Protokoll:
Verwaltungsausschuß
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
64
1a und 1c
Verhandlung
Drucksache:
-
GZ:
-
Sitzungstermin:
02/20/2002
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
EBM Dr. Lang
Berichterstattung:
BMin Müller-Trimbusch,
BM Beck, BM Murawski
Protokollführung:
Herr Häbe
sp
Betreff:
TOP 1a
Umgang mit Daten in der Stadtverwaltung
- Antrag Nr. 37/2002 der SPD-Gemeinderatsfraktion
vom 13.02.2002
TOP 1c
Datenschutzbeauftragte/r
- Antrag Nr. 663/2001 der Gemeinderatfraktion
Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 12.11.2001
Folgende Unterlagen sind diesem Protokoll beigefügt:
- Stellungnahmen von BMin Müller-Trimbusch, BM Beck, BM Murawski (jeweils im überarbeiteten Wortlaut),
- die im Betreff genannten Anträge,
- das von BM Beck zur Austeilung gebrachte Schreiben des Landesbeauftragten für den Datenschutz Baden-Württemberg an den Oberbürgemeister der Landeshauptstadt "Datenschutz bei der Landeshauptstadt Stuttgart" vom 07.02.2002.
Zu Beginn wird Einvernehmen darüber erzielt, die Tagesordnungspunkte 1a und 1c gemeinsam zu behandeln. Der mit diesen Tagesordnungspunkten im Zusammenhang stehende heutige öffentliche Tagesordnungspunkt 1b "Datenschutzbericht 1999/2000 - Antrag Nr. 41/2002 der SPD-Gemeinderatsfraktion vom 15.02.2002 -" wird separat aufgerufen (siehe heutige öffentliche Niederschrift Nr. 65).
StR
Kanzleiter
(SPD) und StR
Kugler
(90/GRÜNE) erläutern im Verlauf der Aussprache die von ihren Fraktionen gestellten Anträge.
Angesichts der innerhalb weniger Tage festgestellten Defizite sprechen die StRe
Föll
(CDU), Kanzleiter und Kugler nicht mehr von Zufall. BM
Beck
kommt zur Auffassung "wer bei der Häufung der Fälle an Zufall glaubt, muss ein sehr glücklicher Mensch sein". Nachdem auch BMin
Müller-Trimbusch
nicht an Zufall glaubt, bemerkt BM
Murawski
, er habe das Wort "Zufall" in seiner Stellungnahme ausschließlich auf den von ihm beschriebenen Irrtum einer beauftragten Firma bezogen.
Das Hauptthema, das sich aus dem Datenschutzbericht ergibt, ist für StR
Föll
die Frage "Wieviel Wissen/Kompetenz und Sensibilität für Datenschutzbelange gibt es vor Ort?". Datenschutz in der Verwaltung, und hier pflichtet er BM Murawski bei, werde nur dann funktionieren, wenn es dezentrale Strukturen gebe. Bis heute sei es nicht gelungen, ein dezentrales System aufzubauen, das einen verantwortlichen Umgang mit dem Thema Datenschutz ermögliche. Zu kurz gedacht wäre es, die Verantwortung auf die vor Ort tätigen Mitarbeiter abzuschieben. Die Referenten müssten gegenüber dem Gemeinderat dafür gerade stehen, dass sie sowohl den Datenschutz-Sachbearbeitern als auch natürlich den einzelnen Mitarbeitern mit dem ausreichenden Know-how und der notwendigen Sensibilität versehen, damit diese die grundlegenden Fragen des Datenschutzes überhaupt umsetzen könnten. Dazu, wie die Beigeordneten/Amtsleiter dies umsetzen wollten, erwartet er ein Konzept.
Zu bedenken gibt StR
Kanzleiter
, Dezentralität funktioniere nur dann, wenn die Zentrale funktioniere. Von einem Systemfehler spricht StR
Kugler
. Angesichts fehlender Sensibilität, so StRin
Werwigk-Hertneck
(FDP/DVP), gebe die Verwaltung in Sachen Datenschutz insgesamt ein verheerendes Gesamtbild ab. Verwundert zeigt sich Herr
Theilen
(GPR) darüber, dass die Verwaltung aus dem seit langem vorliegenden Datenschutzbericht bis heute keine Konsequenzen gezogen hat. Angesichts der verzögerten Beratung habe der Gesamtpersonalrat Anfang 2002 eine Stellungnahme erarbeitet, die dem Gemeinderat vorliege. Heute gebe es Übereinstimmung darin, dass genau die in dieser Stellungnahme angesprochenen Punkte relevant seien. Ein dezentral angelegtes System werde vom GPR befürwortet, allerdings müssten die örtlich zuständigen Datenschutzbeauftragten ihre Aufgaben zeitlich und vom Wissensstand her wahrnehmen können.
Die Form die Fotoabgleichs beim Amt für öffentliche Ordnung sieht StR
Föll
als außerordentlich problematisch an. Dies sei allerdings kein stuttgartspezifisches Thema. Hier, so StR
Kugler
, gehe es darum, dass systematisch datenschutzrechtliche Bedenken unberücksichtigt geblieben seien.
Zum Weiterbildungsprogramm der Verwaltung merkt StR
Föll
an, es gebe viele Angebote, allerdings nur vier Kurse, die sich mit dem Thema Datenschutz befassten. Dies sei die gleiche Anzahl wie die der WenDo-Kurse. Nach Einschätzung von StR
Kugler
muss verstärkt in den Datenschutz investiert werden. Zusätzliche Seminare fordert Herr
Theilen
. BM
Murawski
räumt ein, dass die Mitarbeiterfortbildung intensiviert werden kann. An StR Kugler gewandt zitiert der Bürgermeister aus den Mitteilungen des Bürgermeisteramts Nr. 14/1989 "Aufgabe der zentralen Datenschutzstelle (ZDS) ist, die Beratung und Betreuung der Ämter sowie die Information und Fortbildung der städtischen Mitarbeiter". Dies zeige, es sei durchaus an Ansprechpartner für die Dienstvorgesetzten gedacht. In einer zur Vorbereitung der Haushaltsplanberatungen durchgeführten Umfrage sei festgestellt worden, dass die Personalausstattung der städtischen ZDS unter vergleichbaren Großstädten im Bundesgebiet an der Spitze stehe. Dies müsse nicht heißen, dass sie ausreichend sei. Da der Datenschutz sehr ernst genommen werde, existiere bei Datenschutzseminaren eine Sonderregelung. Wenn die vier angebotenen Kurse belegt seien und weiterer Bedarf bestehe, würden weitere Kurse abgehalten. Bedauerlicherweise müsse aber festgestellt werden, dass Einladungen zu Fortbildungen an die örtlichen Datenschutzbeaufttragten von diesen nicht aufgegriffen würden. Daraufhin habe er entschieden, diese Teilnahme in Zukunft anzuordnen (Pflichttermine).
Im Verlauf der Aussprache teilt StR
J. Zeeb
(FW) mit, viele Mitglieder des Gemeinderates erhielten ihre Stadtratspost an ihre Privatadresse gesandt. Er selbst tue sich schwer, diese Unterlagen datenschutzgemäß zu entsorgen. Üblicherweise stehe seine Papiertonne verschlossen in der Garage. Zur Entleerung müsse sie aber an den Straßenrand gestellt werden und dann sei sie für jedermann zugänglich. Die Verwaltung sollte sich darüber Gedanken machen (z. B. Zurverfügungstellung eines Reißwolfes). Dies nimmt BM
Murawski
auf. Er sagt entsprechende Überlegungen der Verwaltung zu. Ohnehin sei die Verwaltung dabei zu prüfen, und dies habe er bereits in der Vergangenheit einmal angekündigt, ob vorgeschlagen werden solle, analog dem Vorbild der Stadt Friedrichshafen und neuerdings auch Böblingen zu folgen, den Gemeinderat online mit Unterlagen zu versorgen. Wenn damit sorgfältig umgegangen würde, könnte eine absolute Datensicherheit hergestellt werden.
Von BM
Beck
wird deutlich gemacht, er habe sich in seiner Stellungnahme lediglich auf den heutigen Antrag zum Tagesordnungspunkt 1a bezogen. Über die Videoüberwachung werde noch eine separate Beratung stattfinden. Auch zum Fotoabgleichverfahren beim Amt für öffentliche Ordnung, das im übrigen alle technisch dazu in der Lage befindlichen Städte anwendeten, werde nach eingehender Prüfung eine Information des Ausschusses stattfinden. Dieses Verfahren sei derzeit vorläufig ausgesetzt. Die Angelegenheit sei dem Innenministerium vorgelegt. Dieses werde seine Rechtsauffassung dazu darlegen.
Zum Tagesordnungspunkt 1c äußert StR
Föll
den Wunsch, seine Fraktion wolle zum Datenschutzbeauftragten heute keine abschließende Entscheidung treffen. Zunächst werde ein Bericht der Verwaltung zu den aktuellen Vorgängen gewünscht. Im Zuge einer schriftlichen Berichterstattung müsse die Verwaltung vorschlagen, welche Möglichkeiten es gebe, um institutionell, organisatorisch den Datenschutz - unter Darstellung der Vor- und Nachteile - in der Stadtverwaltung zu stärken. Die Frage eines unabhängigen Datenschutzbeauftragten müsse der Oberbürgermeister im Einvernehmen mit dem Gemeinderat regeln. Eine Entscheidung sollte erst dann erfolgen, wenn der Oberbürgermeister nicht mehr krankgeschrieben sei. Aus Sicht seiner Fraktion könne durchaus darüber nachgedacht werden, ob in der Verwaltungsspitze durch die Schaffung einer Stelle für einen behördlichen Datenschutzbeauftragten eine Veränderung vorgenommen werden solle. Dadurch, dass die ZDS beim Rechnungsprüfungsamt angesiedelt sei, sei seine Fraktion bisher ohnehin von einer Weisungsfreiheit dieser Stelle ausgegangen. Nicht gewollt werde, dass durch eine Organisationsänderung an der Verwaltungsspitze die Dinge als erledigt angesehen würden.
Als ersten Schritt zur Situationsverbesserung sieht StR
Kugler
die Schaffung einer Stelle eines unabhängigen Datenschutzbeauftragten als unabdingbar an. Nicht ausreichend sei, die ZDS entsprechend umzubenennen. Personelle Ressourcen müssten, damit dieser Bereich wirksam präventiv arbeiten könne, zur Verfügung gestellt werden. Heute müsse die Frage allerdings nicht zur Abstimmung gestellt werden. Sachgerecht sei, wenn die Verwaltung in absehbarer Zeit eine Vorlage vorlege. Die Schaffung einer Stelle für einen unabhängigen Datenschutzbeauftragten findet Unterstützung bei StRin
Werwigk-Hertneck
. Im Namen ihrer Fraktion wirft sie die Frage auf, wie die bisherige ZDS sinnvoll in eine Stelle umgewandelt werden kann, die ein eigenes Vortragsrecht beim Oberbürgermeister etc. erhält. Letztlich müsse dieser Bereich eine politische Aufwertung erfahren. StR
Kanzleiter
führt an, sehr viel spreche dafür, nach Prüfung und Schwachstellenanalyse einen zentralen Datenschutzbeauftragten zu installieren und die Dezentralität des Datenschutzes zu stärken.
Gegen Ende der Aussprache unterstreicht BMin
Müller-Trimbusch
, sie nehme die Verantwortung für einen sensiblen Umgang mit Daten außerordentlich ernst. In keinster Weise habe sie versucht, die Dinge herunterzuspielen. Mittel- und langfristig müssten Überlegungen angestellt werden, wie datenschutzrechtliche Belange abgesichert werden könnten. Auch BM
Murawski
betont, Datenschutz sei für ihn eines der wichtigsten politischen Anliegen überhaupt.
Zum Tagesordnungspunkt 1c hält abschließend EBM
Dr. Lang
fest, wie bereits von BM Murawski ausgeführt nehme der Oberbürgermeister mittlerweile bezüglich der Schaffung eines weisungsgebundenen kommunalen Datenschutzbeauftragten eine gewisse positive Haltung ein. Er wolle noch geprüft haben, wie in anderen Städten vorgegangen werde. Zeitnah werde zu diesem Thema ein Vorschlag der Verwaltung zugesagt.
Verwaltungsintern, so EBM Dr. Lang die Diskussion zusammenfassend, müsse der Datenschutz nachhaltig thematisiert werden. Dabei werde auch der Punkt "Datenschutzgerechte Entsorgung von nichtöffentlichen Unterlagen durch Gemeinderatsmitglieder" Berücksichtigung finden. Von StR
Föll
(CDU) wird darum gebeten, eine Schwachstellenanalyse der Verwaltung zeitnah zusammen mit dem Vorschlag zum behördlichen Datenschutzbeauftragten dem Gemeinderat vorzulegen. Dies sagt EBM
Dr. Lang
zu.
Nachdem sich gegen diese Vorgehensweise keine Einwendungen erheben, schließt EBM Dr. Lang diesen Tagesordnungspunkt ab.