Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 359/2019
Stuttgart,
06/03/2019


Verbesserung der Geburtshilfe in Stuttgart



Mitteilungsvorlage zum Haushaltsplan 2020/2021


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich01.07.2019

Bericht:

1. Ausgangslage

Der Deutsche Hebammenverband beklagt aktuell eine „bundesweit alarmierenden
Situation in der klinischen Geburtshilfe“. Aufgrund der Zunahme besorgniserregender
regionaler Berichte über Versorgungsengpässe zur Geburtshilfe sowohl in Baden-Württemberg als auch in Stuttgart, ist der Hebammenkreisverband Stuttgart am 01.05.2018 an Herrn Oberbürgermeister Kuhn herangetreten. In der Folge wurde aus Mitgliedern der Großen Steuerungsrunde Kommunales Netzwerk Frühe Hilfen (Federführung: Jugendamt) der „Arbeitskreis (AK) Hebammenversorgung“ gegründet mit dem Ziel, für die Landeshauptstadt Stuttgart konkrete Handlungsempfehlungen zu
erarbeiten.


Der AK Hebammenversorgung setzt sich zusammen aus Vertretern folgender Institutionen (alphabetische Reihenfolge):



Im Folgenden werden die Ergebnisse des AK Hebammenversorgung dargestellt. Die Handlungsempfehlungen beziehen sich ausschließlich auf die Landeshauptstadt Stuttgart sowie auf Bereiche, die kommunal beeinflusst werden können, wohlwissend, dass die bestehenden Probleme hierdurch nicht vollständig gelöst werden können.


Gesetzliche Grundlagen
Nach § 8 der Hebammenberufsordnung (HebBO) haben freiberuflich tätige Hebammen die Pflicht, ihre Tätigkeit beim zuständigen Gesundheitsamt zu melden. Das Gesundheitsamt hat nach § 11 HebBO die Aufsichtspflicht für freiberuflich tätige Hebammen.
Nach § 6 Gesundheitsdienstgesetz (ÖGDG) obliegt den Gesundheitsämtern die Gesundheitsplanung. Zu den Planungsaufgaben gehört auch das Aufzeigen von Problemfeldern der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung.



2. Ziele und Handlungsempfehlungen

Ziel: Verbesserung der stationären Versorgungssituation

Handlungsempfehlung 1: Erhöhung der Kapazitäten in der stationären Geburtshilfe
Erfreulicherweise nimmt die Geburtenzahl in Stuttgart stetig zu. Im Laufe des Jahres 2018 wurden in Stuttgart insgesamt 6.534 Kinder geboren. Infolge dessen müssen die Versorgungsstrukturen angepasst werden, auch vor dem Hintergrund der rund 1.000 Kinder, die bisher im Charlottenhaus geboren wurden.
2018 wurden im Klinikum Stuttgart 3.452 geboren (insgesamt 3.281 Entbindungen).
2019 wird seitens des Klinikums eine Steigerung auf 3.600 Entbindungen kalkuliert.

Das Klinikum hat hierauf bereits reagiert mit der Schaffung eines neu eingerichteten sechsten Kreißsaals sowie mit der Stellenerhöhung bei Hebammen und Ärzten, welche bereits bewilligt wurden und derzeit besetzt werden. Auf der Wochenstation gibt es aktuell Überlegungen, auf eine benachbarte Station auszuweiten.

Die Geburtskliniken in Stuttgart haben zugesichert, die Kapazitäten auszuweiten. In der Krankenhausausschuss-Sitzung am 16.11.2018 wurden von den Geschäftsführern der Häuser folgende Zahlen zu zusätzlich möglichen Geburten pro Jahr genannt:

Marienhospital: ca. 200 -300
RBK: ca. 300 – 400
Klinikum Stuttgart: ca. 500
St. Anna Klinik: ca. 200.

Insgesamt geht man davon aus, dass die derzeit laufenden und geplanten Maßnahmen ausreichen, um die Geburten aus dem Charlottenhaus aufzufangen.










Ziel: Verbesserung der ambulanten Versorgungssituation

Handlungsempfehlung 2: Ausweitung der Schwangeren-Ambulanz
Lt. Dokumentation der Frühen Hilfen Stuttgart hatten in 2018 ca. 14% aller Familien vor und kurz nach der Geburt noch keine Hebamme. Statistik von 2018 des Angebots „Guter Start für Familien“-gesund und geborgen aufwachsen in Stuttgart“. Von 5.235 aufgesuchten Eltern in den 5 Stuttgarter Geburtskliniken gaben 741 Eltern (14%) an, über keine Hebamme für die Zeit nach dem Aufenthalt in der Geburtsklinik zu verfügen. Vor allem für diese Familien ist es wichtig, auch eine ambulante Sprechstunde anzubieten, gerade am Abend und am
Wochenende, da sich hier die Kontaktaufnahme zu Hebammen oder anderen Institutionen noch schwieriger darstellt. Notfälle werden dort neben elektiven Patienten mitbetreut.

Frauen nach Entbindung können im Notfall ebenfalls in die Schwangeren-Ambulanz (Probleme im Wochenbett) oder aber weiterhin in die gynäkologische Ambulanz
(365 Tage im Jahr). Beispielsweise Stillprobleme sollen zukünftig in der Schwangeren-Ambulanz versorgt werden können.


Seitens des Klinikums ist der Ausbau der Schwangeren-Ambulanz bereits in Planung. Innerhalb der Woche werden die Öffnungszeiten verlängert und zusätzlich eine Wochenendsprechstunde angeboten. Das Klinikum plant zur Umsetzung dieser Ausweitung
insbesondere derzeit freiberuflich tätige Hebammen auch auf geringfügiger tariflicher
Basis einzustellen. Die entsprechende Stellenausschreibung wurde von der Klinik an den Hebammenverband mit der Bitte um Weiterleitung an die Verbandsmitglieder übersendet. Hier sieht der Hebammenverband die Attraktivität darin, dass Hebammen, die aufgrund der derzeit vorherrschenden Arbeitsbedingungen (Vereinbarkeit Familie und Beruf, Verdienstmöglichkeiten, etc.) ihre Tätigkeit aufgegeben haben, diese wieder aufnehmen.
Positiv werden hier die tariflichen Bedingungen und planbare Arbeitszeiten genannt, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zulassen. Auch für freiberuflich tätige Hebammen könne ein Nebenverdienst zu planbaren Zeiten lukrativ sein. Mit Stand Januar 2019 konnten bereits erste Stellen besetzt werden, sodass es möglich ist, ab April 2019 zunächst jedes zweite Wochenende die Schwangeren-Ambulanz zu öffnen sowie Donnerstag und Freitag bis 19:00 Uhr. Man geht davon aus, dass durch dieses zusätzliche Angebot
weitere 10-15 Frauen/Tag an den Wochenendtagen erreicht werden können. Das
Marienhospital bietet für Beratungsleistungen während der Schwangerschaft eine
Hebammen-Sprechstunde an.


Handlungsempfehlung 3: Aufbau einer Beratungsstelle mit zusätzlicher Koordinierungshilfe
Laut Hebammenverband Baden-Württemberg muss jede freiberuflich tätige Hebamme wöchentlich im Mittel ca. 5-7 Anfragen aus Kapazitätsgründen ablehnen. Diese Zahlen werden auch von Stuttgarter Hebammen bestätigt. Hebammenverband Baden-Württemberg, 2015 Um das vorgegebene Ziel zu erreichen, dass jede Frau eine adäquate Wochenbettbetreuung erhält, ist es notwendig,
sowohl niederschwellige und notfallmäßige Beratungsangebote anzubieten als auch Transparenz über freie Kapazitäten freiberuflicher Hebammen zu schaffen. Dies soll mit Schaffung einer Koordinierungsstelle inkl. einem Angebot zur niederschwelligen Beratung erfolgen. Zum kommenden Doppelhaushalt hat das Gesundheitsamt deshalb eine Stelle Hebamme/Entbindungspfleger beantragt.


Eine Beratungsstelle kann die reguläre Hebammenbetreuung nicht ersetzen, sondern unterstützend dazu dienen, drängende Fragen in Bezug auf das Wochenbett zu beantworten und ggfs. an freie Hebammen oder andere Institutionen weiter zu vermitteln.
Aus den regionalen Netzwerken Frühe Hilfen in Bad Cannstatt und Wangen sind zwei Projektideen entstanden, die vor Ort die Kooperation mit der städtischen Schwangeren-beratung, Beratungszentrum und weiteren Akteuren der Frühen Hilfen eine nieder- schwellige Beratung durch eine Familienhebamme anbieten werden. Die Erfahrungen dieser beiden Projekte werden in die Tätigkeit der Koordinierungsstelle mit einfließen. Eine enge Kooperation wird angestrebt.
Die Koordinierungsstelle inklusive eines niederschwelligen Beratungsangebotes soll beim Gesundheitsamt angesiedelt werden und ist insbesondere unabhängige Ansprechstelle für Hebammen, die ihre freien Kapazitäten melden sowie Kontaktstelle für die Frauen und Familien, die trotz Eigeninitiative noch keine Hebamme gefunden haben.
Dies entlastet zum einen die Hebammen, da freie Kapazitäten durch die Koordinierungsstelle an suchende Frauen weitergegeben werden können und somit weniger Anfragen zu beantworten sind. Zum anderen finden Frauen schneller eine Hebamme.
Ebenso werden regelmäßige Qualitätszirkel sowie Fort- und Weiterbildungen in Zusammenarbeit mit dem Hebammenverband organisiert.

Diese Stelle bietet denjenigen Hebammen vermutlich ein attraktives Arbeitsumfeld, die aufgrund der derzeitigen Situation (hohe Arbeitsbelastung, keine planbaren Arbeitszeiten, unregelmäßige Einkommen) nicht mehr im Hebammenberuf tätig sein wollen oder
können. Dem Markt werden keine aktiven Hebammen verloren gehen. Betont werden muss, dass sich das Gesundheitsamt lediglich unterstützend an der Versorgungsplanung beteiligen und keine Vermittlungsgarantie geben kann. Nach Ablauf von drei Jahren soll geprüft werden, inwieweit sich der Aufbau der Koordinierungsstelle auf die derzeitige
Versorgungssituation auswirkt.



Ziel: Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Erhöhung der Zahl aktiver
Hebammen


Handlungsempfehlung 4: Stärkung der Ausbildung in Stuttgart
In Baden-Württemberg gibt es (Stand 2018) 480 genehmigte Ausbildungsplätze für
Hebammen und Entbindungspfleger. Eine Erhöhung um insgesamt 242 Plätze ist geplant. Die Hebammenschule der Akademie für Gesundheitsberufe des Klinikums der Landeshauptstadt Stuttgart bietet 54 Plätze (18 pro Jahrgang) an. Eine Erhöhung auf 75 Plätze (25 pro Jahrgang) ist beantragt und soll zum Schuljahr 2019/20 umgesetzt werden. Im Hinblick auf die Akademisierung des Hebammenberufes wird geplant, die Ausbildungsplätze in Bezug auf den praktischen Teil auch auf andere Stuttgarter Krankenhäuser zu verteilen. Das Marienhospital bildet in Kooperation mit den Rems-Murr-Kliniken ab Mitte März selber zusätzliche Hebammen aus. Aufgrund der Erhöhung der Ausbildungsplätze wird mit einer höheren Anzahl von Hebammen in Stuttgart nach der Ausbildung
gerechnet.


Auszubildende Hebammen müssen während ihrer Ausbildung einen 12-wöchigen Einsatz, teilweise blockweise (sog. Externat) bei einer freiberuflichen Hebamme im außer-klinischen Bereich absolvieren. Dafür erhalten die anleitenden Hebammen bisher keine Vergütung, müssen aber eine gebührenpflichtige Ausbildungsermächtigung für 50 Euro beim zuständigen Regierungspräsidium beantragen.


Um zusätzlich die Ausbildung von Hebammen zu fördern, soll freiberuflichen Hebammen, die einen Externats-Platz zur Verfügung stellen, eine finanzielle Unterstützung von 165,40 Euro pro Externats-Woche für das Engagement gezahlt werden. Die hierfür notwendigen Mittel in Höhe von rund 50.000 Euro pro Jahr sollen zunächst auf drei Jahre begrenzt
bereit gestellt werden. Der Betrag errechnet sich durch einen Zuschuss in Höhe von 1.984 Euro pro Externat für maximal 25 Auszubildende.



Zusätzliche Handlungsempfehlung resultierend aus dem Arbeitskreis:
Stillfreundliche Kommune


Die WHO empfiehlt das ausschließliche Stillen innerhalb der ersten 6 Monaten. Im
Rahmen des runden Tisches wurde deutlich, dass junge Mütter häufig unsicher sind, ob und wo sie außer Haus stillen können. Stillende Frauen sehen sich häufig kritischen
Blicken ausgesetzt. Das kann dazu führen, dass Frauen in den ersten Lebensmonaten des Kindes das Stillen in der Öffentlichkeit nach Möglichkeit vermeiden, die Wohnung kaum verlassen und durch diese Einschränkung weniger stillen bzw. früh abstillen. Eine unterstützende Infrastruktur mit geeigneten Still- und Wickelmöglichkeiten an öffentlichen Orten ist hierbei für die jungen Familien ausgesprochen hilfreich. Sie unterstreicht außerdem die Bemühungen Stuttgarts, eine „Kinderfreundliche Kommune“ zu werden.

Der Runde Tisch empfiehlt deshalb eine Initiative Stillfreundliches Stuttgart.

Folgende Elemente sind dafür, nach Erfahrungen in der Kommune Filderstadt, sinnvoll:


Die Ergebnisse im Überblick:

ProblemstellungHandlungsempfehlungAkteur / MaßnahmeRessourcenbedarf
Nicht jede schwangere Stuttgarterin kann in Stuttgart entbinden Erhöhung der Kapazitäten in der stationären GeburtshilfeGeburtskliniken in Stuttgart: Erhöhung der Kapazitäten in der stationären Geburtshilfe, alle Krankenhäuser in Stuttgart mit Geburtshilfe Ja
(bereits in der Umsetzung)
Ambulante Versorgung durch Hebammen für Schwangere und junge Mütter ist unbefriedigendAusweitung der Schwangeren-Ambulanz,
Schaffung von alternativen Arbeitsstellen für Hebammen
Klinikum StuttgartJa
(bereits in der Umsetzung)
Aufbau einer Beratungsstelle mit zusätzlicher Koordinierungshilfe,GesundheitsamtJa
(Antrag-
stellung HH 2020/21)
Fehlende Transparenz über in Stuttgart freiberuflich tätige Hebammen mit freien Kapazitäten Aufbau einer Koordinierungsstelle (mit zusätzlicher Beratungsstelle)GesundheitsamtJa
(Antrag-
stellung HH 2020/21)
Schwierige Arbeitsbedingungen für Hebammen (hohe Arbeitsbelastung, ungeregelte Arbeitszeiten, etc.)Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Erhöhung der Zahl aktiver HebammenStärkung der Ausbildung in Stuttgart durch Erhöhung der Ausbildungsplätze, Klinikum StuttgartJa
(bereits in
Planung)
Schwierige Arbeitsbedingungen für HebammenVerbesserung der Arbeitsbedingungen, Erhöhung der Zahl aktiver Hebammen Stärkung der Ausbildung in Stuttgart durch finanzielle Unterstützung beim Externat, Gesundheitsamt Ja
(Antragstellung HH 2020/21)
Stillen in der Öffentlichkeit kann problematisch seinStillfreundlichkeit in der Kommune erhöhenKinderbeauftragteJa
Fehlende Vernetzung von Hebammen und anderen EinrichtungenVerbesserung der Vernetzung zwischen Hebammen, Kommune und weiteren TrägernEinrichtung eines regelmäßig tagenden Runden Tisches, Organisation Gesundheitsamt Nein



Finanzielle Auswirkungen


Ergebnishaushalt (zusätzliche Aufwendungen und Erträge):
Maßnahme/Kontengr.
2020
TEUR
2021
TEUR
2022
TEUR
2023
TEUR
2024
TEUR
2025 ff.
TEUR
Förderung der Externate für die Hebammenausbildung zunächst für drei Jahre
50
50
50
-
-
-
Finanzbedarf
50
50
50
-
-
-
(ohne Folgekosten aus Einzelmaßnahmen, Investitionen oder zusätzlichen Stellen – diese bitte gesondert darstellen)
Stellenbedarf (Mehrungen und Minderungen):
Beschreibung, Zweck, Aufgabenbereich
Anzahl Stellen zum Stellenplan
2020
2021
später
Koordinierungsstelle Hebammenversorgung für zunächst drei Jahre
1
-
-
Folgekosten (aus oben dargestellten Maßnahmen und evtl. Stellenschaffungen):
Kostengruppe
2020
TEUR
2021
TEUR
2022
TEUR
2023
TEUR
2024
TEUR
2025 ff.
TEUR
Laufende Erlöse
Personalkosten
59
59
59
-
-
-
Sachkosten
Abschreibungen
Kalkulatorische Verzinsung
Summe Folgekosten
59
59
59
-
-
-
(ersetzt nicht die für Investitionsprojekte erforderliche Folgelastenberechnung!)





Mitzeichnung der beteiligten Stellen

Die Referate L/OB und JB sowie OB-KB haben die Vorlage mitgezeichnet. Das Referat AKR hat Kenntnis genommen. Das Referat WFB hat Kenntnis genommen, weist aber darauf hin, dass es sich bei allen genannten Maßnahmen um freiwillige Angebote handelt, die nicht zwingend von der Landeshauptstadt vorgehalten werden müssen. Insbesondere ist die Förderung der Hebammenausbildung keine originär kommunale Aufgabe, sondern unterliegt der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Eine städtische Kompensation gesetzgeberischer Versäumnisse ist aus Sicht der Finanzverwaltung stets kritisch zu bewerten. Haushalts- und stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen erfolgen.






In Vertretung





Isabel Fezer
Bürgermeisterin



Anlagen:

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