Beantwortung zur Anfrage
337/2016

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 02/15/2017
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 5203-03



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
    11/07/2016
Betreff
    International Unit: ein rechtsfreier Raum im Klinikum Stuttgart?
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:


Im Zuge der konsequenten Aufarbeitung der Sachverhalte der International Unit, die auch die arbeitsrechtlichen Maßnahmen beinhaltet, werden die Mitglieder des Krankenhausausschusses umfassend informiert. Die Rechtsanwaltskanzlei BRP Renaud und Partner mbB wird im Krankenhausausschuss am 17.02.2017 ihren vorläufigen Schlussbericht vorstellen. Ferner erhalten die Mitglieder des Krankenhausausschusses Einsicht in diesen vorläufigen Schlussbericht von BRP sowie in alle relevanten Berichte des RPA zum IU-Komplex, einschließlich des Berichtes vom 18.12.2015.

Frage 1:
Von wem wurde mit welchem Auftrag sowie mit welcher Zuständigkeit, Vollmachten und Kontrollinstanzen die International Unit initiiert und umgesetzt?

Ausländische Patienten wurden in überschaubarem Umfang seit vielen Jahren im Klinikum behandelt. Die damalige Geschäftsführung wollte mit der International Unit (IU) die Betreuung der ausländischen Patienten an einer Stelle bündeln und dieses Geschäftsfeld ausbauen. Seitens der Geschäftsführung bestand zeitweilig auch die Vorstellung, die IU in einer eigenen Rechtsform als GmbH zu etablieren.

Seit 2008 wurde die IU als Profit Center geführt, 2010 dann als eigenständige Abteilung eingerichtet.

Die Aufgaben und Befugnisse des laufenden Geschäftsbetriebs der IU lagen in der Verantwortung des Leiters der IU, der dem Klinischen Direktor unterstellt war. Der Klinische Direktor berichtete direkt an den Geschäftsführer.


Die Vertretungsregelungen, Vollmachten und Kontrollinstanzen für das Klinikum galten auch für die IU, da diese ein Teil des Klinikums Stuttgart war. Vertretungsberechtigter des Klinikums war der damalige Allein-Geschäftsführer des Klinikums Stuttgart. Dem Geschäftsführer als Betriebsleiter des Eigenbetriebes obliegt die laufende Betriebsführung des Klinikums entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen und der Betriebssatzung. Ihm obliegen auch die Innenrevision und das Risikomanagement.

Die Vorgabe des Trägers für die Behandlung von ausländischen Patienten ohne Kostenträger war, dass diese nur gegen Vorauskasse erfolgen dürfe.


Frage 2:
Wie war deren Organisationsstatus innerhalb des Klinikums definiert? Wie bzw. durch wen hat sich dies im Laufe der Zeit verändert?

Im Laufe der Jahre haben sich die Umsätze der IU deutlich erhöht und es fand eine Ausweitung des Geschäftsmodells statt. Im Jahr 2005 erwirtschaftete die IU einen Umsatz von rund 200 T€, in 2009 schon 3,3 Mio. € und im Jahr 2014 rund 34 Mio. €. Damit war bei den Verantwortlichen im Klinikum die Erwartung auf steigende positive Ergebnisbeiträge der IU verbunden, um in Teilen die Defizite des Klinikums zu kompensieren. In den seitens der Geschäftsführung vorgelegten Monatsberichten, dem Lagebericht im Rahmen des Jahresabschlusses und den Erläuterungen zu den Wirtschaftsplänen wurde regelmäßig darauf hingewiesen, dass im Bereich der IU steigende Erlöse zu verzeichnen seien, die andere negative Entwicklungen in Teilen kompensieren würden. Auf Risiken wurde seitens der Geschäftsführung hingegen bis zum Frühjahr 2015 nicht hingewiesen.

Bis 2013 beschränkte sich die Tätigkeit der IU auf die Koordination der Behandlung von ausländischen Patienten, die entweder als Selbstzahler oder über ausländische Botschaften das Klinikum aufsuchten. Im Jahr 2012 erfolgte erstmals, beginnend mit wenigen Patienten, die Behandlung von libyschen Kriegsverletzten. Auf Wunsch der Bundesregierung sollten sich leistungsfähige Krankenhäuser in der humanitären Unterstützung des Wiederaufbaus des Bürgerkriegslandes Libyen engagieren. Im Jahr 2013 und 2014 erfolgte die Kooperation zwischen dem Libyan Wounded Comittee und dem Klinikum Stuttgart bzgl. der Behandlung libyscher Kriegsverletzter.

Das Kuwait Projekt wurde in 2014 zwischen dem kuwaitischen Gesundheitsministerium (MOH) und dem Klinikum vertraglich vereinbart. Grundlage dieser Vereinbarung war die Zusammenarbeit des Klinikum Stuttgart mit dem Al Razi Orthopedic Hospital, bei der das Klinikum Ärzte und weiteres medizinische Personal nach Kuwait entsandte, um das Al Razi Hospital bei der Patientenbehandlung zu unterstützen.

Die entsprechenden Verträge und Vereinbarungen, soweit vorhanden, wurden seitens der Geschäftsführung und dem Leiter der International Unit abgeschlossen. Der Träger und die gemeinderätlichen Gremien wurden seitens der Geschäftsführung nicht entsprechend der Vorgaben der Betriebssatzung für den Eigenbetrieb eingebunden.




Frage 3:
Über welche Konten wurden die Millionensummen abgewickelt, da offensichtlich das klinikinterne Controlling über Jahre hinweg entweder nichts bemerkte oder wegschaute?

Die Zahlungsein- und -ausgänge für die Patientenbehandlung als auch für die Behandlungen aus dem Libyen Komplex erfolgten über die Geschäftskonten des Klinikums. Für das Kuwait-Projekt hat das Klinikum - entgegen den städtischen Vorgaben (Auslandskonten dürfen lediglich vom Finanzbürgermeister der Landeshauptstadt eingerichtet werden). - ein Bankkonto in Kuwait, eingerichtet. Über dieses Konto wurden die Zahlungseingänge des kuwaitischen Vertragspartners abgewickelt.

Aufwand und Kosten wurden im Rahmen der klinikumsinternen Profit-Center-Rechnung dargestellt. Diese war dem Träger jedoch nicht bekannt.


Frage 4:
Von wem wurden in den Jahren 2013 und 2014 die Verträge mit Libyen und Kuwait initiiert?

Vom Leiter der International Unit nach Absprache mit dem damaligen Geschäftsführer und dem Klinischen Direktor.


Frage 5:
Was wurde ab dem Jahr 2014 von den Verantwortlichen im bzw. für das Klinikum in die Wege geleitet, als das städtische Rechnungsprüfungsamt Probleme benannt hat? Wie lange wurde das bis dahin geübte Behandlungs- und Abrechnungsverfahren fortgesetzt?

Das Rechnungsprüfungsamt hat seinen Bericht über die örtliche Prüfung des Jahresabschlusses 2014 des Klinikums am 4. November 2015, den Schlussbericht für 2014 am 16. November 2015 und einen vertieften Bericht zur IU am 18. Dezember 2015 vorgelegt.

Nach Vorlage der Berichte wurde seitens des Trägers die Bestellung eines Administrativen Leiters für die IU ab 01.01.2016 und die Anwendung einer Geschäftsordnung mit entsprechenden Regelungen angeordnet. Darüber hinaus wurde angeordnet, dass die Behandlung von Patienten der IU nur noch gegen Vorauskasse oder Kostenübernahmegarantien der Botschaften zu erfolgen darf.

Die Geschäftsführung wurde aufgefordert, die Risiken der IU-Projekte darzustellen und Strategien zur Risikominimierung zu erarbeiten. Es erfolgte die Information des Versicherungsmaklers für die Regulierung des voraussichtlich entstandenen Schades durch die Versicherung. Die Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet. Arbeitsrechtliche Schritte gegen den Geschäftsführer wurden geprüft, der Leiter der IU wurde freigestellt. Die kritischen Prozesse in der IU wurden durch Ernst & Young im Rahmen des Gutachtenprozesses analysiert. Die seitens des RPA und dem mit der Innenrevision beauftragten Wirtschaftsprüfers vorgeschlagen Maßnahmen wurden durch das Klinikum umgesetzt. Darüber hinaus hat der Träger das Anwaltsbüro BRP mit der Aufarbeitung der Sachverhalte beauftragt.

Zum 01.01.2017 wurde die IU als eigener Bereich im Klinikum aufgelöst, die Aufgaben und Mitarbeiter der IU wurden in die normalen Strukturen und Arbeitsprozesse des Klinikums überführt. Das Kuwait-Projekt wurde beendet. Die Möglichkeiten, die offenen Forderungen aus dem Libyen-Projekt mittels Inkassovereinbarungen einzutreiben, werden geprüft.

Verträge mit Dienstleistern sind gekündigt. Falls sie noch eine vertraglich vereinbarte Laufzeit haben, versucht das Klinikum eine frühere Vertragsbeendigung zu erreichen. Dabei werden die Risiken einer vorzeitigen Vertragsbeendigung abgewogen. Auch hierbei wird das Klinikum durch BRP beraten.






Fritz Kuhn

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