Beantwortung zur Anfrage
390/2016
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
05/10/2017
Der Oberbürgermeister
GZ:
3008-02
Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
CDU-Gemeinderatsfraktion, Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion
Datum
12/02/2016
Betreff
Mehr kulturelle Veranstaltungen im Gustav-Siegle-Haus
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Historie:
Das Gustav-Siegle-Haus (GSH) wurde am 06. Oktober 1912 eingeweiht und war als Ort der Volksbildung gedacht. Im 2. Weltkrieg zerstört, wurde es nach dem Krieg wieder aufgebaut und als Adresse für klassische Konzerte bekannt. Ab 1970 traten viele nationale und internationale Pop- und Rockbands auf. Der Veranstaltungsbetrieb endete 1993, als Gefahr bestand, dass sich die abgehängte Decke des großen Saales löst. Das Gebäude wurde grundlegend umgestaltet und als Stammsitz des städtischen Orchesters Stuttgarter Philharmoniker auf dessen Bedürfnisse ausgelegt. Die Aktivitäten des Rotlichtmilieus rund um das GSH haben sich in den letzten Jahren deutlich reduziert, mittlerweile können die kulturellen Gegensätze des Leonhardsviertels durchaus auch als bereichernd empfunden werden.
Status Quo:
Die Stuttgarter Philharmoniker mit 86 Musikerinnen und Musikern befinden sich in städtischer Trägerschaft, die Finanzierung erfolgt hälftig durch Stadt und Land auf Basis eines Vertrages. Die gemeinsame Steuerung nimmt der paritätisch besetzte Verwaltungsrat wahr, der u.a. Bauvorhaben zustimmen muss und den Haushaltsplan des Orchesters berät.
Aus § 1 des Vertrags über die gemeinsame Finanzierung der Stuttgarter Philharmoniker ergibt sich, dass das Land die sich aus der Tätigkeit des Orchesters ergebenden Ausgaben - soweit sie nicht durch Eigeneinnahmen gedeckt werden können - im Schlüssel 1:1 mitfinanziert. Dazu gehören auch Bauunterhaltungsmaßnahmen und Bewirtschaftungskosten des Gustav-Siegle-Hauses, soweit sie unmittelbaren Zwecken des Orchesters dienen. Darüber hinausgehende, nicht unmittelbar mit den Stuttgarter Philharmonikern zusammenhängende Nutzungsoptionen des GSH finanziert das Land nicht mit. Dies ist allein Sache der Stadt.
In zwei Bauabschnitten werden derzeit die gesamten Fenster ausgetauscht und die Fassade saniert. Darüber hinaus besteht weiterer Sanierungsbedarf vor allem beim technischen Brandschutz und der Technikzentrale im Großen Saal. Der entsprechende Finanzbedarf wird zur Zeit ermittelt.
Die Kulturverwaltung teilt grundsätzlich die Auffassung, dass aufgrund des Potentials des GSH eine stärkere Öffnung für die Öffentlichkeit wünschenswert ist.
Zu den Ziffern des Antrags im Einzelnen:
1.
Zu Ziff. 1: Pläne der Stuttgarter Philharmoniker auf Basis des Status Quo
Gegenwärtig bieten die Philharmoniker im GSH überwiegend Nachmittagsvorstellungen an, die sich vorrangig an Familien sowie Senioren richten (Reihen: Kultur am Nachmittag, Kinderkonzerte). Dieses Angebot will das städtische Orchester in den kommenden Jahren um neue Konzertprogramme für die Abende (18:30 Uhr bis 24:00 Uhr) ergänzen: Ab der Saison 2017/18 (Herbst 2017) sind zunächst vier Veranstaltungen vorgesehen, die gemeinsam mit dem BIX Jazzclub durchgeführt werden. Diese Konzerte richten sich vornehmlich an ein jüngeres (bzw. jung gebliebenes) Publikum. Inhaltlich werden die Abende Elemente der klassischen Musik mit solchen des Jazz und der gehobenen Unterhaltungsmusik (z.B. Tango) verknüpfen.
Im nächsten Schritt werden weitere Angebote für Konzertabende entstehen. Gedacht ist an eine Reihe von Aufführungen, die eine besondere Nähe zu den Musikern und Musikerinnen des Orchesters vermitteln (Arbeitstitel: „Mitten im Orchester sitzen“).
Darüber hinaus streben die Stuttgarter Philharmoniker Kooperationen mit weiteren Partnern an. Bereits bestehende Beispiele sind z.B. die Beteiligung an der Stuttgartnacht, Flaneursalon.
Diese Pläne sind innerhalb der bestehenden Gegebenheiten realisierbar.
Bei den folgenden Überlegungen zu einer Intensivierung des öffentlichen Veranstaltungsbetriebs, die über dieses Maß hinausgeht, wird davon ausgegangen, dass das GSH Stammsitz des städtischen Orchesters bleibt. Die Interessen des Orchesters sind daher vorrangig zu berücksichtigen.
2.
Zu Ziff. 2 - 5 und 7: Weitere Öffnung des Hauses und Konsequenzen daraus
2.1. Aktuelle räumliche und personelle Situation
2.1.1. Verfügbarkeit der Säle
Neben den öffentlichen Angeboten wird der Große Saal (Platzkapazität: 498 Stühle) im GSH von den Philharmonikern für die gesamte Probenarbeit des städtischen Orchesters genutzt. Die zeitliche Planung des Probebetriebs muss flexibel gestaltbar bleiben, um den Betrieb des Orchesters nicht zu behindern: Immer wieder müssen z.B. aufgrund der Erkrankung von Künstlern (Dirigenten, Solisten) oder aus anderen Gründen Probenzeiten umdisponiert werden. Wäre der Saal verplant bzw. vermietet, entfiele die notwendige Verfügbarkeit des Probenraumes für das Orchester. Das würde Konzertprojekte der Philharmoniker gefährden.
Auch der Kleine Saal (Platzkapazität: 157 Stühle) ist während der laufenden Spielzeit schwierig zu vergeben, da er aus akustischen Gründen nur eingeschränkt nutzbar ist, wenn die Philharmoniker im benachbarten Großen Saal proben.
Zu beachten ist ferner, dass die Sommermonate für bauliche Unterhaltungsmaßnahmen am Gustav-Siegle-Haus genutzt werden. Je nach Intensität kann dies die Nutzbarkeit während der Sommermonate erheblich einschränken. Angesichts der gegenwärtig anstehenden baulichen Maßnahmen (Technik, Brandschutz) ist für die kommenden Jahre eher mit stärkeren Einschränkungen zu rechnen.
2.1.2. Personalsituation
Die vorhandene Personalkapazität in der Administration des Orchesters ist mit 9 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (incl. Orchesterwarte und Intendanten) auf 8,5 Stellen darauf ausgelegt den normalen Spielbetrieb des Orchesters zu gewährleisten. Hinzu kommt der beim Amt für Liegenschaften und Wohnen beschäftigte Hausmeister. Die Betreuung eines zusätzlichen Sommerspielbetriebs mit Fremdveranstaltern ist mit dieser Personalausstattung nicht zu leisten.
2.2. Möglichkeiten der weiteren Öffnung des Hauses
2.2.1. Variante A: Kooperationen
Denkbar sind - neben den bereits bestehenden Angeboten (vgl. Ziff. 1) -Kooperationen mit anderen städtischen Kulturangeboten, z.B. aus dem Bereich der kulturellen Bildung, die in den Sommermonaten ergänzende Angebote machen könnten (Ferienprogramme o.ä.).
2.2.2. Variante B: Vermietung an Dritte
Zuverlässig verfügbar und damit für eine Belegung durch Dritte planbar, wären ca. 40 Tage während der Sommerpause des Orchesters (Juli, August, September). Hinzu kämen 10 Termine während der jährlichen Heidenheim-Tournee des Orchesters im Juni. Insgesamt sind also 50 Tage während des Sommers verfügbar; ein Zeitraum, der traditionell für Veranstalter eher unattraktiv ist. Aufgrund der Platzkapazität der Säle besteht zudem bei vielen Veranstaltungen kaum eine Gewinnspanne.
Für eine Vermietung an Dritte und den Aufbau eines Gastspielkonzertbetriebs wäre eine neue Struktur zu schaffen, die sowohl quantitativ als auch qualitativ in der Lage sein muss, die neuen Aufgaben zu bewältigen (Terminplanung, Vertragsgestaltung, Klärung rechtlicher Fragen, Übergabe und Abnahme der Veranstaltungsräume, Betreuung der Technik, Abrechnungen, usw.).
Nach Einschätzung der Philharmoniker ist dafür eine zusätzliche Personalausstattung in den Bereichen Organisation/Verwaltung, Hausmeister, Veranstaltungstechnik, Orchesterwart, geringfügig Beschäftigte erforderlich. Bei ganzjähriger Beschäftigung der entsprechenden Mitarbeiter/innen ergäben sich Kosten von
234.400 Euro
. Mit Einnahmen aus Vermietung ist angesichts der geringen Gewinnspanne, die die beiden Säle bieten, nicht in nennenswerter Höhe zu rechnen.
Das Land würde sich aufgrund der vertraglichen Situation nicht beteiligen.
Den genannten Personalkosten liegt folgender Stellenbedarf zu Grunde:
1 Stelle Verwaltung/Organisation Konzertbetrieb EG 8: 51.300 Euro
1 Stelle 2. Hausmeister EG 6: 48.300 Euro
1 Stelle Veranstaltungstechnik EG 6: 48.300 Euro
1 Stelle Orchesterwart EG 5: 44.800 Euro
1 Stelle geringfügig Beschäftigte EG 3: 41.700 Euro
3.
Zu Ziff. 6 Bauliche Veränderungen/Investitionen
Unabhängig von einer Öffnung für Dritte sind in den kommenden Jahren investive Maßnahmen erforderlich. Neben dem regulären Bauunterhalt (Brandschutz, Technik, Fassade) ist eine neue Bestuhlung im großen und kleinen Saal und eine Verbesserung der Bühnensituation notwendig sowie ein barrierefreier Zugang wünschenswert. Die vorhandene Saalbestuhlung (750-850 Stühle einschl. Reserve) ist mittlerweile über 25 Jahre alt und muss erneuert werden. Ebenso wird die Erneuerung der Bühnentechnik und Umbau der Bühne hin zu einer flexiblen Bühne notwendig sein. Die Bühnentechnik ist zwischenzeitlich veraltet und reparaturanfällig und muss erneuert werden.
Kosten hierfür müssen im Detail noch ermittelt werden. Allein für Brandschutz, Sanierung Toilettenanlagen, Elektrosanierung rechnet das Amt für Liegenschaften und Wohnen mit Ausgaben in einer Größenordnung von rd. 2,5 - 3 Mio. Euro in den kommenden Jahren. Bühnentechnik (liegt noch keine Schätzung vor) und Bestuhlung (ca. 300.000 Euro) kämen noch hinzu.
Durch eine erweiterte kulturelle Nutzung können zudem weitere, derzeit noch nicht bezifferbare Kosten für evtl. notwendige Nebenräume (Umkleideräume, Duschen, backstage-Bereich usw.) entstehen, da die bisherige bauliche Planung auf dem heutigen Betrieb basiert.
Fazit:
Eine stärkere Öffnung des Hauses für die Öffentlichkeit ist angesichts der exponierten Lage und Außenwirkung des Hauses sehr wünschenswert und erklärtes Ziel der Kulturverwaltung.
Eine Vergabe des Hauses an externe Veranstalter stellt sich insgesamt sehr problematisch dar und brächte nur sehr begrenzten Nutzen.
Aus Sicht der Kulturverwaltung sind eigenen Veranstaltungen der Philharmoniker und Kooperationen mit Partnern Vorrang einzuräumen bei einer weiteren Belebung des Gustav-Siegle-Hauses. Durch die Einbindung anderer Kultureinrichtungen sind Synergieeffekte zu erwarten: Gewinnung neuer Zielgruppen, größere Öffentlichkeitswirksamkeit, gemeinsame Werbung usw. Daher schlägt die Kulturverwaltung vor, den bereits eingeschlagenen Weg der Kooperationen mit anderen Stuttgarter Kulturanbietern (vgl. Ziff. 1) zu intensivieren mit dem Ziel, das Gustav-Siegle-Haus als „Kleine Philharmonie“ in der öffentlichen Wahrnehmung zu verankern und das bisherige Angebot sowohl bezüglich der Anzahl als auch des Inhalts zu erweitern.
Fritz Kuhn
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