Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 639/2019
Stuttgart,
07/15/2019


Erste Erfahrungen mit Präventiven Hausbesuchen für Seniorinnen und Senioren



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich22.07.2019

Bericht:



Auf Initiative des Gemeinderats wurde zum Stellenplan 2018/2019 eine 0,50 Stelle für die Durchführung „Präventiver Hausbesuche“ bei Seniorinnen und Senioren geschaffen und in den Bürgerservice Leben im Alter integriert (vgl. GRDrs 40/2018 „Zusammenfassung der Ergebnisse der Haushaltsplanberatungen 2018/2019 für den Bereich des Sozialamts“).

Der Bürgerservice Leben im Alter ist ein sozialer Beratungsdienst der Landeshauptstadt Stuttgart für alle Menschen über 63 Jahre und deren Angehörige, die Fragen zum Leben im Alter haben. Der Schwerpunkt der Beratungen liegt in der Verwirklichung von Rechtsansprüchen auf Sozialleistungen und auf Problemen in den Bereichen Finanzen, Wohnen, Gesundheit, Krankheit und Pflege. Bei den Beratungsanliegen handelt es sich häufig um akute und unabweisbare Versorgungserfordernisse von unversorgten alleinstehenden und hilflosen Personen.

Im Rahmen dieser Aufgaben bearbeiteten die Mitarbeitenden der Stadtteilbüros des Bürgerservice Leben im Alter 2018 insgesamt 4.855 Fälle und machten 2.014 Hausbesuche. Aufgrund der dezentralen Verortung in den Stuttgarter Stadtbezirken sowie des lebensweltorientierten Arbeitsansatzes wurden die „Präventiven Hausbesuche“ in den Bürgerservice Leben im Alter des Sozialamts integriert.

Zentrales Ziel der Altenhilfe ist der Erhalt einer möglichst langen selbständigen Lebensführung in der eigenen häuslichen und sozialräumlichen Umgebung. Hierauf zielen sowohl die Veränderungen der Pflegeversicherung durch die Pflegestärkungsgesetze wie auch Bemühungen der seniorengerechten Quartiersentwicklung ab. Aufgrund der demographischen Entwicklung sind wohnortnahe Maßnahmen zur Sicherung der sozialen Teilhabe im Alter und der Prävention von Pflegebedürftigkeit von großer Wichtigkeit.

Die Hauptintention der „Präventiven Hausbesuche“ besteht in einer frühzeitigen Information und Beratung von Seniorinnen und Senioren über die Angebote in ihrer häuslichen Umgebung.

Mit den Präventiven Hausbesuchen werden mehrere Ziele verfolgt:

Durch die „Präventiven Hausbesuche“ kann festgestellt werden, wie das Älterwerden im vertrauten Umfeld erlebt wird und was benötigt wird, um den Alltag langfristig gut gestalten zu können. Die Seniorinnen und Senioren werden daher auch gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, hierbei selbst einen Beitrag zu leisten, z. B. in Form von Bürgerschaftlichem Engagement. Dies bezieht sich insbesondere auf bestehende Ehrenamtsstrukturen im Quartier.

Die Umsetzung der „Präventiven Hausbesuche“ erfolgt erst seit November 2018, zunächst in den Stadtbezirken Wangen und Untertürkheim. Die Auswahl der Stadtbezirke ergab sich aus dem Sozialdatenatlas in Verbindung mit Synergieeffekten im Quartiersprojekt „Älter werden in Stuttgart-Wangen - gemeinsame Entwicklung des Quartiers“ in Stuttgart-Wangen.

Seit 2019 wird das Angebot der „Präventiven Hausbesuche“ stufenweise auf die Stadtbezirke Stuttgart-Hedelfingen und Stuttgart-Obertürkheim und seit April 2019 auch auf Stuttgart-Bad Cannstatt ausgedehnt.



Erste Erfahrungen mit „Präventiven Hausbesuchen“

In den Gratulationsschreiben von Herrn Oberbürgermeister Fritz Kuhn (vgl. Anlage 2 Gratulationsbrief des Oberbürgermeisters) wird auf das Angebot der „Präventiven Hausbesuche“ des Bürgerservice Leben im Alter aufmerksam gemacht. Die datenschutzrechtlichen Bedingungen für die Gratulationsbriefe, mit denen den Bürgerinnen und Bürgern die „Präventiven Hausbesuche“ angeboten werden, sind sogenannte Melderegisterauskünfte in besonderen Fällen. In § 50 Bundesmeldegesetz (BMG) wird erlaubt, dass Mandatsträger, wie Oberbürgermeister und Bürgermeister, von der zuständigen Meldebehörde personenbezogene Auskünfte für Jubiläumsgratulationen wie Familienname, Vorname, Anschrift sowie Datum und Art des Jubiläums erhalten können. Altersjubiläen im Sinne des § 50 Abs. 1 BMG sind der 70. Geburtstag, jeder fünfte weitere Geburtstag und ab dem 100. Geburtstag jeder folgende Geburtstag.


Bei den „Präventiven Hausbesuchen“ wird neben einem kleinen Präsent aus dem Weltladen und einer Notfalldose (die notfallrelevante Informationen, z. B. zu Medikamenten, Angehörigen etc. enthält) eine Informationsmappe mit Broschüren über bestehende Beratungs- und Unterstützungsangebote für Seniorinnen und Senioren in der Landeshauptstadt Stuttgart überreicht.

Mit den Gratulationsschreiben wurden nach einer konzeptionellen Aufbauphase vom 1. November 2018 bis 31. Mai 2019 bis jetzt 572 Seniorinnen und Senioren angeschrieben. Einige Bürgerinnen und Bürger haben das Angebot eines „Präventiven Hausbesuchs“ angenommen, andere haben sich telefonisch zurückgemeldet und das Angebot zur Kenntnis genommen und mitgeteilt, dass sie sich bei Bedarf melden werden.

Stadtbezirk
Laufzeit
verschickte Briefe
      Bad Cannstatt
      seit April 2019
179
      Hedelfingen
      seit Januar 2019
87
      Obertürkheim
      seit Januar 2019
58
      Untertürkheim
      seit Januar 2019
155
      Wangen
      seit November 2018
93
Gesamt
572

Im Vergleich zu anderen Städten (z. B. der Stadt Ulm) wird in den Gratulationsbriefen kein fester Termin für einen Hausbesuch vorgegeben. Die Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, telefonisch oder mittels einer Rückantwortkarte einen Termin für einen Hausbesuch zu vereinbaren. Der Rücklauf der Personen, die sich daraufhin aktiv gemeldet haben, ist geringer ausgefallen als erwartet. Daher hat man schon früher als geplant die Versendung der Gratulationsschreiben auf Stuttgart-Bad Cannstatt ausgeweitet. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus anderen Städten, dass durch ein konkretes Ter-minangebot die Rücklaufquote höher ausfällt und auch Menschen erreicht werden, die sich von sich aus nicht melden, ist für Bad Cannstatt geplant, den angeschriebenen Seniorinnen und Senioren einen konkreten Termin vorzuschlagen. Damit können Erfahrungen in einem weiteren Stadtteil und mit einem anderen Verfahren hinsichtlich der Akzeptanz und dem zukünftigen Personaleinsatz gemacht werden.

Beratungen und Kontakte vom
01.11.2018 – 31.05.2019 in allen o. g. Stadtbezirken
Anzahl HaushalteAnzahl
Personen
Kontakte gesamt
98
Hausbesuche
24
37
Folgebesuche nach dem Erstbesuch
3
4
Informationsgespräche im Büro
3
Telefonische Rückmeldungen aufgrund der
Gratulationsbriefe des Oberbürgermeisters
9
Telefonische Kurzinformationen
5
Telefonische Kontakte und Informationen aufgrund eines Presseartikels im Amtsblatt am 14.03.2019
40

Die ersten persönlichen Rückmeldungen haben gezeigt, dass die Vorgehensweise, Beratungsangebote in den Gratulationsschreiben anzubieten, positiv aufgenommen wird. Neben den Gratulationsschreiben wird das Angebot auch durch verschiedene Öffentlichkeitsmaßnahmen in den jeweiligen Stadtbezirken bekannt gemacht (vgl. Anlage 1 Flyer PräSenZ) sowie in Gremien und Vereinen und auf Veranstaltungen. Auch der in den Stadtteilen gut vernetzte Bürgerservice Leben im Alter des Sozialamts unterstützt das Bekanntmachen der „Präventiven Hausbesuche“. Als Resonanz auf den Presseartikel im Stuttgarter Amtsblatt Nr. 11/2019 haben sich beispielsweise 40 Bürgerinnen und Bürger aktiv gemeldet, die sich vor allem für die o. g. Infomappe interessierten und um deren Zusendung baten.


Inhalte der Informationsgespräche bei den Präventiven Hausbesuchen

Das Gespräch im Rahmen der Hausbesuche wird durch einen Gesprächsleitfaden unterstützt, der neben einer Sozial-, Gesundheits- und Pflegeanamnese das Aufzeigen von Angeboten durch z. B. Wohnberatungsstellen, Begegnungsstätten, Hausnotruf etc. verfolgt.

Folgende Schwerpunkte haben sich als Gesprächsanliegen der Seniorinnen und Senioren herauskristallisiert:
Der Großteil der kontaktierten Personen kam nach eigenen Angaben mit ihrer Wohn- und Lebenssituation bisher gut zurecht. Vereinzelt wurden Unterstützungs- und Beratungsbedarfe zur finanziellen Situation und zu Unterstützungsleistungen im Alltag benannt. Bei 2 Personen erfolgte eine Weitervermittlung an das entsprechende Stadtteilbüro des Bürgerservice Leben im Alter. Als hilfreich wurden generell die Informationen zu Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten angesehen, um sie im Bedarfsfall nutzen zu können.

Zur quartiersbezogenen Infrastruktur wurde von den Seniorinnen und Senioren ein Mangel an Einkaufsmöglichkeiten, insbesondere für Lebensmittel und kleinere Haushaltswaren, sowie an Bankfilialen im näheren Umkreis benannt. Zudem stellen Barrieren im öffentlichen Raum belastende Einschränkungen für die persönliche Mobilität dar.


Präventive Hausbesuche als Möglichkeit, ältere Migrantinnen und Migranten zu erreichen

Ein konzeptioneller Schwerpunkt soll zukünftig die präventive Unterstützung von älteren Menschen mit Migrationshintergrund sein.

Erfreulicherweise scheint es zu gelingen, auch diese Bürgerinnen und Bürger proaktiv über bestehende Angebote zu informieren. Von 24 stattgefundenen Erstbesuchen haben 8 Besuche bei Menschen mit Migrationshintergrund stattgefunden. Es zeigt sich allerdings, dass hier nicht alle Gruppen gleichermaßen erreicht werden können. Auch nach den bisherigen Erfahrungen des Bürgerservice Leben im Alter ist die Gruppe der aus der Türkei stammenden Menschen am schwersten zu erreichen. Am Beispiel des Entstehungsprozesses der Pflege-Wohngemeinschaft Emin Eller in Stuttgart-Zuffenhausen hat sich jedoch gezeigt, dass Schlüsselpersonen in der Community wichtige Kontaktpersonen sind, um das Vertrauen der Angehörigen zu gewinnen und Kontakte herzustellen.

Es ist davon auszugehen, dass mit gezielten Informationen über das Angebot der „Präventiven Hausbesuche“ bei Veranstaltungen von Migrantinnen und Migranten auch jene Bürgerinnen und Bürger erreicht werden könnten, für die die Schwelle zu hoch ist, auf ein Gratulationsschreiben zu reagieren. Dies war mit den bestehenden Personalressourcen bisher nicht möglich. Die Gewinnung von Ehrenamtlichen für die Personengruppe älterer Migrantinnen und Migranten wäre aus Sicht des Bürgerservice Leben im Alter ein weiterer wichtiger sprachlicher und kultureller Türöffner, um ihnen Informationen über die Altenhilfe zu vermitteln. Hierfür könnte auf die Erfahrung und Netzwerke der „Nachbarschaftsbrücke“ des Bürgerservice Leben im Alter zurückgegriffen werden, bei der es bereits einige Bürgerschaftlich Engagierte mit türkischen Wurzeln gibt.


Fazit

Die ersten Umsetzungsschritte und Erfahrungen mit den „Präventiven Hausbesuchen“ haben gezeigt, dass das Angebot angenommen wird und es einen Bedarf bei Bürgerinnen und Bürgern gibt, sich frühzeitig über die Angebote der Altenhilfe zu informieren. Es wurde bestätigt, dass sich Seniorinnen und Senioren mit dem Wunsch beschäftigen, möglichst lange selbständig zu Hause zu wohnen. Eine frühzeitige Sensibilisierung für Vorsorgemöglichkeiten und das rechtzeitige Einbinden in bestehende Netze hilft Menschen einerseits, länger selbstständig zu wohnen und andererseits, sich aber auch auf mögliche Veränderungen in der Zukunft einzustellen.

Die „Präventiven Hausbesuche“ können mit dazu beitragen,
Das Angebot ist aus Sicht der Sozialverwaltung sinnvoll und vielversprechend, und es ist davon auszugehen, dass das Angebot mit wachsendem Bekanntheitsgrad zunehmend gut von den Seniorinnen und Senioren angenommen wird.

Das Angebot der „Präventiven Hausbesuche“ würde mit einem konsequenten Stadtbezirksbezug sein Potential am Nachhaltigsten entfalten. Dafür müsste man das Angebot fest in den 3 Regionen (vgl. Anlage 3 Bürgerservice Leben im Alter – Aufbauorganisation) des Bürgerservice Leben im Alter in den Stadtteilbüros verankern.

Perspektivisch bestünde die Möglichkeit, das Angebot auf das gesamte Stadtgebiet auszuweiten.

Die nächste Ausweitung der „Präventiven Hausbesuche“ könnte in den Stadtteilbezirken Mühlhausen, Münster und Mitte/Nord erfolgen. Die Auswahl der genannten Stadtbezirke begründet sich durch die hohe Anzahl der hier lebenden Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund (vgl. Statistisches Jahrbuch 2014/2015 der Landeshauptstadt Stuttgart) sowie der hohen Anzahl von Seniorinnen und Senioren in Singlehaushalten (vgl. Statistisches Jahrbuch 2016/2017 der Landeshauptstadt Stuttgart).

Eine besondere Chance bestünde in der Verbindung mit dem Bürgerschaftlichen Engagement von und für Menschen mit Migrationshintergrund. Dafür müsste das Augenmerk noch stärker auf die Öffnung von Zugängen zu formellen und informellen Netzwerken von Menschen mit Migrationshintergrund gerichtet werden, um auf diesem Wege Kontakte zu älteren Migrantinnen und Migranten herzustellen und mit ihnen ins Gespräch darüber zu kommen, welche Angebote sie im Bedarfsfall nutzen können.

Für die Umsetzung dieser Ziele ist es aus Sicht der Sozialverwaltung erforderlich, dass für das Sozialamt im Rahmen der Stellenplanberatungen 2020/2021 unbefristet eine 1,00 Stelle geschaffen wird.


Beteiligte Stellen

Die Referate AKR und WFB haben Kenntnis genommen.

Referat WFB und Referat AKR haben Kenntnis genommen, sind aber der Auffassung, dass die dargestellte Datengrundlage nicht zur Begründung eines zusätzlichen Personalbedarfs hinreicht und äußern sich wie folgt:

Im Berichtszeitraum 01.11.2018 bis 31.05.2019 (7 Monate) sind 84 Beratungen bzw. Kontakte ausgewiesen. Bei einer Nettoarbeitszeit von 457,04 Stunden für die 50 %-Stelle in diesem Zeitraum (Berechnungsbasis ist die Ziffer 4 des Rundschreibens Nr. 17/2018 - Kosten eines Arbeitsplatzes) standen somit pro Beratung bzw. (Kurz-)Kontakt rechnerisch 5,44 Stunden zur Verfügung. Dies scheint schon für einen Hausbesuch äußerst groß-zügig bemessen zu sein und erst recht für telefonische Rückmeldungen oder Kurzinfor-mationen.

Aus Sicht von Referat WFB ist deshalb zunächst eine hinreichende Auslastung der vorhandenen Personalressourcen anzustreben, bevor ein weiterer Ausbau der Personalkapazität erfolgt.

Aus Sicht von Referat AKR müsste von daher die geplante Ausweitung des Angebots bereits mit den vorhandenen Personalressourcen gut zu machen sein. Ein weiterer Ausbau von Personalkapazität ist dafür nicht erforderlich.



Vorliegende Anträge/Anfragen

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In Vertretung




Isabel Fezer
Bürgermeisterin





Anlage 1: Flyer PräSenZ
Anlage 2: Gratulationsbrief des Oberbürgermeisters
Anlage 3: Bürgerservice Leben im Alter - Aufbauorganisation


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