Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz:
OB
GRDrs
471/2019
Stuttgart,
05/13/2019
Autofreier Sonntag im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche 2019
Beschlußvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Beschlussfassung
öffentlich
22.05.2019
Beschlußantrag:
1. Dem Konzept für einen „Autofreien Sonntag“ am 22. September 2019 auf der Theodor-Heuss-Straße, der Beauftragung der in.Stuttgart Veranstaltungsgesellschaft mbH & Co. KG mit der Vorbereitung und Durchführung sowie den voraussichtlichen Kosten von bis zu 370.000 EUR wird zugestimmt.
2. Die Aufwendungen werden gedeckt im THH 810 BMA, Kontengruppe 44500 - Erstattungen von Verwaltungs- und Betriebsaufwand. Die Mittelbereitstellung erfolgt in Höhe von 200.000 EUR aus vorhandenem Budget im Amtsbereich 8108020 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie in Höhe von 70.000 EUR aus dem Budget des THH 660 Tiefbauamt.
Die in den Gesamtkosten enthaltenen eventuell erforderlich werdenden Sicherungs-maßnahmen gegen Anschläge mit Fahrzeugen werden gedeckt im Teilfinanzhaushalt THH 660, Tiefbauamt, Projekt-Nr. 7.661074 - Absicherung zentraler öffentlicher Plätze - AuszGr 7872 Tiefbaumaßnahmen.
Begründung:
Der Autofreie Tag – Definition und Beispiele
Das Konzept, einen Tag auf den Gebrauch des Autos zu verzichten, wird bereits seit dem Ende der 1980er Jahre in vielen Städten und Gemeinden weltweit in unterschiedlichsten Formen durchgeführt. Ziele von Autofreien Tagen können z.B. die Reduzierung der Luftverschmutzung (u.a. durch Schadstoffe wie Kohlendioxid, Stickstoffdioxid und Feinstaub), die Verringerung von Lärm, die Reduzierung der Zahl der Unfälle oder der positive Einfluss auf die Gesundheit der Anwohner sein. Auch die Förderung von alternativen Mobilitätsformen, z.B. Bus, Bahn, Fahrrad und Fußverkehr sowie von attraktiven und lebendigen Stadtquartieren können einen Autofreien Tag begründen.
Auf nationaler und internationaler Ebene gibt es Städte, die Autofreie Tage mit unterschiedlichen Strategien und Herangehensweisen planen und durchführen. Diese können für das ganze Stadtgebiet, ein bestimmtes Quartier oder für bestimmte Strecken gelten. Autofreie Tage können jährliche Veranstaltungen sein oder häufiger wiederkehrende Ereignisse. Sie können an einem Sonntag oder unter der Woche stattfinden. Viele Kommunen orientieren sich an überregionalen Aktionen, wie z.B. der Europäischen Mobilitätswoche, verkehrspolitischen Aktionen („mobil ohne Auto“) oder Kampagnen im Rahmen von Förderprogrammen der jeweiligen Bundesländer. Um die unterschiedlichen Formate der Autofreien Tage aufzuzeigen, werden folgende Beispiele kurz präsentiert:
Flächendeckende Autofreie Tage am Beispiel von Bogotá
In der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá wurde im Jahr 2000 ein per Volksabstimmung beschlossener Autofreier Tag „
Día sin carro
“ eingeführt, der sich über die ganze Stadtfläche erstreckt und immer am ersten Donnerstag im Februar stattfindet. Das Verbot betrifft über 2 Mio. private Pkws und Motorräder. Befreit vom Verbot ist der ÖPNV. An diesem Tag fahren ca. 2,5 Mio. Personen mit dem Fahrrad und ca. 5,5 Mio. Wege werden zu Fuß zurückgelegt. Der „
Día sin carro
“ in Bogota wird von der großen Mehrheit der Stadtbevölkerung unterstützt und mitgetragen. Permanente Luftmessungen während des Autofreien Tages zeigen eine erhebliche Verbesserung der Luftqualität.
Quartiersbezogene Autofreie Tage am Beispiel von Paris
Für die Aktion "
Dimanche sans ma voiture
" in Paris wird seit 2015 die Avenue des Champs-Élysées jeden ersten Sonntag im Monat für Autos gesperrt, was in den letzten Jahren auf das Stadtzentrum und auf verschiedene Quartiere in der ganzen Stadt sukzessiv ausgeweitet wurde. „
Paris respire
“ (Paris atmet) ist der Name eines Programms der Stadtverwaltung, bei dem seit 2016 die Straßen bestimmter Stadtteile an allen Sonn- und Feiertagen des Jahres für den Fahrzeugverkehr geschlossen werden. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für dieses Programm ist hoch.
Streckenbezogene Autofreie Tage am Beispiel von Hannover
Im Jahr 2018 fand am 3. Juni das zehnjährige Jubiläum des Autofreien Sonntags in Hannover statt. Hierbei wurden vier Hauptstraßen in der Innenstadt (ein Bereich von 50.000 m²) zu einer Autofreien Zone erklärt und mit Veranstaltungsformaten und Aktionen bespielt. An diesem Tag wird der Verkehr umgeleitet. Anwohner aus dem Innenstadtbereich können Fahrten nur über einen Nachweis an den vorgesehenen Durchlassstellen durchführen. Am Autofreien Sonntag gelten Einzeltickets im ÖPNV innerhalb der gewählten Zonen den ganzen Tag.
Vorschlag der Stadtverwaltung für die Umsetzung eines Autofreien Sonntags in Stuttgart in der Europäischen Mobilitätswoche
Die Europäische Mobilitätswoche (EMW) ist eine Kampagne der Europäischen Kommission. Seit 2002 bietet sie Kommunen aus ganz Europa die Möglichkeit, ihren Bürgerinnen und Bürgern die komplette Bandbreite nachhaltiger Mobilität vor Ort näher zu bringen. Jedes Jahr, immer vom 16. bis 22. September, werden im Rahmen der EMW innovative Verkehrslösungen ausprobiert oder mit kreativen Ideen für eine nachhaltige Mobilität in den Kommunen geworben: So werden beispielsweise Parkplätze und Straßenräume umgenutzt, neue Fuß- und Radwege eingeweiht, Elektro-Fahrzeuge getestet, Schulwettbewerbe ins Leben gerufen und Aktionen für mehr Klimaschutz im Verkehr durchgeführt. Dadurch zeigen Kommunen und ihre Bürgerinnen und Bürger, dass nachhaltige Mobilität möglich ist, Spaß macht und praktisch gelebt werden kann. Auch in Stuttgart wurden in der Vergangenheit verschiedene Aktivitäten im Rahmen der EMW durchgeführt.
Dabei soll ein Autofreier Sonntag nicht als eine einmalige Veranstaltung konzipiert und gestaltet werden, sondern als ein Ereignis, das sich jährlich wiederholt.
Die Stadtverwaltung schlägt deshalb
Sonntag, 22. September 2019
als ersten
Autofreien Sonntag
in Stuttgart
vor.
Veranstaltungsfläche
Dem erfolgreichen Beispiel von Hannover folgend, empfiehlt die Stadtverwaltung für den ersten Autofreien Tag die Sperrung einer Straße mit folgenden Merkmalen:
§
die Straße sollte sichtbar und zentral sein. Daher wird eine Straße in der Innenstadt empfohlen.
§
es sollte eine Hauptstraße sein, um die erwünschte Wirkung in der Öffentlichkeit zu erlangen
§
die Straße sollte sich in einem Wohn- bzw. Mischgebiet befinden
§
die Sperrung sollte nicht einen Hauptverkehrsknoten, der als Einfahrt in die Stuttgarter Innenstadt dient oder eine Bundestraße unverhältnismäßig beeinträchtigen
§
es muss Umleitungsmöglichkeiten für den Busverkehr geben
§
die Sperrung sollte keine Hauptradroute des Radverkehrs ohne Umleitungsmöglichkeit beinhalten
Nach diesen Kriterien kann der im Antrag 17/2018 vorgeschlagene Bereich (B14 zwischen Heilmann-Kreuzung und Marienplatz) nicht berücksichtigt werden. In diesem Fall handelt es sich um eine wichtige Bundesstraße, auf der ÖPNV-Linien besonders beeinträchtigt werden. Auch der Aufwand und die Kosten für die Sperrung der B14 mit einer Straßenlänge von ca. 3,5 km wären sehr umfangreich.
Unter diesen Voraussetzungen empfiehlt die Stadtverwaltung für den ersten Autofreien Sonntag die
Theodor-Heuss-Straße
von der Fritz-Elsass-Straße (Stadtmitte) bis zur Kronenstraße. Die Theodor-Heuss-Straße ist eine wichtige Hauptstraße der Landeshauptstadt Stuttgart (B27), deren Sperrung und Bespielung bereits mehrfach erfolgreich gelungen ist (u.a. Deutschland-Tour, 35. Deutscher Evangelischer Kirchentag, Tag der Deutschen Einheit.). Angedacht ist, in den Folgejahren die Fläche für einen Autofreien Sonntag auszuweiten.
Programmskizze
Die in.Stuttgart Veranstaltungsgesellschaft mbH & Co. KG wurde gebeten, die Planung und Organisation der Veranstaltung im Auftrag der Landeshauptstadt zu übernehmen. Die Veranstaltung soll unter dem Motto „Kunst, Kultur, Klimaschutz“ stehen. Folgende Bestandteile sind angedacht und werden mit den möglichen Partnern noch vertieft. Insbesondere werden Kooperationen mit Museen, Kunsteinrichtungen, Kulturinstituten etc., die an diesem Tag spezielle Angebote machen könnten, angestrebt.
Bühnenprogramm
Eine zentrale Bühne mit Live-Acts aus Stuttgart und der Region, aber auch mit Möglichkeiten für kurzweilige Gesprächsrunden zu spannenden Themen („über den Tellerrand hinaus“) oder zum politischem Dialog
Gauthier Dance School, Ballett-Ensemble Staatstheater, Junge Künstler der Popakademie, SWR BigBand u.v.m.
Schlemmer-Meile ohne Einweggeschirr und ohne Plastik
Einbindung „Genuss-Region Stuttgart“ - regional, nachhaltig, biologisch (auch Weinbau etc.), Solarküche der Stuttgarter Stadtwerke
Klima-Meile
Info-Stände von Verbänden, Aktionsbündnissen etc. rund um das Thema Klimaschutz (Luftreinhaltung, Nachhaltige Stadtentwicklung, Artenschutz/-vielfalt, Klimafreundliche Ernährung u.v.m.)
Technik fürs Leben/Technologiepark
Präsentationsfläche für Partner aus der Wirtschaft zu den Themen E-Mobility, E-Bike, Nachhaltige Energiequellen, PV-Anlagen etc.; ÖPNV; nachhaltiges Bauen …
Kids-Areal
Umweltschutz live (z.B. Insektenhotel / Samenbomben bauen)
Mini-Windrad basteln in Kooperation mit den Stadtwerken
Sport-Meile in Zusammenarbeit mit dem Amt für Sport und Bewegung (Pump Track, BMX Parkour, Streetball etc.)
Upcycling-Markt
Künstler zeigen wie aus alt neu wird (Accessoires, Lifestyleprodukte, Möbel etc.). Für die kleinen und großen Künstler unter den Besuchern gibt es Nachhaltige Recycling Art zum Mitmachen für Alle.
Supermarkt ohne Verpackung
Gutschein-Aktion in Kooperation mit VVS/Stadtwerken
Verkehrliche Umsetzung
Der zu sperrende Straßenabschnitt ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen, zudem wird auch der Betrieb von Stadtbahn und Bussen durch die Sperrung dieser Strecke nicht tiefgreifend behindert bzw. es bestehen erprobte Umleitungskonzepte.
Die Theodor-Heuss-Straße wird in beiden Richtungen zwischen Kronenstraße und Rotebühlplatz für den Autoverkehr gesperrt; der Rotebühlplatz selbst bleibt befahrbar. Die IVLZ wird den Verkehr entsprechend steuern, die Verkehrsteilnehmer werden über die großen Variotafeln informiert. Wegen der Aufbauarbeiten wird die Sperrung möglicherweise bereits ab Samstag 20 Uhr erfolgen.
Da der X1-Bus sonntags nicht verkehrt, sind keine Buslinien betroffen. Die Erreichbarkeit der an den Straßenzug angrenzenden Gebiete und Einrichtungen wird erschwert bzw. in Teilen nicht möglich sein. Dies gilt auch für die Parkhäuser der Innenstadt. Ebenso sind die Radfahrstreifen, die E-Ladesäulen und die Taxenstandplätze im gesperrten Bereich nicht nutzbar. Die Erschließung des Polizeireviers 1 wird mit dem Polizeipräsidium noch abgestimmt.
Kosten, Finanzierung
Mit folgenden Kosten wird gerechnet:
- Auf- und Abbau Veranstaltungstechnik 30.000 EUR
- Betriebskosten (Reinigung, WC-Miete, Wasser, Strom,…) 30.000 EUR
- Personal (Ordnungsdienst, Sanitätsdienst,…) 30.000 EUR
- Öffentlichkeitsarbeit 25.000 EUR
- Organisation in.Stgt, GEMA, sonstiges 30.000 EUR
- verkehrliche Maßnahmen 70.000 EUR
Summe 215.000 EUR
Bislang nicht berücksichtigt sind zusätzliche Sicherungsmaßnahmen gegen Anschläge mit Fahrzeugen. Soweit solche erforderlich werden, ist mit weiteren Kosten von rd. 100.000 EUR zu rechnen.
Dem stehen voraussichtlich Erlöse aus Imbiss- und Getränkeständen von 5.000 EUR gegenüber, so dass der Landeshauptstadt ein Aufwand von voraussichtlich 210.000 EUR / 310.000 EUR (bei zusätzlich notwendigen Sicherungsmaßnahmen) zuzüglich
eventuell anfallende Umsatzsteuer, also insgesamt rd. 250.000 EUR / 370.000 EUR entstehen wird.
Sofern Leistungen oder Teile davon durch Ämter der Landeshauptstadt oder den Eigenbetrieb AWS durchgeführt werden können, sollen diese direkt beauftragt werden. Im Übrigen erfolgt die Durchführung durch die in.Stuttgart.
Die erforderlichen Mittel stehen in den Teilhaushalten des Bürgermeisteramts, hier im Amtsbereich 8108020 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, und des Tiefbauamts im Amtsbereich 6605410 Gemeindestraßen in entsprechender Höhe zur Verfügung. Soweit erforderlich können sie im Rahmen der Deckungsfähigkeit bzw. als überplanmäßige Mittel im Rahmen der Verwaltungszuständigkeit umgesetzt werden.
Ausblick
Die Erfahrungen bei der Austragung des ersten Autofreien Sonntags werden zeigen, ob es sinnvoll ist, die Veranstaltungsfläche in kommenden Jahren zu erweitern oder zu verlegen. Vorstellbar ist auch, dass weitere Straßen bzw. Gebiete für zukünftige Tage in Erwägung gezogen werden. Die Stadtverwaltung wird rechtzeitig den Dialog mit dem Gemeinderat suchen, wie der Autofreie Sonntag in den kommenden Jahren gestaltet werden soll. Im Doppelhaushalt 2020/2021 wären entsprechende Ansätze zu veranschlagen.
Fritz Kuhn
Finanzielle Auswirkungen
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Anlagen
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