Protokoll:
Gemeinderat
der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
253
18
Verhandlung
Drucksache:
913/2006
GZ:
OB 9318
Sitzungstermin:
23.11.2006
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
OB Dr. Schuster
Berichterstattung:
Herr Blumenschein (RPA)
Protokollführung:
Frau Huber-Erdtmann
sp
Betreff:
1. Rechenschaftsbericht der Stadtkämmerei für das Haushaltsjahr 2005
2. Schlussbericht 2005 des Rechnungsprüfungsamts
3. Feststellung der Jahresrechnung für das Haushaltsjahr 2005
Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 22.11.2006, nicht öffentlich, Nr. 424
Ergebnis: einmütige Zustimmung
Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 10.11.2006, GRDrs 913/2006, mit folgendem
Beschlussantrag:
1. Vom Rechenschaftsbericht der Stadtkämmerei zum Abschluss der Jahresrechnung der Landeshauptstadt Stuttgart für das Haushaltsjahr 2005 wird Kenntnis
genommen (§ 95 Abs. 1 GemO).
2. Vom Schlussbericht des Rechnungsprüfungsamts (RPA) über die Prüfung der Jahresrechnung der Landeshauptstadt Stuttgart für das Haushaltsjahr 2005 wird Kenntnis genommen (§ 110 Abs. 2 GemO).
3. Die Jahresrechnung der Landeshauptstadt Stuttgart für das Haushaltsjahr 2005 wird wie folgt festgestellt (§ 95 Abs. 2 GemO):
Haushaltsrechnung für den Stadthaushalt
mit Einnahmen und Ausgaben von je
2.495.935.853,39 €
davon im Verwaltungshaushalt
2.056.214.113,46 €
im Vermögenshaushalt
439.721.739,93 €
Herr
Blumenschein
berichtet (Wortlaut):
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr verehrte Damen und Herren, nach § 110 der Gemeindeordnung hat das Rechnungsprüfungsamt die Jahresrechnung vor der Feststellung durch den Gemeinderat zu prüfen und seine Bemerkungen in einem Schlussbericht zusammenzufassen. Dieser liegt Ihnen, wie Sie sehen, in neuem Outfit fristgerecht vor.
Neben der Optik haben wir auch inhaltliche Änderungen vorgenommen. Zum einen haben wir den allgemeinen Teil gestrafft und dafür die wichtigsten Feststellungen aus den Prüfungen der Jahresabschlüsse der Eigenbetriebe und der Betätigungsprüfung mit in den Schlussbericht aufgenommen; diese sind ja ansonsten in eigenen Berichten dargestellt. So können Sie sich anhand eines Berichtes ein Gesamtbild über die Prüfungsergebnisse machen.
Zum andern soll künftig neben der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns verstärkt die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit im Fokus unserer Prüfungen stehen. Dies werden Sie an den zunehmenden Bemerkungen zur Gebührenkalkulation und zum Einzug von Forderungen sehen. Darüber hinaus bieten wir der Verwaltung an, im Rahmen unserer Möglichkeiten auch beratend zu Seite zu stehen. Konkret ist dies bereits im Projekt "Doppik" zur Einführung des neuen kaufmännischen Rechnungswesens und bei der Einführung des elektronischen Dokumentenmanagementsystems der Fall.
Im Folgenden gehe ich nun auf die wesentlichen Punkte des Schlussberichts ein: Die Finanzsituation der Stadt war auch im Jahr 2005 durch deutlich über der Planung gelegene Steuereinnahmen und Zuweisungen geprägt. Allein die Gewerbesteuer lag 111,6 Mio. € über dem Planansatz. Zusammen mit weiteren, saldierten Mehreinnahmen erwirtschaftete der Verwaltungshaushalt eine Zuführungsrate an den Vermögenshaushalt von 152,8 Mio. €; geplant waren 0,2 Mio. € (Seite 11).
Das gute Ergebnis des Verwaltungshaushalts und die vorzeitige Rückzahlung eines gegebenen Darlehens ermöglichten den Verzicht auf externe Kreditaufnahmen und die Aufnahme von inneren Darlehen. Aus unserer Sicht ergäbe sich hieraus im Vermögenshaushalt ein Überschuss von 25,1 Mio. €. Die Vorwegzuführung dieser Rückzahlung in eine Rücklage machte aus dem Überschuss jedoch einen Fehlbetrag von 15,4 Mio. €. Dies ist auf den Seiten 12 und 41 näher dargestellt.
Die Schulden der Stadt einschließlich der inneren Darlehen verringerten sich um 51,8 Mio. €. Der geringere Schuldendienst führte zu einer deutlichen Entlastung des Verwaltungshaushalts. Bei den Eigenbetrieben (ohne Trägerdarlehen) stiegen allerdings die Schulden allerdings um 106,8 Mio. €. Saldiert mit dem Schuldenabbau bei der Stadt ergibt dies eine Neuverschuldung von 55 Mio. € (Seite 21).
Die Haushaltsausgabereste des Vermögenshaushalts sind gegenüber dem Haushaltsjahr 2004 um 15,3 Mio. € leicht gesunken, betragen aber immer noch 159,4 Mio. €. Dies sind rd. 43 % des Vermögenshaushalts (Seite 14).
Kommen wir nun zu den Einzelbemerkungen. Diese sind auf den Seiten 22 bis 49 aufgeführt. Beispielhaft nenne ich:
Einzelplan 0 - Allgemeine Verwaltung
Schwerpunkt der Personalprüfung war die Umsetzung des TVöD. Angestellte und
Arbeiter aus 49 alten Lohn- und Vergütungsgruppen waren in 15 Entgeltgruppen des TVöD überzuleiten. Die Überleitung erfolgte termingerecht und ordnungsgemäß
(Seite 24).
Einzelplan 1 - Öffentliche Sicherheit und Ordnung
Die Gebühren für die Kfz-Betriebsuntersagung und deren Vollstreckung wurden bisher nicht auf der Grundlage einer Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) kalkuliert. Nach unserer Berechnung sind diese Gebühren derzeit zu niedrig. Da die Ämter verpflichtet waren, bis spätestens 2001 eine aussagekräftige KLR einzuführen, haben wir das Amt für öffentliche Ordnung gebeten, diese Vorgabe umzusetzen und die Gebühren neu zu berechnen.
Im Jahre 2005 standen eben diesen Gebühren und Nebenkosten, die eine Höhe von rd. 396.000 € haben, Kasseneinnahmereste in Höhe von rd. 656.000 € gegenüber. Dieses Missverhältnis deutet auf Mängel beim Einzug hin. Wir haben den Abbau der Kasseneinnahmereste bei der Stadtkämmerei angemahnt (Seite 24).
Im Jahre 2004 sind viermal so viele Ordnungswidrigkeiten verjährt wie im Jahr 2003. Dies waren 13.000 Fälle oder 2,3 % der schriftlichen Verwarnungen. Würde für jeden verjährten Fall ein Bußgeld von 15 € angesetzt, entgingen der Stadt somit 195.000 €. Das Fachamt führt dies auf eine im Jahr 2004 durchgeführte Dateibereinigung und auf die angespannte Personalsituation zurück und erwartet durch das neue EDV-Verfahren deutliche Verbesserungen (Seite 25).
Einzelplan 3 - Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege
Bei der institutionellen Theaterförderung fehlen objektive Auswahlkriterien für die Bezuschussung. Der überwiegende Teil der bezuschussten Theater wird seit mehr als 20 Jahren gefördert. Das Kulturamt fürchtet im Falle von objektiven Förderkriterien
einen Rechtsanspruch der Theater; zudem hält es die Ausarbeitung eines entsprechenden Konzepts nur dann für sinnvoll, wenn die Theaterförderung insgesamt neu geregelt würde. Die Auswahl der geförderten Theater ist somit nicht überprüfbar (Seiten 26 und 27).
Einzelplan 4 - Soziale Sicherung
Die Summen des Geldvermögens volljähriger Betreuter nach der EDV-Umsatzliste stimmen mit den EDV-Fallauszügen nicht überein. Für das Jahr 2005 haben wir eine
buchungstechnische Bereinigung von 673.000 € gefordert (Seite 29).
Bei den Leistungen der Jugendhilfe außerhalb der eigenen Familie wird nicht regelmäßig geprüft, ob die örtliche Zuständigkeit des Jugendamts fortbesteht. Dies halten wir für notwendig, da z. B. ein Wegzug des für die Zuständigkeit maßgeblichen Elternteils zu einem Kostenträgerwechsel führt. Bei Heimkosten von 40.000 bis 50.000 € pro Kind und Jahr ergibt dies einen nicht unwesentlichen Betrag. Hier haben wir Änderungen angemahnt.
Im Festsetzen und Einziehen von Kostenbeiträgen gegenüber Eltern bestehen Defizite. In 40 % der geprüften Fälle gaben Eltern keine Auskünfte über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse oder leisteten keine Zahlungen auf die festgesetzten Kostenbeiträge. Wird dies auf die Gesamtzahl der vollstationären Hilfefälle mit dem Mindestkostenbeitrag von monatlich 154 € hochgerechnet, entgehen der Stadt dadurch jährlich 277.000 €.
Bei der Einnahmebearbeitung der Hilfen zur Erziehung haben wir strukturelle Mängel konstatiert, die nach unserer Meinung in der jetzigen kleinformatigen Organisationsstruktur und der aktuellen personellen Ausstattung liegen. So stiegen die Kasseneinnahmereste bei den Unterabschnitten 4550 und 4560 bis Anfang September 2006 trotz sinkender Sollstellungen auf eine Rekordhöhe von 2,9 Mio. € an. Wir haben empfohlen, den Einzug der Kostenbeiträge und -ersätze aus dem Leistungsbereich auszugliedern und bei einer Stelle zu zentralisieren (Seite 30).
Die Aufnahmeheime weisen seit 2003 einen Zuschussbedarf aus. Im Jahr 2005 beträgt er rd. 0,6 Mio. €. Nachdem die Pflegesätze seit sieben Jahren unverändert sind, halten wir ihre Anpassung für erforderlich (Seite 31).
Einzelplan 5 - Gesundheit, Sport, Erholung
Bei der Sportförderung stellten wir zu hohe Abschlagszahlungen auf einen Betriebskostenzuschuss fest. Dies führte zu einer Überzahlung von rd. 102.000 €. In zwei weiteren Fällen wurden Sanierungsmaßnahmen mit den höheren Sätzen für Betriebskosten anstelle derjenigen für Baumaßnahmen gefördert. Es sind mindestens 110.000 € zuviel gezahlt worden (Seite 32).
Einzelplan 6 - Bau- und Wohnungswesen, Verkehr
Die Prüfungserfolge der Bauprüfung betrugen im Jahr 2005 insgesamt rd. 2,3 Mio. €. Hierzu je ein Beispiel aus der Vergabe- und der Abrechnungsprüfung:
Der Architekt einer kulturellen Einrichtung forderte über den Vertrag hinaus ein zusätzliches Honorar für zahlreiche Umplanungen und andere, nach seiner Auffassung nicht im Vertrag enthaltene Leistungen. Zusammen mit dem Hochbauamt und mit Unterstützung durch einen Anwalt konnte die Forderung von 702.000 € auf 416.000 € reduziert werden (Seite 35).
Die Prüfung der Abrechnungen für die Anschlussstelle einer Bundesstraße zeigte Defizite des Planers bei der Mengenermittlung. Ebenso hat das Tiefbauamt im Zuge der Bauausführung Entscheidungen getroffen, die nach unserer Auffassung zu vermeidbaren Mehrkosten von rd. 275.000 € führten. Das Amt ist hierzu anderer Auffassung (Seite 37).
Weiterhin ist aus dem Einzelplan 6 zu erwähnen:
Bei den Energiesparprogrammen waren rd. 1,9 Mio. € durch Haushaltsausgabereste gebunden. Im Laufe der Prüfung stellte sich heraus, dass 1,1 Mio. € gar nicht mehr benötigt werden. Wir haben Vorschläge unterbreitet, wie solche Haushaltsmittel frühzeitig für neue Programme zur Verfügung gestellt werden können (Seite 39).
Bei der Prüfung der Wohnraumversorgung und der Fehlbelegungsabgabe sind uns die stetig steigenden bzw. die beständig hohen Kasseneinnahmereste aufgefallen. Ende 2005 waren dies zusammen 3,38 Mio. €. Da wir Defizite beim Einzug bzw. der Bearbeitung der Forderungen erkannten, haben wir die Stadtkämmerei gebeten, die Kasseneinnahmereste zeitnaher zu bearbeiten bzw. abzubauen (Seiten 39 und 40).
Mit den
Eigenbetrieben
befassen wir uns ab Seite 42. Hier darf ich herausgreifen:
Der Eigenbetrieb SES kann aufgrund geänderter rechtlichen Rahmenbedingungen höhere Vergütungen für die fiktive Stromeinspeisung der Blockheizkraftwerke sowie umsatzsteuerliche Vorteile erzielen (Seite 45).
Der Eigenbetrieb AWS sollte bei den Abfallgebühren noch Kosten aus den Vorjahren von rd. 27 Mio. € in die Gebührenkalkulation einstellen. AWS hat zugesagt, den Verlustvortrag künftig schneller abzubauen (Seite 46).
Bei der Abfallverbrennungsanlage des Eigenbetriebs AWS werden auch Abfälle zur energetischen Verwertung angeliefert. Da AWS dabei keine hoheitliche Aufgabe erfüllt, ist der Betrieb insoweit umsatzsteuerpflichtig. Für die Jahre 2002 bis 2004 könnte AWS Vorsteuer von rd. 0,7 Mio. € geltend machen (Seite 46).
Die Stadt Stuttgart ist zum 01.01.2006 Alleineigentümerin einer Aktiengesellschaft geworden, an der sie schon bisher beteiligt war. Der Erwerb wurde nicht durch eine Wirtschaftlichkeitsberechnung begleitet. Ebenso lagen keine Erkenntnisse über notwendige Investitionen vor. Die Höhe des Kaufpreises basierte wesentlich auf den Vorstellungen des Verkäufers. Insbesondere die gezahlten Zuschläge sind nach unserer Meinung nur zu einem Teil gerechtfertigt. Die Verwaltung begründet den Kaufpreis mit strukturpolitischen Interessen der Stadt.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, der Schlussbericht enthält zwar eine Reihe von Bemerkungen, insgesamt sind jedoch keine schwerwiegenden Sachverhalte zutage getreten, die der Feststellung der Jahresrechnung ent-gegenstünden. Ich kann dem Gemeinderat deshalb empfehlen, die Jahresrechnung 2005 der Landeshauptstadt Stuttgart nach § 95 Abs. 2 GemO entsprechend dem Beschlussantrag der GRDrs 913/2006 festzustellen."
Zur Frage von StR
Lieberwirth
(REP) zum Schlussbericht 2005 im Rahmen der Aussprache zu TOP 19 erläutert EBM
Föll
, dass die Entnahme von 40 Mio. € aus der allgemeinen Rücklage damit zusammenhänge, dass im Jahr 2005 die vorzeitige Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 51 Mio. €, das die Stadt der NWS im Zuge der kompletten Neuordnung (Müllverbrennung, Fernkabeltrassen etc.) gegeben hatte, von der EnBW vorzeitig zurückgezahlt wurde. Der Gemeinderat habe für diese Mittel die Zweckbindung beschlossen, sie dem Klinikum für bauliche Maßnahmen zur Verfügung zu stellen.
Die Rückzahlung des Darlehens sei daher der allgemeinen Rücklage zugeführt worden, und von dort seien dem Klinikum 40 Mio. € überlassen worden. 10 Mio. € seien noch in der allgemeinen Rücklage; sie würden im Jahr 2006 ff. an das Klinikum ausgezahlt. Man hätte auch die 50 Mio. € nicht der Teilrücklage Klinikum zuführen, sondern sie zunächst einmal in den allgemeinen Haushalt eingehen lassen können. Dann hätte man aber in der Haushaltsplanung 2006 ff. entsprechende Etatansätze aufnehmen müssen, was wiederum nicht gegeben sei. Es sei also eine pragmatische Vorgehensweise gewählt worden, die zwar vom Rechnungsprüfungsamt kritisch gesehen werde, durch die aber das vom Gemeinderat gewünschte Ziel voll umfänglich erreicht werde.
OB
Dr. Schuster
dankt Herrn Blumenschein für den Bericht und die dahinter stehende Arbeit. Er bittet, den Dank auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungsprüfungsamts zu übermitteln. Für sehr wichtig halte er neben der Prüfarbeit auch die präventive Wirkung des Rechnungsprüfungsamtes, sowohl in seiner beratenden Funktion als auch in dem Sinne, dass bereits das Wissen um die Existenz dieses Amtes in der Stadtverwaltung dazu beiträgt, sorgfältig zu arbeiten.
Der Vorsitzende stellt abschließend fest:
Der Gemeinderat
beschließt
einstimmig
wie beantragt.