Haushaltsantrag vom 10/21/2013
Nr. 813/2013

Haushaltsantrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft
Betreff

Leitantrag: Stuttgart – Stadt der ökologischen Nachhaltigkeit

Leitantrag: Stuttgart – Stadt der ökologischen Nachhaltigkeit

Am 20. August wurde vom „Global Footprint Network“ medienwirksam der „Earth Overshoot Day“ verkündet, der Tag an dem der globale Ressourcenverbrauch der Menschheit, auf ein Jahr betrachtet, die Regenerationsprozesse unseres Ökosystems überschritten hat. 1986 hielten sich Nutzung und Regeneration die Waage. Inzwischen bräuchte die Menschheit umgerechnet 1,5 Erden, um ihren Bedarf innerhalb der irdischen Kapazitäten stillen zu können.
Würde man allein Deutschland betrachten, so zeigt sich ein ökologisches Defizit mit dem Faktor 2,6. Das bedeutet, dass wir die 2,6-fache Fläche unseres Landes in Anspruch nehmen, um unseren Lebensstandard zu befriedigen. Die heutige Gesellschaft lebt auf Kosten der kommenden Generationen und raubt ihnen Zukunftschancen und eine intakte Umwelt. Die Folgen sind real: Wasserknappheit, Verlust von Ackerland und Klimawandel. Als Ausgangspunkt für eine messbare Politik der ökologischen Nachhaltigkeit für unsere Stadt benötigen wir eine Maßeinheit, die alle Blickwinkel integriert, deshalb

beantragen wir:

Die Verwaltung beziffert die ggf. notwendigen Mittel und Personalstellen und stellt diese in den Haushalt ein.


Klimaschutzsatzung für Stuttgart

Baden-Württemberg muss sich auf ein wärmeres Klima einstellen, verbunden mit mehr Hitzetagen, mehr Tropennächten, geringeren Sommerniederschlägen und einer Zunahme von Extremwetterereignissen wie Starkregen oder Hagel, so eine aktuelle Studie der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz. Bei den erwarteten Kosten durch Klimafolgeschäden ist Baden-Württemberg unter allen Bundesländern am stärksten betroffen. Die Stadt muss deshalb zügig Anpassungsstrategien zu den Klimafolgen ausarbeiten und verbindliche Beschlüsse fassen. Insbesondere die Gesundheitsvorsorge im Verdichtungsraum Stuttgart durch die steigende Hitzebelastung wird zu einer zentralen Herausforderung.

Mit dem neuen Klimaschutzgesetz hat der Landtag Baden-Württemberg alle Gemeinden verpflichtet, einen angemessenen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu leisten und zu einer nachhaltigen Energieversorgung beizutragen. Bis 2020 sollen die Treibhausgasemissionen in Baden-Württemberg um mindestens 25 % im Vergleich zum Referenzjahr 1990 verringert werden. Bis 2050 sollen es 90 % sein. Strategien und Maßnahmen werden dabei im Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept gebündelt, das 2014 verabschiedet werden soll.
Stuttgart hat seine Klimaschutzziele bislang deutlich verfehlt, wie dem Klimaschutzbericht 2010 klar zu entnehmen ist. Die CO2-Emissionen konnten in diesem Zeitraum nur um 12 % gesenkt werden. Auch eine nachhaltige Energieversorgung liegt noch in weiter Ferne. Der aktuelle Stand zum SEE-Projekt besagt, dass am Endenergieverbrauch die Erzeugung von Energie im Stadtgebiet aus Erneuerbaren Energien noch immer bei unter einem Prozent liegt. Es besteht deshalb akuter Handlungsbedarf. Der Klimaschutz muss verbindlich als Querschnittsaufgabe verstanden und bei allen zukünftigen Entscheidungsfindungsprozessen berücksichtigt werden.

Wir beantragen:
  1. Aus dem Klimaschutzgesetz und dem integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept des Landes wird 2014 unter Berücksichtigung eines öffentlichen Beteiligungsverfahrens eine lokale Klimaschutzsatzung verabschiedet, die schrittweise die Reduzierung der Klimagasemissionen und die Verwirklichung einer nachhaltigen Energieversorgung ohne fossile Energieträger im Stadtgebiet verbindlich sicherstellt.
  2. Die Klimaschutzsatzung wird durch ein Monitoringverfahren begleitet und eine jährliche Berichterstattung über die Zielerreichung gewährleistet.
  3. Jede Beschlussvorlage an den Gemeinderat wird mit einer Stellungnahme versehen, inwiefern der Beschluss die Zielerreichung der Klimaschutzsatzung sicherstellt oder diesen Zielen zuwiderläuft.

Die Verwaltung beziffert die ggf. notwendigen Mittel und Personalstellen und stellt diese in den Haushalt ein.

Stadtwerke Stuttgart: Innovativer Energiedienstleister

Die Sanierungsquote bei privaten Immobilien in Stuttgart bewegt sich auf einem niedrigen Niveau. Das schlägt sich auch in der desaströsen Verfehlung der städtischen Klimaschutzziele nieder. Während bei den städtischen Liegenschaften durch interne Contractingmaßnahmen bereits ein guter Zustand erreicht wurde, bewegt sich bei den nicht-städtischen Gebäuden die Sanierungsquote bei ca. einem Prozent. Da der Großteil des Gebäudebestands ohne Energiestandards errichtet wurde, ist hier der Bedarf nach vorwiegend fossiler Energie für die Klimatisierung noch immer besonders groß.
Die Stadtwerke Stuttgart können mit den Erfahrungswerten des Energieberatungszentrums und der städtischen Ämter hier ein eigenes Geschäftsfeld entwickeln, um die Sanierungsquote zu erhöhen. Besonders geeignet dafür ist das Contracting, da es auch den Haushalten den Zugang zu Energieeinsparmaßnahmen eröffnet, die nicht über das nötige Budget verfügen um eine solche Investition vorfinanzieren zu können. Beim Energiespar-Contracting führt der Energiedienstleister auf eigenes wirtschaftliches Risiko alle notwendigen Effizienzmaßnahmen in den Liegenschaften durch und gibt eine
Einspargarantie ab. Die Vorfinanzierung amortisiert sich dabei durch die Energieeinsparung und steht anschließend für neue Energie-Contracting-Maßnahmen zur Verfügung.

Die Landesregierung plant über das integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept eine Contracting-Offensive in Baden-Württemberg. Auch andere Bundesländer sind auf diesem Gebiet bereits sehr aktiv, z.B. Hessen das mit der Berliner Energieagentur einen Contracting-Leitfaden entwickelt hat.
Das Contracting bietet zudem die Chance, die ungenutzte Dachfläche von 7,6 Millionen Quadratmeter (Quelle: LUBW Potentialatlas) noch stärker für solare Energie- und Wärmegewinnung zu aktivieren oder urbane Energiekonzepte wie Kraft-Wärme-Kopplung oder oberflächennahe Geothermie zu realisieren.

Wir beantragen daher:
  1. Die Stadtwerke Stuttgart (SWS) treten in eine Kooperation mit dem Energieberatungszentrum Stuttgart (EBZ), dem Umweltamt der Stadt und dem Stadtplanungsamt, um ein eigenes Geschäftsfeld für Energie- und Wärmecontracting zu entwickeln. Schwerpunkt für den Einstieg in das Geschäftsfeld sollen die neu ausgewiesenen Sanierungsgebiete sein und dort aktiv auf Hausbesitzer oder Wohneigentümergemeinschaften mit sanierungsbedürftigen Gebäuden zugegangen werden.
  2. Die Verwaltung beziffert die notwendigen Mittel für Personal und eine angemessene Anschubfinanzierung für das Geschäftsfeld Contracting und stellt diese den Stadtwerken Stuttgart als Zuweisung bereit.
  3. Bei den Stadtwerken Stuttgart wird ein Energiebeirat berufen, der Vertreterinnen und Vertreter aus Verbraucherschutzorganisationen, Mieterverein, Wissenschaft und Initiativen umfassen und den Ausgestaltungsprozess der neuen Stadtwerke Stuttgart fachlich und aus Verbrauchersicht begleiten soll.

Sozialtarife für Strom und Gas einführen

Die Strompreise für private Haushalte sind im letzten Jahrzehnt stark angestiegen, von ca. 14 Cent/kWh im Jahr 2000 auf derzeit im Bundesschnitt ca. 26 Cent je Kilowattstunde. Einer zunehmenden Zahl von Haushalten fällt es schwer, die gestiegenen und weiter ansteigenden Stromkosten für den unmittelbaren Lebensbedarf aufzubringen. Dabei ist für die unmittelbar betroffenen Haushalte die Frage nach Anteil und Ursachen der Steigerung zunächst ohne Bedeutung. Entscheidend ist, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben muss, zumindest über den durchschnittlichen „Normalbedarf“ an Strom für ein gutes Leben zu verfügen.

Wenn auch nicht alle unbezahlten Rechnungen Resultat fehlenden Einkommens sind, so ist die stetig zunehmende Zahl von Stromsperrungen doch ein klares Indiz für „Energiearmut“. Nach Berechnungen der Verbraucherzentrale sind bundesweit jährlich schätzungsweise 800.000 Haushalte von Stromsperrungen betroffen. In Stuttgart waren nach einem Zeitungsbericht rund 2.000 Haushalte betroffen.

Ganz besonders machen sich die gestiegenen Stromkosten für Menschen mit geringem oder keinem eigenen Einkommen bemerkbar, exemplarisch ist hier die Situation von Menschen mit ALG II-Bezug. Nach einem Bericht des ARD-Magazins „Report Mainz“ haben die Energieversorger im Jahr 2011 allein rund 200.000 ALG II-Empfänger/innen den Strom gesperrt. Dies ist nicht überraschend, reichen die im Regelsatz angesetzten Stromkosten von 29,07 Euro (Ein-Personen-Haushalt) bei einem Durchschnittspreis von 26 Cent je Kilowattstunde doch nur für knapp 1400 Kilowattstunden im Jahr, während bei einem Single-Haushalt von einem „Normalverbrauch“ von 1700 kWh p.a. ausgegangen wird. Der Paritätische spricht in einem aktuellen Gutachten von einer Differenz zwischen Regelsatzanpassung und Strompreisentwicklung in Höhe von 4,83 Euro (1-Pers-HH) bis 13,55 Euro (5-Personen-HH) in 2012. Ähnliche Berechnungen lassen sich für andere Transfergeldempfänger/innen erstellen, z.B. Grundsicherungs- oder Bafög-Bezieher/innen aber eben auch anhand der Entwicklung der realen Haushaltseinkommen für viele Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen nahe der Armutsgefährdungsgrenze.

Wünschenswert wäre hier eine Erhöhung der bundeseinheitlich festgelegten Sätze bei den Sozialtransfers. Da dies jedoch nicht absehbar erscheint, muss die Stadt ihrer Verpflichtung zur kommunalen Daseinsvorsorge nachkommen.


Wir beantragen daher:

  1. Für Stuttgarter Haushalte mit Bonuscard wird ein Sozialtarif für Strom du Gas eigeführt, der dem Anteil des Regelsatzes für ALG II-Empfänger entspricht.
  2. Strom- und Gassperren gegenüber Kunden der SWS Vertriebsgesellschaft mbH werden grundsätzlich ausgeschlossen und stattdessen bei einer wirtschaftlichen Notlage der Kunden unbürokratisch Hilfe geboten.

Die Verwaltung beziffert die ggf. notwendigen Mittel und Personalstellen und stellt diese in den Haushalt ein.

Maßnahmen zum Gesamtkonzept Stadt mit Energieeffizienz ausfinanzieren

Durch das Projekt Stadt mit Energieeffizienz konnten bereits Maßnahmen abgeschlossen bzw. begonnen werden, die zu einer Einsparung an Primärenergie im Umfang von 1.790 GWh/a führen werden. Ziel ist bis 2020 den Endenergieverbrauch auf ca. 12.000 GWh/a zu senken und den Anteil der erneuerbaren Energien auf 20 % zu erhöhen.
SEE ist damit aktiver Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz, deshalb müssen auch die noch ausstehenden Maßnahmen zügig angeschoben werden.


Wir beantragen:
  1. Die Verwaltung stellt die notwendigen Mittel für die noch offenen 24 Maßnahmen mit einem Gesamteinsparungsziel von 1.210 GWh/a in den Doppelhaushalt und die mittelfristige Finanzplanung ein.
  2. Bei der Schulhaussanierung werden grundsätzlich mindestens die technischen Voraussetzungen zu einer nachträglichen Installation von Solaranlagen baulich sichergestellt. Die Stadtwerke Stuttgart sollen über neue Optionen zur Errichtung von Solaranlagen auf Schulgebäuden informiert werden.
  3. Der bauliche Klimaschutz an den Schulen soll im Rahmen des sehr erfolgreichen "stadtinternen Energie-Contractings" umgesetzt werden, das in den nächsten fünf Jahren dazu um je 9,7 Millionen Euro aufgestockt werden soll.

Die Verwaltung beziffert die ggf. notwendigen Mittel und Personalstellen und stellt diese in den Haushalt ein.


Energienutzungsplan für Stuttgart

Energienutzungspläne sind kommunale Planungsinstrumente, um die energetische Bestandssituation auf der Gemarkung aufzuzeigen und potentielle Standorte für erneuerbare Energieanlagen aufzuzeigen. Sie bilden bereits in vielen Kommunen die Grundlage für die Gestaltung der lokalen Energiewende und zeigen systematisch Sanierungspotentiale auf.
In der Regel werden die Daten mithilfe eines Geoinformationssystems aufgearbeitet und bilden die Basis für Maßnahmen zur Energieeinsparung, Energieeffizienz und den koordinierten Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung. Die Maßnahmenrealisierung, insbesondere durch lokale Planungsinstrumente und Verträge, bringt dabei wichtige Impulse durch Investitionen, Erlöse und Gewerbesteuereinnahmen und lokale Wertschöpfung.

Als wichtige Datenquelle für den Energienutzungsplan kann der Potentialatlas für Erneuerbare Energien der Landesanstalt für Umwelt, Messung und Naturschutz Baden-Württemberg herangezogen werden.
Besonders das Bundesland Bayern fördert die Verabschiedung von Energienutzungsplänen und hat dazu einen Leitfaden verabschiedet. Die Stadt Esslingen hat im April dieses Jahr einen Energienutzungsplan verabschiedet.


Wir beantragen:
  1. Die Verwaltung entwickelt einen Energienutzungsplan für das Stadtgebiet. Dabei ist insbesondere der lokale Wärme- und Kältebedarf zu berücksichtigen.
  2. Die notwendigen Mittel werden im Doppelhaushalt eingestellt. Zusätzlich sind Förderwege für Zuschüsse ergänzend zu prüfen, z.B. das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

Die Verwaltung beziffert die ggf. notwendigen Mittel und Personalstellen und stellt diese in den Haushalt ein.


Gangolf Stocker Thomas Adler Hannes Rockenbauch
Fraktionsvorsitzender Fraktionsvorsitzender


Ulrike Küstler Maria-Lina Kotelmann


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