Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 96/2022
Stuttgart,
04/25/2022


Gemeindepsychiatrischer Verbund Stuttgart (GPV):
Sozialpsychiatrische Dienste (SpDi) - Sachstand 2021




Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich16.05.2022

Bericht:


Mit der GRDrs 225/2021 „Gemeindepsychiatrischer Verbund Stuttgart (GPV): Sozialpsychiatrische Dienste - Sachstand 2020“ wurde zuletzt über die Entwicklungen in den Sozialpsychiatrischen Diensten berichtet.

Der neue Berichtszeitraum 2021 war weiterhin durch die Corona-Pandemie-bedingten Einschränkungen für die Dienste und ihre Arbeit geprägt.

Gemeindepsychiatrischer Verbund (GPV) und Sozialpsychiatrische Dienste (SpDi) – Sachstand 2021 und Rückblick

Vor 40 Jahren, am 1. Mai 1982, nahmen die Sozialpsychiatrischen Dienste in Stuttgart (SpDi) im Rahmen des Modellprogramms des Landes Baden-Württemberg zum Ausbau der außerstationären psychiatrischen Versorgung ihre Arbeit auf.

Die Sozialpsychiatrischen Dienste bildeten den Ausgangspunkt und Kern eines breiten Spektrums an Einrichtungen und Diensten, die die regionale Versorgungsverpflichtung für alle chronisch psychisch kranken Menschen sicherstellen sollten. Betreute Wohnangebote, Gerontopsychiatrische Dienste, Tagesstätten mit Zuverdienstmöglichkeiten, psychiatrische Pflegedienste, Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern sowie Psychiatrische Institutsambulanzen bildeten später die Gemeindepsychiatrischen Zentren in Stuttgart. Träger dieser Hilfen sind der Caritasverband für Stuttgart e. V., die Evangelische Gesellschaft Stuttgart e. V. und das Klinikum Stuttgart, Zentrum für Seelische Gesundheit. Der Dialog mit Psychiatrie-Erfahrenen, Angehörigen und Bürgerhelfer*innen war und ist dabei ein wichtiger Bestandteil des Austausches auf Augenhöhe.

Auf einer Jubiläumsveranstaltung am 10. Mai 2022 wurde dieser Entwicklungsprozess von den Sozialpsychiatrischen Diensten hin zum Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV) dargestellt und die Frage nach den aktuellen und zukünftigen Aufgaben und Herausforderungen diskutiert.


Ziel des GPV ist die Bereitstellung eines umfassenden und koordinierten Leistungsangebotes für chronisch psychisch kranke Menschen in der Landeshauptstadt Stuttgart, um die ambulante Grundversorgung zu sichern. Die personenzentrierte Hilfe erfolgt wohnortnah und durch multiprofessionelle Zusammenarbeit. Mit dem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz Baden-Württemberg (PsychKHG) wurden diese Ziele 2015 ebenso wie die Sozialpsychiatrischen Dienste rechtlich verankert.

Die Sozialpsychiatrischen Dienste, als nach wie vor zentrale Bestandteile der Versorgung im ambulanten Bereich, werden jährlich evaluiert und ausgewertet. Die Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Erhebung sind Grundlage der Weiterentwicklung der Angebote.

Die sozialpsychiatrischen Hilfen Stuttgarts werden außerdem mit den Diensten in anderen Stadt- und Landkreisen im Rahmen des GPV-Profils verglichen. Dem Sozial- und Gesundheitsausschuss wird jeweils dazu Bericht erstattet (zuletzt vgl. GRDrs 301/2018 „Der Gemeindepsychiatrische Verbund Stuttgart (GPV) im Landesvergleich Baden-Württem-berg“).

Im GPV Stuttgart sind verschiedene Funktionsbereiche in acht Gemeindepsychiatrischen Zentren (GPZ) beschrieben, vereinbart, regional gegliedert und mit einem Versorgungsauftrag für den jeweiligen Sozialraum und durch sektorale Zuordnung mit den Psychiatrischen Kliniken in Stuttgart verbunden (GRDrs 225/2021 „Gemeindepsychiatrischer Verbund Stuttgart (GPV): Sozialpsychiatrische Dienste (SpDi) - Sachstand 2020“).

Gemäß § 6 Abs. 1 PsychKHG leisten die SpDi die „sozialpsychiatrische Vorsorge, Nachsorge und psychosoziale Krisenintervention“ sowie „die Vermittlung sozialer Hilfen für insbesondere chronisch psychisch kranke Menschen“, dabei sind sie auch Ansprechpartner für Angehörige, Nachbarn und Kooperationspartner in ihrem Einzugsgebiet.

Situation der SpDi in der Landeshauptstadt während der Pandemie

Die Versorgung psychisch erkrankter Menschen im Jahr 2021 durch die SpDi und andere Dienste und Einrichtungen des GPV war weiterhin geprägt durch die Herausforderungen der Corona-Pandemie.

Neue Settings für den Betrieb der Dienste und Einrichtungen, die Anpassung an die jeweils aktuelle Corona-Verordnung und verschiedene Szenarien für die Versorgung bis hin zur Notfallversorgung wurden entwickelt. Die bestehenden Kooperationen wurden abermals auf eine weitere Belastungsprobe gestellt.

Trotz dieser besonderen Herausforderungen war im gesamten Jahr 2021 die Versorgung der Klient*innen jederzeit sichergestellt. Die acht Gemeindepsychiatrischen Zentren und die Sozialpsychiatrischen Dienste waren unter den jeweils gültigen Schutzmaßnahmen mit entsprechenden Infektionsschutzkonzepten und alternativen Arbeitsweisen weiterhin geöffnet. Die niederschwelligen, alltags- und lebensweltorientierten Methoden (wie Hausbesuche, Beratungsgespräche, alltagspraktische und sozialanwaltliche Tätigkeiten, freiwillige Geldverwaltung, Medikamentenvergabe) wurden aufrechterhalten. Die psychiatrischen Kliniken erfüllten ihren Versorgungsauftrag und waren ein wichtiger und verlässlicher Partner in der Pandemie. Die Angebote des Betreuten Wohnens wurden unter Hygienemaßnahmen weiterhin durchgeführt.

Insgesamt war das 2. Jahr der Pandemie geprägt von einer größeren Routine, was die Anpassung der Dienste an die aktuelle Situation angeht.


Eine besondere Herausforderung stellten die Impfangebote dar, die 2021 in allen acht GPZ stattfanden und eine logistische Herausforderung, aber auch sehr erfolgreich waren. Durch diese Impfaktionen konnte die Impfquote unter den Besucher*innen der GPZ erhöht werden, da diese nicht immer die Angebote in den öffentlichen Impfzentren angenommen haben.

Auswertung der Daten 2021 und Schlussfolgerungen

Verschiede Parameter der Sozialpsychiatrischen Dienste werden dokumentiert und ausgewertet wie z. B. die Gesamtzahl der Anfragen, die Anzahl der langfristigen Beratungen, die Diagnosen und die soziodemografischen Daten der langfristig betreuten Menschen mit psychischen Erkrankungen werden untersucht. Hierdurch ergibt sich eine quantitative Grundlage u. a. bezüglich der Auslastung der Dienste und der Frage der Zielgruppe und Diagnosen, die im PsychKHG und den Verwaltungsrichtlinien beschrieben wird.

Ab 2022 ist eine neue Dokumentation für die Sozialpsychiatrischen Dienste in Baden-Württemberg verpflichtend vorgesehen, die die bisherige freiwillige Dokumentation ersetzt.

Die Daten werden jeweils mit den Vorjahren verglichen, um frühzeitig ggf. notwendige Veränderungen zu erkennen und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Für den Berichtszeitraum 2021 ergibt sich zusammengefasst folgendes Bild:

Gesamtzahl der Anfragen: Stieg um 1,5 % im Jahre 2021 auf 3.816 Anfragen (2020: 3.764). Möglicherweise als Folge der veränderten Gesamtkontaktzahl stiegen auch die langfristigen Kontakte um 7 % auf 1.993 (2020: 1.850).

Dieser Zunahme liegt ein vermutlich pandemiebedingter leichter Rückgang der Anfragen in 2020 zugrunde. Einerseits ist möglicherweise eine gewisse Zurückhaltung im ersten Jahr der Pandemie einer Gewöhnung an die Situation gewichen, andererseits spiegelt sich möglicherweise der angewachsene Bedarf an Beratung und Unterstützung nach einer langen Zeit der pandemiebedingten Einschränkungen in den Zahlen 2021 wieder. Die Fallzahlen pro (100 %) Mitarbeiter*in sind hoch: 142 Gesamtbetreuungen (Vorjahr: 135), davon 74 langfristig Betreute (2020: 67).

Ärztliche Behandlung: Erfreulich ist, dass 72 % der langfristig betreuten Menschen, die sich schwertun, überhaupt Hilfe anzunehmen, in ärztlicher Behandlung sind (Facharzt/ Institutsambulanz/Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) des GPZ).

Soziodemografische Daten: Wie auch in den letzten Jahren sind leichte Schwankungen im Bereich der soziodemografischen Daten von Klient*innen zu beobachten. Die wesentlichen Faktoren wie Diagnosen, Familienstand, Alter und Geschlecht zeigen jedoch keine signifikanten Veränderungen im Vergleich zu den Vorjahren.

Schnittstellen: Die Kooperation und Koordination der Hilfen, vor allem an den sogenannten Schnittstellen mit anderen Hilfesystemen wie Jugendhilfe, Wohnungsnotfallhilfe, Hilfen für geflüchtete Menschen, Suchthilfe, Altenhilfe, nehmen viel Raum ein und kosten Ressourcen. Diese Ressourcenfrage muss daher stets im Fokus bleiben, um die klientenbezogenen Leistungen weiterhin zu gewährleisten.

Folgende Entwicklungen werden zukünftig die Dienste beeinflussen

Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) wird sich weiterhin auf die Sozialpsychiatrie, insbesondere den Bereich des Betreuten Wohnens und die besonderen Wohnformen, auswirken.

Das Thema „Kinder psychisch kranker Eltern“ muss vor dem Hintergrund der Erfahrungen während der Pandemie und unter dem Fokus der Prävention stärker in die Diskussion im GPV rücken. Die „Handlungsempfehlungen zur kommunalen Zusammenarbeit im Themenfeld Kinder psychisch- und suchterkrankter Eltern in Baden-Württemberg“ des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg werden dabei berücksichtigt.

Stuttgart ist zu diesem Thema mit verschiedenen Angeboten wie „Aufwind“, „Pro Kids“, „Verrückt-na-und“ und dem „Patenmodell Aufwind“, die miteinander vernetzt sind, strukturell und fachlich gut aufgestellt.

Die Arbeit an den Schnittstellen, insbesondere Wohnungsnotfallhilfe und Hilfen für geflüchtete Menschen, werden in den nächsten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen. Projekte wie die Etablierung eines „Präsenzdienstes der Gemeindepsychiatrischen Zentren (GPZ) in den Sozialhotels“ sowie die sozialraumorientierte Zusammenarbeit von GPZ und Unterkünften für geflüchtete Menschen stehen im Mittelpunkt.

Das Thema „Gemeindepsychiatrische Versorgung für Menschen in Krisensituationen“ steht auf der Agenda des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg im Doppelhaushalt des Landes 2023/2024. Grundlage ist das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz und der Landespsychiatrieplan Baden-Württemberg. Hier sind ggf. auch für Stuttgart Anpassungen/Veränderungen zu erwarten.

Über die Stationsäquivalente Behandlung (StäB) im häuslichen Umfeld wurde mit GRDrs 267/2020 „Stationsäquivalente Behandlung (StäB) in Stuttgart am Beispiel des Klinikums Stuttgart, Zentrum für Seelische Gesundheit“ und 2021 dem Bericht zu „Stationsäquivalente gerontopsychiatrische Behandlung (StäB) als neue Versorgungsform in der Gerontopsychiatrie“ Bericht erstattet. Diese Behandlungsform soll und wird in Kooperation mit den GPZ und für deren Klient*innen weiter ausgeweitet.

Der dargestellte aktuelle Anstieg der Fallzahlen im Bereich der Sozialpsychiatrischen Dienste muss engmaschig untersucht werden, um zu beurteilen, ob es sich um Schwankungen im üblichen Bereich handelt oder um einen kontinuierlichen Anstieg.

Insgesamt sind die SpDi in der Landeshauptstadt Stuttgart gut aufgestellt und wurden 2021 ihrem Arbeitsauftrag auch in herausfordernden pandemischen Zeiten engagiert gerecht. Besonders bewährt hat sich die vertraglich verankerte Versorgungsverpflichtung und die Zusammenarbeit mit allen Funktionsbereichen im GPV, insbesondere auch mit dem klinischen Bereich. Die Kooperation mit beteiligten Einrichtungen und Diensten in den Schnittstellenbereichen der Sozialpsychiatrie und darüber hinaus verläuft weiterhin gut.


Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

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Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin





1. Sozialpsychiatrische Dienste in Stuttgart (SpDi) 2021
Fakten, Zahlen und soziodemografische Merkmale der langfristig betreuten psychisch
kranken Menschen in den acht SpDi


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GRDrs 96_2022_Anlage 1_Bericht der SpDi_2021.pdf