Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 928/2020
Stuttgart,
11/26/2020



Zustimmung zum Abschluss des Rahmenvertrages gem. § 131 SGB IX (Neuntes Sozialgesetzbuch)



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussBeschlussfassungöffentlich14.12.2020



Beschlußantrag:

1. Der Sozial- und Gesundheitsausschuss stimmt dem Abschluss des Rahmenvertrags gem. § 131 Abs.1 SGB IX zu.

2. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, das geschäftsführende Vorstandsmitglied des Städtetages Baden-Württemberg durch Vollmacht zur Unterzeichnung des Rahmenvertrags für Baden-Württemberg gem. § 131 Abs.1 SGB IX zu ermächtigen.



Begründung:


Zum 1. Januar 2020 ist die dritte Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) in Kraft getreten. Mit ihr wurde unter anderem ein eigenständiges Teilhaberecht für Menschen mit Behinderung im SGB IX normiert und damit die Trennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe von den existenzsichernden Leistungen vollzogen.

Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe (Leistungserbringer) entwickeln gemeinsam bzw. in Abstimmung mit den Trägern der Eingliederungshilfe (in Baden-Württemberg: die Stadt- und Landkreise) vor Ort neue, personenzentrierte und bedarfsgerechte Leistungsangebote für Menschen mit Behinderung. Als Grundlage für deren Finanzierung schließen die Träger der Eingliederungshilfe und die Leistungserbringer schriftliche Vereinbarungen nach § 125 SGB IX über Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen (Leistungsvereinbarung) und über die Vergütung der Leistungen der Eingliederungshilfe (Vergütungsvereinbarung). Leistungsträger und Leistungserbringer schließen auf Landesebene gemeinsam und einheitlich Rahmenverträge zur Erbringung von Leistungen (§ 131 SGB IX) und setzen damit den Rahmen für die Verhandlungen auf örtlicher Ebene.
Am 28. Juli 2020 wurden die Verhandlungen zum Rahmenvertrag Baden-Württemberg gem. § 131 SGB IX abgeschlossen. Die Gespräche zwischen Verhandlungspartnern, d.h. den Vertreter*innen der Leistungserbringer (Liga der freien Wohlfahrtspflege, Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft) und der Leistungsträger (Städtetag, Landkreistag und Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg) fanden unter Moderation des Ministeriums für Soziales und Integration statt. Interessenvertreterinnen und -vertreter der Menschen mit Behinderungen nahmen durchgängig an den Verhandlungen teil.

Der Rahmenvertrag soll zum 1. Januar 2021 unterzeichnet werden und zum
1. Januar 2022 Inkrafttreten. Im Gesetz zur Ausführung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (AG SGB IX) hat der Landesgesetzgeber festgelegt, dass „die Vertretungen der Träger der Eingliederungshilfe zum Abschluss der Rahmenverträge nach § 131 Absatz 1 SGB IX […] von den kommunalen Landesverbänden benannt werden.“ Die Stadtkreise als Träger der Eingliederungshilfe müssen hierzu das Geschäftsführende Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg als dessen Vertretung zum Abschluss des Rahmenvertrags ermächtigen.


Der erste Abschluss eines derart neuartigen Rahmenvertrages, auf Grundlage eines neuen Gesetzes und aufgrund dessen Tragweite, stellt kein Geschäft der laufenden Verwaltung dar. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 der Hauptsatzung muss der Sozial- und Gesundheitsausschuss die Zustimmung zum Abschluss des Landesrahmenvertrags für die Landeshauptstadt Stuttgart beschließen. Der Vollzug geschieht dann durch Vollmacht des Oberbürgermeisters (gem. § 53 Abs. 2 GemO), mit der das geschäftsführende Vorstandsmitglieds des Städtetages Baden-Württemberg zum Abschluss ermächtigt wird.

Bewertung der Sozialverwaltung

In den sehr langen und intensiven Verhandlungen konnten aus Sicht der Leistungsträger wesentliche Interessen realisiert werden. So kann z. B. im Interesse der Betroffenen durch Evaluations- und Prüfmöglichkeiten sichergestellt werden, dass die Leistung mit Blick auf Qualität und Quantität wirkungsorientiert erbracht und das von den Stadt- und Landkreisen finanzierte Personal seitens der Dienste und Einrichtungen auch tatsächlich eingesetzt wird.

Der Rahmenvertrag enthält aus Sicht der Leistungsträger jedoch auch einige Kompromisse und noch nicht abschließend geklärte sowie strittige Punkte. Hierzu zählen z.B. ein Wagnis- und Unternehmerrisiko als möglicher Vergütungsbestandteil sowie Personalnebenkosten in größerem Umfang. Bei der Teilhabe am Arbeitsleben sind Leistungsverbesserungen vereinbart, die vollständig von den Stadt- und Landkreisen refinanziert werden müssen. Abschließende Regelungen zu Leistungsangeboten für Kinder und Jugendliche sowie die Klärung der Schnittstellen zwischen Eingliederungshilfe und Pflegeversicherung stehen noch aus.

Die Vereinbarung weiterer, perspektivisch erforderlicher Vertragsinhalte wurde einvernehmlich auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und in die Verantwortung der neu zu bildenden Vertragskommission SGB IX gegeben.

Die Landeshauptstadt Stuttgart war und ist in der Vertragskommission SGB IX vertreten, ebenso wie in den auf Landesebene gebildeten Arbeitsgruppen und Gremien.

Mit dem Bundesteilhabegesetz wird weiterhin die Steuerungsfunktion der Träger der Eingliederungshilfe gestärkt.

Auf der Basis der gemeinsam mit den Betroffenen erarbeiteten Bedarfsermittlung werden die Gesamt- und Teilhabepläne vom Fallmanagement des Sozialamts erstellt und fortgeschrieben. Der Gesamt- und Teilhabeplanung kommt im Landesrahmenvertrag ebenso wie im SGB IX eine Schlüsselfunktion als Steuerungsinstrument für eine qualitativ hochwertige, bedarfsgerechte und effektive Leistungserbringung zu.

Eine enge Verzahnung der Sozialplanung und des Fallmanagements im Sozialamt gewährleistet darüber hinaus, dass bedarfsgerechte Angebots- und Netzwerkstrukturen gestaltet und diese auch über den Einzelfall hinaus weiterentwickelt werden können.

Durch die intensive Mitwirkung der Landeshauptstadt Stuttgart in den relevanten Gremien und durch die o. g. Steuerungsinstrumente bestehen grundsätzlich wichtige
Voraussetzungen, um entsprechenden Einfluss auf die notwendige Fortschreibung des Rahmenvertrags SGB IX sowohl in inhaltlicher wie auch in finanzieller Hinsicht nehmen zu können.


Aufgrund der dargestellten Risiken hält es die Sozialverwaltung trotz der dargestellten Einflussmöglichkeiten für zwingend erforderlich, dass der Abschluss des Rahmenvertrags durch die kommunalen Spitzenverbände unter der Voraussetzung der Zusicherung zur Konkretisierung und Klärung der strittigen Punkte in der Vertragskommission erfolgt.

Hierzu muss zuvor ein verbindliches Verfahren zwischen den Kommunalen Spitzenverbände und den Landesverbänden der Leistungserbringer geeint werden. Die neue Vertragskommission SGB IX soll bereits vor Inkrafttreten des Rahmenvertrags gebildet werden und ihre Arbeit aufnehmen. Auf diese Weise muss sichergestellt werden, dass die aus städtischer Sicht noch nicht zufriedenstellend geregelten bzw. noch offenen Vertragsinhalte dort umgehend bearbeitet werden.

Die Sozialverwaltung empfiehlt dem Sozial- und Gesundheitsausschuss, unter Benennung dieser Voraussetzung dem Abschluss des Rahmenvertrags SGB IX für Baden-Württemberg zuzustimmen.

Wird der Rahmenvertrag SGB IX nicht abgeschlossen, hat das Land Baden-Württemberg angekündigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen, die lediglich auf das Bundesgesetz Neuntes Sozialgesetzbuch verweist. Die Sozialverwaltung hält die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes ohne den Abschluss des Rahmenvertrags für Baden-Württemberg vor diesem Hintergrund für nicht realisierbar.

Ausblick und weiteres Vorgehen zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in der Landeshauptstadt Stuttgart

Die Verantwortung zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe im Sinne des SGB IX liegt maßgeblich bei den Trägern der Eingliederungshilfe. Die Umsetzung und Ausgestaltung der Rahmenbedingungen, die Gesetz und Rahmenvertrag für die örtliche Ebene vorgeben, gilt es, zielgerichtet und strukturiert in eine einheitliche Umsetzung zu bringen.

Mit dem Projekt „Vorbereitung Umsetzung Bundesteilhabegesetz beim Sozialamt und den Bezirksämtern (BTHG 50 + 15)“ wurden die organisatorischen Auswirkungen des BTHG auf die Aufbauorganisation der betroffenen städtischen Stellen untersucht und die Herauslösung der Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe organisatorisch umgesetzt. Die seit 1. Januar 2020 bestehende Abteilung Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung (50-7) des Sozialamts ist zentrales Ergebnis des Organisationsprojekts.

Das Sozialamt erarbeitet aktuell das im Projektauftrag aus 2018 bereits vorgesehene Folgeprojekt "Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in der Landeshauptstadt Stuttgart".

Ziel dieses Folgeprojekts ist es, die inhaltliche Umsetzung voranzutreiben, das modernisierte Teilhaberecht praxisnah, wirtschaftlich, effizient und effektiv innerhalb der rechtlichen Vorgaben umzusetzen und den mit dem Gesetz beabsichtigten Paradigmenwechsel in der Eingliederungshilfe in Stuttgart zu initiieren.

Die erarbeiteten Ergebnisse sollen in einem Stuttgarter Fachkonzept zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes zusammengefasst und eine Rahmenvereinbarung mit den Stuttgarter Akteuren in der Eingliederungshilfe hierzu abgeschlossen werden. Beide zusammen dienen als Grundlage für die strukturierte, zielgerichtete und einheitliche Umsetzung des Rahmenvertrags SGB IX sowie für die iterative Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe in Stuttgart. Sie sollen kontinuierlich entsprechend den Entwicklungen angepasst werden.

Das Sozialamt sieht die enge Einbindung von Menschen mit Behinderung wie auch die Beteiligung der Stuttgarter Leistungserbringer im Projekt vor. Projektauftrag, Projektstruktur und Beteiligungsformate werden derzeit mit den verschiedenen Akteuren abgestimmt. Nach erfolgter Abstimmung wird das Projekt dem Sozial- und Gesundheitsausschuss vorgestellt.



Finanzielle Auswirkungen

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Beteiligte Stellen

Das Referat WFB hat die Vorlage mitgezeichnet

Vorliegende Anträge/Anfragen

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Erledigte Anträge/Anfragen

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Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin


Anlagen

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