Landeshauptstadt Stuttgart
Technisches Referat
Gz: T
GRDrs 687/2002
Stuttgart,
06/16/2003



Künftiges Sperrmüllabfuhrsystem in Stuttgart



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuß für Umwelt und Technik
Betriebsausschuss Abfallwirtschaft
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Beschlußfassung
nichtöffentlich
nichtöffentlich
öffentlich
01.07.2003
02.07.2003
03.07.2003



Beschlußantrag:

1. Der Durchführung eines zweijährigen Versuchs mit einem Mischsystem aus turnusmäßiger Abfuhr und Abfuhr auf Abruf wird zugestimmt. Hierbei ist folgende Vorgehensweise beabsichtigt:

1.1 Vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2005 wird den Haushalten jährlich ca. einmal die kostenlose Abholung des Sperrmülls auf Abruf angeboten.

1.2 Zusätzlich zum Bestellsystem wird in diesem Zeitraum weiterhin die straßenweise Abholung des Sperrmülls bei einem halbierten Abfuhrrhythmus (ca. 1 mal pro Jahr) durchgeführt.

1.3 Im Herbst 2005 wird ein Erfahrungsbericht und ein Vorschlag für das zukünftige Abfuhrsystem vorgelegt.

2. Besonders überwachungsbedürftiger Sperrmüll zur Verwertung gemäß der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) wird nur noch über das Abrufsystem abgefahren.

2.1 Die Verwaltung wird beauftragt, bis zur Umsetzung der Elektro- und Elektronikschrott Richtlinie in deutsches Recht einen Vorschlag zur zukünftigen Erfassung dieser Fraktion zu unterbreiten.

3. Der AWS prüft, inwieweit die separate Erfassung von Altholz und die daraus resultierenden alternativen Verwertungswege die Wirtschaftlichkeit der Abfallwirtschaft weiter verbessern können.

4. Der AWS schafft bis 2005 alternative Annahmestellen für Sperrmüll und Elektronikschrott (Wertstoffhöfe), die an allen Werktagen (einschließlich Samstag) geöffnet sind. Aus heutiger Sicht kommen z. B. die Standorte Deponie Einöd und Betriebsstelle Burgholzstraße in Betracht.

5. AWS erarbeitet mit den fünf Stuttgarter Sozialunternehmen ein Konzept, wie gut erhaltene Gebrauchtmöbel getrennt erfasst und einer weiteren sinnvollen Nutzung zugeführt werden können.



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Die in Stuttgart praktizierte turnusmäßige straßenweise Sperrmüllabfuhr ist erneut in die Diskussion gekommen, da sie einige gravierende Nachteile hat. Inzwischen haben sich auch Änderungen im Abfallrecht (wie z. B. die Richtlinie über Elektro- und Elektronikaltgeräte (WEEE-Richtlinie), die Altholz-VO) ergeben, die bei der straßenweisen Sperrmüllabfuhr nur schwer bzw. gar nicht logistisch sinnvoll bzw. kostenneutral umgesetzt werden können. Es kommt hinzu, dass die Stuttgarter Bevölkerung und Verwaltung immer weniger bereit sind, die Begleiterscheinungen einer organisierten Absammlung verwertbarer Gegenstände durch professionelle Sperrmüllverwerter hinzunehmen. Das System Abfuhr auf Abruf wäre daher ein Beitrag zu mehr Sauberkeit in Stuttgart und würde die Umweltverträglichkeit der Abfallentsorgung verbessern. Es wird angestrebt, dass trotz Einhaltung der neuen Vorschriften keine Mehrkosten entstehen, mittelfristig sollen die Gesamtkosten der Sperrmüllabfuhr gesenkt werden.

Der Personalrat hat der Vorlage zugestimmt.

Die Referate USO und SJG haben der Vorlage zugestimmt.

Beteiligte Stellen




Erledigte Anträge/Anfragen

105/2001 CDU Schmid Roland, Rudolf Klaus/Neues Sperrmüllkonzept tut Not

154/2002 FDP/DVP–Gemeinderatsfraktion/Dauerthema Sperrmüll




Technisches Referat




Betriebsleitung AWS
Prof. BeicheLutzDr. Weigel


Anlagen

1. Ausführliche Begründung

2. Vor- und Nachteile der Abfuhr auf Abruf

3. Städtevergleich Übersicht

Anlage 1 zur GRDrs 687/2002


Ausführliche Begründung:


Ausgangssituation

In der Beschlussvorlage zum Sperrmüllabholsystem in Stuttgart vom 30.04.1998 (GRDrs 218/1998) wurde ausgeführt, dass die hier praktizierte turnusmäßige straßenweise Sperrmüllabfuhr das kostengünstigste System sei, für sozial Bedürftige von großem Nutzen wäre und eine hohe Recyclingquote hätte. Daher solle dieses System weitergeführt werden, zumal es von der Stuttgarter Bevölkerung trotz gewisser Nachteile überwiegend akzeptiert würde. Inzwischen haben sich jedoch einige abfallrechtliche Änderungen ergeben. Zudem werden die Nachteile dieses Systems immer deutlicher und führen für die Bevölkerung sowie den Abfuhrbetrieb zu immer schwierigeren Problemen (s. Anlage 2).

Eingetretene Änderungen

Im Gegensatz zu früher, sammeln heute nicht mehr vorwiegend sozial Bedürftige, sondern straff organisierte Sperrmüllverwerter meist aus dem Ausland, noch brauchbare Gegenstände aus dem bereitgestellten Sperrmüll aus und verkaufen diese dann hier oder in ihren Heimatländern. An verschiedenen Umschlagplätzen in Stuttgart (abgelegene Waldparkplätze) werden die gesammelten und nicht zum Weitertransport nach Osteuropa geeigneten oder nicht verkauften Gegenstände dann z. T. bereits wieder zu "wilden Abfallablagerungen". Zu diesem Thema gab es im Jahr 2000 zwei Berichte im Fernsehen (ZDF und SWR). Aus diesem Grund sind brauchbare Gegenstände aus dem bereitgestellten Sperrmüll heute für sozial Bedürftige aus Stuttgart kaum mehr zugänglich und das Argument von damals nicht mehr zutreffend.

Auf Grund der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) müssen seit dem 01.01.2002 verschiedene Abfallarten wie z. B. Kühlgeräte, Fernsehgeräte, Monitore, Elektronikgeräte (es handelt sich hier um "besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Verwertung") die bei der Sperrmüllabfuhr eingesammelt werden sortenrein getrennt erfasst und einer speziellen Verwertung zugeführt werden. Diese Verordnung wurde am 12.12.2001 veröffentlicht und musste ohne Übergangsfrist zum 01.01.2002 vom AWS umgesetzt werden.

Es hat sich jedoch gezeigt, daß das Einsammeln dieser Geräte im Rahmen der straßenweisen Sperrrmüllabfuhr kaum praktikabel ist. Dies liegt daran, dass die professionellen Sperrmüllverwerter bereits vor der Abfuhr Elektromotoren aus den Kältegeräten ausbauen (wegen des wertvollen Kupfers) und damit das im Kühlkreislauf enthaltene ozonschädigende FCKW in die Atmosphäre entweicht, was zu erheblichen Umweltschäden führt. Das gleiche gilt für andere elektrische und elektronische Geräte, bei denen andere umweltschädliche Stoffe freigesetzt werden können. Dieses Problem lässt sich nur lösen, wenn der Sperrmüll auf Abruf abgefahren wird oder wenn spezielle Rücknahmesysteme eingerichtet werden.

Bei der turnusmäßigen Sperrmüllabfuhr werden in zunehmendem Maße auch Hausmüll, Wertstoffe und Sonderabfälle bereitgestellt, die vom AWS nicht mitgenommen werden dürfen.

Die sogenannten negativen Begleiterscheinungen führen zu Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit sowie des Brand- und des Arbeitsschutzes, die zukünftig verhindert werden müssen. Durch die zunehmende Bereitstellung von Hausmüll und Sonderabfällen wird auch die Reinigung der Straßen und Gehwege nach der straßenweisen Sperrmüllabfuhr zunehmend aufwendiger. Deshalb muß die Straßenreinigung immer öfters tätig werden, was zusätzliche Kosten verursacht. Der finanzielle Aufwand für die Nachreinigung beläuft sich derzeit auf ca. 200.000 € pro Jahr mit steigender Tendenz.

Im übrigen können bei der derzeitigen straßenweisen Sperrmüllabfuhr die Vorgaben zur Verwertung von Abfällen nicht praktikabel umgesetzt werden. Dies ist nur möglich wenn die verschiedenen Abfallfraktionen weitgehend getrennt erfasst und entsprechenden Verwertungsanlagen zugeführt werden. Im Rahmen der Sperrmüllabfuhr auf Abruf läßt sich dies besser realisieren.

Elektroschrottsammlung

Solange die geplante Elektro-Schrott-Verordnung nicht in Kraft ist, müssen die elektrischen und elektronischen Geräte weiter im Rahmen der Sperrmüllabfuhr getrennt eingesammelt und einer ordnungsgemäßen Verwertung zugeführt werden. Dies verursacht jedoch hohe Kosten, die z. B. pro Kühlgerät bei ca. 20,00 € und pro Bildschirm bei ca. 11,00 € liegen. Aus diesem Grund ist es zweckmäßig, diese Fraktion nur noch über das Abrufsystem zu sammeln. Damit soll im Vorfeld das Ziel der ab August 2005 geltenden europäischen Elektro- und Elektronikschrott-Richtlinie erreicht werden, dass ein Teil der elektrischen und elektronischen Geräte von den Bürgern beim Kauf von neuen Geräten direkt beim Handel bzw. bei den dann neu einzurichtenden kommunalen Sammelstellen abgegeben werden kann.

Altholzverwertung

Der Altholzanteil im Sperrmüll liegt derzeit bei ca. 50 %. Dieses Altholz wurde seither auf Grund der Vertragssituation mit den NWS jedoch nicht getrennt erfasst und daher nicht verwertet. Mit dem Inkrafttreten des neuen Vertrags mit den NWS ab dem 1. Januar 2005 soll der Altholzanteil im Sperrmüll getrennt erfasst und der Verwertung zugeführt werden. Dies bringt erhebliche Kostenvorteile, da die thermische Behandlung des Sperrmülls (z. Zt. ca. 18.000 t pro Jahr) momentan 255 €/t kostet. Getrennt erfasstes sortenreines Altholz kann derzeit jedoch, je nach Schadstoffanteil, ab ca. 40 €/t vermarktet werden.

Wertstoffhöfe
Wertstoffhöfe (Bringsystem) gibt es bisher in Stuttgart nicht. Die noch in deutsches Recht umzusetzende Elektro- und Elektronik-Richtlinie der EU schreibt jedoch zwingend vor, dass die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Erfassung von Elektro- und Elektronikschrott in ihrem Gebiet entsprechende Sammelstellen einrichten müssen. In dem Zusammenhang ist zu prüfen, ob diese Sammelstellen zweckmäßig gleich zu modernen Wertstoffhöfen ausgebaut werden, an denen neben Elektro- und Elektronikschrott auch andere Wertstoffe wie Glas, Papier und Metalle sowie kleine Mengen Bauschutt angenommen werden. Gleichzeitig könnten an diesen Wertstoffhöfen Gebrauchtmöbel und Sperrmüll gegen Abgabe der Bestellpostkarte kostenlos angeliefert werden, d. h. Besteller könnte dann entscheiden, ob er anliefert oder abholen lässt. Zudem soll weiterhin Sperrmüll gegen Gebühr gemäß der Abfallwirtschaftssatzung bei den Wertstoffhöfen angenommen werden.

Sofern es platzmäßig möglich ist, auf den Wertstoffhöfen einen überdeckten Bereich zum Lagern von gut erhaltenen Gebraucht- möbeln zu schaffen, könnten dort auch diese angenommen werden. Ansonsten müssen für die Erfassung von Gebrauchtmöbeln geeignete Hallen gesucht werden.

Weiteres Vorgehen
Zwischenzeitlich ist die Sperrmüllabfuhr auf Abruf in den meisten deutschen Großstädten (siehe Städteumfrage-Anlage 3) eingeführt. Auch der Fachausschuss Entsorgungslogistik im Verband Kommunale Abfallwirtschaft und Stadtreinigung e.V. (VKS) empfiehlt daher schon seit langem, die straßenweise Sperrmüllsammlung auf das Abrufsystem umzustellen (VKS-Informationsschriften Nr. 24 vom September 1995 sowie Nr. 37 vom April 1999). In der zweijährigen Versuchsphase soll daher geprüft werden, ob das System Abfuhr auf Abruf auch in Stuttgart die bessere Alternative darstellt.

Im Versuchszeitraum wird die Sperrmüllabfuhr auf Abruf in Stuttgart zunächst ausschließlich über eine vorgedruckte Bestellpostkarte, die dem Abfallkalender beiliegt, erfolgen. Nach der Bestellung wird die Abholung des Sperrmülls beim Abrufsystem in der Regel innerhalb von 4 Wochen (maximal von 8 Wochen wenn die Grüngutsammlung dazwischen kommt) erfolgen.

Während der zweijährigen Versuchsphase, während der beide Systeme parallel betrieben werden, haben die Stuttgarter Bevölkerung und der AWS die Möglichkeit, das Abrufsystem mit der alten straßenweisen Abholung zu vergleichen. Nach Auswertung des Versuchs wird der AWS einen Vorschlag für das künftige Sperrmüllabfuhrsystem unterbreiten.