Protokoll:
Sozial- und Gesundheitsausschuss
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
176
3
Verhandlung
Drucksache:
GZ:
Sitzungstermin:
13.12.2021
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BMin Dr. Sußmann
Berichterstattung:
Herr Dr. Zsolnai (Schwerpunktpraxis f. Suchtmedizin)
Protokollführung:
Herr Krasovskij
fr
Betreff:
Aktuelle Arbeit der Stuttgarter Schwerpunktpraxis für Suchtmed. v. d. Hintergrund der jüngsten Bündelung des Angebots der Suchtmedizin in der Kriegsbergstr.
- mündlicher Bericht -
Zu Beginn berichtet Herr
Dr. Zsolnai
(Schwerpunktpraxis für Suchtmedizin) den Ratsmitgliedern ausführlich über die Arbeit der Stuttgarter Schwerpunktpraxis für Suchtmedizin. Er geht dabei insbesondere auf die Bündelung des Angebots der Suchtmedizin in der Kriegsbergstraße sowie die Herausforderungen für die Schwerpunktpraxis im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ein.
Derzeit würden in der Stuttgarter Schwerpunktpraxis rund 400 Patientinnen und Patienten im Rahmen einer Substitution behandelt, davon ca. 145 Patientinnen und Patienten im Diamorphinprogramm. Ferner seien weitere rund 500 Patientinnen und Patienten (die nicht substituiert würden) im Rahmen der allgemeinen suchtmedizinischen Grundversorgung, oder bspw. einer infektiologischen Behandlung, an die Praxis angebunden. Insgesamt seien in der Schwerpunktpraxis aktuell 9 Ärzte beschäftigt und es gebe ca. 18 Vollzeitstellen beim Pflegepersonal. Es bestünden enge Kooperationen zwischen der Schwerpunktpraxis und anderen Angeboten aus dem Suchthilfeverbund, wie der Suchtklinik des Klinikums Stuttgart, der Suchtberatungsstelle für substituierte Opiatabhängige Release Direkt oder dem kommunalen Suchthilfenetzwerk.
Herr Dr. Zsolnai berichtet weiter darüber, dass man in Zukunft in der Stuttgarter Schwerpunktpraxis den psychotherapeutischen Teil der Behandlung weiter ausbauen wolle und hierfür auch eine Psychologin eingestellt worden sei. Allerdings gebe es im Bereich der Suchtpsychotherapie lange Wartezeiten.
Als positiv habe sich vor allem auch aus räumlicher Sicht die Bündelung des Angebots der Suchtmedizin in der Kriegsbergstraße erwiesen. Im Jahr 2020 sei die 4. Etage medizingerecht umgebaut worden. Die Corona-Pandemie habe den Betrieb in der Schwerpunktpraxis jedoch stark eingeschränkt. Aus Gründen des Infektionsschutzes und zur Vermeidung von Kontakten sei die Vergabe der oralen Substitution nach Draußen in den Hinterhof verlegt worden. Erfreulicherweise habe es keine größeren Corona-Ausbrüche, sondern nur vereinzelte positive Fälle gegeben. Falls nicht anders möglich, habe man diese Patientinnen und Patienten zur Quarantäne in den städtischen Schutz-unterkünften untergebracht, wo vor Ort auch die Substitutionsbehandlung fortgesetzt werden konnte.
Ferner berichtet Herr Dr. Zsolnai, dass in den Räumlichkeiten der Schwerpunktpraxis in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder auch Impfaktionen stattgefunden hätten. Im Rahmen dieser konnte man ca. 4.000 Impfungen an die eigenen Patientinnen und Patienten sowie an auswärtige Impfwillige verabreichen.
Durch Corona habe die Schwerpunktpraxis auch einige neue Patientinnen und Patienten hinzugewonnen, die sich vorher ihr Substitut häufig illegal auf dem Schwarzmarkt besorgt hätten. Gerade zu Beginn der Pandemie sei dieser Schwarzmarkt aber nahezu zusammengebrochen. Auf Nachfragen aus dem Gremium eingehend, teilt Herr Dr. Zsolnai später mit, dass schätzungsweise ca. 80 % dieser neuen Patienten auch nach Entspannung der Pandemielage weiterhin in Behandlung verbleiben. Der Mediziner plädiert in diesem Zusammenhang dafür, dass gerade für solche Patienten, die sich früher ihr Substitut illegal besorgt haben, in Zukunft noch niedrigschwelligere Zugänge in das Suchthilfesystem geschaffen werden müssten. Dies sei nicht zuletzt auch deshalb wichtig, weil in der Szene als eine der Folgen der Corona-Pandemie eine zunehmende Aggressivität zu beobachten sei. Aufgrund von Komorbiditäten von Suchtabhängigkeiten mit psychiatrischen Erkrankungen nehme die Anzahl schwieriger Patienten in der letzten Zeit zu.
Abschließend macht Herr Dr. Zsolnai darauf aufmerksam, dass im Rahmen der Substitutionsmedizin in Zukunft ein Versorgungsengpass in der Stadt Stuttgart und der Region drohen könnte, da es in diesem Bereich aktuell ein massives Nachwuchsproblem gebe. Auf Bundesebene gebe es zwar bereits Ansätze für eine Verbesserung der Situation, allerdings sei keine schnelle Entspannung zu erwarten.
BMin
Dr. Sußmann
sowie die StRinnen
Rühle
(90/GRÜNE),
Bulle-Schmid
(CDU),
Meergans
(SPD),
Halding-Hoppenheit
(Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) und StR
Dr. Mayer
(AfD) bedanken sich bei Herrn Dr. Zsolnai und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schwerpunktpraxis für ihre wichtige Arbeit.
Die Bündelung des Angebots der Suchtmedizin in der Kriegsbergstraße wird durch die Stadträtinnen und Stadträte als positiv bewertet. Begrüßt werden auch der flexible Umgang mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie, der geplante Ausbau der psychotherapeutischen Betreuung und die Durchführung von Impfaktionen in der Schwerpunktpraxis.
Auf eine Rückfrage durch StRin
Rühle
zur aktuellen Raumsituation in der Schwerpunktpraxis eingehend, erklärt Herr
Dr. Zsolnai
, dass noch nicht abschließend bewertet werden könne, ob das Café und die Aufenthaltsräume größenmäßig ausreichen würden. Dies werde sich erst zeigen, wenn der Betrieb in der Praxis nach Ende der Corona-Pandemie normal ablaufen könne.
Nach einer Frage durch StRin
Halding-Hoppenheit
zum Thema Umgang mit Patientinnen und Patienten mit einem Migrationshintergrund berichtet der
Mediziner
, dass im Falle von sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten auf die Hilfe von Dolmetschern zurückgegriffen werde. Insgesamt aber sei der Anteil der Geflüchteten bei den Patienten der Schwerpunktpraxis eher gering.
StRin
Bulle-Schmid
spricht sich im weiteren Verlauf der Aussprache dafür aus, dass alles versucht werden müsse, um die Wartezeiten im Bereich der Suchtpsychotherapie nach Möglichkeit zu reduzieren.
Nachdem sich einige Ratsmitglieder zur geplanten Legalisierung von Cannabis zu Wort gemeldet hatten, macht BMin
Dr. Sußmann
den durch das Gremium begrüßten Vorschlag, sich im kommenden Jahr einmal ausführlicher mit diesem Thema im Sozial- und Gesundheitsausschuss zu beschäftigen. Um das Thema von verschiedenen Seiten her zu betrachten, werde man versuchen, verschiedene Fachexperten einzuladen, so die Bürgermeisterin.
Abschließend werden weitere wenige Verständnisfragen der Ratsmitglieder zur Arbeit der Stuttgarter Schwerpunktpraxis für Suchtmedizin durch Herrn
Dr. Zsolnai
beantwortet.
Danach stellt BMin
Dr. Sußmann
fest:
Der Sozial- und Gesundheitsausschuss hat vom Bericht
Kenntnis genommen
.
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