Beantwortung und Stellungnahme zu Anfrage und Antrag
206/2017

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 10/12/2017
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 6050-01.00



Beantwortung und Stellungnahme zu Anfrage und Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS
Datum
    07/06/2017
Betreff
    Vergaberichtlinien analog den Anlagerichtlinien anpassen
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:


1. Die Verwaltung erstellt eine Übersicht, welche Vergabekriterien für Aufträge für Bauleistungen, Dienstleistungen, Materialeinkauf etc. bereits bestehen und bei Vergaben berücksichtigt werden und stellt diese im zuständigen Ausschuss vor. In diesem Zusammenhang ist auch der Antrag GRDrs 258/2015 vom 22.07.15 "Schadstofffreie Baustoffe und Ausstattungsgegenstände in Schulen und Kitas" zu behandeln.

Folgende Aspekte werden bereits bei den ausgeschriebenen und vergebenen Aufträgen der Dienstleistungszentren des Hochbauamtes bzw. des Haupt- und Personalamtes berücksichtigt und sind in unterschiedlichen Musterformblättern enthalten.

· Schadstofffreie Baustoffe und Ausstattungsgegenstände in Schulen und Kitas
· Verwendung von Tropenholz (siehe auch Antrag 832/2011 vom 15.02.2012)

· IT-Geräte

· Textilien


· Sportkleingeräte (inkl. Bälle)


· Büromaterial, Papier und Druckerzeugnisse


· Büromöbel


· Lebensmittel


Wegen verschiedener Änderungen der gesetzlichen Vorgaben kann die Stellungnahme zum Antrag 258/2015 vom 22. Juli 2015 aller Voraussicht nach erst Ende des Jahres 2017 abgegeben werden.


2. Die Verwaltung zeigt am Beispiel anderer Städte (z.B. Berlin, Ravensburg) welche Handlungsspielräume bzw. Grenzen aus dem Vergaberecht für die verbindliche Aufstellung ökologischer und sozialer Vergabekriterien bestehen.

Nachdem bisher vorrangiges Ziel des Vergaberechts war, eine wirtschaftliche und sparsame Verwendung von Haushaltsmitteln zur Deckung des Bedarfs der öffentlichen Hand zu gewährleisten, ist es seit 18. April 2016 (Einführung des neuen Vergaberechts) möglich, nachhaltige, insbesondere umweltbezogene, soziale und innovative Kriterien in die Wertung mit einzubeziehen. Auch wird gemäß § 97 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die Möglichkeit eröffnet, bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen strategische und politische Ziele zu verwirklichen. Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Erwartungen können im Leistungsverzeichnis aufgenommen und soziale Kriterien und Gütezeichen können explizit gefordert werden. Falls durch ökofaire Kriterien allerdings Mehrkosten entstehen, sind die finanziellen Folgen in der Sachentscheidung abzuschätzen und zu begründen.

Die Vorgaben einzelner Städte zu sozialen und ökologischen Standards befinden sich auf einem sehr heterogenen Niveau. So gehen z.B. die Vorgaben des Berliner FAIRgabe-Bündnis über pauschale Hinweise nicht hinaus. Ein Antrag der Fraktion Die Linke im Rat der Stadt Köln vom 24.03.2011 auf Erstellung eines Leitfadens für soziale und ökologische Vergabekriterien wurde mehrheitlich abgelehnt. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz in Berlin hat 2012 hingegen eine Verwaltungsvorschrift „Beschaffung und Umwelt“ erlassen. 2016 erfolgte die 1. Überarbeitung. Ziel ist eine handhabbare Arbeitsgrundlage zur Sicherstellung, dass sich die Beschaffung nicht nur an finanziellen Interessen orientiert, sondern auch ökologische Erwägungen zum Tragen kommen. Umweltverträgliche Beschaffung soll hier ökonomische und ökologische Ziele verbinden. Da die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung Preis und Leistung ins Verhältnis stellt, können auf der Leistungsseite neben Funktionalität auch Folgebelastungen mitberücksichtigt werden. Diese sind oft quantifizierbar und können deshalb bei Liefer-, Bau- und Dienstleistung problemlos in die Entscheidung mit einbezogen werden.

National, europaweit und international sind die Begrifflichkeiten „sozial“, „ökologisch“ und „nachhaltig“ nicht einheitlich definiert. Die Überwachung der Einhaltung nicht definierter Standards ist deswegen im Ansatz schon kaum möglich und mangels Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen (schon mangels gesetzlicher und ordnungspolitischer Vorgaben) kaum machbar.

Aus Sicht der Dienstleistungszentren müssten einheitliche politische Vorgaben zur Überwachung definierter ökologischer und sozialer Standards aufgestellt und die personellen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden, um diese Vorgaben (auch europaweit) zu überwachen und ggf. zu sanktionieren.

Diese Aufgabe dem Vergaberecht zu übertragen, ist aus Sicht der Dienstleistungszentren allerdings der falsche Ansatz. Die Nachhaltigkeitskriterien des Landes Baden-Württemberg sind hierzu ein hoffnungsvoller Schritt.


3. Die Verwaltung erarbeitet ein Konzept für ökologische und soziale Vergaberichtlinien für Bauleistungen, Dienstleistungen und das Beschaffungswesen analog den Anlagerichtlinien

Die unter Pkt. 1 erwähnten Nachhaltigkeitskriterien werden bereits bei den von den Dienstleistungszentren ausgeschriebenen und vergebenen Aufträgen angewandt. Dabei ist zu beachten, dass die Anforderungen in sozialer und ökologischer Hinsicht je nach Auftragsgegenstand unterschiedlich sein können.

In der derzeit gültigen Beschaffungs- und Vergabeordnung für Dienst-, Liefer- und freiberufliche Leistungen (BVO) der Landeshauptstadt Stuttgart wird bisher in § 13 Abs. 4 gefordert, dass bei der Vergabe Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe derzeit geltender Bestimmungen zu berücksichtigt sind.

Analog dem Vorgehen von Berlin wäre es möglich, die BVO so zu überarbeiten, dass weitere Punkte wie z.B. Beschaffungsbeschränkungen mit aufgenommen werden. Auch ist es möglich, eine zusätzliche Anlage zu erarbeiten, bei denen spezielle Wertungskriterien für bestimmte Produktgruppen verpflichtend hinterlegt werden. Allerdings müssen sich Anforderungen an ökologische und soziale Vergaberichtlinien immer am jeweiligen Auftragsgegenstand orientieren. Insbesondere die Grundsätze des Vergaberechts bzgl. Transparenz, Gleichbehandlung der Bieter und Gewährleistung fairen Wettbewerbs schränken den Gestal­tungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers ein. Denn die Forderung nach zu vielen Kriterien, die mit dem Auftragsgegenstand nur bedingt zu tun haben, führt unter Umständen zu wenigen, gar keinen oder preislich überhöhten Angeboten, was wiederum die Realisierung dringend benötigter kommunaler Beschaffungen verhindern oder unnötig verteuern würde.







Fritz Kuhn


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