Beantwortung zur Anfrage
306/2011
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
10/26/2011
Der Oberbürgermeister
GZ:
OB 7831-10.00
Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft
Datum
07/27/2011
Betreff
Was kostet die "städtebauliche Chance"?
Transparente Zahlen zu den Grundstücksgeschäften bei Stuttgart 21
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Vorbemerkung
Der Gemeinderat hat dem Kauf der über 100 ha Grundstücksfläche im Jahr 2001 zugestimmt mit dem Ziel, dass Gemeinderat und Bürgerschaft ohne Verwertungsdruck entscheiden können, was auf diesen künftigen Innenstadtflächen geschehen soll. Es war damals – und sollte auch heute – nicht das Ziel sein, einen möglichst großen Erlös aus dem Verkauf einzelner Grundstücke zu erzielen. Vielmehr geht es nach Auffassung der Stadtverwaltung darum, gemischt genutzte Stadtquartiere zu entwickeln, die familien- und kinderfreundlich sind, in denen z. B. Baugemeinschaften zum Zuge kommen können.
Eine besondere Chance soll sich aus einer ökologischen Stadtplanung und Bauweise ergeben. Erstmalig soll ein großes Stadtquartier mit Triple-Zero-Standard realisiert werden. Triple-Zero steht für Gebäude ohne fossile Energieträger, ohne schädliche Emissionen und ohne Verlust von Materialien, da alles recyclebar ist. Zugleich sollen die Stadtquartiere durchgrünt und der Schlossgarten um 20 ha als „grüne Lunge“ in der Innenstadt erweitert werden. Diese städtebaulichen Ziele wollen wir in enger Abstimmung mit der Bürgerschaft und mit neuen Formen der Bürgerbeteiligung konkretisieren und umsetzen. All dies lässt sich nur erreichen, wenn die Landeshauptstadt auch Eigentümerin der Grundstücke ist, die sie zu einem Durchschnittspreis von ca. 361 Euro/m
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gekauft hat.
Beantwortung der einzelnen Fragen
1. Im Kaufvertrag aus dem Jahr 2001 wurde geregelt, dass der Kaufpreis im Jahr 2001 beglichen werden muss, die Übergabe der Flächen jedoch erst im Jahr 2010 erfolgen sollte. Die Grundstückswerte wurden daher abgezinst. Von welchen Grundstückswerten wurden für die einzelnen Baufelder A2, A3, B, C1, C2 und D bei der Abzinsung ausgegangen?
2. Welche Zinssätze wurden für die einzelnen Baufelder festgelegt und welche Zinssumme ergibt sich daraus für die einzelnen Baufelder?
Bereits in den GRDrs 159/1999 und GRDrs 89/2000 wurde erläutert, dass der auf das Jahr 2010 ermittelte Verkehrswert der Grundstücke in den Teilgebieten B, C und D mit 7,5 % und in den Teilgebieten A 2 und A 3 mit 5 % abgezinst wurden. Daraus ergeben sich folgende Werte für die einzelnen Teilgebiete
Teilgebiet
abgezinster Kaufpreis
lt. Kaufvertrag
(jeweils auf volle 1.000 € gerundet)
Verkehrswert 2010
(jeweils auf volle 1.000 € gerundet)
A 2
212.186.000 €
345.629.000 €
A 3
17.895.000 €
29.149.000 €
B
90.499.000 €
200.510.000 €
C 1
55.731.000 €
123.478.000 €
C 2
42.949.000 €
95.158.000 €
D
5.113.000 €
11.328.000 €
Summe
424.372.000
805.252.000 €
3. Wurden für die unterirdische oder oberirdische Nutzung dieser städtischen Flächen Pachtzahlungen von den Nutzern (u. a. Deutsche Bahn) erhoben? Welche Pachtzahlungen wurden geleistet? Werden zukünftig Pachtzahlungen erhoben?
Auf die Ausführungen in der öffentlichen GRDrs 990/2001 wird verwiesen:
Nachdem der Kaufgegenstand von der Deutschen Bahn AG zunächst weiter genutzt wird, wird dieser Besitz mit den genannten Rechtsfolgen einschließlich der Verkehrssicherungspflicht wieder auf die Deutsche Bahn AG zurückübertragen. Das Nutzungsrecht an den jeweiligen Teilflächen des Vertragsgegenstandes endet, sobald diese vertragskonform freigemacht und der vereinbarte Rückbauzustand erfolgt ist.
Eisenbahnbetrieb
: Dieser ist im bisherigen Umfang auf dem Vertragsgegenstand bis zum Zeitpunkt der Realisierung des Verkehrsprojekts “Stuttgart 21” zulässig.
Eine Pachtzahlung der Bahn für die Nutzung der Flächen wurde angesichts der Abzinsung des Kaufpreises nicht vereinbart, da ansonsten die Bahn durch Abzinsungssumme und Nutzungsentgelt doppelt in Anspruch genommen werden würde.
4. Wie hoch war die Grunderwerbssteuer für die einzelnen Baufelder?
Teilgebiet
Grunderwerbsteuer
A 2
8.028.773,46 €
A 3
677.125,47 €
B
3.424.320,25 €
C 1
2.108.762,19 €
C 2
1.625.101,13 €
D
193.464,42 €
Summe
16.057.546,92 €
5. Welche Vorfinanzierungskosten wie Zinsen o. ä. sind seit dem Kauf für die Baufelder angefallen bzw. welche wurden einkalkuliert?
Der Grunderwerb wurde nicht durch Kreditaufnahmen finanziert. Vorfinanzierungskosten sind somit nicht angefallen.
6. Die Stadt und die Mehrheit des Gemeinderats haben auf die Verzugszinsen aus der späteren Nutzung der Flächen im Jahr 2007 verzichtet. Welcher Grundstückswert wurde der Ermittlung der Verzugszinsen zu Grunde gelegt? Welche Verzugszinsen wurden angesetzt?
Für die rechnerische Ermittlung des Verzichts wurden die vertraglichen Grundstückswerte und Verzugszinssätze angewendet: für den größten Teil der erworbenen Flächen ist der Verzugszinssatz bis Ende 2014 auf 5,5 % festgesetzt, ab 2015 beträgt er 4 % über dem Basiszinssatz; im Teilgebiet C 1 beträgt der Verzugszinssatz einheitlich 4 % über dem Basiszinssatz. Berücksichtigt wurde außerdem, dass rd. 75 % von C 1 fristgemäß Ende 2004 und Ende 2010 an die LHS übergeben wurden und für diese Flächen somit keine Verzugszinsen anfallen können.
Wie in der GRDrs 790/2007 angegeben, entspricht der jährliche Verzugszinsenverzicht von 21,2 Mio. € einem Verzugszinssatz von 5,5 %. Dieser wurde der Berechnung zu Grunde gelegt, da der ab 2015 geltende Basiszinssatz nicht bekannt sein konnte.
7. Wie groß ist der Anteil der nicht von der Stadt genutzten Flächen auf diesen städtischen Grundstücken?
Vertragsgemäß wurden bisher im Teilgebiet C die Teilflächen C 1.1 bis 1.3 sowie die Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung“ mit einer Gesamtfläche von rd. 101.000 m² von der Bahn an die Landeshauptstadt übergeben.
8. Welche Kosten sind für die Erschließung der Flächen vorgesehen bzw. welche wurden von der Bahn in ihrer aktualisierten Wirtschaftlichkeitsberechnung angesetzt?
9. Welche Nutzung wurde für die einzelnen Baufelder bei dieser Wirtschaftlichkeitsberechnung angesetzt?
Die Kosten der Erschließung sind für die Wirtschaftlichkeitsrechnung der Bahn ohne Belang, da die künftige Erschließung der erworbenen Grundstücke Sache der Stadt ist.
Die Kosten der Erschließung können erst ermittelt werden, wenn die städtebaulichen Konzepte weiter konkretisiert sind.
10. Werden die Erschließungskosten auf die Grundstückspreise umgelegt?
Mangels einer endgültigen städtebaulichen Planung steht die künftige Erschließung der frei werdenden Flächen derzeit noch nicht fest. Auch liegen noch keine Festlegungen für die Vermarktungskonditionen vor. Deshalb sind derzeit keine abschließenden Antworten möglich.
Grundsätzlich ist jedoch anzumerken, dass bei einem Verkauf zu Verkehrswerten der Erschließungsbeitrag und etwaige Kanalbeiträge in diesem Wert enthalten sind (Bewertung des Grundstücks als „erschließungsbeitragsfrei“). Insoweit werden die Erschließungskosten auf den Kaufpreis umgelegt.
11. Welche Kostenschätzung legt die Stadt bei der Altlastenentsorgung und der Geländemodellierung heute zugrunde, nachdem ein Teil der Flächen frei geräumt wurde und seit der ersten Schätzung 10 Jahre vergangen sind?
12. Wie hoch ist der angesetzte städtische Kostenanteil an der Altlastenentsorgung und der Geländemodellierung?
Die Kosten der Altlastenentsorgung wurden auf der Grundlage der 2001 vorliegenden Erkundungsergebnisse abgeschätzt und von der Bahn mit insgesamt 14,8 Mio. € abgelöst; die letzte Rate von 6,65 Mio. € wird am 31.12.2012 zahlungsfällig. Die Schätzung der Sanierungskosten im Jahr 2004 (GRDrs 430/2004) bestätigt diesen Wert. Insoweit trägt die Stadt keine Kosten der Altlastenentsorgung.
An den Kosten für Bodenaushub und Geländemodellierung beteiligt sich die Bahn mit 17,03 Mio. €, die bereits am 31.12.2001 an die Stadt bezahlt wurden.
Bei Geländemodellierung und Bodenaushub sind in der Untersuchung von 2004 mögliche Mehrkosten von ca. 14,4 Mio. € auf Grund der damaligen gesetzlichen Regelung, dass sog. geogene (= natürlich) mit Sulfat belastete Bodenmassen zu entsorgen sind, dargestellt worden (GRDrs 430/2004). Nach den 2007 geänderten Rechtsvorschriften sind diese Bodenmassen nicht mehr zwingend zu entsorgen und können unter bestimmten Bedingungen verwertet werden. In welchem Umfang die 2004 geschätzten Mehrkosten für die Geländemodellierung tatsächlich anfallen werden, kann heute noch nicht beurteilt werden. Außerdem lassen sich durch eine entsprechend gestaltete Geländemodellierung weitere Kostenreduzierungen erzielen; dies hängt im Einzelnen aber von den weiteren konkreten Planungen ab. Insoweit ist offen, ob überhaupt und wenn ja, in welcher Höhe die Stadt einen Anteil an den tatsächlichen Kosten der Geländemodellierung zu finanzieren hat.
Die Preise für die Entsorgung von Bodenmaterial sind seit 2004 nahezu stabil und waren lediglich kleineren Schwankungen sowohl nach oben als auch nach unten unterworfen.
13. Wie lange wird es nach Einschätzung von Stadtverwaltung und Bahn dauern, bis nach Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs (frühestens im Jahr 2020) die Altlastenbeseitigung und Geländemodellierung abgeschlossen ist?
14. Da diese Flächen erst nach der Altlastenbeseitigung genutzt werden können, stellt sich die Frage, wann diese Flächen wirklich genutzt werden können?
15. Stehen der Stadt für diese Zeit der Altlastenbeseitigung und Geländemodellierung ebenfalls Verzugszinsen zu?
Die Bahn hat die Flächen im vertraglich definierten Rückbauzustand am 31.12.2020 zu übergeben. Wird dieser Termin nicht eingehalten, sind ab 01.01.2021 Verzugszinsen in Höhe von 4 % über dem jeweils geltenden Basiszinssatz fällig.
Die Geländemodellierung und eine ggf. zuvor notwendige Altlastenbeseitigung sind nach Übergabe der Flächen von der Stadt durchzuführen. Hierfür hat die Bahn die vertraglich vereinbarten Zahlungen bereits geleistet (vgl. Beantwortung der Fragen 11 und 12).
Für die Teilgebiete A 2 und B ist eine Altlastenbeseitigung im Sinne einer Sanierung vor Bebauung nicht erforderlich. Der Handlungsbedarf ist hier „B – Belassen / Entsorgungsrelevanz“. Der entsorgungsrelevante Bodenanteil wird im Zuge der Geländemodellierung sowie bei der Errichtung der Gebäude beseitigt. Folglich ergibt sich hierdurch keine zeitliche Verzögerung.
Die Entwicklung der Flächen soll sich aus Gründen einer organischen Stadtentwicklung ohnehin über einen längeren Zeitraum erstrecken, weshalb die Zeitdauer für eine mögliche Altlastenbeseitigung und die Geländemodellierung keine wesentliche Rolle spielt.
Dr. Wolfgang Schuster
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