Beantwortung zur Anfrage
128/2012
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
11/05/2012
Der Oberbürgermeister
GZ:
OB 6113-04
Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion
Datum
04/26/2012
Betreff
Gewerbegebiet für kleine und mittlere Unternehmen
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Zu 1.:
Neben den großen Gewerbebereichen für Industrie, Produktion, Handwerk und Dienstleistungen – vor allem in Feuerbach-Ost, Zuffenhausen-West, Gewerbegebiete Weilimdorf, Synergiepark Vaihingen/Möhringen (Wallgraben-West und -Ost) sowie in den Gewerbegebieten am Neckar in den Stadtbezirken Wangen, Hedelfingen und Obertürkheim und Untertürkheim und Bad Cannstatt – gibt es Gewerbe- und Dienstleistungsquartiere in Stuttgart, die planungsrechtlich für diese meist kleinen bis mittelgroßen Unternehmen geeignet sind (s. auch Nachhaltiges Bauflächenmanagement Stuttgart NBS und Zeitstufenliste Gewerbe 2010). Teilweise müssten die Grundstücke neu geordnet werden, kleinteilig parzelliert und intern erschlossen werden. Die Flächenpotenziale bestehen auf Privatgrundstücken, für die jedoch oft zunächst keine Verkaufsbereitschaft der Eigentümer besteht und auf die die Landeshauptstadt selbst keinen direkten Einfluss hat, mit Ausnahme folgender städtischer Flächen:
Für Handwerksbetriebe stehen an städtischen Gewerbegrundstücken Restflächen auf dem Stephan-Areal in S-Bad Cannstatt (ca. 5.800 m²), in der Quellenstraße in
S-Bad Cannstatt (ca. 7.000 m²), in der Zuckerfabrik in S-Bad Cannstatt (ca. 1.500 m²), in den Entenäckern in S-Plieningen (ca. 3.900 m²) und in Zuffenhausen (ca. 2.500 m²) zur Verfügung. Allerdings sind diese Flächen schwierig zu vermarkten. Entscheidend für die Marktfähigkeit sind:
§
gute Erreichbarkeit der Areale auf Straße und mit ÖPNV
§
möglichst Autobahnnähe oder Nähe zu übergeordneten Straßen
§
kein Wohnen im näheren Umfeld
§
gute Infrastruktur
§
Parkplätze müssen vorhanden sein oder geschaffen werden können
§
keine Altlastenproblematik bzw. hinreichend gesicherte Altlasten
§
GE oder GI ohne weitere Nutzungseinschränkungen
§
keine isolierten Standorte (z.B. Anbindung an bestehendes Gewerbegebiet)
Für Handwerksbetriebe ist bei einer Verlagerung zudem ausschlaggebend, dass der neue Standort in der Nähe des bisherigen Betriebs ist, um die Kundennähe zu erhalten. Daher ist auch wichtig, dass am Standort nachverdichtet wird. Sehr bedeutsam ist auch, dass angrenzende Baugebiete nicht in eine Art der baulichen Nutzung umgewandelt werden, die gegenüber den betrieblichen Einrichtungen Abwehransprüche entwickeln können (z.B. Wohnen).
Die Ausweisung weiterer, neuer Gewerbegebiete in Stuttgart steht nach dem Stadtentwicklungskonzept Stuttgart (STEK) nicht an. Mittel- bis langfristig sollte
-
aus Sicht der Wirtschaftsförderung - eine Erweiterung der Gewerbegebiete in Weilimdorf und Fasanenhof-Ost geprüft werden..
Im Einzelfall und unter engen Voraussetzungen kommt der Erwerb von Gewerbeflächen zur Bevorratung und zum späteren Weiterverkauf in Frage, wobei hier dann die Vorhaltung und Reservierung der Flächen und nicht die schnelle Vermarktung im Vordergrund stehen muss. .Vielmehr muss die oberste Priorität bei der Verwertung der Bauplätze der Erhalt oder Zugewinn weiterer zukunftsfähiger Arbeitsplätze sein. Das Beispiel STEP zeigt, dass die auch mittel- bis langfristige Vorhaltung von Flächen und die gezielte Vermarktung zu einer deutlichen Aufwertung des Standorts beitragen kann.
Ein Erwerb von Flächen durch die Stadt und eine sinnvolle Sicherung städtischer Flächenpotenziale, um mittel- und langfristig adäquatere Flächenangebote bereitstellen und zielbringend vermarkten zu können, wurde auch im Ausblick zur Zeitstufenliste Gewerbe 2010 als sinnvoll angesehen (GRDrs 587/2010). Ebenso wurde im Lagebericht 2011 zum Nachhaltigen Bauflächenmanagement Stuttgart (NBS) eine Institutionalisierung des Flächenmanagements für den Verwaltungsalltag und ein gezieltes Eingreifen in die Grundstückspolitik als erforderlich und notwendig erachtet, um kontinuierlich eine Flächenkreislaufwirtschaft zu unterstützen (GRDrs 696/2011).
Angesichts der geringen Gewerbeflächen in städtischem Eigentum ist die Stadt derzeit nicht in der Lage, kleineren und mittleren Unternehmen oder auch Firmen, die größere zusammenhängende Flächen benötigen und suchen, entsprechende Angebote machen zu können.
Gerade weil immer häufiger Umnutzungen von bestehenden, insbesondere privaten Gewerbeflächen in den Stadtzentren stattfinden, muss das Augenmerk auf deren Erhalt gerichtet werden.
Zu 2.:
Arbeitsstätten- und Gewerbegebiete (GE) in Stuttgart sind überwiegend seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er-, teils 1980er-Jahre entwickelt und aufgesiedelt worden. Eine kleinere Anzahl an neuen Gewerbegebieten wurde zwischen 1975 und 1995 neu ausgewiesen (z. B. GE Weilimdorf Nord Teil III und GE Mittlerer Pfad/Weilimdorf, Erweiterung Bosch-Areal/Feuerbach, GE Hallschlag/Bad Cannstatt, GE Waldplätze/Vaihingen).
Nachfolgend sind die jüngsten Gewerbegebiete aus dem Zeitraum der letzten 15 Jahre aufgelistet, die sich im Wesentlichen auf die Stadtbezirke Stuttgart-Ost
(Neckar), Feuerbach, Möhringen, Vaihingen und Plieningen konzentrieren (Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
§
2010/012, Ulmer Straße (ehem. Schlachthofareal), Stgt 199.1, Stuttgart-Ost (Schlachthofgärten)
§
2006/030, Ulmer/Neckarwiesenstraße, Stgt 888, Stuttgart-Ost (ehem. Blau-Areal),
§
2006/005, Güterbahnhof Feuerbach, Feu 231, Stuttgart-Feuerbach
§
2004/017, Schelmenwasenstraße-Ost (Büropark) Möhringen, Stuttgart-Möhringen (EnBW-City, Fasanenhof-Ost)
§
2001/007, Zuse-/Curiestraße (Unterer Grund), Vai 236, Stuttgart-Vaihingen (STEP Unterer Grund)
§
1996/008, Entenäcker Plieningen, Stuttgart-Plieningen
§
1994/004, Unterer Grund Vaihingen, Stuttgart-Vaihingen
Zu 3.:
Für den Zeitraum von 25 Jahren ist eine quantitative Aussage für die Gesamtstadt kaum zu treffen, hierfür liegen keine hinreichenden (digitalen) Datengrundlagen vor. Allerdings können Umwandlungsentwicklungen anhand konkreter Beispiele aus den Stadtbezirken qualitativ verdeutlicht werden. Insbesondere in den stark durch indu-striegewerbliche Nutzungen geprägten Stadtbezirken wie Bad Cannstatt, Feuerbach oder Zuffenhausen haben sich durch den Strukturwandel konkrete Nutzungsänderungen und Flächenqualifizierungen ergeben. Standorte wie das ehemalige Terrot-Areal, das ehemalige Knecht-Areal, die ehemalige Obere Ziegelei oder das Areal an der Heinrich-Ebner-Straße/Veielbrunnenweg in Bad Cannstatt sind abgeschlossene Projekte und stehen beispielhaft für die veränderten branchenspezifische Rahmenbedingungen, durch örtliche Gegebenheiten beschränkte Entwicklungsmöglichkeiten („Schwitzkastenlagen“) oder eine Betriebsaufgabe im Zuge des Generationenübergangs. Die zu beobachtende Flächenumwandlung kann aber auch als „städtebauliche Reparatur“ von Fehlentwicklungen betrachtet werden, die sich im Zuge einer organischen Stadt- und Wirtschaftsentwicklung eingestellt haben. Die Anpassung von Standorten und Standortqualifizierungen, ausgelöst meist auf Wunsch der Eigentümer, bietet die Chance, an diesen Standorten intensivere Nutzungen zu ermöglichen und so auch eine höhere Arbeitsplatzdichte zu realisieren.
Die Umnutzung gewerblicher Flächen im Bestand war bereits Thema eines Antrags der CDU im Gemeinderat über „Umgewandelte Flächen von einer Gewerbe- in eine Wohnnutzung in Stuttgart in den letzten 10 Jahren“ (Antrag Nr. 158/2008, beantwortet im UTA am 08.07.2008): Hier wurden in 11 Fällen insgesamt 15,7 ha Flächenumwandlungen in Wohn- bzw. Mischnutzung - weitestgehend dem gültigen FNP 2010 entsprechend - aufgeführt und quantifiziert, so u. a. Groß und Fröhlich in Heslach (0,8 ha), Terrot-Areal (1,2 ha) und Bettfedernfabrik in Bad Cannstatt (1,0 ha), Mediaforum in Stuttgart-Nord (3,2 ha) oder auch Herma-Areal in Wangen (0,7 ha). Bei drei weiteren Fällen - Neoplan in Möhringen (4,4 ha), Sickeler-Areal in Vaihingen (1,1 ha) und Güterbahnhof Bad Cannstatt (21,8 ha) - wurden Nutzungsumwandlungen im FNP 2010 erforderlich.
Auch zur Beratung der Zeitstufenliste Wohnen 2010, ausgehend von einer mündlichen Anfrage der CDU-Gemeinderatsfraktion am 1. März 2011, wurde die Thematik zuletzt angesprochen. Bei wenigen der in dieser Liste enthaltenen Gebieten kann von einer städtebaulich motivierten und planungsbedingten Umwandlung ausgegangen werden (z. B. Stammheimer Straße/Zuffenhausen-West, ehem. Mediaforum/ Südmilchgelände, ehem. Neoplan in Möhringen, Güterbahnhof und weitere Einzelgrundstücke in Bad Cannstatt, in Heslach/S-Süd und in anderen Stadtbezirken). Bei anderen, bereits als Mischbaufläche dargestellten Gebieten haben sich die Wohnungsanteile infolge einer veränderten Marktbewertung der Standorte erhöht.
Im Gegenzug wurden Bestandsgebiete mit vorhandenen Wohnungen zugunsten Gewerbe „bereinigt“ oder zu gewerblichen Flächen umgeplant (z. B. in Feuerbach-Ost und in Zuffenhausen-West und in Vaihingen/Liebknechtstraße). Im Umfeld der Großbetriebe gibt es wohnbaupolitisch äußerste Zurückhaltung. Ferner wurden Umwandlungswünsche von Eigentümern/Investoren bislang auch in den Stadtbezirken abgelehnt (z. B., Im Wolfer in Plieningen). Nicht zuletzt wurden Planungsvorhaben mit höherer wohnbaulicher Eignung und trotz nicht unerheblicher Vorleistungen in das Wohnumfeld in Konkurrenz zu jeweils aktuellen Planungen doch nicht realisiert (z. B. Römerkastell/Hallschlag, Bottroper Straße/Travertinpark in S-Bad Cannstatt).
Seither wurden für die fortgeschriebene Zeitstufenliste Wohnen 2010 insgesamt 46 Gebiete neu angemeldet. Dabei handelt es sich neben Gebieten für den Ersatzwohnungsbau weit überwiegend um Gemeinbedarfs-, technische Infrastruktur-, Verkehrsflächen sowie zuvor weitgehend versiegelte Freiflächen, die eine Um- oder Nachnutzung zu wohnbaulichen Zwecken erfahren. In 14 Fällen wird eine reale Umnutzung von Büro-, Verwaltungs- und Gewerbeflächen bewirkt (z. B. Autohäuser in S-Ost). Auch hierbei sind nahezu alle dieser Flächen bereits Mischbauflächen, so dass ein Baurecht auch für Wohnen abgeleitet werden kann. Eine aktive Umplanung von gewerblichen Bauflächen für den Wohnungsbau erfolgt nicht.
Dr. Wolfgang Schuster
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