Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 16.02.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Gallmeister
Betreff: "Stärkung des Gemeinderats: Hauptsatzung ändern! Stadträte entscheiden künftig über den An- und Verkauf von Gebäuden und Grundstücken"
- Antrag Nr. 440/2016 (SÖS-LINKE-PluS) vom
22.12.2016 -

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 15.02.2017, öffentlich, Nr. 34

Ergebnis: mehrheitliche Ablehnung (2 Ja- und 15 Gegenstimmen)


In seiner Begründung des Antrags Nr. 440/2016 seiner Fraktionsgemeinschaft weist StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) den in Stuttgart fehlenden Raum für Wohnen, für bezahlbares Wohnen, für kulturelle, soziale und öffentliche Nutzungen, teilweise auch für die städtische Verwaltung, hin. Immer wieder liege dies an einer mangelnden Grundstücks- und Immobilienpolitik und der daraus resultierenden mangelnden Durchsetzungsfähigkeit des Gemeinderats, da der Stadt zu wenige Grundstücke und Immobilien in der Stadt gehörten. Wenn der Markt versage, werde die Bodenvorratspolitik, auf lange Sicht gedacht, zu einem zentralen politischen Bestandteil und Steuerungsinstrument der kommunalen Daseinsvorsorge.

Der Stadtrat erinnert daran, dass seine Fraktionsgemeinschaft bei allen Verkaufsanträgen der Verwaltung sich dafür einsetze, den städtischen Boden nicht zu veräußern, und dass SÖS-LINKE-PluS auf eine langfristige Bewirtschaftung des Bodens, z. B. in Erbpacht, setze. Auch dürfe der Streubesitz, z. B. beim Amt für Liegenschaften und Wohnen, nicht verkauft werden. Bodenvorratspolitik funktioniere aber nur dann, wenn darüber nachgedacht werde, wie verstärkt Boden und Immobilien erworben werden könnten.


Erfreut zeigt sich StR Rockenbauch über die Aussage in der Stellungnahme des Oberbürgermeisters zum Antrag Nr. 414/2016 der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, dass die Verwaltung künftig im zuständigen Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen grundsätzlich über alle Kaufangebote des Bundes und des Landes Baden-Württemberg, unabhängig von den Wertgrenzen nach Zuständigkeitsordnung und Hauptsatzung berichtet. Das Gleiche gelte für alle Immobilien von herausragender Bedeutung, die der Landeshauptstadt von privaten Eigentümern konkret zum Erwerb angeboten werden.

Die vollständige und strategische Bodenvorratspolitik könne aber nur funktionieren, fährt StR Rockenbauch fort, wenn zurückgenommen werde, dass die Verwaltung innerhalb von Wertgrenzen Geschäfte abschließen könne, ohne dass eine politische Steuerung durch den Gemeinderat oder den Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen stattfindet. Seine Fraktionsgemeinschaft wolle nicht, dass die Verwaltung weiterhin in definierten Wertgrenzen freihändig über den An- und Verkauf von Grundstücken verfügen könne. Seiner Fraktionsgemeinschaft gehe es dabei auch um Einzelwohnungsverkäufe und Baulücken, um kleine Grundstücke; sonst werde der Gemeinderat in Zukunft die Stadt nicht nachhaltig entwickeln können.

Für die Information über Grundstücke bzw. Immobilien schlägt StR Rockenbauch, ähnlich wie bei den Spenden, die Erstellung einer Querliste mit noch zu definierenden Kriterien - Grundstücksgröße, Nutzungsart, heutige Nutzung, Baujahr, Kosten - vor. Die Vorlage sollte rechtzeitig vor der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen vorgelegt werden und der Verkauf oder Kauf der politischen Entscheidung des Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen oder des Gemeinderats überlassen werden. Seine Fraktionsgemeinschaft sei der Meinung, dass mit solch einem praktikablen Verfahren die wichtige (strategische) Bodenvorratspolitik machbar sei. Er bittet namens seiner Fraktionsgemeinschaft deshalb um Zustimmung zum Antrag Nr. 440/2016.

StR Kotz (CDU) erklärt, seine Fraktion halte das bisherige Verfahren mit den bisherigen Wertgrenzen für gut, richtig und angemessen. Sie habe auch keine negativen Erfahrungen damit gemacht. Dem Antrag Nr. 440/2016 werde die CDU-Gemeinderatsfraktion daher nicht zustimmen.

StR Winter (90/GRÜNE) erinnert an die Diskussion in der gestrigen Sitzung des Verwaltungsausschusses, in der besprochen wurde, dass im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen über Kriterien für das künftige Vorgehen diskutiert wird. Zur Bodenvorratspolitik merkt er an, dass hierzu auch die Villa Berg gehöre, ebenso gehörten dazu zahlreiche geplante Wohngebiete, z. B. im Schoch-Areal und im NeckarPark.

Zu einer sinnvollen Bodenvorratspolitik gehöre Kaufen und Verkaufen, betont StR Pfeifer (SPD) gegenüber StR Rockenbauch. Auf den Vorschlag von SÖS-LINKE-PluS wolle seine Fraktion nicht eingehen, da dieser etwas mit der Handlungsfähigkeit der Verwaltung und des Gemeinderats zu tun habe. Mit dem bisherigen Verfahren sei man gut gefahren. Er gebe StR Rockenbauch Recht in der Aussage, dass der Gemeinderat hinsichtlich der Bodenvorratspolitik das Thema Kaufen langfristig noch weiter in den politischen Fokus nehmen und hier auch noch mehr Geld investiert werden müsse. Dies habe aber mit dem, was von SÖS-LINKE-PluS jetzt gefordert werde, überhaupt nichts zu tun. Seine Fraktion bleibe daher bei ihrem Nein zum Antrag Nr. 440/2016 und nehme die im Verwaltungsausschuss getroffene Vereinbarung auf, dass im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen über die Kriterien der jeweiligen Information diskutiert wird.

Das Thema Misstrauenskultur spricht StRin von Stein (FW) an mit der Bemerkung, dass ihre Fraktion Vertrauen in die Verwaltung habe, die zu 99 % gut funktioniere. Wenn einmal etwas schiefgehe, gehöre dies zum menschlichen Verhalten und werde sicher aufgeklärt. Sie meine, dass mit einer Misstrauenskultur der Demokratie Schaden zugefügt werde, da eine funktionierende Verwaltung gebraucht werde. Ihre Fraktion empfinde die Stadtverwaltung Stuttgart als gut funktionierend und verlässlich.

Wenn der Gemeinderat alles wie von SÖS-LINKE-PluS gefordert kontrollieren müsste, müsste zunächst über ganz andere Strukturen nachgedacht werden, da diese Arbeit mit den heutigen Strukturen als quasi Ehrenamt nicht zu bewältigen wäre, fährt die Stadträtin fort. Sie halte es derzeit für in Ordnung, dass diese Dinge gut in einer Verwaltung aufgehoben seien. Die Freien Wähler würden deshalb den Antrag Nr. 440/2016 ablehnen.

Die wirklich wichtigen und für die Entwicklung der Stadt relevanten Entscheidungen würden bereits in den Gremien des Gemeinderats und im Plenum getroffen, weshalb eine Ausweitung "auf jede Kleinigkeit" die Organe des Gemeinderats mit Sicherheit überfordern würde, folgert StR Prof. Dr. Maier (AfD). Im Übrigen würde dies dazu führen, dass die Aufgabenteilung zwischen der Verwaltung auf der einen und dem Gemeinderat als Aufsichtsorgan auf der anderen Seite faktisch aufgehoben würde. Aus diesem Grund lehne seine Fraktion den Antrag Nr. 440/2016 ab.

Die FDP werde den Antrag Nr. 440/2016 ebenfalls ablehnen, erklärt StR Dr. Oechsner (FDP). Nach Meinung der FDP müsste es eine Definition geben, was dem Gemeinderat zugeordnet und was ihm vorgelegt wird. Die Wertgrenzen müssten erhöht werden, damit die Verwaltung im Sinne der Stadt frei handeln könne, was sie seiner Ansicht nach tue. Da es immer wieder einmal das eine oder andere Grundstück gebe, bei dem ein Gremium eine andere Entscheidung getroffen hätte als die Verwaltung, müsste es richtige Definitionen bezüglich der Zuständigkeit des Gemeinderats geben, sodass die Verwaltung durchaus Grundstücksverkäufe und -ankäufe in eigenem Ermessen richtig tätigen könne. Dieses Vertrauen hätten die FDP-Mitglieder des Gemeinderats.

Seine Zustimmung zum Antrag Nr. 440/2016 kündigt StR Dr. Schertlen (STd) an mit dem Hinweis, dass er keine Überlastung des Gemeinderats erwarte, wenn hier und da einmal ein Dokument vorgelegt werde, das ein Gebäude zum An- oder Verkauf, auch unter einer gewissen Wertgrenze, beinhalte. Er verweist in diesem Zusammenhang auf Vergabebeschlüsse z. B. für Stromleitungen in Zehntausend-Euro-Größe oder in einer Liste enthaltene Spenden in geringer Höhe, die pauschal schnell abgehandelt würden.

StR Rockenbauch steht der Diskussion über die inhaltlichen Kriterien positiv gegenüber, da die Wertgrenzen an sich seiner Meinung nach nicht die inhaltliche Diskussion ersetzen. Er gehe aber nicht davon aus, dass am Ende so präzise und harte Kriterien herauskommen, die keinen Interpretationsspielraum zuließen. Es werde im Endeffekt nicht die Ermessens- und Interpretationsentscheidung, die nach Meinung seiner Fraktion der Gemeinderat treffen müsse, ersetzt.

EBM Föll dankt zunächst für das von den Diskussionsteilnehmern überwiegend ausgesprochene Vertrauen in die Arbeit der Verwaltung. Sodann legt er dar, dass die Wertgrenzen bereits 20 Jahre alt seien, was die Höhe angehe. Sie seien nicht verändert, sondern nur von DM auf € umgestellt und umgerechnet worden. Bei Betrachtung der Wertgrenzen sowie der Grundstücks- und Bodenpreise in Stuttgart könne festgestellt werden, dass in der Verwaltungskompetenz nicht wirklich viel entschieden werden könne. Es fänden pro Jahr zwischen 200 und 300 An- und Verkaufsvorgänge statt - dies ergebe sich aus der Geschäftsstatistik, die für die Gemeinderatsmitglieder einsehbar sei. Die Verwaltung wolle die Wertgrenzen wegen der dann noch größeren Verantwortung gar nicht erhöht bekommen. Es werde seitens der Verwaltung positiv gesehen, dass bei wesentlichen Fragen die Verantwortung mit dem Gemeinderat geteilt werden könne. Im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen werde man sich entsprechend der gestrigen Diskussion im Verwaltungsausschuss über die Definition der Kriterien unterhalten, aber es werde immer wieder einmal auch ein Ermessen geben. Ein gewisses Grundvertrauen in die Arbeit der Verwaltung gehöre dazu, ansonsten funktioniere das Ganze in der Praxis nicht.

Zur Bodenvorratspolitik weist EBM Föll an StR Rockenbauch, der der Stadt vorgeworfen hat, keine Bodenvorratspolitik zu machen, gewandt darauf hin, dass die Stadt vor Jahren die Stuttgart 21-Flächen gekauft hat. Er denke, dass Stuttgart damit die Stadt ist, die die größte Bodenvorratspolitik in ganz Deutschland gemacht hat. Jetzt könne zwar behauptet werden, dass es sich um die falschen Grundstücke handle, aber es könne nicht behauptet werden, dass die Stadt keine Bodenvorratspolitik mache. Allenfalls könne argumentiert werden, dass die Stadt eine falsche Bodenvorratspolitik mache.


Abschließend stellt OB Kuhn fest:

Der Gemeinderat lehnt den Antrag Nr. 440/2016 der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN bei 8 Jastimmen mehrheitlich ab.

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