Beantwortung und Stellungnahme zu Anfrage und Antrag
104/2010

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 06/11/2010
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 4930 - 00



Beantwortung und Stellungnahme zu Anfrage und Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Küstler Ulrike (SÖS und LINKE), Rockenbauch Hannes (SÖS und LINKE) , SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft
Datum
    04/09/2010
Betreff
    Ehrenamt und Grundsicherung
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Grundlage für die Einkommensanrechnung ist § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Darin ist geregelt, dass alle Einnahmen „ohne Rücksicht auf ihre Herkunft und Rechtsnatur sowie ohne Rücksicht darauf, ob sie zu den Einkunftsarten im Sinne des Einkommensteuergesetzes gehören und ob sie der Steuerpflicht unterliegen“ bei der Berechnung der Einkünfte nach § 82 SGB XII zu berücksichtigen sind. Es handelt sich nicht um eine „Kannbestimmung“; die Sozialverwaltung hat also keine Ermessens- oder Beurteilungsspielräume. Von diesen Einkünften bleiben 30 %, maximal jedoch 50 % des Eckregelsatzes (also derzeit 179,50 EUR), nach § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII anrechnungsfrei.

Um die Anrechnung von Übungsleiterpauschalen i.S. von § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) generell auszuschließen, müsste das SGB XII durch den Bundestag geändert werden. Das Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg hat das Thema zu diesem Zweck bereits in die länderübergreifende Arbeitsgruppe eingebracht.

In dem genannten Einzelfall käme dann allerdings wohl die seit 2007 geltende Ehrenamtspauschale nach § 3 Nr. 26 a EStG in Frage. Bei einer Rechtsänderung müsste dann also nicht nur die Übungsleiterpauschale, sondern auch die Ehrenamtspauschale anrechnungsfrei gestellt werden.


Die Sozialverwaltung sieht sich außerstande, dem Gemeinderat ein Abweichen von den gesetzlichen Vorgaben im Sinne einer kommunalen Freiwilligkeitsleistung vorzuschlagen, weil in diesem Zusammenhang weitere Fragestellungen aufgeworfen werden müssten, nämlich z. B. ob nicht auch Einkommen aus Minijobs (u. a. Putzhilfen, Prospekt- und Zeitungsausträger/innen), Aufwandsentschädigungen, gelegentlichen Hilfsdiensten oder aus Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen aus Gleichbehandlungsgründen ebenso anrechnungsfrei zu stellen wären. Nicht nur Übungsleiter und Ehrenamtliche, sondern auch diese Beschäftigten setzen sich überobligatorisch (trotz Erwerbsminderung) dafür ein, noch am Gemeinschaftsleben-/ Arbeitsleben teilzuhaben und reduzieren mit ihrer Arbeitsleistung den kommunalen Sozialhilfeaufwand.

Der Sozialverwaltung sind derzeit 35 erwerbsgeminderte Personen in Stuttgart bekannt, die außerhalb von Einrichtungen Einkommen aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit erzielen. Die Beschäftigten in Werkstätten für behinderte Menschen sind in dieser Zahl nicht enthalten.

Allerdings kann aus gegenwärtiger Sicht nicht beurteilt werden, in wie vielen Fällen Ausnahmeregelungen zu treffen wären, falls der Gemeinderat einen Beschluss zur Freilassung der Übungsleiterpauschale fassen würde. Daher kann auch der entstehende Mehraufwand im Sozialhilfebudget nicht beziffert werden.

Die finanziellen Auswirkungen im Einzelfall zeigt folgende Beispielrechnung:

Monatliche „Übungsleiterpauschale“ von 175,00 EUR
Absetzung vom Einkommen mindestens:
30 % freibleibendes Einkommen: 52,50 EUR
Arbeitsmittelpauschale: 5,20 EUR, zus 57,70 EUR
(außerdem können ggf. erforderliche Fahrtkosten und
angemessene Versicherungsbeiträge vom Einkommen
abgesetzt werden)
Anrechnung des Einkommens von höchstens 117,30 EUR.

Die Sozialverwaltung schlägt vor, die Rechtsänderung abzuwarten und keine Stuttgarter Ausnahmeregelung von der gesetzlichen Einkommensanrechnung zu beschließen.






Dr. Wolfgang Schuster

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