Protokoll:
Sozial- und Gesundheitsausschuss
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
159
1
Verhandlung
Drucksache:
928/2016
GZ:
SI
Sitzungstermin:
12.12.2016
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BM Wölfle
Berichterstattung:
Herr Schrankenmüller (ZSB)
Protokollführung:
Frau Sabbagh
fr
Betreff:
Zentrale Schuldnerberatung Stuttgart (ZSB)
- Bericht 2016
Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration vom 23.11.2016, GRDrs 928/2016. Sie ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.
BM
Wölfle
weist eingangs darauf hin, dass Herr Schrankenmüller zum letzten Mal berichtet. Zwei Dinge wolle er vorab erwähnen, zum einen betrachte er die lange Wartezeit mit Sorge und zum anderen sei es positiv zu bewerten, dass im ersten Armuts- und Reichtumsbericht des Landes Baden-Württemberg das wachsende Problem der Altersarmut beschrieben worden sei und sich die ZSB am Ideenwettbewerb des Landes beteiligt habe.
Zum Bericht von Herrn Schrankenmüller merkt er an, die darin verwendeten Zahlen entsprächen dem Stand 2015. Die Verwaltung werde die Zahlen von 2016 nachliefern.
Herr
Schrankenmüller
berichtet im Sinne der Vorlage anhand einer Präsentation, die dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt ist. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.
Vorab macht er deutlich, dass es nicht um "Konsum ohne Grenzen" gehe, wie die Stuttgarter Zeitung getitelt habe, sondern dass sich die - zunehmend älteren - Menschen, die zur Beratung kämen, in Notlagen befänden. Und abschließend weist er darauf hin, dass die Träger für eine gezielte und umfassende Präventionsarbeit mindestens noch 1 ganze Stelle für Prävention und eine 0,5-Stelle für Verwaltung benötigten. Er lädt die Mitglieder des Ausschusses ein, die Schuldnerberatungsstelle und die Finanzpaten in Gesprächen in der nächsten Zeit einmal kennenzulernen.
Die Vertreter der Fraktionen danken für den Bericht und die Arbeit der Träger.
Im Namen seiner Fraktion unterstützt StR
Fuhrmann
(CDU) die Beratungsleistungen. Man dürfe aber nicht vergessen, dass zu jedem Schuldner immer auch ein Gläubiger gehöre, meistens ein Handwerker oder auch der Vermieter. Diese dürfe man nicht aus den Augen verlieren. Im Hinblick auf die 73,8 % Entschuldung würde ihn aber interessieren, von welchem Finanzvolumen man hier spreche.
Er halte nicht allzu viel von privaten Insolvenzverfahren, weil dies vielen Schuldnern die Möglichkeit eröffne, relativ schnell in die Entschuldung zu kommen. Das sei zwar einerseits sehr erfreulich, verleite aber andererseits dazu, Schulden zu machen. Zudem würden die Anforderungen in privaten Insolvenzverfahren immer geringer. In den Richtlinien für die soziale Schuldnerberatung würden formale Kriterien für die Zulassung für eine Beratung aufgestellt. Nach Ansicht seiner Fraktion sollte gewährleistet sein, dass dies nicht durch notorische Schuldner ausgenutzt werde. Wenn in der Phase bis zur Restschuldbefreiung weitere Schulden angesammelt würden, stelle sich ihm die Frage, ob diese Personen dann weiter betreut werden sollten oder ob das Verfahren mit den Forderungsaufstellungen ende.
Im Zusammenhang mit dem Anstieg von Darlehen insbesondere in Bezug auf den Ausfall von Mieten fragt er, ob es Fälle gebe, die dann Bestandteil des Schuldenbereinigungsverfahrens würden. Fatal wäre es, wenn diese Forderungen niedergeschlagen würden.
StRin
Seitz
(90/GRÜNE) unterstreicht die Bedeutung der ZSB in der Beratungslandschaft in Stuttgart. Einkommensarme Menschen gerieten oft nach dem Verlust der Arbeitsstelle, einer Scheidung oder Krankheit in die Schuldenfalle, wenn sie z. B. nur ein neues Bett oder einen neuen Kühlschrank bräuchten. Irritiert hätten sie Zahlen von 2008 und 2009 im Bericht.
Laut Bericht würden überwiegend Bezieher von SGB II und SGB XII beraten. Personen mit einem Einkommen, das 15 % über dem SGB II-Niveau liege, würden als Härtefälle bezeichnet. Wenn jedoch nur 20 solcher Fälle im Jahr beraten werden könnten, frage sie sich, was mit den Übrigen geschehe, denn die Zahl der Härtefälle sei ja sicher deutlich größer.
Auf Seite 2 des Berichts sei von einer Zielvorgabe von 550 Fallabschlüssen die Rede, während aber nur 534 abgeschlossen werden konnten. Hier erwarte ihre Fraktion eine Vorlage für die Haushaltsplanberatungen, in der auch die bereits angesprochene Stelle für Präventionsarbeit sowie Stellen für Sachbearbeiter zur Entlastung der Beraterinnen und Berater enthalten seien. Es dürfe nicht sein, dass man sechs bis acht Monate auf eine Beratung warten müsse, denn dies führe zu Existenzängsten und Krankheit. Einen besonderen Dank richtet sie auch an die ehrenamtlichen Finanzpaten in der Prävention und der Beratung.
Ihre Fraktion unterstütze die Präventionsprojekte sowohl für Jugendliche als auch für ältere Menschen. Die Kursangebote für den Übergang in den Ruhestand habe sie zunächst kritisch gesehen, doch bei genauerem Hinsehen habe sie den Eindruck gewonnen, dass es hierbei unter anderem darum gehe, sein eigenes Konsumverhalten zu reflektieren. Einkommensarme Menschen nützten diese Kurse allerdings nicht.
Im Wesentlichen schließt sich StR
Ehrlich
(SPD) seiner Vorrednerin an. Ihm sei aufgefallen, dass das Engagement der Ehrenamtlichen nicht nur im Bereich der Beratung oder Begleitung der Betroffenen stattfinde, sondern auch in der Vertretung z. B. einer kranken Sekretärin. Das halte er für problematisch. Insofern sei die Forderung nach Erhöhung der Stellen gerechtfertigt.
Grundsätzlich sei die Schuldnerberatung das Gegenprogramm zum Marketing von Firmen. Man dürfe nicht vergessen, dass man sich hier in einem gesellschaftlichen Dilemma befinde. Schon Kinder und Jugendliche würden zu unüberlegtem Kaufverhalten angeregt. Dies werde auch in der Zukunft nicht besser werden.
Großen Respekt habe er im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren. Die Insolvenzverordnung zähle 359 Paragrafen. Das bedeute, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ZSB sich laufend fortbilden müssten.
Eine Veranstaltung im Hospitalhof in Zusammenarbeit mit dem treffpunkt 50plus richte sich vor allem an ältere Menschen. Er regt an, dass der neue Leiter des treffpunkts 50plus, Herr Reusch-Frey, der im Sitzungssaal anwesend sei, einmal die Arbeit der Nachfolgeorganisation des Treffpunkt Senior im Ausschuss vorstellt. Hier plädiert BM
Wölfle
für gegenseitige Einladungen. Zunächst sollte der SGA den Treffpunkt besuchen und einige Zeit später dann Herr Reusch-Frey in den Ausschuss kommen.
Die Überschuldung nach einer Scheidung führt StRin
Yüksel
(FDP) in vielen Fällen auf die Änderung der Steuerklasse und Unterhaltspflichten zurück. Die Rechtsprechung mute dem Unterhaltsschuldner zu, ein Verbraucherinsolvenzverfahren auf den Weg zu bringen, wenn er den Kindesunterhalt nicht bezahlen könne. Das bedeute, dass der Gläubiger mit seinem Verzicht auf die Forderung den Unterhalt indirekt finanziere.
Der Unterschied zwischen sozialer Schuldnerberatung und Beratung über Rechtsanwälte sei ihr nicht klar. Im Rahmen des außergerichtlichen Einigungsversuchs erstellten Rechtsanwälte Schuldenbereinigungspläne und im Falle des Scheiterns den Insolvenzantrag. Den außergerichtlichen Einigungsversuch mit den Gläubigern führe auch die ZSB durch. Angesichts von 600 Menschen auf der Warteliste frage sie sich, warum diese acht bis zwölf Monate auf einen Termin bei der ZSB warten sollten, anstatt sofort zum Anwalt zu gehen. Die Kosten könnten mittels eines Beratungshilfescheins getragen werden.
Herr
Schrankenmüller
wendet sich an StR Fuhrmann und StRin Yüksel mit dem Hinweis, bezüglich der kleinen Gläubiger strebe die ZSB nicht nur das - langwierige und aufwendige - Insolvenzverfahren an, sondern könne mithilfe von städtischen Stiftungsmitteln eine Gesamtregulierung vornehmen. So könne man außergerichtlich oder mit einem Schuldenbereinigungsplan mit Zustimmungsersetzungen bei Gericht in ca. 40 % der Fälle ohne das aufwendige Verfahren auskommen. Dies bringe auch den kleineren Gläubigern etwas, während die Insolvenzverfahren häufig nur Nullverfahren seien, bei denen es darum gehe, nach dieser Zeit die Restschuldbefreiung zu erhalten.
Nicht jede Beratung gelinge mit einer Gesamtregulierung, sondern es komme auch zu Abbrüchen, unter anderem auch, wenn die Ratsuchenden eine schnelle Entschuldung anstrebten, dabei aber ihre Überschuldungssituation nicht aufarbeiteten, um eine erneute Überschuldung zu verhindern. Aufgrund der angespannten Personalsituation könne man die Schuldner nicht bis zur Restschuldbefreiung begleiten. Nach einer längeren Wartezeit könne aber ein neues Verfahren beantragt werden.
Gegenüber StRin Seitz erklärt er, bei den präventiven Fällen, deren Einkommen um 15 % über dem SGB II-Niveau liege, berate man durchaus auch Erwerbstätige. Er schätze deren Anteil auf ca. 40 %. Hier sei die ZSB in gutem Austausch mit dem Sozialamt.
Aufgrund von Langzeiterkrankungen im Team sei die Zielerreichung 2016 schwierig. Bei weniger als 520 Fallabschlüssen stünden Abzüge vonseiten der Stadt an, was bislang aber noch nicht vorgekommen sei.
Die ZSB bemühe sich, möglichst allen Zielgruppen gerecht zu werden. In der aktiven Wartezeit könnten Fragen der Schuldner teilweise geklärt werden, insbesondere fänden notwendige Kriseninterventionen statt. Inzwischen gebe es aber einen umfassenden Pfändungsschutz und ein Pfändungsschutzkonto, worin sich viele Schuldner einrichteten. Die Zahl der Insolvenzverfahren sei seit fünf Jahren rückläufig, während die Zahl der Überschuldeten auch in Stuttgart angestiegen sei - aktuell auf ca. 60.000 Menschen. Die ZSB bearbeite ja nur ein kleines Segment und verweise Personen, die keine soziale Schuldnerberatung benötigten, immer an die Anwaltschaft. Allerdings sei es problematisch, dass z. B. das Amtsgericht Bad Cannstatt seit Jahren keine Beratungshilfe mehr bewillige. Dagegen kooperiere das Amtsgericht Stuttgart mit der ZSB, die die Wartezeit für die Schuldner bestätige, sodass sie anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen könnten. Seiner Ansicht nach sollten die Anwälte diesbezüglich Druck auf die Amtsgerichte ausüben.
Die Finanzpaten hätten inzwischen auch mit Budgetberatungen begonnen. Dies sei auch bei geringen Einkommen sinnvoll.
Die Gesamtverschuldung könne er spontan nicht beziffern, er werde diese Zahlen jedoch nachliefern.
BM
Wölfle
sagt zu, den Monitor, der den Mitgliedern des Ausschusses nur in der Fassung von 2009 vorliege, nun auch in der aktuellen Fassung zu übermitteln, sobald die Ersteller diese nicht mehr explizit nur für interne Zwecke auswiesen, was offensichtlich nun der Fall sei.
Zu den Entscheidungen des Amtsgerichts Bad Cannstatt merkt er an, er werde prüfen, ob die Verwaltung hier nicht auf das Amtsgericht Bad Cannstatt einwirken könne. Im Hinblick auf die Haushaltsplanberatungen erklärt er, seine persönliche Präferenz bestehe im Abbau der Wartezeit. Er werde gerne Gespräche mit der mobilen Jugendarbeit aufnehmen. Hier gehe es vor allem um Interaktion. Die Träger, die in diesem Feld agierten, könnten durchaus auch das Vermeiden von Schulden bzw. die Verantwortungsfähigkeit im Umgang mit nicht vorhandenem Geld vermitteln. Die Verwaltung müsse sich überlegen, ob sie für den Träger Anreize bei der Erhöhung der Fallzahlen schaffe.
Auf die Möglichkeit, aus den "Vereinigten mildtätigen Stiftungen" Beihilfen zur Schuldentilgung heranziehen zu können, weist Herr
Spatz
(SozA) hin. 2015 seien dies 280.000 € gewesen. Im Einzelfall sei der Betrag jeweils auf 3.000 €, in sehr schwierigen Fällen auf 4.000 €, gedeckelt. Mehr als die Hälfte der Gesamtsumme für die "Vereinigten mildtätigen Stiftungen" fließe in die Unterstützung der Schuldenregulierung. Dies mache deutlich, wo das Sozialamt den Schwerpunkt setze. Die Stiftung werde vom Sozialamt gemeinsam mit der Stadtkämmerei verwaltet.
Der Sozialverwaltung sei es sehr wichtig gewesen, die Ziele der Schuldnerberatung darzustellen, betont Frau
Reichhardt
(SozA). Deshalb habe man die Fördergrundlage, in der die Ziele und die Begründung dargestellt seien, an die Vorlage angehängt. Bestandteil der Fördergrundlage sei auch ein Beispiel für das Monitoring 2009. Dies sei als Anlage zu den Förderkriterien gekennzeichnet. Die Zahlen im schriftlichen Bericht und in der Präsentation stammten aus dem Jahr 2015. Die Sozialverwaltung könne den Mitgliedern des Ausschusses gerne das Monitoring vom 3. Quartal 2016 zukommen lassen.
Auf weitere Nachfrage von StR
Ehrlich
führt Herr
Schrankenmüller
aus, die ZSB habe grundsätzlich alle Schulden im Blick. Doch würden auch Teilregulierungen vorgenommen oder Personen zu anderen Diensten vermittelt, weil z. B. noch eine Suchtproblematik hinzukomme oder ein Schuldner wegziehe. Aber manchmal brächen die Schuldner den Kontakt auch von sich aus ab. Die Stärke der ZSB liege seines Erachtens in der Vernetzung mit den beiden großen Trägern bzw. mit PräventSozial gGmbH. Auf Nachfrage von StR
Pantisano
(SÖS-LINKE-PluS) nach dem Migrationsanteil bei den Beratungen erläutert Herr
Schrankenmüller
, man habe mit den Migrationsdiensten ein Verfahren der interkulturellen Kompetenz durchlaufen. Dabei handle es sich um ein längerfristiges Projekt, um die Wachsamkeit auch bei den Beratern zu wecken. Er schätzt, dass mehr als die Hälfte der Klienten der ZSB einen Migrationshintergrund hat.
BM
Wölfle
dankt Herrn Schrankenmüller für 30 Jahre engagierte Arbeit bei der ZSB. Im Namen des Ausschusses erklärt er, Herr Schrankenmüller sei immer Anwalt und Gesicht eines zentralen Anliegens der in diese Not geratenen Menschen gewesen. Er habe darauf geachtet, dass die öffentliche Hand ihrer Verantwortung nachkomme. Zum Dank und um die Erinnerung an die Tätigkeit bei der Stadt Stuttgart auch in seinem baldigen Ruhestand warm zu halten, überreicht er ihm einen Warmhaltebecher.
Er stellt abschließend fest:
Der Sozial- und Gesundheitsausschuss hat von der GRDrs 928/2016
Kenntnis
genommen
.
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