Beantwortung zur Anfrage Nr. / Stellungnahme zum Antrag Nr.
295/2000
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
04/06/2000
Der Oberbürgermeister
GZ:
60 50 - 00.00
Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
Dr. Löffler Reinhard (CDU), Maihöfer Gregor (CDU), Uhl Reinhold (CDU)
Datum
02/14/2000
Betreff
Förderung mittelständischer Interessen im kommunalen Vergabeverfahren
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Die Verwaltung richtet sich, soweit die Schwellenwerte der Verdingungsordnungen erreicht werden, bei Vergaben konsequent nach § 97 ff. GWB. Darüber hinaus wird in der Vergabe-
ordnung der Stadt (zum 01.02.2000 novelliert) intern die Bindung an die Verdingungsordnungen auch unterhalb der Schwellenwerte verlangt. Eine weitergehende Bevorzugung kleiner und mittelständischer Unternehmen ist aus Rechtsgründen nicht möglich.
1. § 97 Abs. 3 GWB darf nicht so ausgelegt werden, dass über den in den Verdingungs-
ordnungen und im Mittelstandsförderungsgesetz gewährleisteten Schutz mittelständischer Interessen hinaus eine generelle Bevorzugung der mittelständischen Interessen bei der Auftragsvergabe geschaffen werden darf.
Grundsätzlich ist die Wirtschaftlichkeit gemäß § 97 Abs. 5 GWB das einzig sachge-rechte Kriterium der Vergabeentscheidung. Das wirtschaftlichste Angebot ist dasjenige Angebot, bei dem das günstigste Verhältnis zwischen der gewünschten Leistung und dem angebotenen Preis erzielt wird. Maßgebend dafür sind ausschließlich
auftragsbezogene
Umstände, nur solche auftragsbezogenen Umstände dürfen z.B. auch in den Vergabebekanntmachungen als Wertungskriterien genannt werden. Nicht auftragsbezogene Umstände dürfen als Kriterien bei der Wertung nicht herangezogen werden. Das Kriterium “Mittelstandsförderung” ist kein auftragsbezogener Umstand in diesem Sinne.
Nach § 97 Abs. 4 2. Halbsatz GWB dürfen andere oder weitere Anforderungen als an
die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn das durch
Bundes- oder Landesgesetz
vorgesehen ist. Dies gilt vor
allem für den Bereich sog. vergabefremder Anforderungen.
Für den Anwendungsbereich der EU-Vergaberichtlinien hat dazu der EuGH festgestellt, dass es Mitglieds
staaten
nicht verwehrt ist, über die in den Richtlinien hinaus enthaltenen Bestimmungen weitere materiell-rechtliche Kriterien für die Vergabe von Aufträgen aufzustellen, in jedem Fall müssten die Kriterien vorab jedoch publiziert werden. Zudem müssen die weiteren Bedingungen stets mit den übrigen Vorschriften des EG-Vertrags zum freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, insbesondere Art. 6, 7 Abs. 2, 30, 59, 62, 92 EGV, vereinbar sein.
Zu abweichenden Sonderregelungen ist mithin nur der Gesetzgeber des Mitglieds-staates berufen. Mit dem MFG und den Verwaltungsvorschriften zum MFG, liegen abschließende Äußerungen vor, die die Stadt in den Vergabevorschriften § 7 Abs. 3 VergO, Nr. 17.4 Zusätzliche Vertragsbedingungen EVM (L) ZVB sowie Nr. 2.2.11 Besondere Vertragsbedingungen BVB/VOL berücksichtigt hat.
2. Überdies haben die Prinzipien der Mittelstandsförderung in die Verdingungsordnun-
gen über die Aufteilung der Aufträge in Lose hinaus Eingang gefunden.
Der Mittelstandsförderung dienen im
Bereich der VOB
:
“- § 4 Nr. 2 VOB/A:
Umfangreiche Leistungen sollen möglichst in Teillose zer-
legt und nach Teillosen vergeben werden;
- § 4 Nr. 3 VOB/A:
Bauleistungen verschiedener Handwerks- und Gewerbe-
zweige sind nach Fachgebieten oder Gewerbezweige getrennt als Fachlose
zu vergeben;
- § 25 Nr. 6 VOB/A:
Angebote von Bietergemeinschaften sind wie solche von
Einzelbewerbern zu behandeln;
- § 14 VOB/A:
Sicherheitsleistungen dürfen nur im Rahmen der getroffenen
Regelungen gefordert werden;
- § 9 VOB/A:
Die zu erbringende Leistung muss eindeutig und erschöpfend be-
schrieben werden;
- § 20 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A:
Bei umfangreichen Vorarbeiten der Bewerber für
die Angebotsbearbeitung muss eine Entschädigung gezahlt werden;
§ 12 Nr. 3 VOB/B:
Die Abnahme der Leistung darf nur bei wesentlichen Män-
geln verweigert werden;
- § 16 Nr. 6 VOB/B:
Der Auftraggeber darf Zahlungen unmittelbar an Nachun-
ternehmer leisten, wenn der Auftragnehmer in Zahlungsverzug ist.
Außerdem wird auf das sich aus dem Text der VOB/A nur indirekt ergebende Verbot der Vergabe von Bauleistungen an Generalübernehmer ausdrücklich
hingewiesen.
Der Mittelstandsförderung dienen
im Bereich der VOL/A:
- § 5 Nr. 1:
Der Auftraggeber hat in jedem Fall, indem dies nach Art und Umfang der Leistung zweckmäßig ist, diese – z.B. nach Menge, Art – in Lose zu zerlegen. Die einzelnen Lose müssen so bemessen sein, dass eine unwirtschaftliche Zersplitterung vermieden wird.
- § 7 Nr. 3:
Bei beschränkter Ausschreibung und freihändiger Vergabe sind regelmäßig auch kleine und mittlere Unternehmen in angemessenem Umfang
zur Angebotsabgabe aufzufordern.
- § 7 Nr. 1 Abs. 2:
Arbeitsgemeinschaften und andere gemeinschaftliche Be-
werber sind Einzelbewerbern gleichzusetzen.
- § 10 Nr. 1 und 2:
Etwaigen Unterauftragsnehmern sollen insgesamt keine ungünstigeren Vertragsbedingungen vom Hauptauftragnehmer auferlegt werden, als sie ihm gegenüber im Hauptvertrag mit dem Auftraggeber festgelegt sind.
- § 10 Nr. 2:
In den Verdingungsunterlagen ist festzulegen, dass sich der Auf-
tragnehmer zu bemühen hat, Unteraufträge an kleinere und mittlere Unternehmen zu vergeben, soweit der Auftragnehmer dies mit der vertragsgemäßen Ausführung der Leistung vereinbaren kann.
- § 27 Nr. 2:
Zusammen mit der Mitteilung über eine mögliche Ablehnung des
Angebots sind die hierfür ausschlaggebenden Gründe z.B. preisliche, technische, funktionsbedingte, gestalterische, ästhetische Gründe bekannt zu geben. Der erfolglose Bieter muss über die Anzahl der abgegebenen Angebote sowie über den niedrigsten und höchsten Angebotspreis informiert werden, wenn der Zuschlagspreis über 10.000 DM liegt.
Weitergehende Zugeständnisse dürfen
im Vergabeverfahren
nicht gemacht werden.
3. § 97 Abs. 7 GWB gewährt den Unternehmen einen Anspruch darauf, dass der Auftrag-geber die Bestimmungen über das
Vergabeverfahren
einhält. Bereits der Wortlaut des
§ 97 GWB verbietet eine Auslegung als Schutzvorschrift für den Mittelstand.
4. Ortsansässige Bieter dürfen allein vor dem Hintergrund, dass sie einen wesentlichen Beitrag zu den Stadtfinanzen leisten, nicht bevorzugt werden. Es handelt sich um kei-nen auftragsbezogenen Gesichtspunkt und damit um einen vergabefremden Aspekt.
Die Ortsansässigkeit kann im Einzelfall allenfalls berücksichtigt werden, soweit sich
aus ihr wirtschaftliche Vorteile für den Auftraggeber in Bezug auf die zu vergebende Leistungen und ihre Ausführungen ergeben, weil es z.B. wichtig ist, für Wartungs-,
Gewährleistungs- und Instandhaltungsarbeiten kurzfristig auf die Auftragnehmer zu-
rückgreifen zu können. Dies setzt aber voraus, dass der Auftraggeber solche Kriterien als Zuschlagskriterien in den Auftragsunterlagen oder in der Bekanntmachung genannt hat. Als “allgemeines Auswahlkriterium” kann dies nicht dienen.
Dr. Wolfgang Schuster