Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 612/2019
Stuttgart,
07/04/2019


Übergangsfinanzierung für Prostituierte während des Ausstiegsprozesses



Mitteilungsvorlage zum Haushaltsplan 2020/2021


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich22.07.2019

Bericht:

In Stuttgart gehen lt. Statistik der Polizei aus dem Jahr 2017 (aktuellere Zahlen wurden durch die Polizei noch nicht freigegeben) 1.700 Frauen der Prostitution nach, 87% der Frauen sind Ausländerinnen.

Die Unterstützung zum Ausstieg aus der Prostitution und die Begleitung während dieses Prozesses sind zentrale Elemente des Stuttgarter Hilfesystems für Prostituierte (vgl. „Konzept zur Verbesserung der Situation der Prostituierten in Stuttgart“).
Aus den Berichten der Sozialarbeiterinnen, die Prostituierte vor, während und nach
ihrem Ausstiegsprozess betreuen, geht hervor, dass einige Frauen direkt nach dem Entschluss zum Ausstieg entweder gar keine Sozialleistungen nach SGB II oder SGB XII erhalten oder die Prüfung der Leistungsansprüche eine längere Bearbeitungszeit in Anspruch nimmt.


Während dieser Zeit sind die Frauen mittellos. Finanzielle Mittel sind jedoch notwendig, um für die unmittelbare Zeit nach dem Ausstieg kurzfristig Kosten für den Lebensunterhalt, die Wohnung, Fahrkarten oder medizinische Versorgung aufbringen zu können. Dies ist insbesondere für die Nachhaltigkeit des Ausstiegsprozesses wichtig. Es wird berichtet, dass einige Frauen trotz des Entschlusses aus der Prostitution auszusteigen, aufgrund fehlender finanzieller Möglichkeiten wieder in die Prostitution zurückkehren.

Insgesamt wurden durch die antragstellenden Institutionen im Jahr 2018 ca. 75 Frauen vor, während und nach dem Ausstieg aus der Prostitution betreut. Bekannt ist, dass ca. 13 zu betreuende Frauen nach ausführlicher Prüfung keinen Anspruch auf Leistungen nach SGB II bzw. SGB XII hatten.






Handlungsbedarf:

Um zu vermeiden, dass ausstiegswillige Frauen aufgrund fehlender finanzieller Mittel weiter bzw. wieder als Prostituierte arbeiten (müssen), sind folgende Handlungsmaßnahmen erforderlich:

1. Aufgrund der Komplexität der Prüfung von Leistungsansprüchen nach SGB II werden zusammen mit den Antragstellern und dem Jobcenter Maßnahmen erarbeitet und Vereinbarungen getroffen, die dazu beitragen, Transparenz über die Vorgehensweise der Antragsstellung sowohl für die Sozialarbeiterinnen als auch für die Mitarbeiter*innen des Jobcenters zu schaffen. Eine Maßnahme wäre hier, für die Sozialarbeiterinnen einen direkten Ansprechpartner beim Jobcenter zu benennen, der die Verfahrensanträge an die entsprechenden Mitarbeiter im eigenen Haus weiterleitet.
Ziel ist es, sowohl das Antragsverfahren zu vereinfachen, als auch die Zeit des Prüfungsverfahrens zu reduzieren.

2. Die Prüfung der Leistungsvoraussetzungen beim Jobcenter kann im Einzelfall sehr aufwendig sein. Wenn die Anspruchsvoraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind, können vom Jobcenter zeitnah auch vorläufig Leistungen erbracht werden.
Sofern ein Leistungsanspruch nicht überwiegend wahrscheinlich ist, sollen die Frauen bis zur abschließenden Prüfung mit Fördermitteln der Stadt Stuttgart finanziell unterstützt werden, damit diese ihren Lebensunterhalt finanzieren können.

Nach positiver Entscheidung auf einen Leistungsanspruch werden die der Frau zustehenden Mittel wieder dem Fördertopf zugeführt.

3. Haben Frauen nach ausreichender Prüfung keine Ansprüche auf Sozialleistungen nach SGB II, erhalten diese Frauen als Freiwilligkeitsleistung eine Förderung in maximal der Höhe des sich ergebenden Regelsatzes nach SGB II zuzüglich Mietkosten bis zur jeweils geltenden Mietobergrenze sowie Fahrtkosten nach Beleg für maximal 4 Monate. Diese Leistung endet, sobald die Frauen Ansprüche aus den genannten Sozialgesetzbüchern erhalten, z.B. bei Aufnahme eines Minijobs im Rahmen von Plan P.

In Einzelfällen kann eine Prüfung auf Leistungsberechtigung nach SGB XII erforderlich sein. Sollten sich nach erfolgter Prüfung keine entsprechenden Ansprüche ergeben, wird analog wie in Pkt. 3 beschrieben, verfahren.

Abwicklungsverfahren:
Die Berechnung der beantragten Fördersumme richtet sich nach der Anzahl der Frauen, die aus Erfahrungen der Antragsteller im Jahr 2018 keinen Anspruch auf Sozialleistungen erhalten haben und wird auf (maximal) 15 Frauen festgelegt. Erfahrungsgemäß dauert die Orientierung nach dem Ausstieg bis zur endgültigen Leistungsinanspruchnahme, d.h. Aufnahme von Minijobs o.ä., bis zu 4 Monate. Der Bedarf für den Lebensunterhalt in Stuttgart (Regelsatz nach SGB II, Miete bis zur Mietobergrenze, Fahrtkosten etc.) wird in Stuttgart mit einem Durchschnittsbetrag von rd. 1.000 € angesetzt, so dass sich ein Volumen der Freiwilligkeitsleistung von insgesamt 60.000 € (15 x 4 x 1.000 €) ergibt. Diese Mittel werden beim Gesundheitsamt verwaltet.

Die Auszahlung durch das Gesundheitsamt erfolgt nach vorab definierten Kriterien, die durch alle Beteiligten gemeinsam festgelegt werden. Dieser Kriterienkatalog beinhaltet einen Vermerk, dass die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Leistungen aus
SGB II und SGB XII entweder geprüft und abgelehnt wurden oder sich die Prüfung in Bearbeitung befindet. Sind alle Kriterien zur Auszahlung erfüllt, werden die Mittel durch die Sozialplanung freigegeben und an die Institutionen ausgezahlt. Bei Rückfragen durch die Sozialplanung stehen vorab durch die Institutionen benannte Ansprechpartner*innen zur Verfügung.
Die Auszahlung der monatlichen Leistung in der sich jeweils errechnenden Höhe wird von den Antragstellern beim Gesundheitsamt beantragt und von den jeweiligen Trägern verwaltet. Die Frauen erhalten durch die Träger einen Pauschalbetrag in Höhe des aktuellen Regelsatzes nach SGB II. Weitere Auszahlungen erfolgen nur nach Beleg. Gelder, die durch die Frauen nicht in Anspruch genommen wurden, werden ans Gesundheitsamt zurücküberwiesen und verbleiben im Fördertopf.
Ebenso werden im Sinne der Subsidiarität die Gelder wieder in den Fördertopf zurückgeführt, wenn nach erfolgreicher Prüfung ein Anspruch auf Leistungen anderer Träger bestanden hat.

Um Doppelauszahlungen zu vermeiden, ist es notwendig, dass die hilfebedürftige Frau eine Datenschutzerklärung unterzeichnet, da personenbezogene Daten durch die Träger an die Sozialplanung des Gesundheitsamtes weitergeleitet werden.
Der Förderantrag ist zunächst befristet für den Haushalt 2020/2021.


Antragsteller: Gesundheitsamt Bereich Sozialarbeit in der Prostitution, Caritasverband e.V., Lagaya e.V., Frauenunternehmen ZORA gGmbH, Esther Ministries e.V., Gesundheitsamt, Sozialplanung Prostitution

Finanzielle Auswirkungen


Ergebnishaushalt (zusätzliche Aufwendungen und Erträge):
Maßnahme/Kontengr.
2020
TEUR
2021
TEUR
2022
TEUR
2023
TEUR
2024
TEUR
2025 ff.
TEUR
Übergangsfinanzierung für Prostituierte im Ausstiegsprozess/430
60
60
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Finanzbedarf
60
60
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(ohne Folgekosten aus Einzelmaßnahmen, Investitionen oder zusätzlichen Stellen – diese bitte gesondert darstellen)


Mitzeichnung der beteiligten Stellen

Das Referat AKR hat Kenntnis genommen. Haushalts- und stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen erfolgen.

Referat WFB hat Kenntnis genommen, weist aber darauf hin, dass es sich bei manchen Begünstigten der vorgeschlagenen freiwilligen Sozialleistung um einen Personenkreis handeln kann, für den der Bundesgesetzgeber nach § 7 Abs. 1 SGB II bzw. § 23 Abs. 3 SGB XII - nicht zuletzt auf Betreiben der kommunalen Spitzenverbände - eine Sozialleistungsberechtigung explizit ausgeschlossen hat. Bei einer Evaluation der Maßnahme vor einer eventuellen Verlängerung der Befristung über das Jahr 2021 hinaus ist deshalb auf diesen Aspekt gesondert einzugehen. Im Übrigen sieht Referat WFB die Einführung einer weiteren städtischen Freiwilligkeitsleistung im Gesamtkontext der anstehenden gesetzlichen und freiwilligen Aufgaben und vor dem Hintergrund einer sich zunehmend eintrübenden Konjunktur als kritisch an.
.






In Vertretung





Isabel Fezer
Bürgermeisterin



Anlagen:

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