Beantwortung zur Anfrage
287/2011

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 12/20/2011
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 6215-03



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Wahl Dieter (CDU), Kotz Alexander (CDU), Prof. Dr. Loos Dorit (CDU), Hill Philipp (CDU)
Datum
    07/20/2011
Betreff
    Das Handy als elektronisches Zahlungsmittel
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:



Das Handy als elektronisches Zahlungsmittel

2005 wurde das Handyparken als eine Möglichkeit des bargeldlosen Bezahlens von Parkgebühren in Deutschland eingeführt. Seitdem beobachtet die Verwaltung intensiv die technischen Entwicklungen und die Nutzerzahlen. Gegenüber der Beantwortung der Anfrage 74/2009 (Handy als Parkuhr) vom 08.06.2009 hat sich unsere Bewertung des Handyparkens nicht maßgeblich verändert. Größter Kritikpunkt sind nach wie vor die allgemein geringen Nutzerzahlen, die nicht im Verhältnis zum monetären Aufwand insbesondere bei der Verkehrsüberwachung stehen.

Seit einigen Monaten bietet die Stadt Stuttgart eine andere Alternative zur Münzgeldbezahlung am Parkscheinautomat an: die Bezahlung per Girocard (EC-Karte). Im Zuge der Einführung des Parkraummanagements Stuttgart-West hatte der Gemeinderat entschieden, die rund 470 neuen Parkscheinautomaten mit der Girocard auszustatten (siehe GRDrs 257/2009). Weitere Parkscheinautomaten mit Girocard-Funktion befinden sich seit Herbst letzten Jahres im Gerichtsviertel und auf einigen P&R-Plätzen. Ein weiterer Ausbau soll im Rahmen der Ersatzbeschaffung von neuen Parkscheinautomaten für Altgeräte sukzessive erfolgen. So werden derzeit ca. 75 Parkscheinautomaten in der Stuttgarter Innenstadt (Gebührenzone „City“) durch neue Geräte mit Girocard-Funktion ersetzt.






Aktuelle Zahlen zur Nutzungsrate bezogen auf den Gesamtumsatz belegen, dass im P&R-Bereich ca. 21 %, im Stuttgarter Westen ca. 11 % und im Gerichtsviertel ca. 8 % der Parkgebühren per Girocard generiert werden. Dies kann als Erfolg gewertet werden.

Im Bereich des Handyparkens können diese Nutzerzahlen nicht erreicht werden. Aus den Erfahrungen anderer Städte bleiben diese überwiegend im unteren einstelligen Bereich. So berichten Berlin, Köln und Hamburg aktuell von unter 2 % Nutzungsrate.

Da die Girocard in Stuttgart mit Erfolg eingeführt wurde, empfiehlt die Verwaltung im Bereich des alternativen Bezahlens an Parkscheinautomaten an dieser Lösung festzuhalten und diese weiter auszubauen.

Zu Frage 1: Welche Städte haben ein solches System bisher eingeführt, mit welchen Kosten, Nutzen und mit welcher Akzeptanz in der Bevölkerung?

Derzeit existieren etwa 10 Systemanbieter im Bereich Handyparken, die das sogenannte „Mobile Ticketing“ bewerben. Der größte von ihnen ist sms&park mit rund 40 teilnehmenden Städten, gefolgt von Mobile City mit rund 30 und Easy-Park mit rund 20 Kommunen.

Bei der operativen Konzeption unterscheidet man grundsätzlich zwischen registrierungsfreien und -pflichtigen Verfahren. Bei den Systemen mit Registrierung sind die Abrechnungsdaten beim Systemanbieter hinterlegt. Die Abrechnung erfolgt dabei per Lastschrift oder Kreditkarte. Bei diesem Verfahren ist das Echtzeitparken möglich. In großen Städten wie zum Beispiel Hamburg, Köln und Berlin findet dieses System seit 2008 bzw. 2009 Anwendung. Die Stadt muss für diese Dienstleistung keine Abgabe an den Betreiber bezahlen.

Vor allem kleinere Städte wie Arnsberg entscheiden sich für das registrierungsfreie Verfahren. Hier werden vom Nutzer zu Beginn eines jeden Parkvorgangs einige Informationen wie Parkzone, KFZ-Kennzeichen usw. ins Handy eingegeben, damit ein SMS-Parkticket generiert werden kann. Dabei muss sich der Nutzer auch auf die gewünschte Parkzeit festlegen. Beim Betrieb eines solchen registrierungsfreien Handyparksystems fallen für die Kommunen zusätzliche Abgaben an den Systemanbieter an. In der Stadt Arnsberg werden seit November 2009 die rund 500 öffentlichen Stellplätze im Stadtgebiet zusätzlich zum Parkscheinautomat per Handy bewirtschaftet. Die Stadt Arnsberg bewirbt das Handyparken gemeinsam mit dem Betreiber sms&park GmbH sehr intensiv und regelmäßig. So wurden zuletzt im Juni 2011 3 Tage lang allen Nutzern des Handyparkens die Parkgebühren auf den öffentlichen Parkflächen für die erste Stunde erlassen. Im Jahr 2010 lag die Nutzungsrate in Arnsberg bei 5 % des Gesamtumsatzes.

In Baden-Württemberg haben bisher die Städte Tettnang, Heidenheim, Ditzingen, Bad Mergentheim, Friedrichshafen und Unteruhldingen das Handyparken eingeführt. Auch hier liegt der Nutzeranteil im unteren einstelligen Bereich. Ferner gibt es bereits Städte, die aus der Handyparkmöglichkeit wieder ausgestiegen sind, unter anderem Bremen und Bregenz.



Der Kostenaufwand für die Einführung und den Betrieb des Handyparkens ist abhängig von verschiedenen Faktoren (zum Beispiel vom gewählten Systemanbieter). In der Beantwortung der Anfrage 74/2009 wurden Kosten für die Einführung des Handyparkens von rund 300.000 € (Beschilderung, Datenerfassungsgeräte, Öffentlichkeitsarbeit) in Hamburg genannt, die als Untergrenze für Stuttgart angesehen werden können.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs aktuell eingesetzten mobilen Datenerfassungsgeräte, je nach Handypark-System, durch spezielle geeignete internetfähige Mobiltelefone und Scanner ausgetauscht bzw. ergänzt werden müssten. Die aktuell eingesetzten Erfassungsgeräte wurden zuletzt Ende 2010/Anfang 2011 mit einem Kostenaufwand in Höhe von rund 250.000 € angeschafft.


Zu Frage 2 / Teil 1: Denkt Stuttgart daran, dies kurz- bzw. mittelfristig z. B. im Rahmen eines Pilotprojekts zu testen? Dafür könnten sich aus unserer Sicht Bereiche des neuen Parkraummanagements in S-West anbieten oder auch der innere "Ring" unserer City.

Grundsätzlich erhöht sich die Akzeptanz des Handyparkens deutlich, je größer der Anwendungsbereich innerhalb einer Stadt bzw. einer Region ist (Quelle: Empfehlungen der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen FGSV, Hinweise zum Einsatz bargeldloser Zahlungsmittel beim Parken).

Der organisatorische und vertragliche Aufwand zur Einrichtung des Handyparkens ist nahezu unabhängig von der Größe des Bewirtschaftungsbereiches. Dies betrifft selbstverständlich nicht den Kontrollaufwand für die Verkehrsüberwachung. Der Zeitaufwand einer Fahrzeugkontrolle ist beim Handyparken deutlich höher als beim herkömmlichen Bezahlsystem mit Bargeld bzw. Girocard. Bei einem Kontrollvorgang muss die Überwachungskraft mittels eines (internetfähigen) Mobiltelefons eine Anfrage beim Systembetreiber durchführen und dessen Auskunft abwarten. Vor allem in den Gebieten mit intensiver Parkraumbewirtschaftung, wie beispielsweise in der Innenstadt oder im Stuttgarter Westen, würde dies zu einer deutlichen Reduzierung der Kontrollkapazität pro Kontrollkraft führen. Um die gleiche Kontrolldichte und Einnahmen wie bisher aus der Verkehrsüberwachung zu erzielen, müssten somit mehr Kontrollkräfte eingesetzt werden.

Ferner sollte im Bereich S-West von einer weiteren alternativen Bezahlweise, zusätzlich zur Girocard, zunächst abgesehen werden. Auch nach Ansicht der Universität Stuttgart, die die Einführung des Parkraummanagements wissenschaftlich begleitet hat, ist es im Stuttgarter Westen derzeit wichtig, eine Stabilität der Parkregelung herbeizuführen. Neuerungen bedürfen einer Übung und längerer Gewöhnungszeit für die Menschen.

Die Verwaltung sieht für das Handyparken nur dann eine Chance, wenn eine regionale Lösung in einem Städteverbund Baden-Württemberg bzw. Großraum Stuttgart gefunden wird, vergleichbar der Lösung in der Region Frankfurt-Rhein-Main.



Frage 2 / Teil 2: Denkbar wäre auch ein Bezahlsystem über Bank-/Kreditkarten analog der Gebühren in Parkhäusern. Gibt es dazu schon Erfahrungswerte?

Grundsätzlich ist ein bargeldloses Bezahlverfahren in allen Bereichen, schon aus Kostengründen anzustreben. Dabei muss aber eine stadtweite einheitliche Lösung, die möglichst an allen Automaten bzw. Zahlstellen zur Verfügung steht angestrebt werden. Erfahrungsgemäß trägt auch hier die Einheitlichkeit in der ganzen Region zur Akzeptanz der Kunden bei. Eine Vielfalt ist kontraproduktiv.

Im Rahmen des Projektes „Parkraummangement Stuttgart West“ hat sich die Verwaltung 2009/2010 intensiv mit den verschiedenen Möglichkeiten zur alternativen Bezahlung an Parkscheinautomaten auseinandergesetzt. Die Girokarte (EC-Karte) trifft im Vergleich zur Geld- und Kreditkarte auf eine nachweislich höhere Akzeptanz bei den Nutzern.

Bei der Kreditkarte werden die Parkeinnahmen zusätzlich durch die Gebühr der Kreditgesellschaft (Merchant- und Clearinggebühren) und den Zinsverlust durch die verzögerte Gutschrift auf dem Bankkonto der Kommune geschmälert. Ferner lässt die Gemeindekassenverordnung (§ 13 GemKVO) bisher die Kreditkarte nur für die Bezahlung von privatrechtlichen Forderungen zu. Bei den Parkgebühren handelt es sich jedoch um öffentlich-rechtliche Forderungen. In Stuttgart werden bis Ende 2011 rund 550 PSA mit Girocard-Funktion in Betrieb sein. Das Einführen einer weiteren Bankkartenlösung wird nicht empfohlen.


Frage 3: Sollte dies im Zusammenhang mit dem zu entwickelnden Verkehrsentwicklungskonzept der Landeshauptstadt Stuttgart (VEK 2030) als mögliches Projekt mit aufgenommen und dort ausführlich bewertet werden?

Die Einführung eines zusätzlichen Bezahlsystems für städtische Parkplätze kann als ein mögliches Projekt im VEK genannt werden. Eine ausführliche Bewertung würde dann im Rahmen der Projektbearbeitung erfolgen und noch nicht im VEK abgehandelt werden.

Unabhängig davon gibt es derzeit verschiedene Initiativen, die sich mit der Einführung einer Mobilitätskarte beschäftigen. Zu den Funktionen einer Mobilitätskarte, die auch über Smartphones verfügbar sein könnten, kann evtl. auch das bargeldlose Bezahlen von Parkgebühren gehören.


Frage 4: In der Stellungnahme zu unserem Antrag 74/2009 sind auch eine Reihe von weiteren Anwendungsmöglichkeiten genannt (SSB-Fahrscheine, Pilotprojekt im deutschen ÖPNV seit Mai 2007, Eintritt für Museen, Schwimmbäder, usw.). Uns interessiert, ob hierzu inzwischen weitergehende Gedanken bei der Stadtverwaltung bzw. den betroffenen Unternehmen bestehen und welche Ergebnisse das Pilotprojekt im deutschen ÖPNV gebracht hat. Im Zusammenhang mit dem Verkehrsentwicklungskonzept 2030 und dem ÖPNV verweisen wir auch auf unseren Antrag 246/2001 (Teil ÖPNV, Ziffer 1).



Die Museen Hegel-Haus, Städtisches Lapidarium, Stadtmuseum Bad Cannstatt sowie die Heimatmuseen Möhringen und Plieningen sind derzeit direkt dem Kulturamt zugeordnet. Da alle kostenfrei sind, stellt sich die Frage nach Handytickets dementsprechend nicht. Inwieweit ein Handyticket für das 2016 zu eröffnende Stadtmuseum im Wilhelmspalais relevant sein wird, lässt sich heute noch nicht beantworten.

Das Kunstmuseum äußert zur Idee eines Handytickets, dass diese Art des Kartenerwerbs für die Zukunft grundsätzlich eine interessante Ergänzung sein kann. Hierbei sollte neben dem Kostenaspekt jedoch beachtet werden, dass ein Kassensystem vorhanden sein muss, das solche Ergänzungen einbinden kann bzw. über Schnittstellen zu solchen Ergänzungen verfügt. Da diese technischen Voraussetzungen beim Kassensystem des Kunstmuseums zurzeit nicht gegeben sind, gibt es dort im Moment keine konkreten Pläne, ein Handyticket einzuführen.

Seitens der Stadtkämmerei gibt es in den Bereichen Museen, Schwimmbäder usw. keine Überlegungen, ein Bezahlverfahren durch Handy einzuführen. Auch hier ist die Girocard-Funktion, als Alternative zum Bargeld, die empfohlene Lösung.

Die SSB AG stellt ihren Kunden außer der Möglichkeit mit Bargeld zu bezahlen noch die Bezahlmöglichkeiten per Girocard (mit PIN), per Geldkarte (Guthaben auf Chip) und per Kreditkarte zur Verfügung. Die Bezahlvorgänge durch Bargeld überwiegen, während die Bezahlvorgänge durch Girocard bei 10% liegen. Bezahlvorgänge per Geld- oder Kreditkarte fallen nur vereinzelt an.

Mit Wirkung zum 1. September 2011 sind der VVS und die SSB dem VDV-Projekt „Handyticket Deutschland“ beigetreten. Im Rahmen dieses Projekts wird ein interoperables Handyticket-System betrieben, das es den Kunden der teilnehmenden 14 Verkehrsverbünde ermöglicht, mit nur einer Registrierung Tickets des Gelegenheitskunden-Segments wie Einzel-, 4er- und TagesTickets in den jeweiligen Regionen über das Mobiltelefon zu erwerben und zu nutzen. Die Bezahlung der Tickets kann mit Kreditkarte, per Lastschrift oder Prepaid-Verfahren erfolgen und wird über einen zentralen Finanzdienstleister (Deutsche Verkehrsbank LogPay) abgewickelt. Der offizielle Marktstart im VVS wird im 1. Quartal 2012 erfolgen.






Dr. Wolfgang Schuster


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