Beantwortung zur Anfrage
243/2013

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 08/14/2013
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 6260 - 05



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Bulle-Schmid Beate (CDU), Currle Fritz (CDU), Hill Philipp (CDU), Vetter Helga (CDU), Endreß Ulrich (CDU)
Datum
    06/10/2013
Betreff
    Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

1. Welche Risiken bestehen für die Stadt Stuttgart bei extremen Hochwasserlagen?

Grundsätzlich bestehen für die Stadt Stuttgart die gleichen Risiken wie für andere Städte am Fluss. Zunächst ist mit Überflutungen der angrenzenden Stadtbereiche und bei langanhaltendem Hochwasser im schlimmsten Fall mit Dammbrüchen zu rechnen. Dargestellt sind diese Risiken zum einen in den Hochwassergefahrenkarten, die seit kurzem für die Gewässer Neckar und Körsch rechtskräftig und für jeden zugänglich im Internet (www.lubw.baden-wuerttemberg.de) bereit stehen. Zum anderen hat das Land eine Risikomanagementplanung aufgestellt die nun im Entwurf vorliegt. Die Hochwassergefahrenkarten stellen die Ausdehnung und Tiefe möglicher Hochwasser dar, die Risikokarten die betroffenen Nutzungen.


2. Welche Maßnahmen sind kurzfristig, mittelfristig und langfristig notwendig, um die Gefahren zu minimieren?

Kurzfristig (2013 / 2014):

Die vorliegenden Untersuchungen des Landes (Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikomanagement) sowie Untersuchungen des Tiefbauamtes unter anderem zu Dammhöhen und –standsicherheit, sollen weiter verfeinert und mit den Erkenntnissen aus dem letzten Hochwasser (31.05 auf 02.06.2013) abgeglichen werden. Damit sind auch die Wasserstandshöhen, die Wehr- und Schleusenstellungen, sowie die entsprechenden Pegel in Plochingen gemeint.

Aus den daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen dann ggf. notwendige technische Maßnahmen (z.B. Erhöhung Freibord) abgeleitet werden. Neue relevante Informationen sollen in den Alarm- und Einsatzplan bei Neckarhochwasser Eingang finden
(z. B. ab welchem Pegelstand in Plochingen müssen vorsorglich welche Straßenzüge gesperrt oder gar evakuiert werden). Des Weiteren sollen die Ergebnisse eine fundierte Datenbasis für die Information der Bevölkerung und für städtebauliche Maßnahmen liefern.


In enger Abstimmung mit dem Regierungspräsidium wird zunächst die Datenbasis abgeglichen. Aus den daraus gewonnen Erkenntnissen sollen bis Mitte Oktober weitere Maßnahmen, wie zum Beispiel die Aktualisierung der Dammvermessung, festgelegt werden. Ziel ist, eine aussagekräftige Schwachstellenanalyse zu erhalten.

Des Weiteren sind Abstimmungen mit unseren Nachbarkommunen, wie Esslingen und Heilbronn geplant um auch dort gemeinsame Aufgaben zu identifizieren.

In den nächsten Monaten sind Dammbegehungen durch die bereits installierte Hochwasserbereitschaft vorgesehen, wodurch u. a. wichtige Erkenntnisse für die Dammfreimachung gewonnen werden sollen (siehe dazu „Mittelfristig“ unter Punkt 2).

Mittelfristig (ab 2014):

1. Durchführung der dringend notwendigen Sanierung der Hochwasserrückhaltebecken (siehe dazu GRDrs 462/2013, sowie 423/2010, 863/2011).
2. Um die Dammsicherheit zu erhöhen und um Schäden am Damm leichter erkennen zu können, sind die Dämme sukzessiv von Bäumen und Bewuchs zu befreien. Dabei soll gemeinsam mit den betroffenen Ämtern sowie dem Naturschutz eine sinnvolle Lösung gefunden werden.
3. Aufbau eines Hochwasserrisikomanagements in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Stuttgart.
4. Umsetzung ggf. notwendiger technischer Hochwasserschutzmaßnahmen, wie
z. B. Erhöhung des Freibords von 50 auf 80cm (siehe dazu GRDrs 462/2013, sowie 423/2010, 863/2011).

5. Um den Risiken durch Hochwasser zu begegnen sind neben dem technischen Hochwasserschutz, insbesondere die Information von Bevölkerung und Wirtschaftsunternehmen wichtig. Hier müssen geeignete Möglichkeiten zur Information der Bevölkerung festgelegt werden.
6. Sandsackmanagement
7. Zweckverband Hochwasserschutz Körsch – Umsetzung der Maßnahmen im Einzugsgebiet der Körsch:
HRB Möhringen / Körsch (Kläranlage Möhringen) 2016 bis Ende 2017 sowie
HRB Plieningen / Körsch (Kläranlage Plieningen) Ende 2017 bis Ende 2018

8. Gründung Zweckverband Scheffzental und Bau des Hochwasserrückhaltebeckens (siehe dazu auch GRDrs 462/2013, Beschlussvorlage wird zum September 2013 vorgelegt).

Langfristig:

1. Sanierung aller Hochwasserrückhaltebecken in Stuttgart (siehe dazu GRDrs 462/2013, sowie 423/2010, 863/2011).
2. Zweckverband Hochwasserschutz Körsch – Umsetzung der Maßnahmen im Einzugsgebiet der Körsch (unter anderem HRB Möhringen / Sindelbach 2019 bis
Mitte 2020) und qualifiziertes Betreiben der Anlagen.

3. Regelmäßige Information der Bevölkerung.
4. Umsetzung von Maßnahmen aus der oben genannten Untersuchung.


3. Hochwasserrückhaltebecken (HRB)

3.1 Welche vorhandenen Rückhaltebecken sind sanierungsbedürftig?

Die abgeschlossenen sicherheitstechnischen Untersuchungen ergaben bei den Becken Schwälblesklinge und Erlenberg den dringendsten Handlungsbedarf (Dringlichkeitsstufe 1). Bei Ersterem muss das Bauwerk auf Grund von Betonschäden und damit offen liegender Bewehrung bautechnisch saniert werden. Die Betriebs- und Sicherheitsausstattung muss zudem den Forderungen der DIN 19700 angepasst werden. Der Rechen ist zu erneuern, die Böschung zu sichern und eine neue Dammscharte herzustellen. Beim Becken Erlenberg muss dringend eine Sohlsicherung hergestellt werden, um das unkontrollierte Versickern des eingestauten Wassers dauerhaft zu verhindern. Dies ist notwendig zur Aufrechterhaltung des Dauerstaus und zur Verhinderung eines unkontrollierten Materialaustrags, der die Dammstandsicherheit gefährden könnte. Daneben ist der Damm zu erhöhen. Die gesamte Substanz der Bauwerke ist sanierungsbedürftig und es fehlen die notwendigen Einstiegs- und Absturzsicherungen (siehe dazu GRDrs 462/2013, sowie 423/2010, 863/2011).

3.2 Welche Kosten müssen hierfür im Haushalt 2014/2015 berücksichtigt werden?

Die erforderlichen Mittel zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur Einhaltung wichtiger Sicherheitsmaßnahmen, die unter die Betreiberpflicht fallen, wurden zum Budgetgespräch angemeldet und bewilligt. Für die dringlichsten Arbeiten an den Hochwasserrückhaltebecken Schwälblesklinge und Erlenberg stehen somit vorerst insgesamt 480.000 EUR verteilt auf die Jahre 2014 mit 250.000 EUR und 2015 mit 230.000 EUR im Doppelhaushalt 2014/2015 zur Verfügung. Die restlichen notwendigen Mittel werden in den Folgejahren benötigt (siehe dazu auch GRDrs 462/2013).

3.3 Warum wurden die Rückhaltebecken beim vergangenen Starkregen nicht geflutet?

Die Hochwasserrückhaltebecken werden bei entsprechendem Niederschlag eingestaut und erfüllen somit ihre Funktion als Rückhalteraum. Da es bisher noch zu keinen gravierenden Schäden kam und die Becken oftmals im Wald liegen, geschieht dies meist unbemerkt von der Bevölkerung. Mitarbeiter vom Tiefbauamt kontrollieren nach den Regenereignissen die Anlagen. Da Starkregenereignisse örtlich und zeitlich begrenzt sind, sind nicht alle Becken gleichzeitig eingestaut.

3.4 Müssen die Rückhaltebecken als Steinelager langfristig benützt werden?

Ein Hochwasserrückhaltebecken darf aufgrund seiner Funktion nicht als Steinelager benützt werden. Sollten Steine in verschiedenen Größen im Beckenbereich liegen, so handelt es sich hier nicht um ein Hochwasserrückhaltebecken, sondern normalerweise um ein Sedimentationsbecken oder einen Geschwemmselfang.


3.5 Ist es sinnvoll, Rückhaltebecken als Biotop zu benützen?

Hochwasserrückhaltebecken im Dauerstau können Biotopeigenschaften entwickeln. Dies muss nicht im Widerspruch zur Funktion stehen.


4. Welche Maßnahmen müssen darüber hinaus im Haushalt 2014/2015 berücksichtigt werden?

Dies kann aus heutiger Sicht nicht abschließend beurteilt werden, hierzu sollten die Ergebnisse der Untersuchung abgewartet werden.


5. Gibt es Notfallpläne um für den Extremfall vorbereitet zu sein, damit beispielsweise überflutete Wohnquartiere, Kindertagesstätten, Pflegeheime oder andere wichtige Einrichtungen rechtzeitig evakuiert werden können?

Ein ämterübergreifendes Krisenmanagement in der Landeshauptstadt Stuttgart stellt sicher, dass in Extremfällen und bei außergewöhnlichen Ereignissen der Stuttgarter Bevölkerung geholfen werden kann.

Dies wird zum einen durch die konkreten Alarm- und Einsatzpläne der jeweiligen Fachämter sichergestellt, z. B. den Alarm- und Einsatzplan des Tiefbauamtes bei einem Neckarhochwasser, aber auch durch die Vorhaltung von Notunterkünften für obdachlos gewordene Menschen. Sollten diese Maßnahmen und Planungen nicht mehr ausreichen, sieht das städtische Notfallmanagement für den Fall von Großschadensereignissen (GSE) und Katastrophen weitergehende Maßnahmen vor.

Diese sogenannte GSE-Planung beinhaltet verschiedene Szenarien, u. a. auch für ein Neckar-Hochwasser und verknüpft diese mit 34 verschiedenen allgemeingültigen „Modulen“. Die Module beschreiben die konkreten Maßnahmen und Festlegungen, die z. B. bei Räumungen oder Evakuierungen getroffen werden müssen. Weitere Module stellen in diesen Fällen dann die Bereitstellung von Notunterkünften, die Betreuung der Personen sowie die zeitnahe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sicher. Diese Modul-Planungen unterliegen einer ständigen Überprüfung und Fortschreibung durch die jeweiligen zuständigen Fachämter.


6. Gibt es außer dem Zweckverband Körsch noch weitere Zweckverbände zum Schutz von Hochwasser?

In der Organisationsform eines Zweckverbandes soll gemeinsam mit Ditzingen und Gerlingen der „Zweckverband Scheffzental“ realisiert werden. Über das Projekt „Hochwasserschutz Scheffzental“ und die angestrebte Gründung eines Zweckverbands soll nach der Sommerpause ausführlich berichtet werden.




Fritz Kuhn

zum Seitenanfang