Protokoll:
Sozial- und Gesundheitsausschuss
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
129
1b
Verhandlung
Drucksache:
GZ:
Sitzungstermin:
24.10.2022
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BMin Dr. Sußmann
Berichterstattung:
die Vorsitzende, Frau Zorn und Herr Benneweg
(beide SozA)
Protokollführung:
Herr Krasovskij
th
Betreff:
Aktuelle Lage - Flüchtlingsaufnahme
- mündlicher Bericht -
Durch BMin
Dr. Sußmann
wird berichtet, dass zurzeit in den Stuttgarter Not- und Flüchtlingsunterkünften 3.382 Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht seien. Die Gesamtzahl der Geflüchteten in den Unterkünften betrage 7.689 Personen. Die derzeitige Kapazität in den Stuttgarter Not- und Flüchtlingsunterkünften sowie sonstigen angemieteten Objekten liege aktuell bei ca. bei 8.870 Plätzen.
Die Vorsitzende weist darauf hin, dass verlässliche Prognosen bezüglich Zuweisungen von Geflüchteten im Allgemeinen und Geflüchteten aus der Ukraine im Speziellen nach wie vor schwierig seien. Derzeit würde das Land keine Geflüchteten aus der Ukraine an Stadt- und Landkreise zuweisen, welche eine Plus-Quote aufweisen. In der Landeshauptstadt Stuttgart sei dies derzeit mit einem leichten Plus von 0,38 % der Fall.
Hingegen sei die Quote der Zuweisungen von regulär Geflüchteten (im Rahmen des üblichen Asylverfahrens) durch das Land nach Stuttgart zuletzt stark angestiegen. Während im September noch 135 Personen zugewiesen worden sind, sei die Zahl für den Monat Oktober auf 269 Personen angehoben worden. Die Vorsitzende betont, dass die Aufnahme und Betreuung der großen Anzahl von Geflüchteten einen großen Arbeitsaufwand durch die Verwaltung erfordere.
Gleichzeitig, so BMin Dr. Sußmann weiter, würden täglich etwa 9 Geflüchtete aus der Ukraine im zentralen Stuttgarter Ankunftszentrum "Arrival Ukraine" ankommen und müssten aufgenommen werden. Hier sei die Zahl der Ankommenden zuletzt wieder etwas angestiegen. Im Hinblick auf die Wintermonate müsse mit weiteren Zunahmen von Geflüchteten gerechnet werden, die direkt aus der Ukraine nach Deutschland fliehen, aber auch jenen, die vorher in den Nachbarländern Deutschlands wie Polen oder Tschechien untergebracht gewesen sind.
Angesichts der aktuellen Entwicklungen sehe die Verwaltung eine Anmietung weiterer Unterkünfte zur Unterbringung von Geflüchteten als erforderlich an. Entsprechende Beschlüsse würden dem Gemeinderat noch in dieser Woche zur Entscheidung vorgelegt. Im Einzelnen sei geplant das Containerdorf auf dem Wasen zu aktivieren, wo noch in diesem Monat bis zu 320 Personen untergebracht werden könnten. Zudem sei die Anmietung von Objekten in der Holderäckerstraße in Stuttgart-Weilimdorf (Unterbringungsmöglichkeit für bis zu 930 Personen) und der Zazenhäuser Straße in Stuttgart-Zuffenhausen (Unterbringungsmöglichkeit für bis zu 350 Personen) sowie Ende des Jahres eines Objektes im Guts-Muths-Weg in Stuttgart-Degerloch vorgesehen. Darüber hinaus plane man zum 01.11.2022 eine Aufstockung der Platzkapazitäten im Hotel Dormero in Stuttgart-Möhringen um weitere 200 Plätze sowie für das erste Quartal 2023 die Anmietung eines Objektes in der Rotebühlstraße (sofern hier baurechtliche Genehmigungsfragen geklärt werden können). Ebenfalls im ersten Quartal 2023 solle ein Neubau einer Container-Anlage in Stuttgart-Feuerbach (Bosch) erfolgen. Als weitere potentielle Unterbringungsmöglichkeiten nennt BMin Dr. Sußmann die Anmietung des ehemaligen Hotels Hansa in der Silberburgstraße sowie einen Umbau des Pavillons auf dem Eiermann-Campus (frühestens im zweiten Quartal 2023 möglich).
Parallel zu den Überlegungen bezüglich der Anmietung neuer Objekte zur Unterbringung von Geflüchteten beschäftige sich die Verwaltung gerade intensiv mit der Frage möglicher Verlängerungen von befristeten Baugenehmigungen für die bestehenden Flüchtlingsunterkünfte in Systembauweise. Hier sei im Besonderen die Task Force Wohnen unter Führung von BM Fuhrmann eingebunden. Noch in diesem Jahr werde die Verwaltung dem Gemeinderat eine entsprechende Vorlage zu diesem Thema vorlegen. Die Vorsitzende erklärt, dass BM Fuhrmann heute aus Termingründen leider nicht zur Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses (SGA) kommen konnte, jedoch werde man versuchen, ihn zu einer der nächsten SGA-Sitzungen einzuladen, um ausführlicher über das Thema zu informieren.
Abschließend betont BMin Dr. Sußmann erneut das Ziel der Verwaltung bei der Unterbringung von Geflüchteten mittel- und langfristig die Notunterkünfte aufzugeben und längerfristige Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen, die eine gewisse Planungskapazität erlauben. In diesem Kontext erklärt die Vorsitzende, dass die aktuell leerstehende Halle in Stuttgart-Münster schnellstmöglich wieder ihrer normalen Nutzung zugeführt werden solle, sofern genügend andere Platzkapazitäten zur Unterbringung von Geflüchteten akquiriert werden können. Diese Frage solle bis Ende Oktober geklärt werden.
Im Verlauf der Aussprache werden die aktuellen und langfristigen Planungen der Verwaltung bezüglich der Unterbringung von Geflüchteten durch die Ratsmitglieder begrüßt. Es wird betont, dass man vor dem Hintergrund der Entwicklungen rund um den Ukraine-Krieg langfristig mit einer weiteren Zunahme von nach Stuttgart kommenden Geflüchteten rechnen müsse.
Nach einer Frage durch StRin
Sklenářová
(90/GRÜNE) zur konkreten Unterbringungssituation von Geflüchteten in den Stuttgarter Unterkünften, erklärt BMin
Dr. Sußmann
, dass den Menschen in der Regel die pro Person zur Verfügung stehenden 7 Quadratmeter Wohnfläche gewährt werden könnten. In Einzelfällen - falls keine andere Unterbringung möglich ist - werde der Wert ausnahmsweise unterschritten. Die Vorsitzende betont in diesem Kontext, dass angesichts der aktuellen Notsituation mit einem hohen Flüchtlingszustrom leider nicht immer bestmögliche Lösungen hinsichtlich der Form der Unterbringung der Menschen, der Betreuung und Begleitung sowie der Verteilung im Stadtgebiet garantiert werden könnten. Bei der Anmietung von Objekten zur Unterbringung von Geflüchteten sei die Verwaltung durch den nicht einfachen Immobilienmarkt in der Stadt eingeschränkt. Zudem müsse man sich an viele rechtliche Vorgaben (z. B. brandschutzrechtliche Vorgaben) halten, so dass nicht selten anfangs diskutierte Objekte nach einer Prüfung wieder verworfen werden müssten.
Nachdem die StRinnen
Sklenářová
und
Yüksel
(FDP) sich zum Thema private Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine erkundigt hatten, berichten Frau
Zorn
und Herr
Benneweg
(beide SozA), dass derzeit über 4.000 Geflüchtete aus der Ukraine in privaten Wohnverhältnissen untergekommen sind. Allerdings zeichne sich ab, dass viele nicht auf Dauer in diesen Wohnverhältnissen bleiben könnten. Denn am Anfang der Ukraine-Krise seien viele Wohnungsgeber noch von einer kurzzeitigen Interimslösung ausgegangenen. Bei manchen Wohnungen gebe es daher befristete Mietverträge mit einer fest terminierten Nachnutzung. In den letzten Wochen verzeichne man beim Sozialamt eine Zunahme von Anfragen zur Unterbringung von ehemals privat untergebrachten Geflüchteten. Die Stadt Stuttgart habe gegenüber diesen Menschen eine Unterbringungsverpflichtung, betont Herr Benneweg. Es sei schwierig, in diesem Kontext langfristige Prognosen zu treffen, allerdings gehe man davon aus, dass die Zahl der Menschen, die untergebracht werden müssen, künftig weiter steigen werde.
Im gleichen Zusammenhang erklärt BMin
Dr. Sußmann
mit Verweis auf den zu Beginn der Ukraine-Krise getätigten Aufruf der Stadtverwaltung an private Wohnungsgeber Wohnraum zur Verfügung zu stellen, dass leider sehr viele der angebotenen Wohnungen zum Teil in einem sehr schlechten Zustand (renovierungsbedürftig oder ohne Mobiliar) waren oder nur für wenige Monate zur Vermietung freistanden. Auf Grund dessen sei eine zeitnahe Belegung in vielen Fällen nicht möglich gewesen. Die Bürgermeisterin betont, dass die Verwaltung die Unterbringung von Geflüchteten in privaten Wohnungen durchaus als Teil einer mittel- bis langfristigen Lösung sehe, eine schnelle Abhilfe in der aktuellen Situation sei aber durch privaten Wohnraum nicht zu erwarten. Wichtig sei im Hinblick auf private Wohnungen ferner auch, dass in der angebotenen Unterkunft nicht nur Menschen aus der Ukraine, sondern auch andere Geflüchtete untergebracht werden könnten.
Im weiteren Verlauf der Aussprache berichtet die Vorsitzende nach einer Frage durch die StRinnen
Sklenářová
und
Meergans
(SPD), dass derzeit in den Not- und Flüchtlingsunterkünften für die sozialpädagogische Betreuung der Geflüchteten aus der Ukraine 20 Betreuungskräfte zur Verfügung stehen. Derzeit konnten noch nicht alle bei den Trägern geschaffenen Stellen besetzt werden, allerdings werde hier an einer schnellstmöglichen Lösung gearbeitet. Zugleich erklärt BMin Dr. Sußmann, dass in Zukunft ggf. überprüft werden müsse, ob die personelle Ausstattung mit sozialpädagogischen Betreuungskräften ausreiche, wenn die Zahl der Geflüchteten weiter stark zunehme.
StRin
Sklenářo
vá
macht im Folgenden darauf aufmerksam, dass das Land finanzielle Mittel für die Erstintegration von aus der Ukraine geflüchteten Roma und Sinti zur Verfügung gestellt habe und erkundigt sich, ob das Angebot in Stuttgart bereits in entsprechenden Fällen in Anspruch genommen worden sei. BMin
Dr. Sußmann
erklärt in diesem Zusammenhang, dass das Thema Roma und Sinti aus der Ukraine in Stuttgart im Vergleich zu anderen deutschen Städten bislang kaum eine Rolle spiele.
In ihren Wortmeldungen verweisen die StRinnen
Bulle-Schmid
(CDU) und
von Stein
(FW) auf die Verteilung der Geflüchteten in Stuttgart und betonen, dass im Stuttgarter Norden (Bad Cannstatt, Münster, Zuffenhausen) im Vergleich zu den südlichen Stadtbezirken (Plieningen, Möhringen, Birkach) besonders viele Geflüchtete untergebracht seien. Die Stadträtinnen plädieren für eine bessere Verteilung der Belegungsplätze auf alle Stuttgarter Stadtbezirke und erinnern an den gemeinsamen Wunsch von Gemeinderat und Verwaltung nach einer dezentralen Unterbringung von Geflüchteten im Sinne des "Stuttgarter Weges".
Im Weiteren bekräftigt StRin
Bulle-Schmid
die Notwendigkeit, die Halle in Stuttgart-Münster wieder ihrer normalen Nutzung zuzuführen und verweist auf große Belastungen für den Stadtbezirk aufgrund der aktuellen Situation.
Ferner stellt die Stadträtin angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen die Frage zur Diskussion, ob in den städtischen Flüchtlingsunterkünften zeitweise nicht von der Vorgabe 7 Quadratmeter Wohnfläche pro Person Abstand genommen und zu den früher üblichen 4,5 Quadratmetern zurückgekehrt werden sollte, um so, mehr Plätze schaffen zu können.
Im Folgenden nimmt StRin
Meergans
in ihrer Wortmeldung Bezug auf die Absicht der Verwaltung zur Anmietung des ehemaligen Hotels Hansa in der Silberburgstraße und macht darauf aufmerksam, dass die SIGNA-Gruppe einen Erwerb des Hotels beabsichtigt, um dort im Zusammenhang mit der Einigung mit der Stadt bezüglich des Vorkaufsrechts Eberhardstraße/Steinstraße Wohnungen zu schaffen. Aus Sicht der SPD-Gemeinderatsfraktion käme eine zwischenzeitliche Unterbringung von Geflüchteten im Hotel Hansa durchaus in Frage, so die Stadträtin, den geplanten Wohnungsbau dürfe dies aber nicht verhindern oder verzögern. BMin
Dr. Sußmann
sagt zu, dieses Thema mit der Bitte um Klärung an das Liegenschaftsamt weiterzuleiten.
Nachdem StRin
Silverii
(90/GRÜNE) im Zusammenhang mit langjährig geduldeten Geflüchteten (betrifft nicht die Geflüchteten aus der Ukraine, da diese einen Aufenthaltstitel erhalten) die aktuelle Debatte im Bund über die Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts und entsprechende Ländererlasse im Vorgriff auf diese Regelung angesprochen hatte und sich nach der Vorgehensweise in solchen Fällen in der Stadt Stuttgart erkundigt hatte, sagt die
Vorsitzende
zu, dieses Thema mit der Bitte um Stellungnahme an die Ausländerbehörde weiterzuleiten.
Danach stellt BMin
Dr. Sußmann
fest:
Der Sozial- und Gesundheitsausschuss hat vom Bericht
Kenntnis genommen
.
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