Wohnungsnotfallhilfe auf den SpDi aufmerksam gemacht. Aus einer Einrichtung der Eingliederungshilfe (Besondere Wohnform, Ambulant Betreutes Wohnen, Betreutes Wohnen in Familien) kamen weitere 50 Klient*innen (3 %). Vom Amt für Öffentliche Ordnung wurden 45 Klient*innen (3 %) weitergeleitet. Über das Jobcenter kamen 34 Klient*innen (2 %). Über ihre gesetzliche Betreuung wurden 25 Klient*innen (1 %) an den SpDi verwiesen. Von ihrem Hausarzt und aus dem Sozialamt wurden jeweils 24 Klient*innen (1 %) an den SpDi weitergeleitet. 15 Personen (< 1 %) kamen über ihren Psychotherapeuten.11 Personen kamen von einer Suchtberatungsstelle (< 1 %), 8 Personen (< 1%) kamen aus einer forensischen Abteilung, 6 Personen (< 1 %) vom Gesundheitsamt. 2 Personen (< 1 %) wurden aus der Tagesstätte des GPZ an den SpDi verwiesen.

Von den Neuanfragen im Jahr 2022 waren 1.106 Kurzberatungen. Diese beziehen sich ausschließlich auf Neuanfragen im Berichtsjahr mit weniger als 5 Kontakten (ausschließlich Klient*innen). Kurzberatungen zählen dem Grunde nach ebenfalls zur Grundversorgung der SpDi. Die Dienste erreichen jedoch aufgrund ihrer Niederschwelligkeit teilweise auch Anfragen außerhalb ihrer Zuständigkeit. Diese werden als Kurzberatungen erfasst.

Weitervermittelt wurden 189 Klient*innen, davon 104 Personen an „Sonstige Einrichtungen“. 30 Personen wurden an die Suchthilfe vermittelt, 24 Personen an eine Einrichtung/Anbieter von Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB IX (z. B. Wohnanbieter, Leistungsträger). Jeweils 11 Personen wurden in ein Angebot der medizinischen und beruflichen Rehabilitation oder die Wohnungsnotfallhilfe vermittelt. 6 Personen wurden an den Integrationsfachdienst (IFD) weitervermittelt. Bei 3 Personen wurde Soziotherapie nach SGB V vermittelt.

Vergleichbarkeit neue Erhebung

Da die neu eingeführte „Dokumentation der Sozialpsychiatrischen Dienste Baden-Württemberg“ im Jahr 2022 erstmalig verpflichtend eingeführt wurde, sind Vergleiche zu den vorherigen Erhebungen aufgrund der veränderten Items nur eingeschränkt möglich. Durch die Erhebungen der kommenden Jahre werden Langzeitvergleiche und Entwicklungen dokumentiert werden.

Es wird positiv bewertet, dass die Erhebung verpflichtend für alle Sozialpsychiatrischen Dienste in Baden-Württemberg auszufüllen ist, um eine Vergleichbarkeit und Übersicht über das gesamte Land zu erhalten.

Soziodemografische Daten

Wie auch in den letzten Jahren sind leichte Schwankungen im Bereich der soziodemografischen Daten von Klient*innen zu beobachten. Die wesentlichen Faktoren wie Diagnosen, Familienstand, Alter und Geschlecht zeigen jedoch keine signifikanten Veränderungen im Vergleich zu den Vorjahren. Grundsätzlich nimmt die Anzahl älterer Personen in der Betreuung zu. 23 % der Klient*innen war 60 Jahre oder älter.

Auswirkungen der Corona-Pandemie

Auch das Jahr 2022 war noch durch die Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen geprägt. Die Aufgabe der SpDi bestand auch drin, Personen, die sich durch die coronabedingten Einschränkungen weiter zurückgezogen haben, wieder zu mobilisieren und die Kontakte zu intensivieren.

Das Thema „Kinder psychisch kranker Eltern“ muss vor dem Hintergrund der Erfahrungen während der Pandemie und unter dem Fokus der Prävention stärker diskutiert werden. 11 % der Klient*innen in der Grundversorgung haben minderjährige Kinder, 206 Kinder (54 %) lebten zusammen mit ihren Eltern im Haushalt. Die „Handlungsempfehlungen zur kommunalen Zusammenarbeit im Themenfeld Kinder psychisch- und suchterkrankter Eltern in Baden-Württemberg“ des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg werden dabei berücksichtigt. Stuttgart ist zu diesem Thema mit verschiedenen Angeboten wie „Aufwind“, „Pro Kids“, „Verrückt? Na und!“, die miteinander vernetzt sind, strukturell und fachlich gut aufgestellt.

Schnittstellen zu anderen Hilfesystemen

Die Koordination der Hilfen nimmt viel Raum ein. Die Schnittstellenarbeit mit anderen Hilfesystemen ist weiter zu intensivieren, auch deshalb, da die Zahl der Klient*innen mit Komorbidität bei 53 % liegt. Die Arbeit an den Schnittstellen wird in den nächsten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Schnittstelle zur Pflege: 34 % der Klient*innen haben zusätzlich eine behandlungsbedürftige körperliche Erkrankung. Weitere 4 % haben zusätzlich eine behandlungsbedürftige neurologische Erkrankung.

Schnittstelle zur Suchthilfe: 12 % der Klient*innen haben zusätzlich eine behandlungsbedürftige Suchtproblematik.

Schnittstelle zur Jugendhilfe: 8 % der Klient*innen sind 18 bis 27 Jahre alt. Die Jugendhilfe ist jedoch eine wichtige Kooperationspartnerin der SpDi. Eine Herausforderung besteht darin, den (präventiven) Blick auch auf junge Menschen zu richten, da die Corona-Pandemie bei vielen möglicherweise Spuren auch im Hinblick auf die Entstehung psychischer Erkrankungen hinterlassen hat.

Schnittstelle zur Wohnungsnotfallhilfe: 2 % der Klient*innen waren ohne festen Wohnsitz. 30 % der Beendigungen erfolgten im Jahr 2022 einseitig durch einen Abbruch durch die Klient*innen. Die Anzahl derer, die nun im Hilfesystem der Wohnungsnotfallhilfe untergebracht sind, ist nicht bekannt. Die Intensivierung zwischen dem Hilfesystem und im Rahmen der integrierten Planung wird weiterverfolgt.

Mit GRDrs 253/2019 „Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Situation von Menschen in ordnungsrechtlicher Unterbringung in Sozialunterkünften“ hat das Sozialamt über die Situation in den Sozialunterkünften für Wohnungslose berichtet und Handlungsempfehlungen formuliert, wie die Lebensbedingungen in diesen Unterkünften verbessert werden können.

Im Anschluss haben drei Arbeitsgruppen zu den Themen „Familien und Alleinerziehende“, „Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf“ (vor allem psychische Erkrankung) und „Umgang mit Gewalt in Sozialunterkünften“ diese Handlungsempfehlungen zu konkreten Vorschlägen ausgearbeitet. Die Zwischenergebnisse wurden in GRDrs 648/2020 „Die Stuttgarter Wohnungsnotfallhilfe 2021 – Grundlagen und Ziele“ vorgestellt und der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart hat in seiner Sitzung am 04.02.2021 das Sozialamt beauftragt, hieraus Umsetzungsvorschläge zu erarbeiten. Mit GRDrs 1016/2020 „Verbesserung der Situation in Sozialunterkünften – Abschlussbericht der Arbeitsgruppen“ wurden die Ergebnisse des Sozialplanungsprozesses präsentiert.

In diesem Zusammenhang stellten der Caritasverband für Stuttgart e. V. und das Klinikum Stuttgart gKAöR, Zentrum für Seelische Gesundheit, zum Doppelhaushalt 2022/2023 den Antrag auf Gewährung eines Zuschusses zum Projekt „sozialpädagogischer Präsenzdienst der Gemeindepsychiatrischen Zentren (GPZ) in zwei Schwerpunktunterkünften“. Ziel ist, Wohnungslose mit psychischen Erkrankungen in ihrer Lebenssituation zu stabilisieren und bei Bedarf langfristig an das Hilfesystem der Sozialpsychiatrie anzubinden. Die Konzeption wird aktuell als vierjähriges Projekt erprobt, die bisher gemachten Erfahrungen sind gut (GRDrs 517/2022 Schaffung eines sozialpädagogischen Präsenzdienstes der Gemeindepsychiatrischen Zentren in zwei Sozialhotels).

Schnittstelle zur Flüchtlingshilfe: 4 % der Betreuten hatten einen Fluchthintergrund. Die Kontakte zu psychisch kranken Personen, die in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete in Stuttgart wohnen, bestehen.

Um die Situation in der Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen in S-Heumaden zu stabilisieren, hat die Evangelische Gesellschaft Stuttgart e. V. für das GPZ Sillenbuch zur Umsetzung eines Präsenzdienstes in der Flüchtlingsunterkunft Kirchheimer Straße die Förderung von 1,5 Fachkraftstellen mit sozialpsychiatrischem und interkulturellem Profil für den Doppelhaushalt 2024/2025 beantragt. In der Gemeinschaftsunterkunft leben ca. 200 Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Alters und Geschlechts, zum Teil mit Kindern und unterschiedlichem Aufenthaltsstatus auf engem Raum zusammen. Die Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete verfügt über 25 Einzelzimmer, in denen ausschließlich geflüchteten Menschen mit psychischen Auffälligkeiten bzw. mit diagnostizierten psychiatrischen Erkrankungen untergebracht sind (GRDrs 185/2023 Schaffung eines sozialpsychiatrischen Präsenzdienstes der Gemeindepsychiatrischen Zentren (GPZ) in der Flüchtlingsunterkunft Kirchheimer Straße in S-Heumaden").


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