Stellungnahme zum Antrag
211/2013
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
07/02/2013
Der Oberbürgermeister
GZ:
OB 5674-05
Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft
Datum
05/07/2013
Betreff
Golfabschlagsplatz im Landschaftsschutzgebiet Max-Eyth-See
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Zu Ziffer 1:
Maßgeblich für die landschaftsschutzrechtliche Beurteilung des Vorhabens sind die Festsetzungen des Bebauungsplanes „Bezirkssportanlage Aubrücke Hofen“ aus dem Jahre 1973 (Plan 1973_042, hier: Blatt 3) sowie die „Verordnung des Bürgermeisteramtes der Stadt Stuttgart als untere Naturschutzbehörde zum Schutze von Landschaftsteilen im Stadtkreis Stuttgart (Landschaftsschutzverordnung)“ aus dem Jahre 1961.
Der
Bebauungsplan
setzt im zeichnerischen Teil zwischen Wagrainstraße, Mühlhäuser Straße und Neckarufer auf einer Fläche von ca. 8,2 ha Straßenflächen (Teilflächen der Wagrainstraße) und Grünflächen mit der Zweckbestimmung „Sportanlage“ fest. Weiterhin werden Leitungsrechte geregelt (Landeswasserversorgung, Bahnstromleitung). Das gesamte Gebiet ist im Bebauungsplan als Landschaftsschutzgebiet gekennzeichnet. Laut Begründung zum Bebauungsplan war die Zielsetzung der Planung aus dem Jahre 1973, das Gelände „unter Berücksichtigung der Belange des Landschaftsschutzes für die Zwecke des Sports bereit zu stellen“. Die Anlage sollte den Bedarf für den Breitensport aus Freiberg, Mönchfeld, Mühlhausen, Hofen, Neugereut, Bad Cannstatt und Münster decken und bis zur Bundesgartenschau 1977 fertig gestellt werden.
Zulässig sind entsprechend den textlichen Festsetzungen Grünanlagen, Sport- und Spielplätze einschließlich der erforderlichen Wege und Zufahrten. Weiterhin können „mit der Zweckbestimmung der Grünfläche zu vereinbarende Bauten wie Sporthallen, Sportheime und Vereinsheime, Verkaufsstände, Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie öffentliche Versorgungsanlagen“ als Ausnahme zugelassen werden. Das Maß der baulichen Nutzung wird dahingehend eingeschränkt, dass die Summe der überbauten Flächen 10 % der Grünfläche nicht überschreiten darf. Dies entspricht einer Überbauung von ca. 7.800 qm Grundfläche. Höhenbeschränkungen bestehen dahingehend, dass Zweckbauten (ausgenommen von Sporthallen) zur Wagrainstraße und zu einer weiteren (nicht realisierten) Planstraße hin nur eingeschossig in Erscheinung treten dürfen. Dies würde bei heutigem Geländeniveau (Fuß der Böschung) einer Höhe baulicher Anlagen von bis zu ca. 15 m entsprechen (höchst mögliches Gebäude im Plangebiet gegenüber dem Hochpunkt der Wagrainstraße).
Wie aus einem Gestaltungsplan des Garten-, Friedhofs- und Forstamt aus dem Jahre 1971 unter dem Titel „Bezirkssportanlage Aubrücke“ hervorgeht, war die Errichtung von Tennisplätzen, einer Sporthalle, eines großen Sportfeldes mit Leichtathletik-Kampfbahnen und Zuschauertribünen, Personalunterkünften, eines Tennisclubheimes und Umkleidegebäude sowie kleineren Übungsfeldern auf einer Fläche von 6,2 ha geplant. Es war vorgesehen, das Gelände um 3 – 4 m aufzuschütten.
Die
Landschaftsschutzgebietsverordnung
erfasst insgesamt 34 Teilgebiete. Mit dem Teilgebiet 16 wird „die Neckarlandschaft anschließend an den Zuckerberg bis zur Schleuse Hofen auf Gemarkung Hofen, mit dem Max-Eyth-See-Gelände und den linksufrigen Weinberghängen vom Freienstein auf Gemarkung Münster mit den anschließenden Hängen auf Gemarkung Mühlhausen bis zum Schloßpark von Mühlhausen“ unter Landschaftsschutz gestellt (§ 1 Abs. 1 Nr. 16 LSG-VO). Die Schutzbestimmungen besagen, dass „Änderungen, welche die Landschaft verunstalten, die Natur schädigen oder den Naturgenuss beeinträchtigen“, nicht vorgenommen werden dürfen (§ 2 Abs. 1 LSG-VO). Bestimmte Vorhaben, wie bspw. das Errichten oder das Verändern von Bauwerken und Lagerplätzen, die Anlage von Lehm- und Kiesgruben, die Beseitigung von Bäumen oder die Anlage von Straßen und Wegen bedürfen einer Genehmigung (§ 2 Abs. 1 und 2 LSG-VO). Diese ist zu erteilen, wenn die beantragten Vorhaben „weder die Landschaft verunstalten noch die Natur schädigen oder den Naturgenuss beeinträchtigen“. Für Vorhaben, welche diese Voraussetzungen nicht erfüllen, „kann eine Ausnahme bewilligt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt“ (§ 2 Abs. 3 LSG-VO).
Der Bebauungsplan wurde 9 Jahre nach Inkrafttreten der Landschaftsschutzverordnung in Kenntnis derselben und in Kenntnis der Folgen beim Vollzug des Planes im Hinblick auf „Verunstaltungen, Naturschädigungen oder Beeinträchtigungen des Naturgenusses“ beschlossen. Insofern sind für alle mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes zu vereinbarenden Vorhaben landschaftsschutzrechtliche Genehmigungen bzw. Ausnahmen zu erteilen. Zulässig im Gebiet sind damit unzweifelhaft typische Sportanlagen, wie sie an anderer Stelle der Stadt auch zu finden sind, also Sporthallen bis zu ca. 11 m Höhe, Spielfelder, Flächen für Leichtathletik und die dafür erforderlichen Zaunanlagen (bis zu ca. 8 m bei Diskus- und Hammerwerfen), Zufahrten, Nebengebäuden und sonstigen Einrichtungen. Dementsprechend wurde für den Antrag auf die Errichtung einer Golfsportanlage im Juli 2009 eine landschaftsschutzrechtliche Ausnahme erteilt. Auflagen in der Baugenehmigung, Auflagen der landschaftsschutzrechtlichen Ausnahme sowie ein ergänzender öffentlich-rechtlicher Vertrag enthalten Regelungen u. a. zur Verminderung nachteiliger Auswirkungen auf Naturhaushalt und Landschaftsbild.
Für
die veränderte Ausführung
ist eine erneute Ausnahme von den Schutzbestimmungen des Landschaftsschutzgebietes erforderlich, allerdings nur, soweit die veränderte Ausführung zu zusätzlichen Verunstaltungen der Landschaft, Schädigungen der Natur oder des Naturgenusses gegenüber dem bereits genehmigten Vorhaben führt. Während sich Spielbahnen, Nebeneinrichtungen (Geräteschuppen, Regenunterstand etc.), Zufahrten, Wege sowie das Gebäude mit den Abschlagsboxen, Verwaltung, Shop und Café im Rahmen dessen halten, was bereits genehmigt ist und auf der Grundlage der Festsetzungen des Bebauungsplanes auch zulässig ist, übersteigt die Höhe der zum Abfangen von fehlgeschlagenen Golfbällen erforderlichen Ballfangnetze die mit dem Bebauungsplan und mit der erteilten Genehmigung zulässigen Maße. Eine Erhöhung der Höhe der Ballfangzäune um bis zu 8 m in Teilen der Zaunanlage auf eine Gesamthöhe von 18 m führt in Abhängigkeit der Lichtverhältnisse, des Einblickwinkels und Ausformung der Trägermasten zumindest zeitweise zu Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes, die aufgrund der Einsehbarkeit des Geländes von umliegenden Hanglagen aus auch zu Fernwirkungen führen wird. Während die genehmigte Zaunanlage ihre nachteilige Wirkung nur während der Betriebszeiten entfaltet, da die Netze nach Betriebsschluss abgelassen werden mussten, prägt die nun beantragte Ballfangzaunanlage die Umgebung ohne zeitliche Unterbrechung. Damit steigen Intensität (höhere Anlage mit größerer Fernwirkung) und Zeitdauer (ununterbrochen) der nachteiligen Wirkungen. Damit ist das Vorhaben mit den Schutzbestimmungen des Landschaftsschutzgebietes auch unter Berücksichtigung der Vorgaben aus dem Bebauungsplan zunächst nicht vereinbar. Letzteres insbesondere deshalb, weil die Zaunanlage in ihrer Lage gegenüber der Wagrainstraße nicht wie ein eingeschossiges Gebäude in Erscheinung treten wird.
Allerdings erfolgt die Erhöhung der Zaunanlage allein aus Gründen der Sicherheit. Es wird befürchtet, dass fehlgeschlagene Bälle insbesondere Passanten auf dem unmittelbar parallel zur Anlage führenden Neckartalradweg sowie andere Spieler auf dem Übungsgelände gefährden könnten. Wirtschaftliche oder sonstige Vorteile bspw. durch eine intensivere Bespielbarkeit sind mit der Erhöhung der Zaunanlage gegenüber der genehmigten Anlage nicht verbunden. In der Abwägung zwischen Landschaftsschutz (insbesondere den Aspekten des Landschaftsbildes) und der Sicherheit von Spielern und Passanten geht die Sicherheit im Rang vor. Damit liegt nach Auffassung der Verwaltung ein wichtiger Grund für die Erteilung einer Ausnahme von den landschaftsschutzrechtlichen Schutzbestimmungen vor (§ 2 Abs. 3 LSG-VO). Die untere Naturschutzbehörde sieht vor diesem Hintergrund keinen Spielraum, für das Vorhaben aus Gründen des Landschaftsschutzes die Ausnahme unter Zurückstellung aller Bedenken zu versagen. Mit der Erteilung der Ausnahme werden entsprechend der bereits für die erste Anlage erteilten Ausnahme Auflagen zur Gestaltung und zur Einbindung durch Baumpflanzungen erteilt (Kaschierung der Anlage durch hochwachsende Bäume zwischen Neckar und Anlage als Ersatz für die an dieser Stelle abgängigen Ahorne).
Zu Ziffer 2:
Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung ist nicht nötig. Das vom Vorhabenträger beigebrachte ornithologische Gutachten verneint einen wesentlichen Einfluss der geplanten Golfanlage auf den im Vogelschutzgebiet vorkommenden Nachtreiher. Der Schutz dieser Art ist der Grund für die Ausweisung dieses Vogelschutzgebietes. Die höhere Naturschutzbehörde und die untere Naturschutzbehörde schließen sich dieser Aussage des Gutachtens an, so dass die FFH-Vorprüfung nur die Entbehrlichkeit einer vollumfänglichen FFH-Prüfung ergeben kann.
Zu Ziffer 3:
Wie bereits bei der Vorstellung des ersten Antrages zur Golfübungsanlage am 09.12.2008 und 27.01.2009 im UTA erläutert, besteht ein klarer Zielkonflikt zwischen der Übungsanlage und dem IKoNE-Projekt. Der Bereich Wagrainäcker ist die einzige Fläche in Stuttgart, auf der ein größeres Flussauen-Revitalisierungsprojekt direkt am Neckar realisiert werden könnte. Das IKoNE-Projekt ist Teil der Integrierten Konzeption Neckareinzugsgebiet, welches zusammen mit dem Land und dem Regierungspräsidium entwickelt und 1998 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Es beinhaltet teilweise nur langfristig realisierbare und visionäre Vorhaben. Insofern konnte bei der Erstellung der Konzeption auf alte, nicht realisierte Planrechte nur bedingt Rücksicht genommen werden. Die Planungen in Stuttgart erfassen Flächen, die planungsrechtlich als Grünfläche mit der Zweckbindung Sport festgesetzt sind. Da Teilbereiche dieser Flächen nun für die Golfübungsanlage benötigt werden, kann das IKoNE-Projekt nur auf verkleinerten Flächen weiter geplant werden. In Kenntnis dieses Zielkonfliktes hat am 27.01.2009 der UTA (Niederschrift Nr. 32) von der Absicht der Verwaltung zustimmend Kenntnis genommen, die Golfübungsanlage zu genehmigen.
Die Konfliktlage wird mit der neuen Planung dahingehend verschärft, dass die höhere Zaunanlage die Bewegungsfreiheit einfliegender Fledermäuse und Vögel zusätzlich einschränken kann. Die erhöhte Zaunanlage steht längs zu der vermuteten Haupteinflugrichtung und teilweise außerhalb derselben und ist bereits als fester Bestandteil der Umgebung vorhanden, wenn das IKoNE-Projekt gebaut und sich über die Jahre hinweg entwickeln wird. Dementsprechend siedeln sich nur Tiere an, die sich an die vorhandenen Gegebenheiten anpassen können. Durch entsprechende Auflagen zur Materialität und Beschaffenheit der Netze wird sichergestellt, dass die Ballfangnetze sowohl von Vögeln als auch von Fledermäusen als Hindernis wahrgenommen werden und diese Tierarten entsprechend höher fliegen, die Anlage umfliegen oder das Gebiet gänzlich meiden. Eine unmittelbare Gefahr für Vögel und Fledermäuse geht von den Netzen nicht aus. Nicht abgeschätzt werden kann, in welchem Umfang sich durch die Wirkungen der Anlage in unmittelbarer Nachbarschaft zum IKoNE-Projekt bestimmte Arten gar nicht ansiedeln würden, welche das Gebiet ansonsten ohne die Übungsanlage als Brut- oder Nahrungshabitat nutzen könnten.
Zu Ziffer 4:
Der Grundstücksmietvertrag zwischen der SBS – Sportstätten Betriebs-GmbH Stuttgart – und der City-Golf-Stuttgart GmbH wurde am 17. April 2012 abgeschlossen. Hierüber wurde von der Sportverwaltung in der öffentlichen Sitzung des Verwaltungsausschusses am 20. Juni 2012 (Niederschrift Nr. 176) auf der Grundlage einer Tischvorlage des Referates Kultur, Bildung und Sport vom 12. Juni 2012 berichtet.
Eine Offenlegung des Mietvertrages ist nach § 35 (1) GemO zum Schutz der privaten und geschäftlichen Interessen des Mieters nicht möglich.
Zu Ziffer 5:
Am 11.08.2009 wurde eine Golfanlage mit 10 m hohen Ballfangnetzen genehmigt. Die Baugenehmigung ist noch gültig.
Da die Nutzung als Golfanlage bereits genehmigt ist, wurden die Änderungen als „veränderte Ausführung“ beantragt. Dies entspricht gängiger Verwaltungspraxis und bedeutet, dass im Baugenehmigungsverfahren geprüft wird, ob das Vorhaben, auch in der geänderten Fassung, zulässig ist.
Zu Ziffer 6:
Im Bauantrag werden vom Vorhabenträger Randbereiche seines Vorhabens und ein anschließender schmaler Streifen städtischen Geländes als neue Habitate für die Zauneidechsen dargestellt. Diese Habitate werden in der Baugenehmigung wie dargestellt festgesetzt. Ein weiteres Eidechsenhabitat in der nördlich anschließenden Böschungsfläche wird im Rahmen eines Vertrages zwischen Vorhabenträger und Stadt festgelegt werden. In diesem Vertrag werden auch die Pflegekosten geregelt werden.
Fritz Kuhn
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