Beantwortung und Stellungnahme zu Anfrage und Antrag
54/2017

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 03/17/2017
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 5203-03



Beantwortung und Stellungnahme zu Anfrage und Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion, FDP
Datum
    02/24/2017
Betreff
    Vorgänge in der International Unit des Klinikums: Die Verantwortung der Krankenhausbürgermeister
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:


Zum Aufhebungsvertrag mit dem früheren Geschäftsführer des Klinikums:

1. Welche Prüfberichte und welche weiteren Informationen lagen dem Krankenhausbürgermeister vor, als er dem Gemeinderat im März 2016 den Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung mit dem früheren Geschäftsführer des Klinikums vorgeschlagen hat?

Herrn Bürgermeister Wölfle lagen im März 2016 folgende Berichte vor:

- RPA-Bericht zum Libyen-Projekt vom 03.07.2015 und Schreiben des RPA vom 08.10.15 und 19.10.2015 (Mahnungen wegen vom Klinikum noch vorzulegender Unterlagen)

- RPA-Bericht vom 04.11.2015 über die örtliche Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2014

- RPA-Bericht zur Jahresrechnung 2014 („Schlussbericht“) vom 16.11.2015


- RPA-Bericht zu den Projekten Libyen und Kuwait vom 18.12.2015,

- Bericht der vom Klinikum beauftragten Innenrevision durch Mauer Unternehmensberatung GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 28.04.2015 „
Interne Revision des Kooperationsprojekts des Klinikum Stuttgart mit dem Razi-Krankenhaus für Orthopädie, Kuwait

- Bericht der Mauer Unternehmensberatung GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 18.11.2015 „Interne Revision der International Unit“


2. Warum hat der Krankenhausbürgermeister dem Gemeinderat bzw. dem Krankenhausausschuss im Jahr 2015 bzw. in den ersten beiden Monaten des Jahres 2016 keine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Absatz 2 BGB vorgeschlagen bzw. selber eine solche Kündigung ausgesprochen?

Die Abwägung der im März 2016 zu treffenden Maßnahmen konnte nur auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse vorgenommen werden. In die Abwägung war neben den städtischen Arbeitsrechtsexperten auch ein Fachanwalt eingeschaltet. Die möglichen Alternativen und die Gründe für die getroffene Abwägung wurden in mehreren Gesprächen mit den Fraktionen erläutert, begründet und diskutiert. Dabei wurde damals aus unterschiedlichen Gründen der zeitnahen Auflösung des Vertrages der Vorzug gegenüber einer fristlosen Kündigung, gegeben, nicht zuletzt um zügig eine umfassende Aufklärung und einen personellen Neuanfang zu gewährleisten.


3. Welche rechtliche Auskunft lag dem Krankenhausbürgermeister am 17. März 2016 (also an dem Tag der Beschlussfassung des Gemeinderats zur Aufhebungsvereinbarung) zu der Frage vor, ob die 2-Wochen-Frist für eine außerordentliche Kündigung des Geschäftsführers des Klinikums gemäß § 626 Absatz 2 BGB möglicherweise bereits verstrichen ist?

Siehe Frage 2


Zum Kuwait-Projekt:

4. Wann und wie haben der frühere Krankenhausbürgermeister Klaus-Peter Murawski und sein Nachfolger Werner Wölfle davon erfahren, dass der Abschluss eines Vertrages des Klinikums Stuttgart mit dem kuwaitischen Gesundheitsministerium geplant ist?

Die Bürgermeister Murawski und Wölfle waren im September 2010 bzw. August / September 2011 über die Gespräche bezüglich eines Kooperationsprojektes mit einem kuwaitischen Krankenhaus informiert. Die Gespräche führten aber zu keinem Vertragsabschluss.

Herrn Bürgermeister Wölfle wurde vom Leiter der International Unit, Herrn Braun, am 13. Februar 2014 die Stellungnahme vom 12. Februar 2014 einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei über den bisherigen Stand der Erörterungen zu dem geplanten Vertrag ohne den Vertrag selbst übermittelt. Die Stellungnahme wurde von Herrn Braun beauftragt und war auch an ihn gerichtet. Eine rechtliche Einschätzung des Vertrages sei bereits wegen der Rechtswahl für das kuwaitische Recht nicht möglich. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – so die Stellungnahme – könne der Abschluss des Vertrages gleichwohl die unternehmerisch richtige Entscheidung sein. Sie enthielt allerdings eine Reihe von Hinweisen und Vorschläge, die die IU vor Vertragsabschluss hätte prüfen müssen. Der Stellungnahme ist jedoch nicht zu entnehmen, dass ein Vertragsabschluss gegen geltendes Recht verstoßen würde.

Deshalb konnte davon ausgegangen werden, dass das Klinikum die von der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei angesprochenen Fragen (auch bezgl. der rechtlichen Einschätzung) klärt. Tatsächlich hatte der Geschäftsführer
Dr. Schmitz wenige Tage danach Herrn Braun legitimiert, den Vertrag mit dem MOH zu unterzeichnen (was am 18. Februar 2014 geschehen ist), worüber der Bürgermeister nicht informiert wurde.

Worüber das Klinikum ebenfalls nicht informierte, waren die ergänzend zur Vereinbarung mit dem MOH geschlossenen Verträge und Nebenabreden mit Dienstleistern aller Art, durch die sich das Klinikum zu erheblichen Zahlungen verpflichtete. Auch aus der Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei sind diese Dienstleistungsverträge nicht erkennbar. Diese Verträge sind erst sukzessive durch die Prüfungen von RPA und BRP dem Krankenhausreferat und der Referatsabteilung bekannt geworden. Dabei wurde auch aufgedeckt, dass das Klinikum auf die Anfragen des RPA bewusst nicht oder nur bruchstückhaft antworte und entsprechende Unterlagen nicht oder nur unvollständig zur Verfügung stellte. In der Regel erfolgten Antworten auch nur mit deutlichem Zeitverzug und nach mehrfacher Mahnung durch RPA und Bürgermeister.

Die Verträge wurden – wenn überhaupt – nur klinikumsintern weitergegeben. Weder die Monatsberichte des Klinikums enthielten Informationen zu Risiken noch wurden solche in den Jour fixe-Gesprächen mit dem Bürgermeister gegeben. Die Berichte der Wirtschaftsprüfer enthalten ebenfalls keine Angaben, da risikobehaftete Geschäfte ihnen von Herrn Dr. Schmitz nicht benannt wurden und auch die entsprechenden Fragen im Fragenkatalog zu § 53 HGrG unrichtig beantwortet wurden, was erst jetzt auf Grund der Ermittlungen der Kanzlei BRP bekannt wurde.

5. In welcher Form war Krankenhausbürgermeister Wölfle in die Entscheidung zum Vertragsabschluss im Februar 2014 eingebunden?

Siehe Frage 4


6. Lagen dem Krankenhausbürgermeister Rechtsauskünfte zur Beurteilung des unter Punkt 5 genannten Vertrags vor und wie fielen diese Rechtsauskünfte aus?

Siehe Frage 4.


7. Warum wurde der beabsichtigte Vertrag nicht dem Krankenhausausschuss zur Beschlussfassung gemäß § 7 der Betriebssatzung für den Eigenbetrieb „Klinikum Stuttgart“ vorgelegt?

Wie bei Frage 4 ausgeführt, wurde dem Bürgermeister nur über ein Beratungsprojekt mit dem MOH berichtet. Durch dieses Beratungsprojekt alleine wäre das Klinikum keine zusätzlichen finanziellen Verpflichtungen gegenüber Dritten eingegangen, weshalb eine Gremienbefassung nicht notwendig gewesen wäre.
Wie zwischenzeitlich bekannt ist, ist der Vertrag mit dem MOH vom 18.02.2014 nicht isoliert von den danach abgeschlossenen Dienstleistungsverträgen jedweder Art und den darin eingegangenen finanziellen Verpflichtungen des Klinikums zu sehen. Diese Verträge sind erst sukzessive durch die Prüfungen von RPA und BRP dem Kranken-hausreferat und der Referatsabteilung bekannt geworden. Wegen den finanziellen Verpflichtungen wäre eine Gremienbefassung notwendig gewesen, die allein deshalb nicht stattgefunden hat, weil der Geschäftsführer das Krankenhausreferat und die Referatsabteilung über die eingegangenen Verpflichtungen nicht informiert hatte.

Der Geschäftsführer des Klinikums ist dafür verantwortlich, dass Krankenhausreferat und Referatsabteilung zeitgerecht, wahrheitsgemäß und vollständig über alle Sachverhalte informiert werden, damit diese die Befassung des Krankenhausausschusses sicherstellen können. Aus den vom Klinikum gegebenen Informationen und der Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei waren dem Bürgermeister der Gesamtkontext der Verträge und die Höhe der Erträge und Aufwendungen nicht erkennbar. In dem Bericht vom 3. Juli 2015 zum Kuwait-Projekt weist das RPA auf die Zuständigkeiten des Gemeinderats hin. In seiner Stellungnahme vom 25. September 2015 an das RPA teilt das Klinikum lediglich mit, dass das Klinikum alles getan habe und tun werde, um Risiken aus dem Vertrag zu minimieren und dem Träger die Empfehlung des RPA vorlegen werde, den Vertrag nachträglich dem Gemeinderat zur Kenntnis zu bringen. Auf die satzungsmäßige Notwendigkeit, die Verträge dem Ausschuss vor deren Abschluss zur Beschlussfassung vorzulegen, wird in dieser Stellungnahme gar nicht eingegangen.

In den Stellungnahmen zum Fragenkatalog zu § 53 HGrG bestätigte der Herr
Dr. Schmitz gegenüber dem Wirtschaftsprüfer, dass Gremienzuständigkeiten eingehalten wurden.

8. Hat der Krankenhausbürgermeister Maßnahmen wie zum Beispiel die Kündigung der ihm bekannten Verträge im Kuwait-Projekt angeordnet, wie es in § 10 Eigenbetriebsgesetz (Stellung des Bürgermeisters) vorgeschrieben ist?

Nach dem Wortlaut des Vertrages ist dieser seitens der LHS nicht kündbar. Nach klinikumsinterner Prüfung einer außerordentlichen Kündigung bzw. „Ausstiegsplanung“ wurde auf Grund einer Garantieerklärung eines Dienstleisters von einer Kündigung abgesehen. Zwischenzeitlich ist der Vertrag von beiden Vertragsparteien für beendet erklärt worden.


9. Welche Weisungen hat der Krankenhausbürgermeister der Betriebsleitung erteilt, um Missstände beim Kuwait-Projekt zu beseitigen (§ 10 Eigenbetriebsgesetz)?

Auf die Antwort zu Frage 5 des Antrags 337/2016 wird verwiesen.



Generelle Fragen:

10. Welche Protokolle der Krankenhaus-Leitungsrunde lagen dem Referat AK in den Jahren 2014 und 2015 vor und in welchen dieser Protokolle finden sich erste Hinweise auf wirtschaftliche Probleme bzw. dolose Handlungen beim Libyen- bzw. beim Kuwait-Projekt?

Seit Juli 2014 hat sich Bürgermeister Wölfle die Protokolle der Krankenhaus-Leitungsrunde vorlegen lassen. Diese enthielten keine Hinweise, die für Herrn Bürgermeister Wölfle Anlass für Maßnahmen hätten sein müssen. Themen der IU waren ohnehin nur ausnahmsweise Thema der Krankenhaus-Leitungsrunde


11. Gibt es weitere (vielleicht wirtschaftlich erfolgreiche) Projekte der International Unit, bei denen davon auszugehen ist, dass es zu dolosen Handlungen gekommen ist, und, wenn ja: um welche Projekte handelt es sich?

Es sind vorgelagerte Projekte mit Libyen bekannt, die erst noch durch BRP aufgearbeitet werden müssen. Ein für das Klinikum wirtschaftlich unbedeutendes Projekt in Qatar (Umsatzerlöse ca. 35.000 €) wurde ab Anfang 2016 nicht weitergeführt

Im Übrigen sind die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abzuwarten.



12. Was ist aus dem Memorandum of Understanding geworden, das der frühere Krankenhaus-Bürgermeister Murawski in Dubai unterzeichnet hat, mit dem Ziel des Aufbaus des Cedars-Jebel Ali International Hospital (Quelle: Middle East Health Magazine: http://www.middleeasthealthmag.com/cgi-bin/index.cgi?http://www.middleeasthealthmag.com/jan2006/meupdate.htm)?

Die Idee der Zusammenarbeit unter Einbindung der Universitätsklinik Tübingen und Firmen der Medizinindustrie in Baden-Württemberg ist nicht umgesetzt worden. Nicht zuletzt haben die finanziellen Auswirkungen der Finanzkrise und ihre besondere Auswirkungen auf die Golf Region dazu geführt, dass das Klinikum mit Schreiben vom 17.10.2011 einer weiteren Zusammenarbeit im Projekt eine Absage erteilt hat.



Sofern im weiteren Verlauf der internen Aufklärung oder im Zusammenhang mit den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergänzende Sachverhalte über den heutigen Erkenntnisstand hinaus bekannt werden, wird der Krankenhausausschuss selbstverständlich unterrichtet.






Fritz Kuhn

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