Stellungnahme zum Antrag
50/2012

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 07/13/2012
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 6263 - 01



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Pfau Ursula (CDU), Currle Fritz (CDU)
Datum
    02/17/2012
Betreff
    In Zukunft Eisvergnügen auf dem Max-Eyth-See - wie in Hamburg auf der Außenalster?
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

1. )

Das Eislaufen auf dem Max-Eyth-See fällt nach § 26 Abs. 1 Wassergesetz für Baden-Württemberg (WG) unter den wasserrechtlichen Gemeingebrauch und wäre daher zunächst grundsätzlich zulässig. Allerdings regelt § 26 Abs. 2 WG, dass der Gemeingebrauch u.a. in Parkanlagen ausgeschlossen ist. Auch wenn der Max-Eyth-See nicht unter den Begriff Parkanlagen fällt, so kann der Gemeingebrauch dennoch nach § 28 Abs. 2 WG aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit oder der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geregelt oder verboten werden. Dies ist für Stuttgart durch die Straßen- und Anlagen-Polizeiverordnung vom 15. Juli 1999 erfolgt. Diese regelt, dass in öffentlichen Anlagen das Schlittschuhlaufen „außerhalb dafür besonders freigegebener und entsprechend gekennzeichneter Flächen“ verboten ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 9 StrAnlPolVO). Dieses Verbot umfasst auch den Max-Eyth-See, da dieser in einer öffentlichen Anlage liegt. Das Verbot erging aufgrund des Polizeigesetzes und nicht auf Grundlage des Wasserrechts, da das Betreten nicht tragfähiger Eisdecken mit Lebensgefahr verbunden ist. Daher ist für den Vollzug auch das Amt für öffentliche Ordnung zuständig.


2.)

Aufgrund der Verbindung zum Neckar schwankte der Wasserspiegel des Max-Eyth- Sees bisher um 8 bis 25 cm. Die dabei entstehenden Hohlräume können zu Brüchen im Eis führen. Mit der Schließung der Neckarverbindung im letzten Jahr werden diese Wasserspiegelschwankungen voraussichtlich minimiert. Konkrete und verlässliche Aussagen hierzu sind jedoch erst nach einer 2 jährigen Testphase möglich.

Auch besteht weiterhin das Risiko, dass Strömungen im See zu einer verminderten Eisdickenbildung an nicht vorhersagbaren Gewässerstellen führen.

Eine Aussage über die Tragfähigkeit kann nicht alleine durch die Messung der Eisdecke erfolgen. Hierzu müssten weitere Einflussgrößen und deren Zusammenspiel (Wetterverlauf, Kerneis, Besonderheiten des Gewässers bezüglich der Eisdicke und Eisqualität) intensiv im Vorfeld sowie während der Benutzung beobachtet, dokumentiert und gewertet werden. Ob sich auf dem See eine Eisfläche bildet, auf der eine örtlich beschränkte Zulassung auf eigene Gefahr erfolgen kann, müsste fachgerecht vorab über einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Bei Warmlufteinbrüchen verringert sich die Tragfähigkeit innerhalb von Stunden. Selbst bei stärkeren Eisdecken ist es dann geboten den See räumen zu lassen. Eine kontinuierliche Beobachtung (auch am Wochenende) der Eis- und Wetterverhältnisse wäre deshalb unerlässlich.

Bei Übungen der Branddirektion kam es vor, dass bereits mehrfach betretene Flächen plötzlich nachgaben und keine ausreichende Tragfähigkeit mehr aufwiesen. Durch eine entsprechende Sicherung der Einsatzkräfte (Sicherungsgeschirr, Auftriebsweste und Überlebensanzug) blieben diese Ereignisse indes ohne Folgen. Nach Kenntnissen der Branddirektion ereignete sich zuletzt am 25.2.2012 ein Zwischenfall auf dem zugefrorenen Max-Eyth-See. Hierbei sind zwei Jugendliche in das Eis eingebrochen, konnten sich aber vor dem Eintreffen der Feuerwehr selbst retten. Dennoch mussten sie wegen einer Unterkühlung anschließend vom Rettungsdienst behandelt werden.

Bei einer Freigabe des Max-Eyth-Sees zum Eislaufen durch die Stadt trägt diese auch die Verkehrssicherungspflicht für die Eisfläche einschließlich der damit verbundenen zivil- und strafrechtlichen Haftung. Eine Überwachung des Eislaufens auf dem Max-Eyth-See kann durch den Polizeivollzugsdienst, den Städtischen Vollzugsdienst oder den Unterhaltungspflichtigen nicht erfolgen, da dies in einer Intensität durchgeführt werden müsste (Dauerüberwachung), die personell nicht zu gewährleisten wäre.

Mit einer Freigabe ist nach Auffassung der Branddirektion ein Sanitätsdienst notwendig. Eine Gestellung dieses Sanitätsdienstes aber auch anderer Einsatzkomponenten durch die Feuerwehr Stuttgart ist nicht möglich. Demnach müsste die sanitätsdienstliche Betreuung sowie die rettungsdienstliche Absicherung durch eine Wasserrettungswache (z.B. DLRG) durch den Veranstalter sichergestellt werden.

Abgesehen von den beschriebenen Gefahren sollte das Eislaufen auch aus naturschutzrechtlichen Gründen untersagt bleiben, da ein Teil des Sees als europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesen ist und die Wasserfläche im Winterhalbjahr von durchziehenden nordischen Wasservögeln als Rastplatz genutzt wird. Daher wurde auch das Befahren des Sees mit Booten u.ä. für den Zeitraum vom 1.11. bis 28/29.02. jeden Jahres bereits durch Polizeiverordnung vom 11.10.1985 verboten. Selbst wenn der zugefrorene See seltener als Rastplatz genutzt wird, bleibt die Störungsempfindlichkeit der Vogelarten (z.B. Graureiher, Kormorane, Graugänse etc.), die vor allem den Bereich des nach EU-Recht ausgewiesenen Vogelschutzgebietes und der renaturierten Ufer mit seinen Schilfzonen bevölkern. Derzeit sind im Bereich des südlichen Ufers weitere Flachwasserzonen mit Schilf und Röhricht geplant. Neben den Wintergästen aus dem Norden sind auch die heimischen, überwinternden Arten, die sich auch in anderen Uferbereichen aufhalten, bei strengem Frost störungsempfindlich, da sie dann einen erhöhten Nahrungsbedarf bei geringem Angebot haben. Alle Vogelarten unterliegen der Vogelschutz-Richtlinie der EU und sind besonders bzw. streng geschützt.

Bei einer Freigabe des Sees müssten geordnete Zugänge zum See hergestellt werden, um eine Zerstörung der in weiten Teilen empfindlichen Uferrandvegetation zu vermeiden.

Durch eine Freigabe zum Eislaufen würde das Betreten des Vogelschutzgebiets erheblich erleichtert werden. Eine Absperrung einschließlich Überwachung der ökologisch wertvollen Bereiche ist bei geschlossener Eisdecke nahezu unmöglich. Eine Freigabe des Max-Eyth-Sees zum Eislaufen würde zu einer Massenveranstaltung mit Hunderten von Spaziergängern und Eisläufern werden; so dass es zu Störungen der im Winter dort befindlichen Vögel kommen kann. Zudem besteht die Gefahr, dass es zu Beschädigungen und Zerstörungen von nach § 44 Abs.1 Nr. 3 Bundesnaturschutzgesetz geschützten Überwinterungsstätten kommt.

Von Seiten des Württembergischen Anglervereins Stuttgart wird ein Eislaufen auf dem See kritisch gesehen, da aufgrund der Lärmentwicklung in Verbindung mit der geringen Seetiefe mit einer Beeinträchtigung der Fische bis hin zu Fischsterben zu rechnen wäre.

Die Verwaltung steht deshalb der Freigabe für das Eislaufen ablehnend gegenüber.


3. )

Die Messung der Eisdecke alleine ist für eine Aussage der Tragfähigkeit nicht ausreichend.

Dauer und Stärke des Frostes, Wind und Schnee, Dicke des Kerneises, Eisqualität sowie die Besonderheiten des Gewässers (z. B. Größe, Tiefe, Einläufe) bestimmen die Tragfähigkeit der Eisdecke. Stellen im See, die für verzögerte Eisbildung und frühes Auftauen bekannt sind, sind zu ermitteln, zu beobachten, festzuhalten und bei Eisdeckenmessungen besonders zu berücksichtigen.

Um Aufschluss über den Aufbau der Eisdecke und damit über die Stärke des Kerneises zu gewinnen,

§ sind aus der Eisdecke in angemessenen Abständen Probestücke zu schneiden
§ ist anhand der Probestücke die Grenze zwischen Kerneis und trübem Eis zu bestimmen
§ ist die Stärke des Kerneises zu messen.

Die geringste gemessene Stärke des Kerneises ist für die Freigabe der Eisdecke entscheidend. An den Probelöchern ist zu prüfen, ob die Eisdecke auf dem Wasser aufliegt.

Wer diese qualifizierte und kontinuierliche Messung des Kerneises sowie die darüber hinausgehenden notwendigen Untersuchungen durchführen kann, wäre zu klären.

Die Wasserrettungseinheit der Branddirektion übt regelmäßig die Eisrettung und das Eistauchen. Dies erfolgt auch auf der zugefrorenen Fläche des Max-Eyth-Sees unter Verwendung entsprechender Hilfsmittel und Sicherheitsgeräten. Eine Protokollierung der dabei angetroffenen Eisdicken erfolgt dabei jedoch nicht.


4. )

Das Eisvergnügen in Hamburg (1997, 2011) geht über eine Freigabe zum Eislaufen hinaus. Das Eisvergnügen ist eine Veranstaltung mit kulturellem und kulinarischem Angebot. Bilanz: ca. 280 Unfälle, ca. 120 Krankenhausfälle. Verschmutzungen auf dem Eis (Müll) können nicht immer sicher vor dem Schmelzen entfernt werden (Bei Tauwetter über Nacht bestünde eine Gefahr für den Räumdienst). Diese Verschmutzung müssen laufend entfernt werden, damit diese bei einer plötzlich eintretenden Schmelze nicht das Wasser belasten. Eine solche mögliche Belastung des sich in Sanierung befindlichen Max-Eyth-Sees wäre kritisch.

Für eine Grundlageerhebung wurde in Hamburg das Institut für Schifffahrtstechnik mit einem Gutachten beauftragt. Zudem kann bei der Nutzung der Eisfläche auf eine jahrhundert lange Erfahrung zurückgegriffen werden. Wegen der Schifffahrtsnutzung auf der Alster wird die Eisfläche regelmäßig kontrolliert. Wird die Schifffahrt eingestellt sind die Grundvoraussetzungen gegeben, um eine eingehende Untersuchung für die Nutzung einzuleiten.

Die Überwachung einer solchen Großveranstaltung in Bezug auf die Eisfläche wäre noch aufwendiger als dies schon bei einer Freigabe zum Eislaufen ist.

Eine derartige Nutzung des zugefrorenen Max-Eyth-Sees sollte daher nicht zugelassen werden.






Dr. Wolfgang Schuster
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