Stellungnahme zum Antrag
244/2016

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 12/07/2016
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 1232-00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion, Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS
Datum
    07/27/2016
Betreff
    Kommunales Wildtierverbot in Stuttgart
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Der Gemeinderat hat mit GRDrs 652/2010 (siehe Anlage) am 21.10.2010 das Stuttgarter Modell beschlossen, wonach seit 01.01.2011 auf öffentlichen Flächen außerhalb des Festplatzes Cannstatter Wasen ein Verbot von Zirkusbetrieben mit Wildtieren besteht.

Grundsätzlich gilt das Stuttgarter Modell als vorbildlich. Die ausschließliche Genehmigungsmöglichkeit für Zirkusbetriebe mit Wildtierhaltung auf dem Cannstatter Wasen ermöglicht großzügige Stallungen und sehr gute, über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehende Bedingungen für die Tiere. Bei allen bisherigen Kontrollen seitens der unabhängigen Veterinäre wurden keinerlei Beanstandungen festgestellt.

Jährlich gastiert der Weltweihnachtscircus auf dem Cannstatter Wasen. Er gehört zu den besten Zirkussen der Welt. Er hat auch Programmpunkte mit Wildtieren in seinem jährlich wechselnden Repertoire. Die meisten Künstler reisen vom Stuttgarter Weltweihnachtscircus direkt nach Monte Carlo zum Internationalen Circus-Festival weiter, wo sie regelmäßig prämiert werden. Mit jährlich 120.000 bis 150.000 Besuchern ist der Weltweihnachtszirkus eine herausragende Attraktion und ein Alleinstellungsmerkmal in Stuttgart.

Neben dem Weltweihnachtscircus gastieren in regelmäßigem Turnus auch andere große und renommierte Zirkusunternehmen auf dem Cannstatter Wasen (Ende Oktober zwischen 15 und 18 Tagen). Der weltbekannte Zirkus Krone, welcher seit mehr als 10 Jahren nicht mehr in Stuttgart war und um den sich die in.Stuttgart sehr bemüht hat, wird ein Gastspiel auf dem Cannstatter Wasen im Herbst 2017 haben. Der Zirkus Krone kann ohne Wildtiernummern nicht auftreten.

Da der Weltweihnachtscircus die besten Zirkusnummern der Welt präsentiert, muss der Veranstalter die Artisten usw. frühzeitig buchen. Aufgrund der sehr vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen dem Veranstalter und der in.Stuttgart werden die Verträge zwar jährlich abgeschlossen, dennoch kann der Veranstalter einen gewissen Vertrauensschutz für die kommenden Jahre geltend machen.

Rechtmäßigkeit kommunaler Wildtierverbote
Die Frage, ob generelle kommunale Verbote für reisende Wildtierdarbietungen rechtmäßig sind, kann rechtlich nicht gesichert eingeschätzt werden. Letztlich geht es rechtlich um die Freiheit der Berufsausübung in Art. 12 Grundgesetz im Verhältnis zur kommunalen Selbstverwaltung. Weder bundes- noch landesrechtlich besteht ein allgemeines Wildtierverbot für Zirkusbetriebe im Rahmen der Tierschutzgesetze oder anderer Rechtsetzungen.

Verschiedene Städte haben jedoch in der Vergangenheit beschlossen, ihre öffentlichen Einrichtungen (insbesondere Volksfest- und Messeplätze) künftig nicht mehr an Zirkusse zu vergeben, sofern diese Wildtiere (oder bestimmte Wildtierarten) mit sich führen. Die Rechtsprechung zur Zulässigkeit solcher Beschlüsse ist unterschiedlich und sehr einzelfallspezifisch.

Grundsätzlich wird die Rechtslage so eingeschätzt, dass die Zulässigkeit von Zirkusbetrieben mit Wildtieren auf dem Cannstatter Wasen nachträglich geändert (eingeschränkt oder aufgehoben) werden kann. Eine Satzung ist hierfür nicht notwendig. Vielmehr ist der Cannstatter Wasen als öffentliche Einrichtung konkludent gewidmet.

Insoweit ist eine nachträgliche Widmungseinschränkung vom Gemeinderat zu beschließen, der Beschluss öffentlich bekannt zu machen sowie im Anschluss zu vollziehen.

Soweit in einer solchen nachträglichen Einschränkung der Widmung ein Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Freiheit der Berufsausübung gesehen wird, ist dieser im Rahmen der Befugnis, die Benutzung der kommunalen öffentlichen Einrichtung zu regeln (hier: § 10 Abs. 2 GemO), zunächst einmal möglich. Die Stadt Stuttgart kann den Cannstatter Wasen als einen für Zirkusveranstaltungen gewidmeten Festplatz vollständig oder teilweise wieder schließen.

Da es sich bei der Entscheidung über die Änderung bzw. teilweisen Schließung einer öffentlichen Einrichtung um einen hoheitlichen Eingriff handelt, ist die Stadt (und damit auch der Gemeinderat in seiner Abwägung) allerdings an das Willkürverbot und an das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebunden. Die Stadt benötigt also für die nachträgliche teilweise Entwidmung einen sachlichen Grund und muss den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten.

Bei der Abwägung, ob ein (teilweiser) Widerruf im konkreten Fall des Stuttgarter Modells rechtmäßig ist, ist zu berücksichtigen:

1. In der Landeshauptstadt sind (aus prinzipiellen Erwägungen tierschutzrechtlicher Art) nur noch auf dem Cannstatter Wasen Zirkusbetriebe mit Wildtieren möglich. Insofern sind Wildtiere in Zirkussen in Stuttgart ohnehin nur eingeschränkt zugelassen.

2. Aufgrund der Kosten für den Festplatz können nur renommierte Betriebe dort gastieren. Bei diesen Unternehmen sind die Bedingungen für die Tiere und der Gesundheitszustand sehr gut. Bei den Untersuchungen durch Amtstierärzte gab es bisher keinerlei Beanstandungen. 3. Gerade weil diese großen Zirkusunternehmen mit den Tiervorführungen auskömmliche Einnahmen erzielen, können sie sich die hervorragende Betreuung für die Tiere im Bestand leisten. Auch dieser Aspekt ist tierschutzrechtlich beachtlich. 4. Aus veterinärmedizinischer Sicht gibt es keine Gründe, Zirkusbetriebe mit Wildtieren von der Vergabe der Plätze auszuschließen und es handelt sich hier vor allem um eine Grundsatzdiskussion der Tierrechtsorganisationen.

Inwieweit andere Gründe ein allgemeines Verbot von Zirkusbetrieben mit Wildtieren rechtfertigen bzw. einer ggf. stattfindenden gerichtlichen Überprüfung standhalten, kann nicht abschließend beurteilt werden.


Fazit

Angesichts der spezifischen Sachlage in Stuttgart (Stuttgarter Modell) kann derzeit nicht eingeschätzt werden, wie das zuständige Verwaltungsgericht bei einem Streitfall entscheiden würde.


Für den Fall, dass sich der Gemeinderat nach sorgfältiger Abwägung aller Aspekte für ein allgemeines Verbot für Zirkusbetriebe mit Wildtieren auf öffentlichen bzw. kommunalen Flächen in der Landeshauptstadt Stuttgart entscheidet, sollte zur Minderung des Rechtsrisikos in jedem Fall eine großzügige Übergangsfrist (zum Beispiel 1.1.2020) festgesetzt werden.







Fritz Kuhn



Anlagen
GRDrs 652/2010 – Platzvergabe an Zirkusunternehmen mit Wildtieren
Antrag 244/2016 SPD-Gemeinderatsfraktion, Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS


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