Beantwortung zur Anfrage
933/2013
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
11/29/2013
Der Oberbürgermeister
GZ:
OB 3756
Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
Kotz Alexander (CDU), Bulle-Schmid Beate (CDU), Hill Philipp (CDU), Vetter Helga (CDU), Currle Fritz (CDU)
Datum
11/08/2013
Betreff
Baumschutzsatzung
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Die Verwaltung begrüßt, dass der Entwurf der Satzung bis auf die Frage der in § 8 des Satzungsentwurfes zu regelnden Höhe der Ablösesummen mitgetragen wird. Unstrittig in der bisherigen Diskussion ist auch, dass es eine Ablöse geben soll, da es ohne Ablöseregelungen in der Satzung zu Ungerechtigkeiten in der Behandlung der Antragsteller kommen kann. Offen ist die Frage, wie hoch die Ablösesummen sein sollen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit der Ablöseregelung ein ökonomischer Anreiz gegeben werden soll, vorhandene Bäume zu erhalten oder – sollte dies im konkreten Fall nicht möglich sein – Realkompensation durch Pflanzungen von Bäumen auf dem Baugrundstück oder auf anderen Grundstücken innerhalb des Geltungsbereiches der Baumschutzsatzung zu leisten. Neben dem ökonomischen Anreiz greift das Verursacherprinzip, nachdem derjenige zur Wiedergutmachung eines Schadens oder einer Verschlechterung des Umweltzustandes heranzuziehen ist, welcher den Schaden oder die Verschlechterung zu verantworten hat. Die Stadt ist auf der Grundlage der Straßenbaumkonzeption sowohl planerisch als auch im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen finanziell in Vorleistung getreten. Beschlusslage war, die ersten Baumstandorte konkret zu planen und Bäume zu pflanzen. Diese als Vorleistung gepflanzten Bäume sollten als Ersatzbäume anerkannt werden können für Bauvorhaben, bei denen entsprechende Ersatzpflanzungen auf den Baugrundstücken nicht realisierbar sind.
Weiterhin wurde beschlossen, dass auf der Grundlage eines einzurichtenden „Baumersatzkontos“ Gelder von den Bauherren eingenommen werden sollen, die auf den eigenen Baugrundstücken keine Ersatzpflanzungen erbringen können, um damit dann weitere Baumstandorte zu planen und auch zu bepflanzen. Mit der Novellierung der Baumschutzsatzung soll die Rechtsgrundlage für dieses „Baumersatzkonto“ geschaffen werden.
Auf der Grundlage der Baumkonzeption wurden konkrete Kosten ermittelt. Sie belaufen sich je nach Standort auf 3.200,- €, 5.300,- €, 7.300,- € und 10.500,- € je zu pflanzendem Baum inklusive der erforderlichen Maßnahmen zur Herstellung des Baumquartiers und der Baumpflege in den ersten zwei Jahren. Da im Stadtgebiet überdurchschnittlich mehr teure Standorte realisiert werden können als preisgünstige, hat das Garten-, Friedhofs- und Forstamt für die vorgeschlagenen Zonen auf der Grundlage der Baumkonzeption ermittelt, welche durchschnittlichen Kosten je Baum entstehen. Diese belaufen sich auf 7.265.- € in Zone 2 und 7.510.- € in Zone 1.
Die Entscheidung, wie hoch die Ablösesumme ausfallen soll, ist letztendlich politisch zu treffen. In Anbetracht des Verursacherprinzips sowie der konkret vorliegenden Kosten besteht aber in der Abwägung über die Höhe der Ablösesummen kein beliebiger Spielraum. Sie sollten die angesetzten Ablösesummen 3.200.- € nicht unterschreiten und 10.500.- € nicht überschreiten. Im ersteren Falle besteht die Gefahr, dass die öffentliche Hand die Ersatzpflanzungsverpflichtungen übernimmt und subventioniert, im zweiten Falle der Verdacht, dass sich die öffentliche Hand durch die realen Kosten der Herstellung übersteigende Ablösesummen bereichert. Beides ist unzulässig.
Mit den im Entwurf der Satzung vorgeschlagenen Ablösesummen von 4.500.- € und 6.000.- € hat die Verwaltung Ablösesummen vorgeschlagen, welche als Kompromiss zwischen verschiedenen berechtigten Anliegen anzusehen sind. Zu berücksichtigen dabei ist auch, dass es sich für Investoren und Bauherren im Grunde genommen nicht um die Kosten für die Pflanzung eines Baumes handelt, sondern um „Raumkosten“, also Kosten, die dadurch entstehen, dass Grundstücke nicht vollständig baulich ausgenutzt werden können (bebaute Fläche und umbauter Raum) und somit ggf. Vermarktungsgewinne entgehen könnten. Die reinen Raumkosten sind immobilienwirtschaftlich aber nur ein Aspekt der Wirtschaftlichkeitsberechnung, da durch Sicherung von Bäumen oder die Neupflanzung von Bäumen auf den jeweiligen Baugrundstücken Qualitäten erzielt werden können, die sich in höheren Vermarktungspreisen sowohl für Büro- und Dienstleistungsvorhaben als auch im Wohnungsbau niederschlagen.
Bewusst werden als Ablösesummen nicht die realen Kosten für die Herstellung eines Baumquartieres herangezogen, sondern Pauschalen auf der Grundlage tatsächlich ermittelter Kosten. Würden die realen Kosten als Ablösesummen festgelegt, wäre die Stadt in der Verpflichtung, für realen Ersatz zu sorgen, sprich die tatsächlich erforderliche Anzahl an Bäumen auch zu pflanzen. Dies ist aber allein aus Platzgründen nicht möglich, da bekanntermaßen im Geltungsbereich der Baumschutzsatzung derzeit nur 268 zu realisierende Baumstandorte zur Verfügung stehen. Daher sollen die eingenommenen Gelder nicht nur für Baumpflanzungen aus der Straßenbaumkonzeption genutzt werden, sondern auch für sonstige Maßnahmen zur Sicherung und Erhaltung besonders schützenswerter Bäume, die ohne Sanierungsmaßnahmen abgängig wären.
Zu den Fragen nehmen wir im Einzelnen wie folgt Stellung:
Zu Frage 1:
Da die Anzahl der Anträge von Jahr zu Jahr schwankt, werden im Folgenden die Fallzahlen aus dem Zeitraum 2005 bis 2012 widergegeben. Insgesamt gingen 1.819 Anträge ein. Davon waren 1.453 Anträge auf Fällung von geschützten Bäumen unabhängig von Baugesuchen. 366 Anträge standen in Verbindung mit Baugesuchen (wobei je Antrag auch mehrere Bäume zur Fällung beantragt werden konnten). Insgesamt wurden 2.962 Bäume zur Fällung freigegeben. Rückschnitte wurden an 315 Bäumen erlaubt. Bei 356 Bäumen wurde die Fällung abgelehnt. An Ersatzpflanzungen wurden 3.235 festgesetzt.
Da die Daten zu den Anträgen nicht getrennt nach gewerblichen Immobilien und Wohnungsbauvorhaben und nicht in Bezug auf die neu eingeführten unterschiedlichen Zonen erfasst wurden, ist eine entsprechende Aufschlüsselung nach Art der Bauvorhaben kurzfristig nicht möglich und nur mittels umfangreicher Recherchen in den Bauakten des Baurechtsamtes leistbar.
Zu Frage 2:
Für die bewilligten 2.962 Fällungen wurden 3.235 Ersatzpflanzungen festgesetzt. Dies entspricht einem Verhältnis von 1 : 1,1. Da die bisherige Satzung einen wertgleichen Ersatz verlangt und dieser als erbracht angesehen wurde, wenn eine Ersatzpflanzung im Verhältnis 1 : 2 erfolgte, müssten für die bewilligten 2.962 Fällungen rechnerisch 5.924 Ersatzpflanzungen erbracht worden sein. Somit besteht rechnerisch ein Defizit von 2.689 Ersatzpflanzungen.
Im Folgenden muss aber unterschieden werden zwischen Fällen, in denen Bäume wegen Bauvorhaben beseitigt werden mussten und Fällen, in denen Bäume ohne bauliche Veränderungen auf den Grundstücken gefällt wurden. Eine beispielhafte Auswertung der Zahlen aus dem Jahr 2012 zeigt, dass in den Fällen, in denen Bäume wegen baulicher Tätigkeiten beseitigt werden mussten, ein durchschnittlicher Ersatz von 1 : 2 erzielt und werden konnte (137 Fällungen stehen 289 Ersatzpflanzungen gegenüber). Damit wurde in Zusammenhang mit Bauvorhaben den Zielsetzungen der Baumschutzsatzung im Großen und Ganzen Rechnung getragen.
Im Falle von Fällungen, die nicht in Verbindung mit Bauvorhaben standen, konnten Ersatzpflanzungen teilweise nicht gefordert werden, da diese wegen Alter und Krankheit bzw. Schäden und Verkehrssicherungspflichten weder erforderlich und zumutbar waren. Das Defizit resultiert also nicht allein aus den wegen Platzmangels nicht gepflanzten Bäumen, sondern auch aus der Rechtsprechung, die in vorgenannten Fällen die Forderung nach einer Ersatzpflanzung verneint oder nur eine Ersatzpflanzung in geringerem Umfang für zulässig erklärt.
Es wird geschätzt, dass insgesamt ca. ein Drittel des Defizits tatsächlich auf mangelnde Platzverhältnisse zurück zu führen ist. Dies entspricht einem Defizit von ca. 120 Bäumen je Jahr, die aufgrund Platzmangels nicht gepflanzt werden konnten.
Zu Frage 3:
Es wird erwartet, dass aufgrund der geforderten Ablöse, die Fälle zurückgehen, in denen aufgrund zu hoher Ausnutzung der Baugrundstücke keine Ersatzpflanzungen möglich sind. Eine Prognose ist sehr schwer und hängt u. a. vom konjunkturell schwankenden Baugeschehen ab. Aufgrund der bisherigen Fallkenntnisse kann mit einer Anzahl von bis zu 100 Bäumen im Jahr gerechnet werden, für die eine Ablösezahlung erforderlich wird. In einzelnen Jahren, in denen viele Bäume zugunsten von Großprojekten wie beispielsweise die Berufsakademie realisiert werden, kann diese Zahl auch überschritten werden.
Zu Frage 4:
Zwischen gewerblich genutzten und wohnbaulich genutzten Vorhaben zu unterscheiden, erscheint aufgrund bisheriger Erfahrungen nicht möglich. Grundsätzlich zeichnen sich gewerbliche Vorhaben und Vorhaben für den Wohnungsbau, welche von Bauträgern, Wohnbaugesellschaften und sonstigen Investoren realisiert werden durch eine wirtschaftlich optimale Raumnutzung aus, welche dazu führt, dass Bäume beseitigt werden müssen, kein Platz für Ersatzpflanzungen auf den Baugrundstücken verbleibt und damit entsprechende Ersatzzahlungen fällig werden. Erfahrungsgemäß stehen private Bauherren im Wohnungsbau nicht unter dem Druck der wirtschaftlichen Optimierung und haben in der Regel mehr Spielräume, Bäume zu erhalten oder für den erforderlichen Baumersatz auf ihren Grundstücken zu sorgen. Es ist absehbar, dass ein Großteil der Ersatzzahlungen von gewerblichen Vorhaben oder gewerblich betriebenen Wohnbauvorhaben, nicht jedoch von privaten Bauherren im Wohnungsbau zu erbringen sein wird.
Zu Frage 5:
Zielsetzung der Baumschutzsatzung ist es, dass alle Bauherren den vorhandenen Baumbestand von Beginn an in der Planung berücksichtigen. Der Entwurf der Satzung gibt vor, dass Erhalt vor Ersatz steht und Ersatz vor Ersatzzahlung. Insofern sind, um eine Ersatzzahlung zu ermöglichen, zunächst die Hinderungsgründe darzulegen, warum ein Baum nicht erhalten werden kann und warum keine Ersatzpflanzungen möglich sind. Würde bei Wohnungsbauvorhaben auf Ersatzzahlungen verzichtet oder würden geringere Beträge angesetzt werden, gäbe es keinen Anreiz, die Bestandsbäume oder die zu erbringenden Ersatzzahlungen in die Planung zu integrieren.
Die Zielsetzung, Wohnungsbauvorhaben durch Verzicht auf Ersatzzahlungen nicht zu verteuern, bedeutet im Verhältnis zu gewerblichen Vorhaben eine Förderung des Wohnungsbaus. Dieses Ungleichgewicht kann auf der Rechtsgrundlage der Baumschutzsatzung (Naturschutzgesetz) nicht begründet werden. Soll der Wohnungsbau für untere und mittlere Einkommensschichten von zusätzlichen Belastungen befreit werden, so muss das über die Wohnbauförderung geregelt werden. Beim gehobenen Wohnungsbau sind Investorenvorhaben oder finanzkräftige Eigentümer vorzufinden. Diesbezüglich sind für die Preisbildung vor allem der Standort, die Aussicht und die Ausstattung maßgebend. Im Verhältnis zu den Wohnungspreisen fallen dann die Kosten für den Baumersatz nicht ins Gewicht.
Fritz Kuhn
zum Seitenanfang