Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 764/2018
Stuttgart,
09/19/2018


Gemeindepsychiatrischer Verbund Stuttgart (GPV):
Sozialpsychiatrische Dienste - Sachstand 2017




Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich22.10.2018

Kurzfassung des Berichts:
Ausführlicher Bericht siehe Anlage 1

Mit der GRDrs 724/2017 „Gemeindepsychiatrischer Verbund Stuttgart (GPV): Sozialpsychiatrische Dienste - Sachstand 2016“ wurde zuletzt über die Entwicklungen in den Sozialpsychiatrischen Diensten (SpDi) berichtet.

Gemäß des am 01.01.2015 in Kraft getretenen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (PsychKHG) Baden-Württemberg ist der GPV Stuttgart ein Zusammenschluss „der Träger ambulanter, teilstationärer und stationärer Versorgungseinrichtungen und Angeboten der Selbst- und Bürgerhilfe“ (§ 7 PsychKHG) in der Landeshauptstadt Stuttgart. Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige und Bürgerhelfer sind dabei selbstverständlich Partner von Professionellen, Verwaltung und Kostenträgern.

Gemeindepsychiatrischer Verbund (GPV) – Sachstand 2017

Ziel des GPV ist die Bereitstellung eines umfassenden und koordinierten Leistungsangebotes für chronisch psychisch kranke Menschen in der Landeshauptstadt Stuttgart, um die ambulante Grundversorgung zu sichern. Die personenzentrierte Hilfe erfolgt wohnortnah und durch multiprofessionelle Zusammenarbeit.

Die zentralen Bestandteile der Versorgung im ambulanten Bereich werden jährlich evaluiert und ausgewertet. Die Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Erhebung sind Grundlage der Weiterentwicklung der Angebote.

Die Sozialpsychiatrischen Hilfen Stuttgarts werden außerdem mit den Diensten in anderen Stadt-und Landkreisen im Rahmen des GPV-Profils verglichen. Dem Sozial- und Gesundheitsausschuss wird jeweils dazu Bericht erstattet (vgl. GRDrs 301/2018 „Der Gemeindepsychiatrische Verbund Stuttgart (GPV) im Landesvergleich Baden-Württem-berg“).

Im GPV Stuttgart sind folgende Funktionsbereiche in acht Gemeindepsychiatrischen Zentren (GPZ) vorhanden, regional gegliedert und mit Versorgungsauftrag für den jeweiligen Sozialraum und durch sektorale Zuordnung mit den Psychiatrischen Kliniken in Stuttgart verbunden:


· Sozialpsychiatrische Dienste (SpDi)
· Gerontopsychiatrische Dienste (GerBera)
· Tagesstätten für chronisch psychisch Kranke
· Arbeitsprojekte / Beschäftigungsmöglichkeiten (SGB XII/SGB IX und SGB II)
· Psychiatrische Institutsambulanzen (PIA, SGB V)
· Häusliche Psychiatrische Pflege (SGB V)
· Soziotherapie (SGB V)
· Ambulant Betreutes Wohnen und Stationär Betreutes Wohnen (SGB XII/SGB IX)

Die SpDi leisten gemäß § 6 Abs. 1 PsychKHG die „sozialpsychiatrische Vorsorge, Nachsorge und psychosoziale Krisenintervention“ ... “sowie die Vermittlung sozialer Hilfen für insbesondere chronisch psychisch kranke Menschen.“ Dabei sind sie auch Ansprechpartner für Angehörige, Nachbarn und Kooperationspartner in ihrem Einzugsgebiet.

Die Entwicklungslinien der sozialpsychiatrischen Versorgung wurden im neuen „Landesplan der Hilfen für psychisch kranke Menschen in Baden-Württemberg“ (kurz: Landespsychiatrieplan) im Juli 2017 vorgestellt. Anlass für die umfassende Neuerarbeitung des aus dem Jahr 2000 stammenden Landespsychiatrieplans war das Inkrafttreten des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes am 1. Januar 2015. Hier ist in § 12 vorgesehen, dass das Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg einen Landespsychiatrieplan erstellt, der die Rahmenplanung für Personen mit psychischen Erkrankungen enthält.

Der Landespsychiatrieplan spricht sich für eine kluge Vernetzung der verschiedenen Hilfeangebote aus und hat empfehlenden Charakter. Darüber hinaus werden die Zielgruppen gerontopsychiatrisch erkrankter Menschen und Kinder psychisch kranker Eltern hervorgehoben.

Auf die besondere Bedeutung der Sozialpsychiatrischen Dienste wird im Landesplan der Hilfen für psychisch kranke Menschen in Baden-Württemberg explizit hingewiesen.


SpDi - Auswertung der Daten 2017 und Schlussfolgerungen

Im Jahr 2017 betrug die Gesamtzahl der Anfragen 3.682 (2016: 3.659). Im Vergleich zu den Vorjahren sind die Zahlen der Gesamtbetreuungen wie auch die langfristigen Kontakte (im Jahr 2017: 2.027 und im Jahr 2016: 2.030) annähernd gleichgeblieben. Pro Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter bedeutet dies im Durchschnitt 138 Gesamtbetreuungen und 76 langfristig betreute Menschen. Mit diesen Fallzahlen sind die Dienste ausgelastet und in der Lage, die Qualität und Quantität der Anfragen und Betreuungen weiterhin zu gewährleisten.

Das liegt nicht zuletzt an der guten Kooperation und der Vernetzung der verschiedenen Funktionsbereiche in einem Gemeindepsychiatrischen Zentrum, wie z. B. Tagesstätte, Psychiatrische Institutsambulanz, Betreutes Wohnen, Psychiatrische Pflege, Zuverdienstprojekte, sowie auch an der guten Zusammenarbeit mit den psychiatrischen Kliniken.

Wie im Vorjahr sind in den Diensten leichte Schwankungen hinsichtlich der soziodemographischen Daten der Klientinnen und Klienten zu beobachten. Insgesamt konnten aber hinsichtlich der Faktoren Diagnosen, Familienstand, Alter und Geschlecht keine signifikanten Veränderungen festgestellt werden. Der Anteil langfristig betreuter psychisch kranker Migrantinnen und Migranten ist leicht angestiegen auf 35 %. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung in Stuttgart stieg 2017 auf 44 %.

Insgesamt sind die Sozialpsychiatrischen Dienste in der Landeshauptstadt Stuttgart gut aufgestellt und werden ihrem sozialraumbezogenen aber auch sektorübergreifenden Auftrag gerecht. Der baden-württembergische Vergleich zeigt u. a., dass die Umsetzung des PsychKHG‘s in Stuttgart durch die Dienste und Einrichtungen zukunftsweisend vollzogen wurde.

Folgende Themen haben in Zukunft besondere Bedeutung:

· Ab dem Jahr 2018 werden die Fallzahlen der geflüchteten Menschen im Bereich SpDi gesondert evaluiert. Zur Unterstützung der Arbeit mit geflüchteten Menschen führen alle GPZ ab 2018 in ihrem jeweiligen Einzugsgebiet für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Flüchtlingshilfe Informationsveranstaltungen durch, um über die Leistungen und Angebote des GPZ zu informieren.

· Die Schnittstellenarbeit vor allem in den Themen Wohnungslosenhilfe, Suchthilfe, Jugendhilfe und Behindertenhilfe ist ressourcenintensiv, aufgrund der immer komplexer werdenden Problemlagen des Klientels aber zwingend notwendig. Hier sind bereits zahlreiche Projekte und Kooperationen umgesetzt worden.

· Welche Veränderungen durch die im „Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG)“ beschriebene stationsäquivalente Behandlung auf die Dienste zukommen, lässt sich derzeit noch nicht konkret vorhersagen.

· Im Rahmen der Überarbeitung der Verwaltungsvorschriften (VwV) für die SpDi in Baden-Württemberg bis 2020 werden ggf. auch fachliche Weichenstellungen vollzogen, bei der die Landeshauptstadt Stuttgart ihre fachliche Expertise einbringen wird.


Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

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Werner Wölfle
Bürgermeister





1. Ausführlicher Bericht

Ausführlicher Bericht

Sozialpsychiatrische Dienste (SpDi) in Stuttgart 2017

Fakten, Zahlen und soziodemografische Merkmale der langfristig betreuten psychisch kranken Menschen in den 8 SpDi

· Betreuungen:
Im Jahr 2017 gab es keine signifikanten Unterschiede in der Inanspruchnahme im Vergleich zu den Vorjahren. Die Gesamtzahl an Betreuungen ist im Vergleich zum Vorjahr um 0,6 % angestiegen, während die Zahl der langfristig betreuten Menschen nahezu gleichgeblieben ist (2.027 in 2017 gegenüber 2.030 in 2016).

In der Dokumentation der SpDi werden die Zahlen der Anfragen insgesamt sowie die soziodemografischen Daten der langfristig betreuten psychisch kranken Menschen erhoben.

· Gesamtzahl der Anfragen (indirekte, kurz- und langfristige Kontakte): 3.682


· Die Zahl der langfristigen Kontakte ist im Vergleich zu den Vorjahren in 2016 und 2017 fast unverändert.
200520062009201220152016 2017
1.6401.7341.9331.9892.0872.0302.027
· Pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter bedeutet dies im Durchschnitt 138 Gesamtbetreuungen und im Durchschnitt 76 langfristig betreute psychisch kranke Menschen. Die Betreuungen pro Fachkraftstelle sind deckungsgleich mit den Zahlen aus 2016.

· Insgesamt wurden 353 (2016: 411) langfristige Kontakte beendet, während gleichzeitig 615 neue langfristige Kontakte zu verzeichnen sind (2016: 577).
Beendete Kontakte
2016
2017
im gegenseitigen Einvernehmen
67
75
Klientin oder Klient beendete den Kontakt einseitig
92
78
Vermittlung in ein anderes Angebot
142
87
Klientin oder Klient ist verstorben
27
7
davon Suizide
5
4
regionale Zuständigkeit endete
54
64
Sonstige
29
42

· Bei 131 Klientinnen und Klienten fanden im Jahr 2017 mehr als 40 Kontakte statt, d. h. in der Regel einmal pro Woche, bei über 358 Klientinnen und Klienten zwischen 21 und 40 Kontakten, d. h. ungefähr ein Kontakt in vierzehn Tagen. Als Kontakt zählen Hausbesuche, Kontakte im Dienst und längere Telefonkontakte mit Dritten.

· Familienstand und Lebensverhältnisse Die folgenden Angaben beziehen sich auf die langfristigen Kontakte (2027) in 2017.
56,5 % der langfristig betreuten Klientinnen und Klienten sind ledig, 21 % geschieden und 14 % verheiratet; 57 % der Menschen leben allein; 15 % leben mit (Ehe-)Partner und 13 % mit Angehörigen zusammen.


· Der Altersdurchschnitt entspricht unverändert ungefähr dem Altersdurchschnitt der Gesamtbevölkerung mit einer leichten Tendenz hin zur älteren Bevölkerung und einer Unterrepräsentation der 18- bis 30-Jährigen. · Finanzielle Verhältnisse und Lebensverhältnisse
· Psychiatrische Hauptdiagnosen · Ärztliche Behandlung
· Die Zuweisungswege der neuen langfristigen Kontakte verteilen sich wie folgt:
Aus den psychiatrischen Kliniken einschließlich Institutsambulanzen wurden insgesamt 17,7 % der Klientinnen und Klienten vermittelt. 21 % wandten sich aus Eigeninitiative an die SpDi, während von den Angehörigen und Nachbarn 12,7 % vermittelt und 3 % (2016: 7,1 %) von den Jobcentern verwiesen wurden. Über die niedergelassenen Nervenärzte fanden 3,2 % den Weg zu den SpDi. Über die Wohnungsnotfallhilfe wurden 4 % der neuen langfristigen Kontakte vermittelt, über das Amt für öffentliche Ordnung 2,5 % und über das Sozialamt 2,5 %. Andere sozialpsychiatrische Einrichtungen vermittelten 7,4 % der Neuzugänge.


· Der Anteil langfristig betreuter psychisch kranker Migrantinnen und Migranten liegt bei 35 % (709 Klientinnen und Klienten), im vergangenen Jahr bei 33,4 %. Die Menschen stammen aus insgesamt 36 verschiedenen Nationen. So kommen 22 aus den Balkanstaaten, 20 aus osteuropäischen Staaten, 21 aus der Türkei, 14 aus Afrika. 10 Klientinnen und Klienten stammen aus dem Vorderen Orient und dem Irak, 14 aus Italien. Der Rest verteilt sich auf verschiedene Länder der anderen Erdteile.

· Psychisch kranke Eltern mit minderjährigen Kindern
Fazit

Im Vergleich zu den Vorjahren kann auch für 2017 festgehalten werden, dass die Zahlen der Gesamtbetreuungen wie auch der langfristigen Kontakte auf hohem Niveau konstant geblieben sind. Dies bedeutet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unverändert stark ausgelastet sind. Diese Arbeit geht einher mit hoher fachlicher Verantwortung, mit ausgeprägter fachlicher Kompetenz und intensivem Engagement aber auch mit hoher Arbeitszufriedenheit aufgrund der Gewissheit, eine gesellschaftlich wichtige wie wertvolle und allseits anerkannte Arbeit zu leisten.

Die Bausteine der Sozialpsychiatrischen Hilfen im Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV) befinden sich quantitativ wie qualitativ auf hohem Niveau.
In enger Kooperation mit den psychiatrischen Kliniken wird die regionale Versorgungsverpflichtung für die Landeshauptstadt Stuttgart umgesetzt: Kein(e) psychisch kranke(r) Stuttgarter Bürger oder Bürgerin muss wegen fehlender Angebote gegen seinen/ihren Willen außerhalb von Stuttgart untergebracht werden. Wenn dies in seltenen Einzelfällen vorkommt, bleibt die koordinierende Bezugsperson in kontinuierlichem Kontakt mit der jeweiligen Person und der Einrichtung, in der sie untergebracht ist, verbunden mit dem Ziel - so bald als möglich - ein Angebot in Stuttgart zur Verfügung zu stellen.


Die SpDi übernehmen dabei die Aufgabe der niederschwelligen, ambulant aufsuchenden, alltags- und lebensweltorientierten Grundversorgung. Sie stellen einen kontinuierlichen, niederschwelligen Zugang zu psychisch kranken Menschen her, die sich schwertun, überhaupt Hilfe anzunehmen.

Mit den weiteren Bausteinen des GPV - dem ambulant und stationär Betreuten Wohnen, den Tagesstätten mit den Zuverdienstprojekten, der Soziotherapie, der Psychiatrischen Pflege, dem Betreuten Wohnen in Familien, den Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern (Aufwind) - können die SpDi ihren Kernaufgaben nachkommen, nämlich eine bedarfsorientierte und regionale Pflichtversorgung.

Eine weitere, unverändert große Bedeutung hat die konkrete einzelfall- wie nichteinzelfallbezogene Arbeit im Gemeinwesen, im Sozialraum der (chronisch) psychisch kranken Menschen (und ihren Angehörigen), ein konstitutiver Bestandteil, niederschwelligen, flexiblen sozialpsychiatrischen Handelns im Alltag der Menschen.

Quelle: Jahresbericht der Sozialpsychiatrischen Dienste 2017


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