Protokoll:
Verwaltungsausschuß
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
57
3
Verhandlung
Drucksache:
108/2001
GZ:
0616
Sitzungstermin:
02/14/2001
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
EBM Dr. Lang
Berichterstattung:
der Vorsitzende, Herr Frank (StatAmt)
Protokollführung:
Herr Häbe
st
Betreff:
4. Bürgerumfrage Stuttgart 2001
Beratungsunterlage ist die dieser Niederschrift angeheftete Vorlage des Finanz- und Beteiligungsreferats vom 30.01.2001, GRDrs 108/2001.
Ein Exemplar des als Anlage der Gemeinderatsdrucksache zur Verteilung gekommenen Heftes "Statistik und Informationsmanagement Monatshefte 11/2000" befindet sich bei den Akten der Hauptaktei.
Die Gesamtkosten der Umfrage werden von StRin
Dr. Eisenmann
(CDU) problematisiert. Dagegen akzeptiert StR
Kanzleiter
(SPD) die kalkulierten Gesamtkosten. Im Verlauf der Aussprache beziffert Herr
Frank
die Personalkosten auf 62.900 DM (6 Monate BAT IVb/6 Monate BAT Vb - für die Durchführung dieser Statistik und dessen Auswertung habe das Amt keine Dauerstellen zur Verfügung). Seinen weiteren Angaben zufolge belaufen sich die Sachkosten (z. B. Druck der Erhebungsunterlagen) auf 57.400 DM. Vorgesehen sei eine Mailingaktion (Druck erfolgt personalisiert/Einsparung von Personalkosten bei Versandarbeiten). Als zweckmäßig werde eine Nachfassaktion angesehen (Kosten ca. 9.000 DM). Bei der vorgelegten Kalkulation werde von 4.000 auswertungsfähigen Belegen ausgegangen. Unter Berücksichtigung der Preissteigerung werde der Kostenrahmen vergangener Bürgerumfragen nicht gesprengt.
Bezugnehmend auf eine Sitzung des Internationalen Ausschusses und auf Presseberichte erklärt StRin
Dr. Eisenmann,
die vorgesehene Bewertung des Lebensumfeldes, z. B. durch Fragen zu Müll, Verkehr, Ausländer und Asylbewerber sei indiskutabel. Bevor dem Beschlussantrag zugestimmt werden könne, wolle ihre Fraktion den Fragebogen vorgelegt bekommen. Ihrer Fraktion gehe es dabei nicht darum, Fragen einzeln zu bewerten und den Fragebogen auszuweiten. Von StR
J. Zeeb
(FW) werden diese Ausführungen unterstützt. StR
Kanzleiter
vertritt die Meinung, dass wenn der kritisierte Fragenbereich schon in früheren Umfragen enthalten gewesen ist, muss nun darüber nachgedacht werden, wie dieser Bereich in Zukunft gestaltet werden kann. Zwar bezeichnet StR
Kugler
(90/GRÜNE) es als richtig, das Thema Ausländerfeindlichkeit zu erfragen, allerdings ist seiner Auffassung nach dieses Thema mit sensibleren Fragen anzugehen.
An den Tagesordnungspunkt 9 "Bürgerumfrage über variable Themen" des öffentlichen Verwaltungsausschusses am 17. Januar 2001 erinnert EBM
Dr. Lang.
Er trägt dazu vor, damals habe die Verwaltung über die vorgesehene schwerpunktmäßige Ergänzung der kommenden Bürgerumfrage informiert. Verwundert sei er schon darüber, dass problematisierte Umfragenteil plötzlich als zentraler Teil der Umfrage angesehen werde. Über die eine Frage könne man sich "weidlich" streiten. Die Umfrage stehe und falle nicht mit dieser Frage. In der Vergangenheit habe die geübte Praxis stets Zustimmung erhalten.
Das ganze Thema sollte unter sachlichen, fachlichen, wissenschaftlichen und statistischen Gesichtspunkten gesehen werden. Da er davon stets ausgegangen sei, habe er sich nie in die Formulierung einzelner Fragen eingemischt. Er habe sich darauf verlassen, dass die Fachleute des Statistischen Amtes dazu in der Lage seien. Natürlich könne zugesagt werden, dass dem Gemeinderat der Fragebogen vor dessen Drucklegung vorgelegt werde. Die Verwaltung wolle versuchen, den Ausfluss der heutigen Diskussion in den Fragebogen einzuarbeiten. Anschließend könne sich der Verwaltungsausschuss dazu äußern und gegebenenfalls Änderungen vornehmen.
Im selben Zusammenhang führt Herr
Frank
aus, durch die Umfrage solle mit die Frage beantwortet werden, ob die Landeshauptstadt in der Integrationspolitik vorankomme. Dazu müssten positive und negative Abgrenzungen an verschiedenen Stellen der Erhebung vorgenommen werden. Zur positiven Abgenzung gehörten zwei Fragestellungen (zunehmende Ausländerfeindlichkeit und mangelnde Integration). Zur anderen Seite gehörten Fragestellungen wie "sind zu viele Fremde da und sind zu viele Asylanten oder Asylbewerber da". Nicht gefragt werde "nach zu vielen Ausländern". Die Frage sei, wo die Sensibilität einsetze. Über die Schlüsse, die gezogen werden könnten, könne endlos diskutiert werden. Jeder Bürger, der sich beteilige, habe aber natürlich schon eine Vorstellung davon, wie sich die Situation in Stuttgart darstellen sollte, und was er dem Gemeinderat als Adressat der Umfrage an Handlungsbedarf benennen wolle.
Zur Kenntnis nehmen müsse er, dass der politische Auftraggeber die Bürgerumfrage in diesem Teil völlig anders als die Bürgerschaft sehe; bei den Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung sei die Bürgerumfrage als wichtigste Möglichkeit von den Bürgern benannt worden. Dies sage eine Beurteilung derjenigen aus, die die Fragebögen ausfüllten.
Nach der von StR Kugler im Verwaltungsausschuss am 17.01.01 geäußerten Kritik habe er erklärt, nun werde untersucht, wie andere Städte bei diesem Fragebereich vorgingen. Diese Prüfung sei noch nicht abgeschlossen bzw. diese laufe derzeit erst an. Über das Ergebnis werde berichtet. Der Fragebogen sollte Ende März 2001 vorliegen, um den ins Auge gefassten Fahrplan einhalten zu können. Wenn Informationen über den Integrationsstand in Stuttgart nicht gewünscht würden, könnten die darauf abzielenden Fragen weggelassen werden. Wenn hierzu allerdings Material gewünscht werde, müsse durch Fragen versucht werden, möglichst nahe an die Bürgermeinung heranzugehen.
Von StR
Wölfle
(90/GRÜNE) wird nochmals erinnert, seine Fraktion habe im Januar erklärt, ihrer Einschätzung nach seien die Fragen, um herauszufinden, ob Stuttgart mit den Integrationsbemühungen vorankomme, nicht sensibel genug. Dabei sei die Bitte geäußert worden, dies zu überdenken und mitzuteilen, wie damit weiter umgegangen werde. Konkret fragt er, weshalb keine Frage z. B. laute: "Ich erlebe das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen als Bereicherung?" Dies sei nur ein Beispiel, wie die Abfrage anders erfolgen könnte. Für heute habe er Formulierungsvorschläge des Amtes erwartet. Über diese müsse nicht im Wortsinn abgestimmt werden, sondern diese müssten eigentlich nur aufzeigen, dass die gemachten Anregungen aufgenommen worden seien.
Der Meinung von StRin
Prof. Dr. Loos
(CDU), der Fragebogen müsse dem Gemeinderat nicht nur zur Kenntnis gebracht werden, sondern der Fragebogen gehört durch den Gemeinderat beschlossen, teilt StRin
Werwigk-Hertneck
(F.P.D./DVP). Seitens des Ausschusses sei zugesagt, so StRin
Prof. Dr. Loos,
nicht inhaltliche Details diskutieren zu wollen, aber wenn eine Frage als politisch brisant und nicht besonders geschickt formuliert empfunden werde, sollte dies natürlich schon hinterfragt werden können. In keinem statistischen Heft habe sie bisher lesen können, dass diese Statements "geeicht" worden seien, wie dies bei empirischen Fragebögen der Fall sei. Dies sei zugegebenermaßen unüblich, aber dies bedeute eben auch, dass Fragen in ihrer Formulierung in Frage gestellt und in einen anderen Zusammenhang gebracht werden könnten. Sicher seien veränderte Fragen für jeden Statistiker schmerzlich, da ein Vergleich mit der Vergangenheit entfalle, aber die wachsende Sensibilität in der Bevölkerung bezüglich bestimmter Themen müsse Berücksichtigung finden. Daher müsse ein Bruch in der Umfrage in Kauf genommen werden. Wenn die Frage nach der Überfremdung viel stärker in den Integrationsprozess hineingebracht und nicht mit anderen Dingen vermischt würde, könnte sehr sensibel an dieses Thema herangegangen werden. Im Gegensatz zu Abfragen bei anderen Städten schlägt sie vor, Pretests vorzunehmen. Zu gegebener Zeit sollten drei bis fünf Fragekomplexe abgetestet werden. Die Ergebnisse könnten dann in die Interpretation der Gesamtstudie eingebracht werden.
Als unrichtige Fragestellung sieht StR
Prof. Dr. Kußmaul
die Frage an "ob die Integrationspolitik vorankommt?" Gefragt gehöre vielmehr "wie die Integrationspolitik vorankommt?" Bei der Integration müssen Fortschritte erzielt werden. Dabei nütze die Frage "ob zu viel Fremde hier leben?" nichts. Wie andere Städte damit umgingen sei wenig hilfreich. Hier müsse Stuttgart selbst innovativ sein. Abgefragt gehöre ausschließlich, mit welchen Methoden das Optimale in der Integrationspolitik erreicht werden könne. Dabei habe die Verwaltung völlig freie Hand. Nicht nur jetzt, sondern bereits in der Vergangenheit habe der internationale Ausschuss (ehemals Ausländerausschuss) Vorschläge in dieser Richtung gemacht. Diese müssten vielleicht überprüft werden.
Betont wird nachhaltig von Herrn
Frank,
es treffe nicht zu, dass er bzw. die Personen, die den Fragebogen ausarbeiteten, Anregungen nicht aufnehmen wollten. Wenn die derzeitige Untersuchung bessere Möglichkeiten aufzeige, das Thema zu ergründen, sei er der letzte, der dies nicht aufgreifen wolle. An StRin
Prof. Dr. Loos
gewandt fährt er fort, ein Pretest verursache Kosten. Danach relativiert StRin
Prof. Dr. Loos,
sie habe eine Prüfung gemeint, wie verschiedene Formulierungen wirkten. Die Rücklaufquote beziffert Herr
Frank
gegenüber der Stadträtin auf 30 bis 40 %. GFK-Angebote habe die Verwaltung nicht eingeholt. Andere Städte machten dies auch nicht bzw. nur zum Teil. Während die Daten beim bisherigen Verfahren von seinem Amt angesammelt würden und auf Dauer zur Verfügung stünden, könnten Daten der GFK auf diese Weise nicht bearbeitet werden.
In der Folge bemerkt der Vorsitzende, er habe die heutige Diskussion nicht so verstanden, dass unabhängig vom Thema durch Suggestivfragen wünschenswerte Meinungsbilder erhoben werden sollten. Ziel müsse sein, sachlich-fachlich abzufragen. Von daher sei er dankbar, dass seitens des Ausschusses die Sachlichkeit sowie die Fachlichkeit des Amtes nicht in Frage gestellt werde. Die Diskussion abschließend erklärt er, wie zugesagt, werde der ausformulierte Fragebogen vor dessen Drucklegung dem Gemeinderat vorgelegt.
Mit dieser Maßgabe stellt er zum finanziellen Aufwand der Bürgerauffrage die einstimmige Zustimmung des Ausschusses fest.