Beantwortung zur Anfrage
57/2017

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 03/17/2017
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 5203-03



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    AfD-Gemeinderatsfraktion
Datum
    02/22/2017
Betreff
    Detaillierte Auskunft bezüglich der Geschehnisse in der IU am Klinikum Stuttgart
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

1. Wer trägt die Verantwortung für die Geschäfte mit Kuwait und Libyen?
a. Wer brachte die Geschäftsidee?
b. Wer gab grünes Licht?
c. Wer führte die entscheidenden Verhandlungen und die Anbahnungen?
d. Wer stimmte die Verhandlungsergebnisse ab?
e. Wer war für die rechtliche Seite (Bewertung) verantwortlich?
f. Was waren die Inhalte der Verträge?
g. Welche Nebenabsprachen wurden getroffen?
Von wem? h. Waren etwaige Nebenabsprachen rechtskonform?
i. Wer unterzeichnete die Verträge?
j. Wer war für die Rechtsaufsicht verantwortlich?
k. Wer war für die Logistik verantwortlich?
l. Wer war für die Rechnungsstellung verantwortlich?
m. Wurden Rechnungen zeitnah gestellt und wenn nicht, warum nicht?
Wir bitten um differenzierte Aufstellung nach den Themenfeldern „Kuwait“ und „Libyen“.

Die Antworten zu diesen Fragen ergeben sich aus dem Berichten der Kanzlei BRP und des RPA und der mit der internen Revision beauftragte Unternehmensberatung Mauer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die den Mitgliedern des Gemeinderats seit dem 20.02.2017 zur Einsichtnahme vorliegen.





2. Die Struktur der IU selbst:
a. Welche Art von Vertrag hatte der Leiter der IU, Andreas Braun?

Einen außertariflichen Arbeitsvertrag.

Ab 2008 die Leitung der IU und der internen Kommunikation, ab 2011 ausschließlich die Leitung der IU


b. Hat Herr Braun die ihm qua Vertrag übertragenen Aufgaben vertragskonform ausgeführt?
Wenn nicht, wo lagen die Abweichungen?


Auf Grund der festgestellten Verfehlungen wurde Herr Braun zwischenzeitlich außerordentlich fristlos gekündigt.


c. Wer war für die Kontrolle der IU verantwortlich?
Wer unmittelbar?


Unmittelbar verantwortlich war der jeweilige Klinische Direktor, die übrigen Direktorinnen und Direktoren im Rahmen ihrer Aufgaben- und Verantwortungsbereiche.

Der Geschäftsführer des Klinikums.


d. Welche Rolle hatten die Ärztlichen Direktoren Prof. Dr. Krier und Prof. Dr. Graf?

Die Klinischen Direktoren waren die direkten Vorgesetzten von Herrn Braun. Als solche hatten sie grds. eine Holpflicht, wenn ihnen entsprechende Sachverhalte bekannt wurden. In welchem Umfang dies geschehen ist, ist nicht bekannt. Dies enthebt Herrn Braun aber nicht von seinen Informationspflichten.


e. Welche Rolle und Aufgabe hatte Dr. Schmitz, insbesondere im Rahmen und im Zusammenhang mit der Betriebssatzung des Klinikums?

Herr Dr. Schmitz hat als Geschäftsführer im Rahmen der Betriebssatzung und der Geschäftsordnung für die Führung des Klinikums die Gesamtverantwortung für das Klinikum. Als solcher hatte er grds. eine Holpflicht, wenn ihm entsprechende Sachverhalte bekannt wurden. In welchem Umfang dies geschehen ist, ist nicht bekannt. Dies enthebt die Herren Prof. Krier, Prof. Graf und Braun aber nicht von ihren Informationspflichten.


f. Was sind die Aufgaben des Krankenhausbürgermeisters?

Diese ergeben sich aus der Betriebssatzung. Er hatte grds. eine Holpflicht, wenn ihm entsprechende Sachverhalte bekannt wurden. Diese hat er ab Kenntnis erfüllt (vgl. Antwort auf Antrag 119/2016). Dies enthebt den Geschäftsführer Dr. Schmitz sowie die Herren Prof. Krier, Prof. Graf und Braun aber nicht von ihren Informationspflichten.


g. Wer nahm an den Sitzungen der Krankenhausleitung seit Gründung der IU teil?

Der Geschäftsführer und die vom Krankenhausausschuss bestellten weiteren Mitglieder (die jeweiligen Klinischen Direktoren, die jeweilige Pflegedirektorin, die Direktorin für Controlling und Finanzen ab 2011, der Direktor für Service und Infrastruktur bis März 2016)


h. Wer nahm an den Trägergesprächen im Rathaus seit der Gründung der IU teil?
Wir erbitten Teilnehmerlisten und Protokolle.


Die jeweiligen Krankenhausbürgermeister, der Geschäftsführer, Vertreter der Abteilung AK/54 sowie themenbezogen weitere Mitglieder der Krankenhausleitung und Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter des Klinikums.

Bei Besprechungen zum Wirtschaftsplan zusätzlich der Finanzbürgermeister und Vertreter der Stadtkämmerei, bei den Besprechungen zum Jahresabschluss darüber hinaus auch die Wirtschaftsprüfer und das RPA.


i. Welche Beurteilung gaben die Wirtschaftsprüfer in ihren Berichten zur Aufgabe und zu den Erträgen der IU, sowohl den erwarteten als auch den erzielten?

Auf die GRDrs 1063/2015 (Jahresabschluss 2014) und 484/2016 (Jahresabschluss 2015) wird verwiesen. Außerdem haben die Mitglieder des Krankenhausausschusses die vollständigen Prüfberichte des Wirtschaftsprüfers erhalten. Bei der Behandlung des Jahresabschlusses im Krankenhausausschuss machten der Wirtschaftsprüfer und der Geschäftsführerentsprechende Ausführungen.






j. In wieweit war der Finanzbürgermeister, auch verantwortlich für die Eigenbetriebe, über die Vorgänge informiert? (siehe oben Trägergespräche)

Im Zusammenhang mit der im Jahresabschluss 2014 notwendigen Wertberichtigung von 8,9 Mio. € aus dem Libyen-Projekt wurde der Finanzbürgermeister im Mai 2015 erstmals über problematische Sachverhalte der IU informiert.


k. Hat er ggf. eine Holschuld für Informationen?

Er hatte grds. eine Holschuld, wenn ihm entsprechende Sachverhalte bekannt wurden. Diese hat er ab Kenntnis im Mai 2015 erfüllt.


l. Warum wurde 2012/13 die Berichterstattung des Leiters der IU über sein Tätigkeitsfeld im Krankenhausausschuss eingestellt?

Die IU war – vor den Libyen- und Kuwait-Projekten – mit rd. 2 – 3 % des Gesamtumsatzes des Klinikums von untergeordneter Bedeutung. Außerdem standen in dieser Zeit die strukturellen baulichen und organisatorischen Maßnahmen des Klinikums im Vordergrund. Deshalb haben Herr Bürgermeister Wölfle und der Geschäftsführer entschieden, die IU-Berichte auszusetzen. Dies wurde seitens des Krankenhausausschusses nicht in Frage gestellt.


m. Welche Kontrollmechanismen im Klinikum gab es:
- im Hinblick auf die Tragfähigkeit und Rechtmäßigkeit geschlossener Verträge?
- Im Hinblick auf die zeitgerechten Zahlungen und Leistungserbringungen?

Der Wirtschaftsprüfer hat in allen Jahresabschlüssen dem Klinikum die Angemessenheit der Innenrevision und des Risikomanagements attestiert. Erstmals im Jahresabschluss 2015 wurde vom Wirtschaftprüfer darauf hingewiesen, dass diese Einschätzung nicht in Bezug auf die IU gilt. Das unzureichende Risikomanagement der IU ist auf die Entscheidungen des Geschäftsführers zurückzuführen, der IU innerhalb des Klinikums weitgehende Eigenständigkeit einzuräumen und die IU nicht in bestehende Strukturen des Klinikums (z.B. Rechnungsstellung, Mahnwesen, Vertragsmanagement) einzubinden. Auch die vom Geschäftsführer mit der internen Revision beauftragte Unternehmensberatung Mauer hat 2015 festgestellt, dass die IU weitgehend autark handelt und sich nicht der im Klinikum vorhandenen Strukturen bedient.

Mit Kenntnis des Berichts der Unternehmensberatung Mauer hat Herr Bürgermeister Wölfle die Umsetzung der Empfehlungen der Unternehmensberatung Mauer angeordnet. So wurden u.a. ab 01.01.2016 eine Geschäftsordnung für die IU erlassen und ein administrativer Leiter eingesetzt. Im Einzelnen wird auf die Antwort zu Frage 5 des Antrags 337/2016 verwiesen. Ab 01.01.2017 sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Arbeitsabläufe der IU in die normalen Strukturen des Klinikums überführt worden.


n. Wie sahen die Verträge aus, die sonst seit 2005 geschlossen wurden?

Es sind vorgelagerte Projekte mit Libyen bekannt, die erst noch aufgearbeitet werden müssen. Ein für das Klinikum wirtschaftlich unbedeutendes Projekt in Qatar (Umsatzerlöse ca. 35.000 €) wurde ab Anfang 2016 nicht weitergeführt.

Im Übrigen sind die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abzuwarten.


o. Welche Regularien gibt es im Hinblick auf Behandlungsverträge mit ausländischen Patienten?

Seit 01.01.2017 finden alle administrativen Aufnahmen von internationalen Patienten, die zum Zweck der Krankenhausbehandlung ins Klinikum Stuttgart kommen, nach deutschem Recht statt. Die Patienten unterzeichnen dieselben inhaltlichen Behandlungs- und Wahlleistungsverträge. Dabei sind die Grundlage dieselben Tarife und Preise wie für privatversicherte deutsche Patienten (Entgelttarif Klinikum Stuttgart).

Es gelten insbesondere die Vorgaben des Krankenhausentgeltgesetztes (KHEntgG), der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2017 (FPV 2017), der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) und der Vereinbarung zum pauschalierenden Entgeltsystem für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen für das Jahr 2017 (PEPPV 2017). Für wahlärztliche Leistungen sind die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) sowie die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) maßgeblich.


p. Wurden die Verträge in Einklang mit deutschen Rechtsnormen gemacht?
Wenn nein, wo lagen die Abweichungen?


Auf die Berichte der Kanzlei BRP, des RPA und der Unternehmensberatung Mauer wird verwiesen.


q. Wie ist generell das „Vertragsmanagement“ im Klinikum Stuttgart organisiert?

Das Vertragswesen im Klinikum Stuttgart ist wie in den meisten Kliniken dezentral bei der jeweils zuständigen Einheit organisiert (Arbeitsverträge beim Personalwesen, Patientenverträge beim Patientenmanagement, Bau- und Wartungsverträge beim Servicecenter Bau und Engineering usw.).


3. Finanzen
a. Wie sahen die Jahresbilanzen der IU aus?

Es gibt nur eine Bilanz des Klinikums.


b. Wie sahen die Teilkostenrechnungen aus?

c. Wie sahen die Vollkostenrechnungen aus?
Es gab Klinikums-interne DB I, DB II, DB III und DB IV-Rechnungen für die IU. Auf die nachstehende Übersicht, die im Krankenhausausschuss am 9. Dezember 2016 gezeigt wurde, wird verwiesen.


d. Gab es seit 2005 Zahlungsausfälle und wenn ja, wann und in welcher Höhe?

Bei der IU gab und gibt es Rechnungskorrekturen und Zahlungsausfälle bei der klassischen Patientenbehandlung im klinikumsüblichen Umfang. Derzeit bestehen Außenstände gegenüber ausländischen staatlichen oder halbstaatlichen Kostenträgern von rd. 8,4 Mio. € (ohne die bereits in den Jahresabschlüssen 2014 und 2015 wertberichtigten Forderungen aus den Projekten Libyen und Kuwait). Das Klinikum steht in intensiven Kontakten mit den Botschaften.


e. Warum wurde die IU seit 2014 trotz positiver Erträge plötzlich problematisiert?

Anlass für die Problematisierung war die Wertberichtigung beim Libyen-Projekt im Jahresabschluss 2014.


f. Wie war der „normale“ Verlauf von Zahlungs- und Überweisungsprozessen in der IU?
Wer hat wann was freigezeichnet und auf welcher Grundlage?


Auf die Berichte der Kanzlei BRP, des RPA und der Unternehmensberatung Mauer wird verwiesen.

g. Was bedeutet es rechtlich, wenn Zahlungen vom Geschäftsführer des Klinikums freigegeben werden?

Kommen dadurch faktisch Verträge zustande?

Auf § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Gemeindekassenverordnung und die Ausführungen in RdNr. 58 ff. des Berichts der Kanzlei BRP wird verwiesen.

§ 11
Sachliche und rechnerische Feststellung
(1) Jeder Anspruch und jede Zahlungsverpflichtung sind auf ihren Grund und ihre Höhe zu prüfen. Die Richtigkeit ist schriftlich zu bescheinigen (sachliche und rechnerische Feststellung).


h. Wir bitten um eine detaillierte Darstellung der Entwicklung der Eigenkapitalquote des Klinikums Stuttgart in den vergangenen 8 Jahren.

Jahr
Quote
2008
12%
2009
10%
2010
8%
2011
7%
Jahr
Quote
2012
4%
2013
3%
2014
2%
2015
0%


i. Wer trägt die Verantwortung für diese Entwicklung?

Der Geschäftsführer des Klinikums, der Träger Landeshauptstadt Stuttgart (Verwaltung und Gemeinderat) sowie die Rahmenbedingungen der Krankenhausfinanzierung


4. Rolle des Personalrats:
Der Personalrat wurde unregelmäßig durch den Krankenhausbürgermeister und den Geschäftsführer in allgemeiner Art und Weise über die Aufgaben und Tätigkeiten der IU informiert, so auch über die Projekte Libyen und Kuwait. Von den problematischen Vorgängen im Zusammenhang mit diesen Projekten erlangte der Personalrat auch erst Kenntnis im Verlauf der ab Mai 2015 eingeleiteten Maßnahmen zur Aufklärung dieser Vorgänge.





Sofern im weiteren Verlauf der internen Aufklärung oder im Zusammenhang mit den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergänzende Sachverhalte über den heutigen Erkenntnisstand hinaus bekannt werden, wird der Krankenhausausschuss selbstverständlich unterrichtet.






Fritz Kuhn


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